MAGAZIN #21
#SporthundPraxistreff 2023 IGP
Helfer-Workshop mit Yannick Kayser
#SporthundPraxistreff 2023 THS
Workshop mit Pia Schmalzbauer + Renzo Cappello
Stinkt der Fisch immer zuerst vom Kopf
Menschliche Sichtweisen auf Dominanz + Führung
Kastration vs. Sterilisation
Informieren, abwägen, entscheiden
∙ ∙ ∙ Hundesport-Themen ∙ kynolog. Fachbeiträge ∙ Interviews ∙ Produktvorstellungen ∙ ∙ ∙
August / September / Oktober 2023
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EDITORIAL
Unser Heft 21 ist diesmal sehr praxisorientiert, denn Sporthund hat seit Jahresbeginn eine Reihe von Praxistreffen in verschiedenen Sportarten begleitet. Die aktuellsten möchten wir unseren Kunden näherbringen, weil die Referenten jeweils absolut überzeugt haben.
Wenn es um die Anleitung von Anfängern geht, braucht es beim Lehrenden vor allem eins: Kompetenz! Aber genau die definiert jeder anders, weil sich-gut-verkaufenkönnen, Schlagfertigkeit, Kooperationsvermögen und Hilfsbereitschaft zwar Fähigkeiten sind, sich aber auf die soziale Ebene beschränken und damit nur ein Drittel einer Kompetenz ausmachen. Zu dieser gehören immer auch noch zwei andere Teile, die vielleicht auch etwas mehr Bedeutung haben sollten, aber oft hinter der Sichtbarkeit des sozialen Teiles stehen. Zumindest am Anfang. Kompetent sein heißt auch, theoretisches Wissen und eigene praktische Erfahrungen zu haben, Fertigkeiten körperlicher und geistiger Natur gut zu beherrschen.
Für den Hundesport bedeutet das eben, dass kynologisches Grundwissen absolut unabdingbar ist und neben den grundlegenden motorischen Fähigkeiten auch die geistigen für die praktischen Anwendung „im Boot sitzen“ müssen!
Kompetenz beginnt also schon bei grundlegenden Aspekten des Zusammenlebens: Dominanz durch Fähigkeit, nicht durch Aggression!
Nun aber wieder viel Spaß beim Lesen und Rätseln!
Autoren dieser Ausgabe
MIKE SCHEFFNER ist Drehbuchautor und freier Journalist. Der zertifizierte Hundetrainer und Verhaltensberater (IHK) ist spezialisiert auf die Resozialisierung von ängstlichen und aggressiven Hunden. Auf seinem YouTube-Kanal „CaniKult“ gibt er Ausbildungstipps. Seine Hunde bildet er im IGP- Bereich aus. Seit Anfang 2023 ist er bei Sporthund im „Team Sporthund Blog“.
FRANSI ROTTMAIER ist seit 1997 im Schlittenhundesport aktiv. Die gelernte „Fachkraft für Schutz und Sicherheit“ stieg 2005 als Zeitsoldatin auf die Arbeit mit Dienstgebrauchshunden um. Als Referentin und Beraterin über Aggressionsverhalten, Selbstschutz und Mikromuster-orientierter Verhaltensanalyse machte sie sich europaweit einen Namen.
INKA STONJEK lebt in Schweden und arbeitet von dort als freie Fachjournalistin, PR-Beraterin und Konzeptionerin. Inhaltlich geht es bei der Ernährungswissenschaftlerin meist um das große Themenspektrum Essen und Trinken. Mit ihrem 7-jährigen Australian Shepherd ist sie im schwedischen Brukshundklubben u.a. im Agility aktiv.
Unser Titelbild „Schwungvoll alt werden“
zeigt Malinois Mika – einen der erfolgreichsten Hunde im THS der letzten Jahre
HF: Pia Schmalzbauer
Foto: Constanze Rähse
sporthund.de ∙[Heft 3/2023] 3
"Große Fähigkeiten allein genügen nicht: Man muss sie auch gebrauchen." François de La Rochefoucauld (* 1613-1680)
Chefredakteurin SPORTHUNDMAGAZIN
#SPORTHUND PRAXISTREFF
HELFER-WORKSHOP MIT YANNICK KAYSER
Foto: Jan Redder
WISSEN SCHAFFT VERANTWORTUNG
TEXT: MIKE SCHEFFNER
FOTOS: CONSTANZE RÄHSE
Der Hund muss beißen und beim Verbellen ordentlich hämmern! Okay, er muss sich auch abrufen und führen lassen. Und den Ärmel wieder loslassen, wenn man es ihm sagt. Aber ist das alles, worum es im Schutzdienst geht? Oder steckt der Teufel vielleicht im Detail? Einer der modernen Exorzisten, der Luzifer verjagt, indem er jedes Detail im Schutzdienst beleuchtet, ist Yannick Kayser. An seiner Seite, nicht nur im echten Leben, sondern auch im Hundesport, ist seine Partnerin Anne Eisemann. Die beiden arbeiten in ihren Seminaren und Workshops perfekt zusammen. Von der präzisen Analyse der beiden, was exakt in jeder Übung im Schutzdienst passiert, welche lerntheoretischen Abläufe auf den Hund wirken und welche Emotionen dabei ins Spiel kommen, profitierten am 23. Juni die Teilnehmer des Sporthund Praxistreffs beim TSG Schlegel. Eine bunt gemischte Truppe hatte sich zum Workshop eingefun-
den – vom Anfänger, der zum ersten Mal einen Ärmel anhatte, bis zum erfahrenen Figuranten, der am nächsten Tag zu einer Helfersichtung für eine Meisterschaft fuhr. Yannick war so nett, mir Einblick in seine Philosophie der Ausbildung im Schutzdienst zu gewähren, so dass auch ihr euch jetzt an seinem Wissensschatz bereichern könnt.
Natürlich achtet Yannick von Anfang an auf gute Griffe, klare Triebwechsel und dass er keine unnötigen Konflikte schürt, die sich negativ auswirken würden. Spannend wird das Ganze, wenn wir ins Detail gehen. Ihr erinnert euch... die Teufelchen!
SCHUTZDIENST-TRAINING
BRAUCHT KLARE STRUKTUREN
Yannicks Konzept beruht darauf, Beute und Aggressionsverhalten genau in dem Maß zu fördern, dass der Hundeführer es kontrollieren kann. „Ich katapultiere Hunde nicht in Triebbereiche, die dann nur noch schwer händelbar sind“, erklärt Yannick mir direkt am Anfang unseres Gesprächs. Das heißt nicht, dass er nicht immer bestrebt ist, das Beste herauszuholen. „Wenn ich ein passendes Hund-Hundeführer-Team habe, versuche ich natürlich in maximale Triebbereiche zu kommen, aber unter ständiger Möglichkeit der Impulskontrolle, so dass das alles jederzeit durch den Hundeführer regulierbar ist. Unterm Strich kommt so für alle mehr raus, denn ohne eine adäquate Kontrolle des Hundes, kann niemand eine Prüfung bestehen.“
„Für mich muss immer alles lerntheoretisch einen Sinn ergeben. Dabei spielen die vier Quadranten der instrumentellen Konditionierung eine wichtige Rolle – positive und negative Verstärker, sowie die positive und negative Strafe. Alle vier Quadranten kommen in einem maßvollen und gesunden Verhältnis zum Einsatz.“
positive Verstärkung
= positive Belohnung
Zugabe einer Konsequenz
Beispiel: Angenehmes wird zugefügt, Hund bekommt Triebziel.
positive
Bestrafung
= positive Strafe
Zugabe einer Konsequenz
Beispiel:
Unangenehmes wird hinzugefügt.
negative Verstärkung
= negative Belohnung
Wegnahme einer Konsequenz
Beispiel: Unangenehmes wird entfernt.
negative
Bestrafung = negative Strafe
Wegnahme einer Konsequenz
Beispiel: Angenehmes wird entfernt.
Vier Quadranten der instrumentellen Konditionierung
sporthund.de ∙[Heft 3/2023] 5 #SPORTHUNDPraxistreff:
HUNDESPORT
Wissen schafft Verantwortung
Verhalten tritt seltener auf Verhalten tritt häufi ger auf
Eine gute und vor allem sichere Technik ist die Grundlage einer Helferarbeit, die dem Hund und auch dem Helfer Verletzungen erspart.
Ansonsten ist Yannick „Methoden offen“ oder besser gesagt, er macht die Herangehensweise komplett von Hund und Hundeführer abhängig und sucht individuell nach Wegen, die das Team am besten voranbringen.
„Meine erste Wahl beim Junghundeaufbau ist das Helfertreiben. Ich bin der Meinung, dass ich in die Bereiche, die ich dadurch ansprechen möchte, nicht mehr hereinkom-
me, wenn der Hund bereits eine Erwartungshaltung entwickelt hat, dass er vom Helfer ein Beuteobjekt bekommen kann.
Für mich gibt es deshalb nur die sinnvolle Reihenfolge, dass der Beuteschutzdienst auf das Helfertreiben aufbaut. Das macht für mich lerntheoretisch nur so herum
Sinn, weil das eine auf einem negativen Verstärker aufbaut (etwas Unangenehmes hört auf) und das andere die Erwartung auf
einen positiven Verstärker fördert (etwas Positives wird hinzugefügt). Und wenn ich beides kombinieren möchte, dann macht es nur Sinn, einen positiven Verstärker auf einen negativen folgen zu lassen und nicht umgekehrt.“
„Das ist ein Versuch mit dem Helfertreiben. Der Hund muss innerhalb von wenigen Trainingseinheiten Freude daran entwickeln, sich mit dem Helfer auseinanderzusetzen und den Helfer zu kontrollieren. Wenn das nicht der Fall ist, dann switche ich um und wähle den Aufbau über die Beute.“
IMPULSKONTROLLE FÖRDERT DAS LERNEN
Yannick ist es wichtig, die Impulskontrolle des Hundes von Anfang an zu stärken.
„Jeder Hund, den ich trainiere, nimmt im Schutzdienst Futter an. Das ist für mich die erste Form von Impulskontrolle im Welpenalter. Sobald ich erkenne, dass ein Hund mit einer gewissen Erwartungshaltung zum Helfertreiben auf den Platz kommt, führe ich Impulskontrollen ein. Das Futter, das der Hund im Schutzdienst nehmen muss, ist ein positiver Verstärker. Er ist es aber nur dann, wenn der Hund es auch als solchen empfindet. In dem Moment, wo das Interesse
Yannick erklärte in seiner Theoriestunde ganz genau, worauf es beim sicheren Abfangen der Hunde technisch ankommt. Am Nachmittag wurde das praktisch geübt und Hannes Martinke aus dem ausrichtenden Verein TSG Schlegel hat das sehr gut umgesetzt.
am Futter nicht gegeben ist, switche ich die ganze Geschichte um und mach einen negativen Verstärker daraus. Ich vermittele dem Hund, dass es ohne Essen nicht weiter geht. Das ist die erste Form der Impulskontrolle. Essen ist so was Einfaches, das kann jeder Welpe. Dazu muss er nichts gelernt haben. Das führe ich ein, damit der Hund – auch in Gegenwart des Helfers – zur Ruhe kommt. Erst wenn er den Triebwechsel zur Ruhe auch zeigen kann, geht das Helfertreiben bzw. der Schutzdienst mit der Beute weiter.“
„In der Impulskontrolle muss der Hund aktiv eine Entscheidung treffen: er muss sich beherrschen und „selbst bestätigendes Verhalten“ unterlassen“ erklärt Yannick weiter. „Deshalb bin ich an der Stelle kein Fan von Pfahlarbeit bzw. generell von der Leine. Die löst oft Missverständnisse aus, weil der Hundeführer unbewusst damit Signale sendet oder Fehler verhindert.
Es gibt grob gesagt zwei Fehler:
Fehler entsteht durch mangelndes Verständnis in der Ausbildung. Da muss ich über Hilfen den Fehler vermeiden, damit der Hund etwas lernt.
Fehler entspringt aus mangelnder Impulskontrolle. Dieser Fehler darf nicht vermieden werden, wenn ich ihn aus der Welt schaffen möchte. Dieser Fehler muss passieren. Nur dann kann der Hund lernen, in Zukunft eine Entscheidung gegen dieses Ver-
halten zu treffen. Meine Hundeführer müssen deshalb immer lernen, die Leine kontrolliert zu nutzen. Das bedeutet, sie ist zwar dran, aber der Hund wird so gehändelt, als wäre keine Leine da. Sollte der Hund einen Fehler machen, wird er mit Stimme und Körpersprache korrigiert. Er muss lernen, frei zu sitzen – ohne Leinenkontakt.“
Die Hundeführer, die regelmäßig mit Yannick arbeiten, müssen auch kleine Hausaufgaben als Vorbereitung für den Einsatz im Schutzdienst erledigen.
sporthund.de ∙[Heft 3/2023] 7
HUNDESPORT
#SPORTHUNDPraxistreff: Wissen schafft Verantwortung
HUNDEFÜHRER VERBELLEN FÜR BEUTE ERGÄNZT DAS HELFERTREIBEN
„Technisch lernen die Hunde das Verbellen am Hundeführer. Das findet auch parallel statt, wenn der Hund durch Helfertreiben aufgebaut wird. Wir benutzen dafür in erster Linie Futter und setzen das Verbellen für Beute nur gegebenenfalls ein. Der Hundeführer blockiert Futter oder Beute, der Hund bekommt Frust und beginnt zu bellen. Das funktioniert in der Regel sehr gut. Habe ich aber einen Hund, der auf diesen Konflikt nicht „laut“ wird, sondern mit einem anderen Ersatzverhalten reagiert, dann ist dieses System keine Option. So ein Hund „macht sich zu“ und kriegt das Bellen auf diesem Weg nicht hin.“
Auch das „Aus“ lernen die Hunde natürlich außerhalb des Schutzdienstes vom Hundeführer.
„Bevor es im Schutzdienst eingesetzt wird, haben die Hunde schon eine Idee vom „Aus“ bzw. vom Tauschen – also Beute gegen Futter und dann wieder zurück in die Beute. Das können die Hunde bevor sie bei mir beißen.“ Das Training des Kommandos „Aus“ empfiehlt Yannick übrigens, nicht mit einem Ball mit Schnur zu machen.
„Wenn ich die Aus-Übung mache und halte dabei die Schnur fest, dann findet in dem Moment, wo der Hund den Ball loslässt, jedes Mal eine kleine negative Strafe statt, weil der Ball herunterfällt, weg vom Hund. Somit konditioniere ich eine negative Strafe auf das Öffnen des Fangs. Ich finde deshalb folgende Variante der Übung mit einer Beißwurst besser: Ich vermittele dem Hund, dass er den Fang aufmachen und zehn Zentimeter Abstand zur Beißwurst einnehmen soll.
Das ist mit einem Ball nicht möglich, wenn der sich jedes Mal an der Kordel vom Hund wegbewegt. Dann denkt der Hund immer nach vorne – zur Beute – ich möchte aber einen Hund haben, der beim Aus – nach hinten denkt – weg von der Beute. Das ist für mich ein ganz elementarer Punkt, warum Spiel mit dem Ball oft Konflikte auslöst.“
„Aus“ und Verbellen sind vorbereitet. Wie beginnt Yannick nun den Junghundeaufbau konkret?
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„Wenn ich mit dem Helfertreiben beginne, dann mache ich das eine gewisse Zeit lang einmal pro Woche. Dann folgt eine Pause von vier bis sechs Wochen, damit der kleine Hund sich in seiner Persönlichkeit weiterentwickeln kann. Wenn alles gut läuft, dann mache ich solche Blöcke zwei- oder dreimal und zwischen dem siebten und zwölften Lebensmonat bringe ich dann die Beute ins Spiel – je nach Veranlagung des Hundes.
Ist es dann soweit, lernen die Hunde als allererstes eine gute Anbisstechnik. Der Hund muss sich kraftvoll vom Boden abdrücken, das Maul öffnen, voll und fest zubeißen und dann den Griff ruhig halten. Wenn diese Technik optimal funktioniert, dann setze ich sie auf die komplexeren Übungen wie die kurze Flucht, lange Flucht etc. um.
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sporthund.de ∙[Heft 3/2023] 9
#SPORTHUNDPraxistreff: Wissen schafft Verantwortung HUNDESPORT
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ÄRMEL TRAGEN BRINGT NICHTS
Yannick ist übrigens kein Fan davon, dass der Hund die gewonnene Beute herumträgt. „Wenn ich bei einem Hund am ruhigen Griff arbeiten muss, sehe ich keinen Sinn darin, dass er die Beute „unkontrolliert“ herumträgt. Wenn er dabei anfängt zu knautschen, dann ist das kontraprodukt iv. Ein Hund braucht immer einen Job.
Das bedeutet, dass die Beute einen Job zur Folge haben muss und dass es da nicht zur freien Entscheidung kommt.“
Auch wenn es um das Thema „Kontern“ geht, hat Yannick eine klare Meinung. „Ich bin in den allermeisten Fällen gegen das Kontern. Es gibt Kontern, das mag ich sehr. Das ist dann, wenn ich merke, der Hund hat Spaß daran. Er setzt sich mit dem Helfer und der Beute auseinan -
der. Das finde ich gut, das lasse ich auch zu, solange es die Griffe nicht negativ beeinflusst. Und es gibt Kontern, da bin ich entschieden dagegen. Das ist, wenn es gezielt über negative Verstärker aufgebaut wurde. Der Hund denkt dann vom Helfer weg. Das mag ich gar nicht. Ein Hund, der kontert, weil er vom Helfer weg möchte, macht für mich nicht den Schutzdienst, den ich gern sehen möchte. Kontern sollte das Spiel auch nicht beenden. Der Hund soll mit der Beute zurück zum Helfer kommen, ihn anspringen und so klar zeigen, dass er sich weiter mit ihm auseinandersetzen will.“
Der Schutzhundesport gerät immer mal wieder in die Kritik. Wie weit darf man das Aggressionsverhalten fördern? Wo ist da für Yannick die Grenze?
„Wir müssen – wie immer im Leben –die Mitte finden. Einen Hund massiv in die Ecke zu drängen und da Verhalten auszulösen, wo der Hund wirklich in den Verteidigungsmodus kommt, wo er sein Leben schützen möchte, das macht keinen Sinn. Da wollen wir nicht hin und da dürfen wir nicht hin. Das Ziel muss sein, dass Hund, Helfer und Hundeführer am Ende alle Spaß daran haben, was sie tun.“
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Das Ärmeltragen kann kontraproduktiv sein, wenn man am ruhigen Griff arbeiten muss. Das unkontrollierte Tragen ist dabei kontraproduktiv.
GUTE SCHUTZDIENSTAUSBILDUNG
IST ABSOLUT TIERSCHUTZKONFORM
Die noch relativ neue Tierschutz-Hundeverordnung legt klar fest, dass man einem Hund bei der Ausbildung keine Schmerzen zufügen darf. Ist es für Yannick ein Problem auf aversive Korrekturen verzichten zu müssen?
„Nein! Ein guter Ausbilder muss alle vier Quadranten der instrumentellen Konditionierung situationsbedingt und angemessen einsetzen können. Aber man muss auch dazu sagen, wenn man als Mensch der
Auslöser für Korrekturen ist, weil man über sinnloses Training den Hund in Bereiche gebracht hat, wo er nicht mehr kontrollierbar ist, dann ist es nicht okay, mit positiver Strafe das wieder einfangen zu wollen. Wenn ich Impulskontrollen von Anfang an einfordere, wenn das normal ist für den Hund, dann komme ich nicht in die Bereiche, dass ich Korrekturen so drastisch einsetzen muss. Da komme ich nicht mehr hin, wenn meine Aufbauarbeit stimmt. Und dann ist unser Training absolut tierschutzkonform.“
Und das ist auch der einzige Weg, unseren Sport in der Öffentlichkeit positiv darzustellen. Wissen schafft Verantwortung. Und die müssen wir als Schutzdiensthelfer übernehmen. Ein unerfahrener Hundeführer kann nicht erkennen, wann sein Hund in einen Bereich kommt, wo er nur noch schwer kontrollierbar ist. Da sind wir in der Verantwortung.
„Und dann müssen wir an der Stelle auch den Schutzdienst abbrechen“, stellt Yannick klar. Wir müssen die Impulskontrolle schaffen! Und wenn die nicht gegeben ist, dann müssen wir das üben, bis sie wieder gegeben ist. Erst dann können wir mit Schutzdienst weiter machen. Wenn ich den Hund nur im Beißen und in den Trieblagen fördere, aber der Hund nicht kontrollierbar ist, dann wird er am Ende auch keine Prüfung machen. Und das ist nicht unser Ziel.“
Ein schönes Schlusswort! Vielen Dank an Yannick und Anne, von der wir im nächsten Artikel wesentlich mehr erfahren werden, dass sie ihr Wissen auf diesem Weg mit uns teilen. Das kann aber auf keinen Fall ersetzen, die beiden mal live und in Farbe zu erleben. Klare Empfehlung an alle Hundeführer und Figuranten: Lasst euch den nächsten Workshop mit Yannick und Anne nicht entgehen.
sporthund.de ∙[Heft 3/2023] 11
#SPORTHUNDPraxistreff: Wissen schafft Verantwortung HUNDESPORT
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#SPORTHUND PRAXISTREFF
WORKSHOP TURNIERHUNDSPORT MIT
PIA SCHMALZBAUER UND RENZO CAPPELLO
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VON WEGEN
TONNENHÜPFEN
TEXT: MIKE SCHEFFNER
FOTOS: CONSTANZE RÄHSE
Das, was in den 70er Jahren als Breitensport mit Hund begonnen hat, hat sich inzwischen zu einer Sportart entwickelt, bei der man heute zu Recht über Leichtathletik mit dem Hund spricht. Bei den Geländeläufen orientiert man sich am Canicross.
Das heißt die Hunde laufen nicht wie früher am Halsband mit, sondern die Läufer tragen Bauchgurt und sind mit einer Jöringleine mit ihrem Hund verbunden. Der trägt ein spezielles Zuggeschirr und macht vorne ordentlich Tempo.
Auch in der Unterordnung hat sich viel getan. „Da sieht man inzwischen richtig großartige Leistungen“, erzählt Pia Schmalzbauer, die zu den erfolgreichsten THSlern in Deutschland gehört.
Auch die Hürden-, Slalom- und Hindernisläufe, die neben der Unterordnung den Vierkampf komplettieren, muss man schon mit null Fehlern und guter Zeit absolvieren, wenn man auf Wettkämpfen vorne dabei sein möchte.
[Heft 2/2022]
Da kam der Sporthund Praxistreff beim SGV Velden am vergangenen Wochenende den 26 Teilnehmern gerade recht. Sie nutzten die Gelegenheit, an einem 2,5 Tage Workshop mit Pia Schmalzbauer und Renzo Cappello ihre Fähigkeiten zu verbessern. Im THS muss man die beiden niemandem vorstellen. Für alle anderen: Sie haben beide mehrfach sowohl bei der VDH, als auch bei der dhv Deutschen Meisterschaft im THS ganz oben auf dem Treppchen gestanden.
Pia Schmalzbauer ist mit ihrem Malinois Mika dreimal hintereinander, auch derzeit sogar amtierend, Deutsche Meisterin im Vierkampf 3 ihrer Altersklasse geworden, hat davor sogar ein viertes Mal gewonnen und zweimal den Vizesieg. Die Disziplin gilt als Königsdisziplin. Der VDH Titel Deutscher „Meister“ ist die höchste Auszeichnung, die man in diesem Sport erreichen kann.
„Beim THS geht es leider nur bis zur Deutschen Meisterschaft“, berichtet Renzo. „Die Verbände haben es bis heute nicht geschafft, eine Europa- oder Weltmeisterschaft zu organisieren. Es hapert unter anderem daran, dass die Prüfungsordnungen nicht in allen Ländern gleich sind. Da müssen wir noch dran arbeiten und da sind wir auch dran.“ Sehr gut! Go for it! Macht THS international!
Renzo ist noch aus einem anderen Grund der perfekte Referent für diesen Workshop. Er weiß nicht nur, wie man gewinnt, er hat mit seinem Deutschen Schäferhund „Chico“ bisher die höchste Punktzahl „ever“ bei einer Deutschen Meisterschaft erreicht. „Chico war mein erster eigener Hund. Ich habe ihn 2009 bekommen. Da war er zehn Monate alt und noch überhaupt nicht sozialisiert. Es war
anfangs nicht so leicht, aber wir sind zu einem Superteam zusammengewachsen und haben uns dann blind verstanden. Mit Chico hatte ich im Vierkampf auf einer Deutschen Meisterschaft meinen größten Erfolg und ich halte bis heute immer noch den Rekord mit 290 Punkten“, erzählt Renzo stolz. Und das kann er auf so eine Leistung auch sein. Wer bei diesem Workshop also etwas lernen wollte, hatte die allerbesten Voraussetzungen.
langweilig. Im Gegenteil, es kam zu dem ein oder anderen AhaEffekt. Das Verstehen der Lerntheorie und sie in der Praxis souverän einsetzen zu können, ist die Basis für die Arbeit mit dem Hund. Da sind sich Pia und Renzo einig.
Pia und Renzo trainieren gerne und auch regelmäßig zusammen, auch wenn sie nicht gerade um die Ecke beieinander wohnen. In der Unterordnung haben sie zwei unterschiedliche Blickwinkel und ergänzen sich in dieser Disziplin deshalb hervorragend. Die Unterordnung haben die beiden deshalb auch gemeinsam mit allen Teilnehmern gemacht. „Da die Gruppe sehr divers war, konnten wir den Leuten, nicht nur in der Unterordnung auch in allen anderen Bereichen, viele verschiedene Dinge zeigen“, freut sich Pia.
„Wenn ihr das nicht wisst, könnt ihr keine Hunde ausbilden.“
Pia und Renzo starteten am Freitag mit drei Stunden Theorie. Da haben wir uns mit dem Thema Lernverhalten beim Hund beschäftigt. Keine leichte Kost, trotzdem wurde es den Teilnehmern nicht
#SPORTHUNDPraxistreff: Von wegen Tonnenhüpfen HUNDESPORT
sporthund.de ∙[Heft 3/2023] 15
„Vom Welpen über Junghunde bis hin zu Hunden, die bereits „Turniererfahrung“ hatten, war alles dabei. Das war super! So konnten wir zeigen, wie man einen Hund aufbaut und wie man noch die letzten kleinen Details bei den Fortgeschrittenen herauskitzelt.“
„Wir haben auch noch unsere eigenen Hunde vorgeführt“, ergänzt Renzo. So konnten die Teilnehmer sehen, wie das Ganze am Ende aussieht, wenn es durchtrainiert ist. Dann konnten wir auch noch Lauftechniktraining machen und zeigen, wie wir daran arbeiten.“
Gelaufen werden muss beim THS ja viel. Wie kann ich es schaffen, nicht über die Hürde zu stolpern, sondern sie souverän zu nehmen? Renzo erklärt es mir: „Beim Hürdenlauf ist die maximale Höhe 40 cm.
Deshalb nutzen wir nicht eine klassische Sprungtechnik wie bei der Leichtathletik. Dabei würden wir während der Flugphase zu viel Zeit verlieren. Wir bringen den Leuten bei, die Hürde zu „überlaufen“. Es geht also mehr um eine spezielle Lauftechnik, als um eine Sprungtechnik. Dann haben wir noch die Wendestange. Auch da kann man viel Zeit verlieren. Wenn du die Wendestange spitz anläufst, dann musst du fast auf Tempo Null runtergehen, damit du sauber darumkommst. Also zeigen wir auch die ideale Technik an der Wendestange. Das sind dann alles Millisekunden, die man hier und da herausholen kann.“
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„Wenn man nicht mehr drüber nachdenken muss, dann hat man es raus.“
SPORTHUND STYLE LEINE
Ist denn dann wirklich jeder Hund für den Sport geeignet? „Prinzipiell schon“, findet Pia. „Es kommt natürlich auch drauf an, welche Ansprüche und Erwartungen man hat. Auf den vorderen Plätzen sieht man schon hauptsächlich Border Collies, Aussies und Malinois.“
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Um auf ein gewisses Level zu kommen und im Wettkampf konkurrenzfähig zu sein, sollte man an allen Stellschrauben drehen. Das bestätigt auch Pia. „Man muss eine gute Lauftechnik lernen. Bei den Hürden ist es sehr wichtig, dass man sich keinen Gedanken darüber machen muss, mit welchem Fuß man an der Hürde ankommt. Das musst du so lange üben, bis es komplett automatisch abläuft .“
Ohne Fleiß, kein Preis! Doch das allein reicht nicht, schließlich hat man im THS beim Laufen immer noch einen Hund mit dabei. „Am Ende ist Geschwindigkeit nicht alles“, wirft Pia ein. Natürlich muss man versuchen, so schnell wie möglich zu sein, aber man muss dabei auch fehlerfrei durch den Parcours kommen und der Hund muss stets auf gleicher Höhe mitlaufen.“
Renzo, der bereits seit 2015 regelmäßig Workshops und Seminare im THS gibt, kennt das Problem. „Die Leute kommen mit allerlei Hunden und Riesenerwartungen zu den Workshops. Ich erkläre ihnen dann, was für Voraussetzungen man schaffen muss, um ein gewisses Level zu erreichen. Das ist vielen Leuten nämlich gar nicht klar. Das haben wir auch diesmal in der Theorie angesprochen. Da ging es um das Thema Trainingsfaktoren und natürlich auch um Fairness
auf www.sporthund.de 15 % #SPORTHUNDPraxistreff: Von wegen Tonnenhüpfen HUNDESPORT sporthund.de ∙[Heft 3/2023] 17
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gegenüber dem Hund. Mit einem Golf kannst du nun mal leider nicht bei der Formel 1 mitfahren! Wenn man das nicht beachtet, dann wird es schnell unfair dem Hund gegenüber.“
Aber zurück zur Lauftechnik... Wie sieht das denn beim Slalom aus? „Natürlich zeigen wir den Leuten auch da, wie sie möglichst wenig Zeit verlieren. Das geht mit einer Technik, bei der man nur zweimal abbremsen muss, aber sonst durchrennen kann. Um richtig gute Ergebnisse erzielen zu können, ist es auch hierbei wichtig, dass der Hund gut mitläuft . Damit wir möglichst eng ins Tor reingehen können, bringen wir den Hunden bei, sich an dieser Stelle hinten einzusortieren und danach sofort wieder aufzuschließen. Das ist nicht einfach und muss ausgiebig geübt werden. Es sieht nur einfach aus, bei den Leuten, die es draufhaben. Weg vom Schritte zählen, hin zu einer sauberen Technik.
Auch beim Slalom ist es wichtig möglichst variabel zu trainieren. „Bei Wettkämpfen sollte der Slalom zwar genau nach PO aufgestellt sein, das ist aber nicht immer der Fall“, stellt Renzo klar. „Wenn bei jeder Stange nur ein paar Zentimeter fehlen, dann macht das am Ende bei 7 Toren schon was aus. Trotzdem darf es kein Problem sein, wenn man nicht mit dem Lieblingsfuß an der Stange ankommt. Deshalb muss man so variabel wie möglich trainieren.“
Pia und Renzo lieben ihren Sport, trotzdem gibt es auch Kritikpunkte. Renzo ärgert sich darüber, dass das Trapez, als Ersatz für die Schrägwand, in die Hindernisbahn eingebaut wurde. „Man wollte
es damit eigentlich besser machen, aber das Trapez ist der absolute Killer. Ein Endgegner für die Hunde. Sobald sie über das Trapez springen und auf der schrägen Seite aufkommen, überschlagen sie sich mit dem Tempo. Man hätte das vorher richtig testen müssen, ob es wirklich so gut ist. Man wollte ja das Ganze entschärfen, weil die Hunde immer schneller geworden sind.“
skalpiert der sich fast, wenn der Tunnel zu nah steht. Oder er knallt in die Tonne, weil die zu nah am Laufsteg ist. Das muss geändert werden. Da passieren die meisten Verletzungen.“
Vielleicht wäre es gut, wenn erfahrene Hundesportler mehr Mitspracherecht bei der Gestaltung der Prüfungsordnung hätten. Denn konstruktive Kritik bringt nicht nur die Teilnehmer dieses Workshops weiter. Die haben die Anregungen übrigens dankend angenommen und Pia und Renzo haben durchweg positives Feedback bekommen. Einen Wermutstropfen gab es allerdings: Bei so viel Stoff hätten sie sich gerne einen Tag mehr gewünscht. Wenn das kein Anlass ist, das Ganze zu wiederholen. Vielleicht sogar dann wieder als Sporthund Praxistreff.
Erhöhtes Verletzungsrisiko
„Was ich auch gerne ändern würde, ist, dass nicht nur in der PO definiert wird, wo bei der Hindernisbahn die erste und die letzte Hürde stehen muss“, fordert Renzo. „Die restlichen Hindernisse stehen in willkürlichen Abständen. Das Problem dabei: Hab ich einen schnellen Hund, der zum Beispiel vom Trapez in den Tunnel rennt, dann
sporthund.de ∙[Heft 3/2023] 19
#SPORTHUNDPraxistreff: THS-Workshop HUNDESPORT
STINKT DER FISCH IMMER ZUERST VOM KOPF?
MENSCHEN UND IHRE SICHTWEISE AUF DOMINANZ UND FÜHRUNG
Foto: Constanze Rähse
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TEXT: FRANSI ROTTMAIER
Dass wir dem Begriff „Führung“ eher ambivalent gegenüberstehen, verrät nicht nur dieses alte Sprichwort vom verdorbenen Fisch. Im übertragenen Sinne geht es dabei um „faulige“ Absonderungen vom Kopfende (der Chefetage) eines Unternehmens, also Fehlentscheidungen, die zu ernsthaften Konsequenzen führen. Wer führt, trägt Verantwortung! Und im Zweifelsfall auch den Großteil der Schuld.
Der „Hundeführer“ ist nicht nur im Leistungsheft seines Vierbeiners tituliert eben jener sensible und schnell verderbliche „Kopf“: Wir treffen Entscheidungen und vermitteln dem Hund unsere Vorstellung einer gelungenen Unternehmung. Versagen wir, klappt im Zweifelsfall gar nichts. Bereits Belohnung oder bewusstes Vorenthalten einer Belohnung stellt ein Akt der „Führung“ dar:
Wir beeinflussen den Hund, ein bestimmtes Zielverhalten zu zeigen – und zwar idealerweise dann, wenn wir ihn dazu auffordern. Anders kämen wir ja auch gar nicht durch eine Sportprüfung!
Damit erübrigt sich schon der (durchaus moderne und im Geiste der heutigen Zeit herummarodierende) Streitpunkt, ob uns als Mensch in dieser artübergreifenden Beziehung überhaupt die Beanspruchung einer Führungsposition zusteht. Ja, nein, vielleicht ...? Und wenn wir das müssten, wie täten wir das im Idealfall?
Um einen souveränen Weg durch dieses für viele Hundehalter hochemotionale Minenfeld zu finden, lohnt sich eine nähere Betrachtung von Führungskonzepten und dem hartnäckig umstrittenen Begriff „Dominanz“.
Strukturen wissenschaftlich messbar zu machen. Die Verhaltensforschung benötigt dazu erkennbare Signale, die vorhersehbar und gerichtet auftreten: diesem Fall werden Demutsgesten in der wiederholten Interaktion zweier Sozialpartner dokumentiert. Weisen sie vorhersehbar in eine Richtung, gilt der Empfänger als dominant. Es geht also nicht um aggressive Verhaltensweisen – hier gerät man leicht an ein folgenschweres Missverständnis:
Aggression ist kein spezifischer Indikator für Dominanz.
langfristigen Beziehung ist. Nur darüber, dass es Aggression einzusetzen weiß – und das ist nicht immer erfolgreich.
Ethologisch gesehen entstammt das Konzept der „Dominanz“ einem Versuch, hierarchische
Dominantes Verhalten ist nicht automatisch aggressiv. Wer aggressiv handelt, kann das auch außerhalb einer dyadischen Beziehung tun. Aggressive Verhaltenstechniken sind ein Instrument, um persönliche Interessen durchzusetzen oder reaktiv zu schützen. Der Fokus darauf liefert also keine zuverlässigen Erkenntnisse, ob ein Individuum „dominant“ in einer
In einem funktionierenden Sozialverband reagieren rangniedere Mitglieder mit submissivem Verhalten sowohl auf agonistische Dominanz (Imponierverhalten oder aggressive Verhaltensweisen) wie auch auf formale Dominanzsignale, die nicht im Rahmen von Konfliktsituationen gezeigt werden – so die in der Hundeszene namhafte Verhaltensbiologin Dr. Marie Niezschner. Wenn Mitglieder einer Gemeinschaft bestimmte Rituale wie Begrüßungen oder territoriales Markieren ohne direkten Interessenskonflikt initiieren, spricht man von formalen Dominanzsignalen. Die messbare Konstante ist also die freiwillige Bereitschaft des Unterlegenen, durch Demutsgesten ein Gegenüber als Überlegen anzuerkennen und dadurch von einem physikalischen Kräftemessen mit
sporthund.de ∙[Heft 3/2023] 21 Stinkt der
KYNOLOGIE
Fisch immer zuerst vom Kopf?
einhergehendem Verletzungsrisiko zurückzutreten. Dieser ritualisierte Austausch erlaube erst eine soziale Annäherung, sogenannte affiliative (kooperative, kontaktaufnehmende) Beziehungen, so Dr. Nizschner in ihrem Blog „Hundeprofil“: „Dominanz wird in der Verhaltensforschung also als wichtiges Element betrachtet, um soziale Verbände zu strukturieren und ein friedliches Miteinander zu sichern.“
Das klingt anders als der „Schreckbegriff“ Dominanz, der eine gewaltsame und aggressive Unterdrückung mit strengen Regeln und Demütigungen impliziert. Professor Kurt Kotrschal erklärt, der Wolf sei im 19. Jahrhundert zum Symbol von „Härte, Ausdauer, Tapferkeit und einer autoritären Führergesellschaft“ hochstilisiert worden. Im Gegensatz zu eher despotisch organisierten Schimpansengruppen gäbe es jedoch gerade bei wildlebenden Wölfen keine Hinweise einer befehlsorientierten Struktur mit Strafsanktionen.
Innerhalb eines Familienverbandes spiele Aggression nur eine „ganz geringe“ Rolle – was er unter anderem auf die saisonale Reduktion von Testosteron bei Wolfsrüden außerhalb der „Ranzzeit“ zurückführt. Gegenüber fremden Eindringlingen käme es jedoch zu äußerst aggressiven Auseinandersetzungen. Auch eine Gemeinsamkeit zwischen Wolf und Mensch.
Woher rühren also die eher unangenehmen Assoziationen, die uns rund um die Themenkreise „Führung“ und „Dominanz“ so auf die Barrikaden bringen?
Tatsächlich existieren erstaunlich wenig wissenschaftliche Arbeiten über menschliches Dominanzverhalten. Vor allem der praktische Bereich – in diesem Fall Führungskräfte und
Hunde sind auf Verträglichkeit und „Subordinationsbereitschaft“ selektiert. Im Gegenzug erwarten sie menschliche Führung.
Wirtschaftswissenschaften –zeigt sich rar bestückt. Nun ist der „alltägliche Nahrungserwerb“ des modernen Homo Sapiens aber weit entfernt von flinkfüßigen Jagdszenarien im Wald. Wir verdienen unsere „Brötchen“ anders. Während dem Akt des „Verdienens“ gibt es eine Menge extrinsische Anreize für Kooperation, Konkurrenz und Entscheidungen innerhalb von beruflichen Beziehungen. Ähnlich wie ein Wolfsrudel bei der Jagd, obwohl es sich dabei wiederum um ein stabil gewachsenes „Familienunternehmen“ handelt. Das Bild des „dominanten AlphaMännchens“ in der Menschenwelt wird auch häufig mit einem durchsetzungsfähigen und erfolgreichen Geschäftsführer
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Foto: Adobe Stock / Iftikhar alam
gleichgesetzt. Hier müsste sich also der Kern menschlichen Dominanzverhaltens in seiner natürlichsten Umgebung zeigen – denn anders als freilebende Wölfe sind wir seit Jahrtausenden in deutlich größeren und räumlich eingeschränkteren „Herden“ unterwegs, also stärker auf Hierarchien angewiesen. Dr. Ballweg spricht in seiner Dissertation von 75 Jahren Dominanzforschung ohne konkrete Fokussierung auf eine Definition. Goud (2003) betone indes, dass es sich bei Dominanz um ein Konzept beziehungsweise eine Heuristik handle, um Phänomene aus der Wirklichkeit zu erklären. Es gäbe demnach keinen „optimalen Weg“ der Definition.
„Dominanz als die Veranlagung, gegen andere zu argumentieren, zu überzeugen und zu beeinflussen, andere zu führen, zu leiten und Gruppenentscheidungen zu treffen.“ – Edwards (1954), zitiert nach Callaway, Marriott und Esser (1985)
„Dominanz und Prestige werden als Strategien zur Erlangung von sozialem Status verstanden. Dominanz beruht auf der Nutzung von Aggression, Zwang und Einschüchterung. Prestige ist gewährter Status aufgrund besonderer Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse.“ – Körner et al. (2022)
Hoppla – hier trennt die aktuelle Forschung laut einem 2022 publizierten Artikel im „Journal of Personality Assessment“ explizit zwischen asozialen Attributen wie Arroganz, verbaler Aggression, Kontrollillusionen und geringer Verträglichkeit: sie werden „Dominanz“ zugeordnet. Durchweg soziopositive Attribute wie authentischer Stolz, Selbstwert und Extraversion korrelieren dagegen mit Prestige.
Wenn wir uns an die grundlegenden Aussagen der Verhaltensbiologie erinnern, wird Dominanz ethologisch nicht an aggressiven Verhaltenstechniken gemes-
sen. Das liegt laut Dr. Ballweg an dem Umstand, dass die Verhaltensbiologie das Ergebnis einer Interaktion versuche zu definieren, während die humane Forschung Dominanz als den Teil einer Interaktion verstehe. Die verhaltensbiologische Perspektive ordnet imponierende und aggressive Verhaltensweisen in „agonistische Dominanz“, die durch ritualisierte Submission beschwichtigt und vermieden werden soll. Die formalen
Dominanzsignale und deren submissive Beantwortung scheinen frappierende Ähnlichkeiten zu dem „gewährten Status Prestige“ nach Körner aufzuweisen.
Tatsächlich ergab auch eine verhaltenspsychologische Studie von Kalma, Visser und Peeters 1993 eine interessante Unterteilung in „aggressive Dominanz“ und „kontaktfreudige Dominanz“. Statistisch gesehen hingen Dominanz und Führungserfolg zusammen. Kontaktfreudig-dominante Probanden sahen nicht nur sich
selbst in einer sozioemotionalen Führungsrolle – sie wurden auch von anderen darin wahrgenommen. Bei aggressiv-dominanten Probanden war das nicht der Fall. Es ließ sich jedoch keine statistische Korrelation zwischen Dominanz-Typ und Führungserfolg herstellen, aggressiv-dominante Typen schienen jedoch über qualitativ schlechtere Beziehungen zu verfügen.
Signale der „kontaktfreudigen Dominanz“: direkter Ausdruck einer anderen Meinung mit Begründung häufige, raumgreifende Gestikulation häufiger und „führender“ Blickkontakt
Signale der „aggressiven Dominanz“: Drohen Argumentation des Gegenübers in Frage stellen manipulative Taktiken wie Schmeicheln/Täuschen sehr fokussierter Blickkontakt
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KYNOLOGIE
Fisch immer zuerst vom Kopf?
Dr. Ballwegs Recherchen ergaben: In menschlichen Teams zeigt sich eine signifikant erhöhte Leistung, wenn eine dominante Person mit einer unterwürfigen Person zusammenarbeitet. Eine gleichartige Ausprägung des Dominanzverhaltens der Beteiligten senke dahingegen die Leistung des Teams. Das Einnehmen einer dominanten Position fördere sogar die Stressresilienz – allerdings ging es auch mit vermindertem Einfühlungsvermögen gegenüber den Emotionen des Gegenübers einher. Ein Mensch in einer dominanten Position nimmt unter Umständen nicht wahr, ob sein Teammitglied sich von seinem Verhalten bedroht fühlt – kein unbekanntes Bild aus dem Umgang mit Hunden!
Dabei existiert eine spannende Parallele zwischen kaniden und humanoiden Dominanzverhaltens: formale Dominanzsignale sind an eine Erwartungshaltung gekoppelt, als Reaktion affiliative Demutsgesten zu erzeugen,
Wer führt, übt (situative) Dominanz aus. Das kann für beide ein freudiges Erlebnis sein – wie hier im IGP.
die sich positiv auf die Beziehung auswirken. So funktioniert im hündischen Miteinander eine weitgehend aggressionsarme Kooperation. Doch auch das menschliche Sozialverhalten
folgt dieser Regel: Kieslers (1983) postuliert, dominantes Verhalten ziehe unterwürfiges (komplementäres) Verhalten an. Gekoppelte Dimensionen wie „Freundlichkeit“ verhielten sich währenddessen genau
umgekehrt: Freundlichkeit zieht Freundlichkeit an, Ablehnung zieht Ablehnung an.
Wer also nicht den Fehler macht, „Dominanz“ mit einem feindseligen, unfreundlichen Streben nach Kontrolle und Status zu verwechseln, hat gute Chancen auf friedliche Kooperation mit Hunden. Und profitiert auch im Geschäftsleben.
Ein geschlechtsspezifischer Wehmutstropfen lässt sich jedoch entdecken: Frauen steht eine kleinere Auswahl an akzeptablen Verhaltensweisen zur Verfügung, um hohen Status zu signalisieren und gleichzeitig nicht ihre Beliebtheit zu riskieren (Dr. Ballweg zitiert Carli, LaFleur und Loeber, 1995). Eine mögliche Erklärung, weshalb weibliche Hundebesitzer un-
bewusst häufig ablehnend auf Strategien reagieren, in denen „dominantes Auftreten“ eine Rolle spielt ...?
Im zweiten Teil dieses Artikels dreht es sich um Führungskonzepte – und was Dominanz damit zu tun hat.
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Foto: Constanze Rähse
Alphawölfe und Rudelhierarchien
Tatsächlich entstand die „Dominanztheorie“ bei Hunden zu Beginn der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts aus der zu irreführenden Schlussfolgerungen leitenden Beobachtung von Gehegewölfen: Die Verhaltensforscher nahmen an, der Urvater unseres Haushundes bilde durch aggressives Verhalten und Einschüchterung eine strenge Hackordnung aus. Erst aufwendige Beobachtungen wildlebender Wolfsrudel enttarnten das Missverständnis. Die Wölfe in Gefangenschaft kompensierten lediglich die unnatürlich beengten Haltungsbedingungen und das unfreiwillige Aufeinandertreffen von nicht in verwandtschaftlichen Beziehungen zueinanderstehenden Individuen. Ihre Aggression war also eine direkte Stressantwort auf ungünstige Umweltbedingungen.
Referenten aus rein belohnungsorientierten Trainingsphilosophien unterstellen gar, die gesamte Dominanztheorie entstamme dem angestaubten Geist einer Zeit, die von mitteleuropäischen Monarchien geprägt worden sei. Ein wenig an den Haaren herbeigezogen. Der Wolfsexperte Dr. David Mech in den USA dürfte wenig mit mitteleuropäischen Monarchien oder Diktaturen vergangener Epochen zu tun gehabt haben, als er zwar die Wahrnehmung des „aggressiven Alphawolfes“ negierte: In der
Freiheit handelt es sich um gewachsene Familienverbände, die sich hauptsächlich auf ritualisierte Formalitäten verlassen können. Dadurch funktioniert das Zusammenleben erstaunlich friedlich. Aber auch hier lassen sich hierarchische Strukturen nachweisen und Jungwölfe, die keinen Konsens in ihrer Familie mehr finden, wandern ab. Ist dieses Ausweichen nicht möglich, drohen Streitigkeiten. Führen besondere Umstände zu einer Ansammlung größerer Gruppen, lassen sich durchaus den Ton angebende „Alphawölfe“ erkennen: erfahrene, sozialkompetente und hoch geachtete Anführer. Der despotische Unterdrücker gehöre allerdings in das Reich der Märchen.
Wildlebende Hunde organisieren sich ebenfalls in Gemeinschaften mit deutlich linearen Strukturen – und auch unsere Haushunde, wenn sie in Gruppen zusammenleben. Da die Kognitionsforschung dem Haushund ein erstaunliches Maß an sozial-kognitiven Fähigkeiten zuspricht, dürfte die Hypothese, es könne sich aufgrund zu großer speziesbedingter Unterschiede zwischen Menschen und Hunden keine Dominanzbeziehung entwickeln, ähnlich gewagt sein wie die Unterstellung von ideologischer Voreingenommenheit bei Wildtierbiologen. Diese Annahme von Seiten der Gegner jeglicher „Dominanztheorie“ soll die wissenschaftlichen Feststellungen von hierarchischen Beziehungen als untauglich für den Umgang mit Haushunden erklären. Ihre Überzeugung: Hunde seien unfähig,
in menschlichen Verhaltensreaktionen notwendige submissive oder dominante Signalwirkung zu identifizieren.
Der Verhaltensbiologe Dr. Brensing erklärt in einem TAZ-Interview, die Wissenschaft betrachte „Denken graduell“. Damit sind bestimmte Funktionen und Prozesse im Nervensystem gemeint, die auch schon vor dem modernen Homo Sapiens existiert haben. Tiere lösen laut dem Verhaltensbiologen dieselben Tests wie menschliche Probanden. „Wenn Tiere das auch können, dann denken und verarbeiten sie in dem Moment genauso wie wir“, argumentiert Dr. Brensing. Und auch aus der Kynologie kennen wir beeindruckende Ergebnisse, wie etwa die hündische
Fähigkeit, das situative Wissen eines Menschen abzuschätzen und absichtliche Täuschung zu erkennen. Auch komplexere Gefühle wie Eifersucht lassen sich nach MRT-Scans kanider Studienteilnehmer an der Veterinäruniversität Wien zumindest nachvollziehen. Professor Kurt Kotrschal spricht den Vierbeinern nicht nur die Fähigkeit zur „mentalen Repräsentation“ von Sprachinhalten zu – im Unterschied zu ihren Vorfahren erwarten Hunde sogar menschliche Führung.
Ausgerechnet etwas so Fundamentales wie die Neigung zweier hochsozialer Spezies, sich in hierarchischen Strukturen zu organisieren, soll zwischen Mensch und Hund ausgeschlossen sein?
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KYNOLOGIE
der Fisch immer zuerst vom Kopf?
Das Erlernen von aggressiven und submissiven Ausdrucksweisen gehört zur guten Kinderstube – daraus ritualisieren sich wichtige (und friedliche!) Kommunikationsmittel.
WIR SIND DIPFELISCHISSER
#SPORTHUNDPRAXISTREFF
B + C WORKSHOP
MIT ANNE EISEMANN & YANNICK KAYSER
Hertkorn
TEXT: MIKE SCHEFFNER
Foto: Björn
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Wenn du bei dem Titel drei Fragezeichen in den Augen hast, dann können Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews sofort ausschließen, dass du aus Baden-Württemberg kommst. Und natürlich würden die drei Meisterdetektive schnell ausspionieren, dass Anne Eisemann Recht hat, wenn sie das über sich und Yannick Kayser in Bezug auf die Hundeausbildung behauptet. Dipfelischisser im allerbesten Sinn! Anne übersetzt den Begriff so: „Wir sind Detail-Junkies.“ Mir gefällt „detailverliebt“ besser und das sind die beiden im wahrsten Sinne des Wortes. Auch wenn das Alemannische origineller klingt. Und auch dieses Adjektiv trifft auf die beiden Protagonisten zu, denn sie gehen außergewöhnliche Wege beim Hundetraining und die Art, ihre Philosophie zu erklären, ist einzigartig. Einzigartig präzise, einzigartig analytisch und einzigartig durchdacht.
Beste Voraussetzungen also für die 16 HundHundeführer-Gespanne an diesem Wochenende eine steile Lernkurve hinzulegen. Unter den Teilnehmern sind Hundesportneulinge, alte Hasen und Wiederholungstäter. Einige haben lange Anreisen, unter anderem aus der Schweiz, hinter sich gebracht, um beim Sporthund Praxistreff beim TSG Schlegel dabei sein zu können. Genauso vielfältig waren
die Hunde, die Anne und Yannick vorgestellt wurden: Hollandse Herder, Deutscher Schäferhund, Malinois, Tervueren, Dobermann und Airedale Terrier. Manche noch sehr unerfahren, andere wurden auf die Qualifikation für eine Meisterschaft vorbereitet.
„Was auch toll war...“, berichtet Anne, „es sind zum Teil ganze Teams gekommen. Da war der Helfer am Tag vorher beim Helfer-Workshop und ist geblieben, um seine Hundeführer zu unterstützen. Das ist natürlich eine super Sache, wenn Helfer und Hundeführer dabei sind. Dann können sie die Arbeit zuhause perfekt fortführen.“
Und es schadet auch nicht, wenn ein Paar Ohren mehr zuhört, wenn Anne und Yannick in die Lerntheorie eintauchen und erklären.
Einsicht kommt über das Verstehen
„Das Wichtigste in der Hundeausbildung ist, dass der Hundeführer weiß, was er tut und was er beim Hund damit auslöst“, erklärt Anne. „Deshalb ist es so wichtig, zu schauen, wo man ihn abholen muss und ihm dann das nötige Wissen an die Hand zu geben. Man kann sich nicht verändern, wenn man nicht versteht, wodurch ein Problem entsteht und wie man es ändern kann.“
Da kann Yannick ihr nur beipflichten: „Der Job eines Trainers ist nicht zu sagen, mach das so und so. Der Job ist die Zusammenhänge zu erklären, so dass der Hundeführer sie versteht und dann eigenständig trainieren kann.“
Deshalb gibt es auch beim Workshop viel Theorie, allerdings ausschließlich in der Praxis und individuell auf Hund und Hundeführer abgestimmt.
Mit dieser prägnanten und einprägsamen Aussage, bringt Anne ihre Herangehensweise auf den Punkt. „Es geht nicht um die Übung im Gesamten. Man muss sie in kleine
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#SPORTHUNDPraxistreff: Wir sind Dipfelischisser HUNDESPORT
Foto: Björn Hertkorn
„Unterordnung ist Detailarbeit“
Details aufsplitten, die erst am Schluss zusammengesetzt werden, wenn jedes einzelne funktioniert. Der Hund muss – jedenfalls nach unserer Philosophie – verstehen, was er genau tun soll. Und er muss aktiv ein Verhalten ausführen, um etwas zu erreichen.“
„fest“ fürs ruhige Halten des Holzes, oder wie erwähnt „gerade“, damit der Hund sich beim Vorsitzen korrigieren kann. Ich möchte auch, dass mein Hund mit einer bestimmten Technik in das Vorsitzen „reinrutscht“. Dazu muss ich den Bewegungsablauf gezielt trainieren. Wir nutzen dafür die Hand als Target. So lernen schon unsere Welpen, sich gerade auszurichten und die richtige Position, in der Mitte vorm Hundeführer zu finden. Das kann man natürlich auch mit einem erwachsenen Hund machen, wenn man das Vorsitzen verbessern möchte. Das ist alles sehr viel Detailarbeit, aber weil der Hund das Apportieren in vielen kleinen Schritten lernt, ist es am Ende sehr verlässlich. Ein sehr wichtiger Vorteil ist auch, dass ich so, wenn ein Fehler passiert, diesen präzise benennen kann und der Hund kann sich korrigieren.“
negativen Strafe. Ich kann es drehen und wenden, wie ich will, am Ende muss ich dem Hund die Beute wegnehmen, damit es weitergehen kann. Und das fördert sicher nicht mein Ziel, in Abteilung B größtmögliche Harmonie zwischen Hund und Hundeführer zu präsentieren.
Anne verdeutlicht das Ganze am Beispiel des Apportierens. „Apportieren ist sehr komplex. Deshalb teilen wir die Übung in viele Details auf. Der Hund muss das ruhige Halten lernen, er muss ein gescheites Vorsitzen können, dann muss er wissen, was „näher ran“ und „gerade“ beim Vorsitzen bedeutet und vieles mehr. Das kann man nicht alles mit dem Hörzeichen „Bring“ ausbilden. Wir haben deshalb für jedes wichtige Detail ein eigenes Hörzeichen, wie zum Beispiel
Kekse statt Bällchen
Yannick ist im Schutzdienst verschiedenen Methoden gegenüber offen, er berichtet aber, dass er und Anne in der Unterordnung zu mehr als 90% Futter als Belohnung einsetzen. „Das Beutespiel ist für mich in der Unterordnung vergeudete Energie“, begründet Yannick seine Aussage. „Außerdem hat jedes Ende eines Spiels den Charakter einer
Vor allem aber sieht Yannick den Einsatz von Beute als Belohnung bei den technischen Übungen sehr kritisch. „Beim „Sitz, Platz und Steh“ ist das Belohnen mit Beute oft ein Riesenproblem. Nicht nur, weil die Beute Spannungen auslöst, sondern weil sie auch immer ein Ende der Übung ist. Welches Ziel verfolgt der Hund beim „Sitz“, wenn ich da mit Beute arbeite? Natürlich möglichst schnell aus der Übung wieder rauszukom-
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Foto: Tina Blechschmidt
men, um seine Beute zu kriegen. Das ist aber nicht der Sinn der Sache. Solange ich meinem Hund nicht vermittelt habe, dass das Sitzen das Ziel ist und die Futterbelohnung auslöst, werde ich immer gegen mich arbeiten.“
Touch me oder Fußlaufen ohne zu locken
Auch wenn Futterbelohnungen im Konzept von Anne und Yannick sehr wichtig sind, kommt es auch noch auf das „Wie“ an. Es soll nämlich nicht zu einer konstanten negativen Strafe werden, wie beim Futtertreiben. „Deshalb sind wir vom Futtertreiben weg“, erklärt Anne. „Wir wollen unseren Hunden nicht über einen Konflikt das Fußlaufen beibringen. Beim Futtertreiben hängt der
Hund am Futter in der Hand, das er gerne haben möchte. Er bekommt es aber nicht nach einem klaren Muster, das er verstehen kann. Wie viel treiben ist richtig, damit das Futter endlich ausgelöst wird? Und der Supergau ist, wenn die Leute das Futter dann hochnehmen, damit der Hund hochguckt. Was mache ich an der Stelle lerntheoretisch betrachtet? Ich nehme dem Hund erstmal weg, wofür er die ganze Zeit gekämpft hat. Ergebnis: einige Hunde strampeln wie die Verrückten und geben immer mehr, aber rein aus dem Konflikt heraus. Anderen Hunde werden verunsichert und passiv, sobald sich das Futter wegbewegt und denken: „Was mache ich hier falsch?“ Deshalb funktioniert Futtertreiben nur bei Hunden, die auf einen Konflikt aktiv werden.“
Anne und Yannick haben sich deshalb für einen anderen Weg entschieden. „Wir bilden das Fußlaufen über „Touch mit der Hand“ aus.“ Die Hand wird dabei zum Target. Der Hund lernt, dass er eine Belohnung bekommen kann, wenn er die Hand mit der Nase berührt. „Wir haben das mit unserem jungen Hund ausprobiert. Wir haben den Touch geklickert und dann ist er mit elf Wochen zum ersten Mal am Handtarget ein paar Schrittchen Fuß gelaufen. Er hat eine Heidenfreude daran!“
Vor allem gefällt Anne und Yannick daran, dass der Hund von Beginn an aktiv arbeiten muss und das Locken mit Futter komplett wegfällt.
„Die Aktivität in die Arbeit rein kann ich nur dann trainieren, wenn der Hund lernt, eine Handlung auszuführen, um damit etwas zu erreichen“, erläutert Anne. „Diese Grundeinstellung brauche ich im IGP das ganze Hundeleben lang. Der Hund muss den Hundeführer aktivieren und das kann ich viel leichter über Touch, als übers Futtertreiben vermitteln.“
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#SPORTHUNDPraxistreff: Wir sind Dipfelischisser HUNDESPORT
Foto: Björn Hertkorn
Foto: Björn Hertkorn
Schutzdienst – mehr als beißen und bellen
Auch im Schutzdienst wurde an diesem Wochenende mit den Hundeführern gearbeitet. Yannick begegnet dabei Anfängern wie „Profis“ auf Augenhöhe und gibt allen schnell das Gefühl der Sicherheit. „Sonst wäre ein optimales Training im Rahmen so eines Workshops nicht möglich. Das funktioniert bei mir immer über Verständnis. Ich erkläre wo das Problem herkommt und wie wir es lösen können. Daran arbeiten wir dann natürlich, so dass jeder mit seinem Hund etwas weiterkommt.
Die Teilnehmer, die bei allen Hunden aufmerksam zuschauen, können natürlich ganz viel mitnehmen und das Gezeigte auch auf ihren Hund anwenden.“
Aufbauarbeit
„Wir hatten zum Beispiel zwei, drei junge Hunde, die noch im Aufbau waren. Die hatten Probleme mit der Anbiss-Geschwindigkeit und dem Festhalten der Beute. Da können wir natürlich prima mit einer Leine dran arbeiten. Die gibt dem Hund einerseits Sicherheit von hinten, auf der anderen Seite können wir ihm auch vermitteln: Wenn du nicht schnell genug beißt, dann kommt es zur negativen Strafe und der Ärmel ist weg. Das führt zur Frustration und diese Erfahrung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der nächste Angriff schneller und fester erfolgt.“
Kleine Schritte, so schnell wie möglich entwickeln
Natürlich ist die Zeit bei einem Workshop begrenzt, aber ein, zwei Probleme können wir sicher an so einem Wochenende lösen.
„Wir hatten auch einen Hund dabei“, fährt Yannick fort, „der Probleme in der Impulskontrolle hatte. Der wusste nicht genau, was von ihm erwartet wurde und dementsprechend war auch die Umsetzung nicht konsequent. Ich schraube dann die Anforderungen herunter und wir arbeiten daran, in einen kleinen Teilbereich Kontrolle reinzukriegen. Wenn das funktioniert, nehmen wir uns den nächsten Bereich vor.
„Solche Impulskontrollen muss ich je nach Hund auch in ganz niedrigen Trieblagen trainieren. Für mich muss ein Hund dazu in der Lage sein, einen Keks, der auf der Erde liegt, zu ignorieren. Der Hund, der den Keks nicht ignorieren kann, bei dem muss ich mir nicht einbilden, dass ich den adäquat im Schutzdienst kontrollieren kann. Da muss ich dann erst noch die Beißwurst, den Ball, das Kissen dazwischen trainieren, ehe es mit dem Arm funktioniert. Je nach Hund-Hundeführer-Gespann füllt diese Aufgabe ganze Trainings bei mir. Weil ich den Anspruch habe, dass der Hundeführer Kontrolle über seinen Hund hat.“
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Foto: Björn Hertkorn
Foto: Tina Blechschmidt
Die Hundeführer mit denen Yannick regelmäßig trainiert, müssen in der Lage sein, ihren Hund auch in der Anwesenheit des Helfers in der Erwartungshaltung zu neutralisieren und ruhig vom Platz zu führen. „Wer das kann, darf auch mal eine Beute mit vom Platz nehmen. Aber das ist für mich eine der Grundlagen im Schutzdienst.
Der Hund muss auf dem Platz ein Ende finden können und wieder runterfahren.
Das bringt dem Hundeführer ganz viel Kontrolle. Dafür nutzen wir ein Codewort, das dem Hund signalisiert, dass das Training beendet ist und er wechselt in eine neutrale Erregungslage.“
Aus Fehlern lernt man auch
Yannick beschreibt, wie er diese Übung mit seinem Hund trainiert. „Mein Hund liegt am Ende des Schutzdienstes im Platz und hat den Ärmel noch im Maul. Dann sage ich ihm, er soll den Ärmel loslassen. Mein Codewort ist „Schluss“. Wenn ich das gegeben habe, steht mein Hund auf und läuft über den Ärmel – fertig! Und dann gehen wir vom Platz. Dabei herrscht kein Leinenkontakt. Ich ziehe ihn auch auf gar keinen Fall vom Ärmel weg. Ich versuche auch nicht, den Fehler zu vermeiden, dass der Hund doch noch mal zum Arm geht. Gegebenenfalls lasse ich den Fehler passieren. Auf den Fehler folgt immer die gleiche Konsequenz für den Hund. Und so ist das Thema schnell erledigt und ein Leben lang gegessen.“
Am Ende eines Seminars oder eines Workshops mit Anne und Yannick habt ihr auf jeden Fall einige Fragezeichen weniger in den Augen – und das nicht nur bezüglich ihres Heimatdialektes. Das würden euch auch mit Sicherheit Justus Jonas, Bob Andrews und Peter Shaw bestätigen, wenn ... ja, wenn sie Hundesport machen würden.
Und wer ist schon glaubwürdiger als drei Meisterdetektive.
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#SPORTHUNDPraxistreff: Wir sind Dipfelischisser HUNDESPORT
Foto: Constanze Rähse
Foto: Tina Blechschmidt
Kastration vs. Sterilisation Informieren, abwägen, entscheiden
Bei mehr als 10 Millionen Hunden in deutschen Haushalten stellt sich die Frage nahezu täglich irgendwo: soll ich meinen Hund kastrieren oder sterilisieren lassen? Da beide Eingriffe nicht rückgängig gemacht werden können, solltest du dir der Vor- und Nachteile bewusst sein, bevor du eine Entscheidung triffst.
Noch immer bringen viele Laien die beiden Begriffe „Sterilisation“ und „Kastration“ völlig durcheinander. Sie glauben entweder, dass es sich um denselben medizinischen Eingriff handelt, der bei einer Hündin Sterilisation genannt wird und beim Rüden Kastration heißt. Oder dass man je nach Geschlecht des Tieres entweder den einen oder den anderen Eingriff vornimmt. Beides ist falsch. Eine Sterilisation und eine Kastration sind zwei völlig verschiedene chirurgische Eingriffe, die sich beide grundsätzlich an jedem Tier durchführen lassen. Bei der Kastration werden die Keimdrüsen des Tieres entfernt, also bei Rüden die Hoden und bei Hündinnen die Eierstöcke. Bei der Sterilisation werden die Samen- beziehungsweise Eileiter lediglich durchtrennt und ein etwa ein Zentimeter langes Stück entfernt. Beide Operationen machen deinen Hund unfruchtbar. Da insbesondere die Kastration mit Nebenwirkungen einhergeht, die nicht rückgängig gemacht werden können, solltest du gut abwägen, bevor du dich für einen Eingriff entscheidest.
Vor- und Nachteile einer Kastration
Lange galt die Kastration als Methode der Wahl, wenn Hundehalter die unkontrollierte Fortpflanzung ihres Tieres verhindern wollten. Vor einigen Jahren hat ein Umdenken eingesetzt; seitdem wird die Pauschalaussage relativierter betrachtet. Denn durch die Entfernung der hormonproduzierenden Drüsen verlieren die Tiere auch die Quelle ihrer Sexualhormone. Mit seinen Hoden verliert ein Rüde also auch die Fähigkeit, Testosteron zu bilden. Hündinnen müssen nach einer Kastration auf das Östrogen verzichten. Nach Entfernung der Eierstöcke bleibt die Läufigkeitsblutung der Hündin aus, auch, wenn die Gebärmutter noch vorhanden ist. Beide Hormone steuern jedoch deutlich mehr, als nur den Sexualtrieb:
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TEXT: INKA STONJEK
Foto: Adobe Stock / ARVD73
Testosteron und Östrogen sind an einer gesunden und gut ausgeprägten Muskulatur beteiligt. Das Fehlen der Sexualhormone kann deshalb die Muskeln und das Bindegewebe schwächen. Kastrierte Tiere haben deshalb ein höheres Risiko für orthopädische Erkrankungen wie den Kreuzbandriss oder Gelenkbeschwerden, insbesondere großwüchsige Rassen. Der schwächere Muskeltonus kann auch die Blasenmuskulatur betreffen, weshalb kastrierte Tiere häufiger an Inkontinenz leiden. Vor allem kastrierte Hündinnen sind betroffen, weil ihre Harnröhre im Vergleich zu Rüden deutlich kürzer ist und gerader verläuft.
Das Fehlen der Sexualhormone kann das Verhalten deines Hundes verändern. Manche Hundehalter erhoffen sich das von einer Kastration sogar, insbesondere, wenn der Hund als aggressiv gilt. Allerdings beeinflusst eine Kastration nur das Verhalten, das direkt oder indirekt mit den Sexualhormonen in Verbindung steht. Sollte deine Hündin also während ihrer Läufigkeit zum Streunen neigen, kann eine Kastration sinnvoll sein. Auch die echte Hypersexualität von Rüden lässt sich fast nur mit einer Kastration in den Griff bekommen. Rüden mit einem solch übersteigerten Sexualtrieb laufen nahezu permanent mit ausgefahrenem Penis herum, büxen aus und besteigen die übereinander geschlagenen Beine Deines Besuchs oder das Kissen im Wohnzimmer. Allerdings ist nicht jedes Besteigen sexuell motiviert, sondern kann auch dem Stressabbau dienen oder aus Langeweile geschehen. Du solltest daher genau prüfen, ob dein Rüde dabei irgendeine Form von Balzverhalten zeigt und zum Beispiel sabbert und mit den Kiefern klappert.
Bei echtem aggressivem Verhalten ist eine Kastration dafür nahezu wirkungslos. Meist gibt es Gründe, wenn sich Hunde abweisend verhalten und angreifen, die entdeckt werden müssen. Angst zum
Beispiel ist der häufigste Auslöser für Aggression beim Hund überhaupt, die sich nach einer Kastration sogar noch verstärken kann. Denn Testosteron und Östrogen machen selbstbewusst und sind für einen souveränen Umgang deines Hundes mit Artgenossen wichtig. Außerdem hemmen sie die Ausschüttung verschiedener anderer Hormone, so dass nach einer Kastration deren Wirkung stärker zum Tragen kommt. Mit dem Verschwinden der Sexualhormone fehlt zum Beispiel der Gegenspieler des Stresshormons Cortisol. Trennungsängste, Futterneid, Angstaggressionen oder die Territorialverteidigung können durch eine Kastration daher sogar eher verstärkt werden. Mit dem Verschwinden der Sexualhormone fehlt auch der Gegenspieler des Prolaktins. Das auch als Kuschelhormon bezeichnete Hormon wird nach dem Wurf der Leitwölfin von allen Tieren eines Rudels gebildet und ist für das Brutpflegeverhalten entscheidend. Das hat zwei Seiten: unter seinem Einfluss beteiligen sich in freier Wildbahn auch die Rüden an der Aufzucht der Welpen, Fremdkinder werden allerdings abgelehnt und gegebenenfalls sogar getötet. Bei kastrierten Hunden kann sich dieses Brutpflegeverhalten so verstärken, dass die Tiere aggressiv auf fremde Jungtiere und fremde Kinder reagieren.
Nach einer Kastration kommt es allerdings nicht mehr zur Scheinträchtigkeit und Scheinmutterschaft von Hündinnen. Obwohl es sich dabei um normale und in freier Wildbahn wichtige Vorgänge handelt, kann daraus eine lebensgefährliche Gebärmutterentzündung entstehen. Ebenso kann eine Kastration helfen, wenn dominante Rüden aggressiv auf andere potente Rüden reagieren, mit Hündinnen oder nicht geschlechtsreifen und kastrierten Rüden aber keine Probleme haben. Ebenso, wenn zwei intakte Rüden sich im gemeinsamen Haushalt als sexuelle Konkurrenten sehen und es zu massiven Beißvorfällen kommt.
sporthund.de ∙[Heft 3/2023] 33 Kastration vs. Sterilisation KYNOLOGIE
Hormone spielen bei der Entwicklung mancher Krebsformen eine Rolle und können vor bestimmten Krebsarten schützen oder aber sie begünstigen. So ist das Risiko für bösartige Tumore der Brustdrüsen beispielsweise bei Hündinnen stark erhöht, die zur Empfängnisverhütung Hormonpräparate erhalten haben. Umgekehrt sieht es laut aktuellen Studien derzeit danach aus, dass eine Kastration vor beziehungsweise direkt nach der ersten Läufigkeit das Erkrankungsrisiko senken kann. Dafür haben alle kastrierten Tiere unabhängig von ihrem Geschlecht ein höheres Risiko für Herz-, Lymph- und Milzkrebs. Bei großwüchsigen Rassen ist nach einer Kastration das Risiko für bösartige Knochentumore erhöht, allerdings nicht beim Deutschen Schäferhund. Weibliche Golden Retriever hingegen scheinen auf das Fehlen ihrer Sexualhormone besonders extrem zu reagieren: Benjamin L. Hart von der Universität in Kalifornien hat bei ihnen besonders oft Mastzellen- und Blutgefäßkrebs festgestellt. Eierstock- beziehungsweise Hodenkrebs entstehen nach einer Kastration logischerweise gar nicht mehr.
Testosteron und Östrogen sind an der Regulation von Appetit und Stoffwechselrate mitbeteiligt. Nach einer Kastration verändert sich deshalb sowohl das Hungergefühl als auch der Grundumsatz deines Hundes: Der Appetit steigt um bis zu 25 Prozent, während der Energiebedarf um bis zu 30 Prozent sinkt. Kastrierte Tiere werden also dick, wenn sie die gleiche Energiezufuhr bekommen wie vor der Operation. Darauf haben Hundehalter Einfluss: allerdings darfst du die Futtermenge nicht einfach reduzieren, da der Hund dann zu wenige Mineralien, Vitamine und Spurenelemente bekommt und es zu Mangelerscheinungen kommen kann. Sinnvoller ist, auf ein spezielles Futter für kastrierte Tiere umzustellen, das weniger energiereich ist, aber trotzdem alle Ernährungsbedürfnisse befriedigt. Und wie ist die Rechtslage? Das Deutsche Tierschutzgesetz verbie-
tet, Tieren Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen und ihnen ungerechtfertigt Organe zu entnehmen. Umgekehrt erlaubt es eine Kastration, wenn ein medizinischer Grund vorliegt (zum Beispiel Hodenkrebs oder ein Tumor an den Eierstöcken). Eine mögliche Erkrankung präventiv vorzubeugen, reicht als Grund wiederum nicht aus. Das Deutsche Tierschutzgesetz erlaubt eine Kastration außerdem, wenn eine unkontrollierte Fortpflanzung nicht durch den Halter verhindert werden kann (zum Beispiel bei Straßenhunden). Diese Ausnahmen entbinden den Tierarzt nicht davon, die Notwendigkeit einer Kastration bei jedem Hund individuell zu überprüfen.
Appetitsteigerung bei gleichzeitiger Abnahme des Energiebedarfs: nach einer Kastration ist regelmäßige Gewichtskontrolle angesagt!
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Foto: Adobe Stock / DoraZett
Ist nach dem Abwägen dieser Vor- und Nachteile die Entscheidung zugunsten einer Kastration gefallen, musst Du noch die Frage des optimalen Zeitpunkts klären. Die aktuellen Empfehlungen gehen dahin, den Hund zunächst die Pubertät beenden zu lassen. Insbesondere Hündinnen erleben nach der ersten Läufigkeit noch einen starken, geistigen Entwicklungsschub. Eine Studie der Universität von Kalifornien gibt Empfehlungen zum optimalen Kastrationszeitpunkt bei 35 Hunderassen. Boxer und Cocker Spaniel zum Beispiel sollten bei dem Eingriff demnach mindestens 23 Monate alt sein, Border Collie und Colli mindestens elf Monate, Bernhardiner und Rottweiler mindestens sechs Monate. Bei anderen Hunderassen wiederum spielt der Zeitpunkt keine entscheidende Rolle. Lass Dich von Deinem Tierarzt beraten, ob eine „Kastration auf Probe“ sinnvoll ist. Du kannst Deinen Hund chemisch kastrieren lassen und so ausprobieren, wie sich eine Kastration auswirken würde. Dabei bekommen Rüden in der Regel einen Chip injiziert, der einen Wirkstoff ähnlich des Gonadotropin-Releasing-Hormons freisetzt – der Rüde stellt darauf die Produktion von Testosteron ein. Hündinnen bekommen meist Spritzen mit Gestagen oder Progesteron. Die Hormonumstellung kann allerdings langfristig enorme Nebenwirkungen haben. Falls die Zeit mit dem Kastrationschip den gewünschten Erwartungen entspricht, sollte deshalb zeitnah eine chirurgische Kastration erfolgen.
Vor- und Nachteile einer Sterilisation
Wenn Du Dich nach dem Abwägen der Vor- und Nachteile gegen eine Kastration entschieden hast, kannst Du stattdessen eine Sterilisation in Erwägung ziehen. Dabei werden die Keimdrüsen nicht entfernt, sondern lediglich abgeklemmt; der Eingriff findet zwar ebenfalls unter Vollnarkose statt, ist aber nach etwa einer halben
Stunde überstanden. Sterilisierte Hunde sind unfruchtbar, behalten aber ihre funktionsfähigen Hoden und Eierstöcke und stehen damit weiterhin unter dem Einfluss ihrer Sexualhormone. Sterilisierte Rüden bleiben also weiterhin an läufigen Hündinnen interessiert, sterilisierte Hündinnen werden regelmäßig heiß, bekommen ihre Läufigkeitsblutung und werden anschließend schweinschwanger. Die Risiken für gesundheitliche Erkrankungen leiten sich aus denen der Kastration ab.
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sporthund.de ∙[Heft 3/2023] 35 Kastration vs. Sterilisation KYNOLOGIE
WIE
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DVG BSP/BSPJ Brietlingen (DE)
5.-8.10.2023
FCI Weltmeisterschaft Liberec (CZ)
THS
26.-27.8.2023
DVG BSP Brackel (DE)
1.-3.9.2023
dhv Deutsche Meisterschaft Bamberg (DE)
7.-8.10.2023
VDH Deutsche Meisterschaft n.n. (DE)
MONDIORING
12.-15.10.2023
FCI Weltmeisterschaft Mafra (POR)
FÄHRTE
28.-29.10.2023
DVG BSP
Güstrow (DE)
17.-19.11.2023
VDH Deutsche Meisterschaft Stemwede-Westrup (DE)
OBEDIENCE
16.9.2023
1. VDH Qualifikation FCI WM
Lübeck (DE)
7.10.2023
2. VDH Qualifikation FCI WM Wuppertal (DE)
IGP
RH/MANTRAILING
DOGDANCE
RALLY OBEDIENCE
6.-10.9.2023
FCI Weltmeisterschaft Nova Gorica (SLO)
15.-17.9.2023
SV BSP Meppen (DE)
4.-8.10.2023
WUSV Weltmeisterschaft Györ (HUN)
20.-24.9.2023
IRO Weltmeisterschaft Stubenberg (AT)
FLYBALL
16.-17.9.2023
VDH Deutsche Meisterschaft Emtmannsberg (DE)
17.-20.11.2023
FCI EO Stuttgart (DE)
3.-5.11.2023
VDH Deutsche Meisterschaft Dortmund (DE)
24.-26.11.2023
DVG BSP Stuttgart (DE)
7.-8.10.2023
DVG BSP Gelsenkirchen (DE)
Sam
Trainingseinheit SGV Velden HF: Lena Schuh
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36 Foto: Constanze Rähse
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Herausgeber:
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Geschäftsführer: Florian König, Olaf König
Am Schneckenhof 9
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Email: magazin@sporthund.de
Tel.: +49 (0) 79 45 / 9 41 01 01
Gesamtkonzept & Layout:
Constanze Rähse, Neuhaus an der Pegnitz
Lektorat:
Dipl.-Germanistin (Univ.) Cordula Scheffner, Viersen
Erscheinungsweise:
4x jährlich (1.2. / 1.5. / 1.8. / 1.11.)
Druck:
Saxoprint GmbH
Auflage: 5.000 Stück
Fotoquellen:
Björn Hertkorn, Tanja Blechschmidt, Constanze Rähse, Adobe Stock
Hinweise:
Kein Teil dieses Magazins darf ohne Genehmigung des Herausgebers vervielfältigt oder verbreitet werden. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Eine Haftung für Ratschläge unserer Experten kann nicht übernommen werden. Der Herausgeber behält sich das Recht vor, veröffentlichte Artikel, Beiträge und Fotos auch in seinen anderen Publikationen (In- und Ausland, im Web und elektronisch) ohne weitere Vergütung und Nachfrage zu veröffentlichen. Die Nutzungsrechte an eingesandten Leserfotos gehen mit Einsendung automatisch auf die Leroi GmbH über.
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