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Von Ufos und Aliens
Der Astrobiologe Daniel Angerhausen sucht an der ETH nach anderen Welten mit Leben. Ein Gespräch über mysteriöse Flugobjekte, Aliens und die Fortschritte bei der Beobachtung von Planeten in fernen Sonnensystemen.
Text: Ralf Kaminski
Daniel Angerhausen, es gibt zahllose Menschen, die glauben, ein Ufo gesehen zu haben oder gar von Aliens entführt worden zu sein. Alles Unsinn? Oder könnte da doch etwas dran sein? Man kann es nicht ausschliessen. Aber ich habe bisher noch nie etwas gesehen oder gehört, das mich überzeugt hätte, dass da tatsächlich Ausserirdische im Spiel waren. Wichtig sei, dass man solche Fragen nicht mehr länger tabuisiere und sich ihnen endlich mit wissenschaftlicher Systematik nähere, sagten Sie kürzlich. Zum Beispiel, wie? Indem man offen und vorurteilsfrei aufgrund der vorhandenen Fakten herauszufinden versucht, was Sache ist. Bisher haben sich vor allem Pseudowissenschaftler oder selbsternannte UfoExperten mit dem Thema befasst – mit dem Ziel, Beweise für Aliens zu finden. Der wissenschaftliche Ansatz ist, erst mal unvoreingenommen abzuklären, welche alternativen Erklärungen es gibt und ob die sich ausschliessen lassen.
Und damit beschäftigen sich inzwischen viele seriöse Wissenschaftler? Sagen wir es so: Man zerstört als Forscher nicht mehr sofort seine Karriere, wenn man sich mit solchen Fragen befasst.
vielleicht aber auch Pflanzen oder sogar «kleine grüne Männchen». So kam das Thema aus der Schmuddelecke heraus.
Aber bisher gibts keine Beweise, dass es irgendwo da draussen tatsächlich Leben gibt? Nein.
Was macht man denn als Astrobiologe den ganzen Tag? Am Anfang meiner Karriere war ich viel unterwegs, verbrachte ein, zwei Nächte bei einem Teleskop und erhielt daraus eine Fülle von Daten, die mich ein
Sind wir ein kosmischer Zufall – oder doch nicht? Blick auf die Erde, aufgenommen vom Space Shuttle Discovery.
«Es gibt viele alternative Erklärungen, die letztlich plausibler sind als Ausserirdische.»
Bilder: Getty Images, zVg
Wie kommt es zu dieser Entkrampfung? Nicht zuletzt wegen der vielen Planeten, die in den vergangenen Jahren in anderen Sonnensystemen entdeckt wurden. Lange dachte man, dass Planetensysteme wie unseres ein kosmischer Zufall sind – eine seltsame Ausnahme. Aber mehr und mehr dieser Exoplaneten befinden sich in Zonen, in denen theoretisch Leben wie auf der Erde möglich sein könnte. Vielleicht nur Bakterien, warnen, dass wir besser nicht zu offensiv auf unsere Existenz aufmerksam machen sollten. Angenommen, du wachst alleine nachts im dunklen Wald auf: Willst du da wirklich schreien? Wer weiss, was dich dann findet. Andere glauben, dass eine Zivilisation, die so hochentwickelt ist, dass sie mittels Raumfahrt bis zu uns kommt, nur friedlich sein kann. Interessant ist, dass man beim Nachdenken über diese Dinge gleichzeitig unsere Gesellschaft hinterfragt. Fiktional gibt es zahllose Begegnungen mit Aliens, die aber nur selten gut ausgehen. Es ist halt auch spannender zum Schauen oder Lesen, als wenn Harmonie herrscht. Allerdings ging es auf der Erde selten gut aus für die Entdeckten. Die Entdecker brachten Krankheiten mit und wollten erobern.
halbes Jahr am Computer beschäftigten. Waren die Daten spannend, schrieb ich ein Paper und ging damit auf ein paar Konferenzen. Inzwischen besteht ein Grossteil meiner Arbeit aus Management und Organisation für die Missionen, die wir planen. Aber zu rund 30 Prozent bin ich noch immer mit konkreter Forschung beschäftigt. Derzeit gerade mit Berechnungen, wie man mit künftigen Teleskopen auf Exoplaneten Phosphorwasserstoff messen kann, das ein Hinweis auf ausserirdisches Leben sein könnte. Auch dafür sitze ich primär am Computer. Kürzlich hat die US-Regierung einen Bericht veröffentlicht, in dem 143 Sichtungen von unidentifizierten Flugobjekten dokumentiert sind, für die es keine eindeutige Erklärung gibt. Auch in der Schweiz gibt es solche Sichtungen. Wie ordnen Sie das ein? Die Frage ist auch hier: Gibt es alternative Erklärungen, und kann man die ausschliessen? Wer hat unter welchen Umständen diese Objekte gesichtet? Meistens sind das Kampfpiloten. Und in der Regel sehen sie die nicht, während sie aus dem Fenster schauen, sondern zum Beispiel durch eine Infrarotkamera. Zudem neigen sie dazu, alles, was sie sehen, erst mal als fliegendes Objekt einzuordnen. So wie ich am Teleskop einen Pixelfehler erst mal als neuen Stern interpretieren würde, den ich gerade entdeckt habe. Also alles Hirngespinste? Man glaubt eben immer, das zu sehen, was man halt ohnehin oft sieht. Ausserdem ist unsere Atmosphäre – wie die Tiefsee – nicht besonders gut erforscht. Da mag es Phänomene geben, mit denen wir einfach noch nicht vertraut sind. Und wenn es tatsächlich ein Flugobjekt ist, könnte es nicht auch ein Geheimprojekt einer irdischen Luftwaffe sein? Es gibt viele Alternativen, die wir nicht ausschliessen können und die letztlich plausibler sind als Ausserirdische. Die wir aber auch nicht ausschliessen können.
Aber weshalb sollte eine ausserirdische Zivilisation uns jahrzehntelang beobachten, jedoch nicht «offiziell» Kontakt aufnehmen? Darüber kann man beliebig spekulieren. Auch über die Frage, wieso hochentwickelte Flugobjekte ausgerechnet über der Wüste in New Mexico ihren Geist aufgeben und abstürzen … Eine These ist, dass sie aus der Ferne auf uns aufpassen. Vielleicht haben sie Angst vor uns? Die Menschen haben nicht die beste Bilanz im Umgang mit anderen Lebewesen … Das ist so. Aber viele argumentieren genau andersrum und
Astrophysiker und -biologe
Daniel Angerhausen (44) forscht an der ETH Zürich im Bereich Exoplaneten und Leben im All. Zudem ist er Projektmanager beim neuen Weltraumteleskop «Life». Der Kölner hat in Deutschland studiert, fünf Jahre bei der Nasa in den USA gearbeitet und forscht nun seit vier Jahren in der Schweiz. Er lebt in Bern.
Eines Ihrer Fachgebiete sind Exoplaneten – wie viele hat man inzwischen entdeckt? Stand Mitte August sind es 4466. Aber es kommt nahezu wöchent
lich ein neuer hinzu. Der erste überhaupt wurde ja 1995 von den Schweizern Michel Mayor und Didier Queloz entdeckt, die dafür auch mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Mit den damaligen technischen Mitteln fand man vor allem grosse Gasriesen. Inzwischen entdecken wir dank besserer Teleskope auch viele kleinere Planeten.
Wie kann man feststellen, ob auf denen Leben ist? Bisher kann man das noch nicht, aber die nächste Generation von Teleskopen wird das ändern. Fänden wir eine Erde, die 30 Lichtjahre entfernt ist, könnten diese Teleskope zum Beispiel Sauerstoff und Methan in der Atmosphäre messen, was darauf schliessen lassen könnte, dass es dort Photosynthese gibt. Mit dem «Life»-Teleskop, an dem ich federführend mitarbeite, könnte man sogar bis auf die Oberfläche schauen und sehen, ob es da Gestein, Wald oder Wasser gibt. Wann ist es so weit? Das «Life»-Teleskop, das erstmals gezielt für die Erforschung von Exoplaneten gebaut wird, dürfte bestenfalls in 15 bis 20 Jahren einsatzbereit sein. Aber noch dieses Jahr soll das JamesWebb-Teleskop in den Weltraum gebracht werden. Falls wir in unserer Nachbarschaft einen erdähnlichen Planeten finden, liesse sich mit diesem Teleskop herausfinden, ob es dort Wasser oder Sauerstoff gibt. Grundsätzlich könnte Leben auch ganz anders aussehen als bei uns, nicht? Genau. Und das ist eine Herausforderung, weil wir gar nicht wissen, wonach wir genau suchen. In einer solchen Situation gibts zwei Vorgehen: Erstens sucht man nach dem, was man kennt, beziehungsweise nach dem, was Leben bei uns ermöglicht: Wasser, Sauerstoff etc. Zweitens schaut man nach allem, das irgendwie aus dem Rahmen fällt – etwa wenn sich zwei Moleküle in der Atmosphäre befinden, die sich eigentlich gegenseitig auflösen. Ist ein Planet in einem Zustand, den er natürlicherweise nicht haben sollte, schauen wir genauer hin. Die Distanzen im All sind riesig: Welche müsste ein Raumschiff hinter sich haben, um hierherzukommen? Der nächste richtige Stern in unserer Nähe ist Proxima Centauri, vier Lichtjahre von uns entfernt. Der hat auch einen Planeten in der bewohnbaren Zone. Eine Whatsapp-Nachricht, die mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs ist, käme dort in vier Jahren an. Bis zur Antwort würde es also acht Jahre dauern.
Wie lange würde unser bisher schnellster Flugkörper bis dorthin brauchen? Das ist die Raumsonde «New Horizons», die 2006 startete und 2015 als Erste Pluto erreicht hat. Sie würde um die 80000 Jahre brauchen bis Proxima Centauri. Es gibt übrigens tatsächlich Pläne eines Milliardärs, eine Sonde dorthin zu schiessen. Mit Hilfe eines Sonnensegels, das von der Erde aus mit Lasern beschossen und damit auf 25 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird. Die wäre dann in 20 Jahren dort, aber noch gibt es keine technische Lösung für diesen Antrieb. Würde es das Selbstverständnis der Menschheit erschüt
«Unser bisher schnellstes Schiff würde 80 000 Jahre bis zum nächsten Stern brauchen.»
tern, wenn irgendwann klar wäre: Jawohl, wir sind nicht allein im Universum? Nicht allzu sehr, glaube ich, ehrlich gesagt. Das Thema beschäftigt uns nun schon eine Weile. Die folgenden 20, 30 Jahre werden hier grosse Fortschritte bringen, weil wir nun die nötige Technologie haben. Wir werden die erste Generation sein, die diese uralte Frage wird beantworten können.
Der Mars wird derzeit sehr intensiv erforscht. Müsste man da nicht bald mal Leben entdecken, falls es welches gibt? Ja, aber es bleibt schwierig, Leben ganz auszuschliessen, auch wenn man nichts findet. Es könnte immer noch sein, dass irgendwo in einer Pfütze am Nordpol eine Bakterie hockt. Generell ist es schwierig zu beweisen, dass es etwas nicht gibt. Gibt es Leben unter der Oberfläche der Eismonde weiter draussen im Sonnensystem? Auch da kann man wunderbar spekulieren. Es gibt definitiv Ozeane unter dem Eis einiger dieser Monde, Genaueres wissen wir noch nicht. Aber es sind bereits zwei Nasa-Missionen in Planung, der Europa Clipper zum Jupitermond Europa, irgendwann nach 2024; ausserdem die Dragonfly, die 2027 zum Saturnmond Titan starten und 2036 dort landen soll.
Aber im Prinzip ist noch unklar, ob es für die Astrobiologie überhaupt etwas zu erforschen gibt, nicht? Selbst wenn wir das einzige Leben im All sein sollten, gibt es ganz viele Fragen für die Astrobiologie. Denn wie das Leben auf der Erde begonnen hat, ist noch immer unklar. Es könnte auch von aussen gekommen sein. Haben Sie für Ihre Arbeit an der ETH genügend Mittel zur Verfügung? Ja, in der Regel über die Nasa oder die Esa. Ergänzt durch Forschungsgelder der ETH und anderer europäischer Hochschulen, mit denen wir zusammenarbeiten. Oder durch Beiträge staatlicher Förderstellen. Die Rückstufung der Schweiz beim EU-Forschungsprogramm Horizon hat uns ein wenig auf dem falschen Fuss erwischt. Wir hoffen, dass es da mittelfristig eine Lösung gibt. Unsere Arbeit funktioniert nur mittels internationaler Kollaboration.
Als Deutscher könnten Sie notfalls an eine andere Hochschule in der EU wechseln. Schon, aber erstens gefällt es mir sehr in der Schweiz. Und sie ist auch ohne Horizon ein Topforschungsplatz, gerade auf meinem Gebiet. Ausserdem ist mir das «Life»-Projekt wirklich wichtig. Wenn ich ein Ziel in meinem Leben habe, dann bei dem Team dabei zu sein, das Leben im All findet. Und mit diesem Projekt haben wir eine echte Chance dazu. MM
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