Leben mit Übergewicht

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Leben mit...

Übergewicht

Seite 4–5

Neue Therapiemöglichkeiten bei Adipositas

Iss einfach weniger!

Worte wie diese hören Menschen mit Übergewicht regelmäßig. Dass dies jedoch meistens nicht ausreicht, weiß auch Reiner Calmund. Im Interview spricht er über sein Leben mit Übergewicht und verrät, was er sich am meisten wünscht.

Seite 6–7

Bardet-Biedl-Syndrom –wenn Übergewicht genetisch ist

Seite 12–15

Bariatrische Eingriffe: Vor- und Nachsorge, OP-Möglichkeiten

Seite 16–21

Mode, Bewegung, Ernährung: Sich wohlfühlen –trotz Übergewicht

Dick sein ist nicht lustig

Mehr als 17 Millionen Menschen in Deutschland sind an Adipositas erkrankt. Ein Viertel der Erwachsenen ist demnach stark übergewichtig – kein Wunder, dass von einer Adipositas-Epidemie die Rede ist! Die Betroffenen leiden doppelt: an der Krankheit und unter Diskriminierung. Das darf nicht sein.

Christel Moll Gründerin und erste Vorsitzende vom Adipositas Verband Deutschland e. V.

„Adipositas ist eine Krankheit und keine Charakterschwäche.

Jeder Mensch mit Adipositas hat ein Recht

auf Behandlung und Hilfe.“

Ad ipositas ist kein kosmetisches Problem. Adipositas ist auch keine Befindlichkeitsstörung. Die Weltgesundheitsorganisation hat schon vor mehr als 20 Jahren klar definiert: Adipositas ist eine chronische Erkrankung.

Starkes Übergewicht kann viele Ursachen haben. Genetisch bedingte Veranlagung, Essstörungen, veränderte Umweltbedingungen, Diabetes oder psychische Probleme sind nur einige von vielen möglichen Ursachen.

Unser Anliegen ist, die Betroffenen erst einmal selbst aus ihrer eigenen Schuldfrage rauszuholen. Wir möchten ihnen empathisch den Rücken stärken. Sie sollen sich trauen, Hilfe zu holen, denn allein kann man damit kaum fertig werden. Tatsache ist: Wer erst einmal erheblich übergewichtig ist, wird dies nur schwer wieder los. Denn der Körper verteidigt ein einmal erreichtes Gewicht langfristig. Das ist eine grundsätzliche Körperfunktion.

Einfach zu sagen: „Iss weniger!“, hilft nicht weiter. Die Vorstellung, dass jeder sein Gewicht beliebig selbst kontrollieren kann, ist falsch. Darum sollte man Übergewicht auch nicht als persönliches Versagen abtun. Adipositas ist eine chronische Erkrankung. Das muss in die Köpfe der Betroffenen, aber auch der Behandler.

die Behandlungskosten werden lediglich bezuschusst oder sind Eigenleistung.

Mit der Kampagne „Hilfe statt Häme“ setzen wir ein Zeichen. Es wird Hilfe benötigt, und wenn alle verstehen, dass Adipositas eine Erkrankung ist mit allen Rechten der Patienten auf eine adäquate Behandlung, dann wird hoffentlich auch die Gesellschaft mit betroffenen Menschen wertschätzender umgehen.

Diskriminierung

In den letzten Jahrzehnten ist es uns als Gesellschaft gelungen, Ungleichbehandlungen, Benachteiligungen und Diskriminierungen auf ganz vielen Ebenen abzubauen: Herabsetzungen gegenüber ethnischen Minderheiten, Verunglimpfungen gleichgeschlechtlicher Lebensentwürfe, ausländerfeindliche oder antisemitische Äußerungen werden heute gesellschaftlich geächtet, in schweren Fällen sogar bestraft. Über eine Gruppe jedoch wird wie eh und je hergezogen: die Fetten, in der Fachsprache „Adipöse“ genannt. Fettleibige Menschen werden dabei als willensschwach, dumm und faul tituliert; der Umstand, dass sie an einer unheilbaren chronischen Krankheit leiden, wird ausgeblendet. Ich kämpfe dafür, dass das aufhört.

Hilfe in Selbsthilfegruppen

Weitere Informationen und Adressen von Selbsthilfegruppen finden Sie unter: www.adipositasverband.de

Adipositas kann auch zur Entstehung weiterer Erkrankungen führen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen – beispielsweise durch erhöhte Cholesterinwerte –, Diabetes und Krebs. Die Kosten für die Behandlung der Folgeerkrankungen sind beträchtlich. Die Ursache und die Behandlung der Adipositas werden leider oft komplett ausgeblendet,

Selbsthilfegruppen sind ein wichtiger Bestandteil der Krankheitsbewältigung. Sie sind unabhängig und neutral. Sie bieten nicht nur einen geschützten Raum für den Austausch von Erfahrungen und praktischen Tipps und Hilfestellungen. Betroffene haben hier die Chance auf emotionale Unterstützung in einem vertrauensvollen Umfeld. Sie erhalten Anregungen, Motivation und Ablenkung in einem Rahmen, in dem sie als Mensch ohne Vorurteile geschätzt sind. .

Leben mit... Magazin Healthcare Mediapartner GmbH | Pariser Platz 6a | 10117 Berlin | www.healthcare-mediapartner.de Herausgeberin Franziska Manske Redaktionsleitung Benjamin Pank Layout Elias Karberg Coverbild Pickfotografie Druck BNN Badendruck GmbH Kontakt redaktion@lebenmit.de | www.lebenmit.de

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zu hohes Cholesterin kann zur Todesursache Nr. 1 führen: Herzinfarkt

Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin und Ihrem Arzt und füllen Sie Ihren persönlichen Risiko-Fragebogen aus unter

und Ihrem Arzt und füllen Sie persönlichen Risiko-Fragebogen aus unter

Ein zu hohes Cholesterin

Todesursache Nr. 1 führen:

Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin und Ihren persönlichen Risiko-Fragebogen

„Wenn ein bestimmter Erkrankungsgrad erreicht ist, können Ernährung und Bewegung allein nicht viel ausrichten.“

Frühzeitiger Zugang zu Therapien

Schweres Übergewicht hat niemand freiwillig, mit gutem Rat und Tipps ist keinem geholfen. Adipositas-Betroffenen schneller den Zugang zu Therapien zu ermöglichen – und zwar bevor sie durch Folgeerkrankungen so stark beeinträchtigt sind, dass nicht mehr geholfen werden kann –, ist Dr. med. Sylvia Weiner ein großes Anliegen.

Dieses Interview wurde in Kooperation mit der Novo Nordisk Pharma GmbH umgesetzt.

Frau Dr. Weiner, was genau ist Adipositas? Adipositas ist eine chronische, entzündliche Stoffwechselerkrankung. Es ist kein Lifestyle, keine bewusste Entscheidung, sondern wirklich als Erkrankung zu betrachten. Bei Betroffenen ist der Stoffwechsel verändert, auf ganz verschiedenen Ebenen, nahezu alle Organe sind beteiligt.

Im Magen und im Darm werden Botenstoffe produziert, die mit Fettgewebe, Muskeln, Leber und Gehirn im Austausch stehen. So wird die Bereitstellung von Energie koordiniert. Erkrankungen, genetische Veranlagung oder auch manche Medikamente können dazu führen, dass bestimmte Substanzen produziert werden, die zu einer Fehlkommunikation führen. Dies kann zur Folge haben, dass man ein Hungergefühl verspürt, obwohl noch ausreichend Zucker im Blut ist, und sich eine Insulinresistenz entwickelt. Der Zucker wird

Dr. med. Sylvia Weiner

Chefärztin der Klinik für Adipositas-Chirurgie und Metabolische Chirurgie im Sana Klinikum Offenbach

dann nicht in der Muskulatur „verbraucht“, sondern im Fettgewebe gespeichert. Im Fettgewebe wiederum werden daraufhin mehr von diesen Substanzen produziert. Ein toxischer Kreislauf, aus dem Betroffene nicht mehr ohne Weiteres herauskommen.

Diäten können nicht helfen?

Für unseren Körper ist es leichter, Gewicht zuzunehmen, als es zu verlieren. Das ist ein archaisches Programm, das der Arterhaltung dient. Im Prinzip geht es darum, dass der Körper sich durch die Gewichtszunahme davor schützen will, zu verhungern.

Diäten basieren auf einem Energiedefizit, man versetzt den Körper in einen tatsächlichen Hungerzustand. In einer Situation, in welcher der Stoffwechsel bereits gestört ist, würde dieser zusätzlich noch gedrosselt. Das ist für Menschen mit Adipositas kontrapro-

Foto: Getty Images

duktiv, sie haben ohnehin schon einen veränderten Stoffwechsel, eine Dysregulation.

Wie kann man sich das vorstellen?

Es gibt den sogenannten Body Set Point. Jeder Körper hat ein bestimmtes Gewicht, nach dem er strebt. Bei adipösen Menschen ist dieser Body Set Point höher als bei Normalgewichtigen. Der Körper wird sich dann gegen jede Form der Gewichtsabnahme wehren, weil diese „Hunger“, also eine Bedrohung des Lebens, signalisiert. Fett wird dann vermehrt gespeichert, auch in den Organen. Das Wort „Fettleber“ ist sicher vielen ein Begriff. Das kann übrigens auch Menschen betreffen, die nicht adipös aussehen, mit Fettpolstern an Bauch, Oberschenkeln oder Po, sondern auch solche, die äußerlich schlank sind.

Adipöse Menschen sind oft mit Vorurteilen konfrontiert, zum Beispiel, dass ihr starkes Übergewicht psychologische Ursachen hat … Man weiß heute viel über die Erkrankung, aber alles weiß man nicht. Die genauen Ursachen rückwirkend zu ermitteln, ist oft nicht möglich. Menschen mit Adipositas ist meist nicht damit geholfen, wenn man sie zu Psychologen schickt. Um es anschaulich zu erklären: Es gibt viele Brillenträger, aber sie alle benötigen ganz unterschiedliche Brillen und ihr Sehvermögen ist auf ganz verschiedene Weise beeinträchtigt, aus unterschiedlichem Grund. Und niemand käme auf die Idee, sie zu Psychologen zu schicken oder zu sagen, sie sollten sich halt ein bisschen Mühe geben und dann würde das mit dem Sehen schon wieder werden. Natürlich gibt es auch Menschen, bei denen das starke Übergewicht psychische Ursachen haben kann. Bei vielen aber hat das Übergewicht sehr viel weniger mit Essen zu tun, als Außenstehende oft meinen.

Sie sagten am Anfang unseres Gespräches, Adipositas sei eine chronische Erkrankung. Was bedeutet das für die Patienten? Wenn ein bestimmter Erkrankungsgrad erreicht ist, können Ernährung und Bewegung allein nicht viel ausrichten. Wobei es schwer ist, diesen Grad allgemeingültig festzulegen. Noch immer orientieren wir uns bei der Ermittlung von Adipositas am Body-Mass-Index, der die Relation zwischen Körpergröße und Gewicht spiegelt. Das ist trügerisch. Nehmen Sie zum Beispiel Arnold Schwarzenegger, sein Gewicht ist in Relation zu seiner Größe hoch. Adipös ist er allerdings absolut nicht. Umgekehrt kann jemand, der nicht übergewichtig wirkt, an übermäßigem Körperfett und Fettansammlungen an den Organen leiden. Die USA werden aktuell vom Krankheitsbild der Fettleber geradezu überrollt. Das werden wir auch hierzulande sehen.

Fett und Zucker lagern sich in den Blutgefäßen ab; was wir als „Verkalkungen“ bezeichnen, kann zu Herzinfarkten und anderen kardiovaskulären Krankheitsbildern führen. Auch chronische Entzündungen sehen wir, die Nebenerkrankungen in Herz oder Lunge

auslösen. Vieles ist Insulin-indiziert, das Insulin verursacht viele Fehlsteuerungen. Auch Schilddrüsenerkrankungen können die Ursache für Adipositas sein.

Geht man immer nach dem BMI? Das ist in den aktuellen Leitlinien so vorgegeben, ja. In Deutschland gilt ein BMI von 35 mit schweren Folgeerkrankungen als kritische Grenze, bei der Adipositas-Behandlungen zur Kassenleistung werden können, oder ein BMI von 50 bzw. von 40, wenn er seit mindestens fünf Jahren besteht. Das ist recht spät; international wurde diese Grenze vielfach schon herabgesetzt. Man sollte auch nicht nur den BMI, sondern immer auch den Leidensdruck betrachten, und der ist individuell.

Wie sprechen Sie das Thema in der Praxis an?

Den Betroffenen ist bewusst, dass sie starkes Übergewicht haben. Wenn ich mit ihnen darüber rede, dass es sich um eine Stoffwechselerkrankung handelt, sind sie oft richtig erleichtert, weil es ihnen Schuldgefühle nimmt. Sie verhalten sich normal, essen normal, versuchen auch, sich in ihrem Rahmen zu bewegen, und leiden trotzdem unter Adipositas. Es entlastet sie, zu wissen, dass sie ihr Gewicht allein mit ihrem Verhalten kaum beeinflussen können.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Bei einem BMI unter 40 oder 50 versucht man zunächst über einen Zeitraum von sechs Monaten, konservativ zu therapieren. Man muss die Mittel der Ernährungsumstellung und Bewegung ausschöpfen. Wenn dies keine Erfolge bringt, geht man weiter.

Eine Möglichkeit, wenn andere Maßnahmen nicht helfen, ist eine bariatrische Operation, bei der wir gute Erfolge sehen. Wir operieren viele Tausend Patienten jährlich. Magen und Dünndarm werden operativ so moduliert, dass sie bestimmte Botenstoffe nicht mehr ausschütten. Betroffene haben nach der OP weniger Hunger. Sie essen normal. Auch das Mikrobiom verändert sich. Die Kassen übernehmen allerdings die Kosten erst ab einem sehr hohen BMI. Nicht alle Patienten können oder wollen so lange warten, teils sind sie dann auch schon so eingeschränkt, dass nicht mehr operiert werden kann. Die Risiken sind zu hoch.

Alternativ zur OP gibt es medikamentöse Maßnahmen, die ein Leben lang eingenommen werden müssen. Es gibt zum Beispiel Medikamente, die zu den Mahlzeiten eingenommen werden und die Fettaufnahme aus der Nahrung behindern. Fette werden somit gar nicht erst aufgenommen, sondern direkt wieder ausgeschieden.

Daneben gibt es weitere Medikamente, die die Wirkung eines Darmhormons nachahmen, das als Reaktion auf Nahrungsaufnahme freigesetzt wird. Sie bewirken eine Steigerung der

Insulin- und eine Hemmung der Glukagonausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse; zusätzlich setzt das Sättigungsgefühl früher ein. Mit den genannten Wirkstoffen können Adipositas-Betroffene tatsächlich abnehmen.

Die Medikamente gibt es auf Rezept?

Die Medikamente sind rezeptpflichtig, aber leider von der Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung ausgeschlossen. Die Kosten tragen die Patienten. Das summiert sich, allerdings sinkt mit dem Gewicht auch das Risiko für Gelenk-, Herz-Kreislauf- und weitere Folgeerkrankungen. Nicht nur die Lebensqualität ist bei Normalgewichtigen höher, auch die Lebenserwartung kann steigen..

Hilfe aus der Arztpraxis

VORBEREITUNG

Eine gute Vorbereitung ist hilfreich. Notieren Sie sich deshalb im Vorfeld wichtige Fragen an Ihren Arzt. Eine Liste mit möglichen Fragen finden Sie hier: www.adipositas-spezialisten.de

FRAGEN DES ARZTES

Ihr Arzt wird Ihnen einige Fragen stellen, z. B. nach Ihrem allgemeinen Gesundheitszustand, nach chronischen Erkrankungen, welche Medikamente Sie nehmen. Auch Fragen zu Ihrem Gewicht werden nicht ausbleiben. Wie es sich entwickelt hat und was Sie bereits probiert haben, um abzunehmen.

MÖGLICHKEITEN

Informieren Sie sich im Vorfeld des Arztgespräches über Möglichkeiten der Gewichtsabnahme. Im Arztgespräch erläutert Ihnen der Arzt, welche Vor- und Nachteile die jeweilige Möglichkeit hat, und zusammen finden Sie heraus, welche Therapieoption für Sie die beste ist.

INFORMATIONEN

Im Internet finden Sie Listen mit Fragen, die Sie Ihrem Arzt stellen können. Aber auch Adressen von Praxen, die sich auf Übergewicht spezialisiert haben, und von Adipositas-Sprechstunden.

Scannen Sie den QR-Code und erhalten Sie weitere Informationen rund um das Thema Adipositas:

Bardet-Biedl-Syndrom

Leben im Hungermodus: Wer hilft den Kindern?

Liegt es an zu wenig Bewegung und einseitiger, ungesunder Ernährung … ? Der Anblick übergewichtiger Kinder provoziert, eine Veränderung des Lebensstils scheint als Lösung einfach. Wenn jedoch bereits Einjährige an Hyperphagie und massivem Übergewicht leiden, wenn weder Diäten noch OPs den Kindern helfen, sind Eltern und Betroffene verzweifelt und sogar Ärzte fassungslos. In Zusammenarbeit mit

Menschen mit schwerem Übergewicht leiden –unter der gesundheitlichen Beeinträchtigung und den Stigmata. Für Kinder mit Hyperphagie gilt das umso mehr. Was ist das für ein Leben, wenn sich alles nur ums Essen dreht?

Schuld sind die Gene Adipositas kann viele verschiedene Ursachen haben – auch eine seltene Erkrankung wie das genetisch bedingte Bardet-BiedlSyndrom (BBS), an das vielleicht zunächst keiner denkt. Bei BBS weisen Teile der Körperzellen eine Fehlfunktion auf. Die Erkrankung kann sich in einer Vielzahl von Symptomen äußern, die nicht unbedingt zusammen auftreten; auch ihre Ausprägung kann jeweils sehr unterschiedlich sein. Neben dem genetisch bedingten Übergewicht können dies folgende sein: Sehstörungen, die häufig im Kindesalter auffallen und meist zur vollständigen Erblindung führen, Nierenfunktionsstörungen, Polydaktylie (überzählige Finger und/oder Zehen), Hypogonadismus (Unterentwicklung der Geschlechtsorgane), Entwicklungsverzögerungen und Verhaltensauffälligkeiten.

Hyperphagie – unstillbarer Hunger Eines der Hauptsymptome dieser Erbkrankheit ist Hyperphagie, unstillbarer Hunger. Spätestens wenn Kinder unter diesem Symptom leiden, sollten Ärzte und Angehörige sehr genau hinsehen. Der klangvolle lateinische Begriff lässt dabei das ganze Ausmaß des Leids kaum erahnen. Kinder mit Hyperphagie haben permanent das Gefühl, zu verhungern. Die Betroffenen befinden sich in einem Dauerzustand existenzieller Not.

Eine Hyperphagie äußert sich in der zwanghaften Beschäftigung mit und einem übermäßigen Verlangen nach Essen. Betroffene sind ständig auf der Suche nach Nahrung. Nächtliche Heißhungerattacken stören Schlaf und familiären Frieden und durch die enorm kurzen Sättigungsperioden dreht sich der gesamte Tagesablauf aller Familienmitglieder bald nur noch ums Essen. Konflikte zu Hause sind vorprogrammiert – auch in Kindergarten oder Schule und weit darüber hinaus.

Enormer Leidensdruck

Dieser Zustand ist extrem belastend. Die Betroffenen selbst, auch Geschwister und Eltern leiden sehr. Viele berichten von extremen Einschränkungen im Alltag und von ihrer schieren Verzweiflung, weil nichts ihren Kindern zu helfen scheint. Niemand scheint zu wissen, was ihnen fehlt.

Eltern bemühen sich um Fassung, wenn sie vom Martyrium der Familien berichten. Als besondere Belastung wird oft das permanente Hungergefühl der Kinder genannt. „Der Alltag wird sehr stark dadurch bestimmt, dass unsere Tochter in sehr kurzen Abstän-

„Für uns als Eltern einer einjährigen BBS-betroffenen Tochter ist das nahezu permanente Hungergefühl aktuell am schwierigsten. Der Alltag wird sehr stark dadurch bestimmt, dass unsere Tochter häufig in kleinen und unregelmäßigen Abständen Essen einfordert.“

den Essen einfordert“, sagt der Vater eines BBS-betroffenen einjährigen Kindes.* Die permanente Sorge und auch den massiven Schlafmangel sieht man ihm an.

Gestörtes Sättigungssignal

Die Adipositas durch Hyperphagie bei BBS beginnt meist schon im frühesten Kindesalter. Fatal: Bei Betroffenen ist die Übermittlung des Sättigungssignals ans Gehirn durch eine genetische Mutation gestört. Kuren, Diäten oder mehr Bewegung helfen nicht. Auch eine bariatrische OP, die sonst bei Adipositas zuverlässig helfen kann, ist bei BBS in der Regel erfolglos.

Langer Weg zur Diagnose

Um zu helfen, muss man wissen, womit man es zu tun hat. Und hier fängt meist das Debakel an. „Wir haben zwei Kinder mit BBS, die schon im Säuglingsalter Symptome zeigten“, berichtet eine Mutter.* „Bis zur Diagnose haben wir unzählige Ärzte und Kliniken konsultiert. Kinderärzte, Kinderkliniken, Neurologisches Zentrum, Humangenetik, drei verschiedene Augenkliniken, mehrere niedergelassene Augenärzte ...“ Familien müssen Termin um Termin wahrnehmen, unzählige Untersuchungen über sich ergehen lassen, bis feststeht, was die Ursache ist. Ein enormer Aufwand, zeitlich und finanziell.

Seltene Erbkrankheit

Was macht es so schwer, die richtige Diagnose zu stellen? Zum einen hat das Bardet-BiedlSyndrom viele Gesichter. BBS kann diverse Organsysteme betreffen, mit jeweils unterschiedlich starker Ausprägung. Auch entwickeln sich die Symptome oft erst über längere Zeit. Zum anderen spielt die Häufigkeit eine Rolle. Selbst wenn von einer höheren Dunkelziffer auszugehen ist, sind deutschlandweit offiziell nur 300 an BBS Erkrankte bekannt, berichtet Dr.

med. Metin Cetiner, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Essen und einer der wenigen deutschen Experten für BBS.** Das erklärt, warum Ärzte selten auch an BBS denken, wenn ein adipöses Kind in ihre Sprechstunde kommt.

Hinzu kommt, dass eine Diagnosesicherung mithilfe genetischer Tests erfolgen muss. Zwar nehmen Gentests eine wachsende Rolle in der klinischen Medizin ein, „die Genetik wird jedoch oft als etwas kompliziert wahrgenommen“, so Prof. Dr. med. Carsten Bergmann von der Medizinischen Genetik Mainz.** „Umso wichtiger ist es, dass Fachärzte für Humangenetik in den klinischen Alltag mit einbezogen werden, dass genetische Sprechstunden wahrgenommen werden, dass Patienten zur genetischen Sprechstunde geschickt werden.“ Nur so können Sachverhalte geklärt und detailliert erläutert werden. Auch lässt sich in diesem Rahmen besser auf Patienten und ihre Angehörigen eingehen; viele Fragen lassen sich hier klären.

Verantwortliche Gene identifiziert Es gibt sehr viele Gene verschiedener Erbanlagen, die für das Bardet-Biedl-Syndrom infrage kommen. Es ist gelungen, über 20 dieser Gene zu identifizieren. Früher musste für die Analyse eines Gens jeweils ein Test durchgeführt werden. „Die heutigen Techniken lassen es zu, dass wir mehrere Gene parallel betrachten können“, berichtet Prof. Bergman.**

Die Medizin macht insgesamt gute Fortschritte. In den letzten Jahren hat man viel über die beteiligten Gene der Erbkrankheit und die von ihr verursachten Fehlfunktionen herausgefunden. Ein großes Glück, denn dies ermöglicht Therapien.

Therapie ist möglich

Mittlerweile gibt es heute eine kausale Therapie zur Kontrolle des Hungergefühls und zur Behandlungsmöglichkeit von Fettleibigkeit bei einigen genetisch bedingten Erkrankungen, auch bei BBS. Der Wirkstoff kann das Leid der Betroffenen und Angehörigen lindern. Das Hungergefühl kann reduziert, die Kalorienaufnahme verringert werden. Kinder denken nicht mehr nur ans Essen, sondern auch ans Spielen, knüpfen Freundschaften, Eltern atmen auf. Ein Stück Lebensqualität – unendlich kostbar für betroffene Familien..

Information

Weitere Informationen zum Krankheitsbild des Bardet-Biedl-Syndroms finden Sie bei der Patientenvereinigung PRO RETINA e. V. unter: www.pro-retina.de sowie in folgenden Videos:

* Quelle: Angehörige ** Quelle:Experte https://www.youtube.com/ watch?v=UYMOCLW_Cww

(Digitale) Unterstützung

Unsere Gesellschaft wird seit Jahren immer schwerer, doch das Gewicht allein ist nicht das Hauptproblem. Im Interview spricht Prof. Dr. Matthias Blüher über die Krankheit Adipositas, die richtige Arzt-Patienten-Kommunikation und digitale Möglichkeiten zur Therapieunterstützung.

Herr Prof. Dr. Blüher, etwa ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland ist von Adipositas betroffen. Wie kommt das? Es liegt an unserem Lebensstil, bei manchen kommt auch eine genetische Veranlagung hinzu. Viele Tätigkeiten werden im Sitzen ausgeübt, wir bewegen uns zu wenig. Dann gibt es ein Überangebot an kalorienreichen Lebensmitteln und häufig auch einen ungesunden Essensrhythmus. All das fördert Adipositas, starkes Übergewicht.

Was macht starkes Übergewicht so problematisch?

Adipositas an sich hat für Betroffene schon einen Krankheitswert. Das Hauptproblem aber ist, dass Adipositas zu mehr als 60 Folgeerkrankungen beitragen kann, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck, das Schlafapnoesyndrom, auch verschiedene Krebsarten und Störungen des Bewegungsapparates. Letztlich schränkt Adipositas also nicht nur die Lebensqualität ein, sondern auch die Lebenserwartung.

Warum ist es so schwer, Gewicht zu verlieren?

Unser Körper strebt zeitlebens nach Wachstum, einen Gewichtsverlust versucht er zu verhindern. Zum Beispiel, indem er als Reaktion auf Diäten den Grundumsatz senkt oder mehr Appetit entwickelt, dem Gehirn eine spätere Sättigung signalisiert. Diese Mechanismen erschweren ein langfristiges Abnehmen.

Wie kann es dennoch gelingen?

Hier gibt es im Wesentlichen drei Säulen: zum einen Verhaltensmaßnahmen – gesünder und kalorienbewusster essen, mit viel Gemüse, weniger kohlenhydratreicher, energiedichter Kost. Hierzu gehören auch ein gesunder Lebensrhythmus, die Schlafhygiene, das Vermeiden von Stress und gesteigerte bzw. gezielte körperliche Aktivität. Eine zweite Therapiesäule können Medikamente sein und eine dritte ist die chirurgische Therapie bei Adipositas.

Prof. Dr. Matthias Blüher

Endokrinologe, Diabetologe und Leiter der Adipositas-Ambulanz für Erwachsene der Universitätsmedizin Leipzig

„Viele meiner Patienten betrachten eine App als hilfreich, auch weil sie dadurch Zeit und Wege sparen. Man muss es ausprobieren. Es ist gut, diese Möglichkeit zu haben.

Welche Rolle spielt die Arzt-PatientenKommunikation?

Menschen mit Adipositas fühlen sich häufig alleingelassen. Sie brauchen viel positive Rückkopplung, auch Erklärungen, warum bestimmte Maßnahmen weniger gut und andere besser funktionieren. Zudem ist ein Feedback zur Gewichtsentwicklung, zu Erfolgen und zu Ergebnissen von Laborkontrollen wichtig. Wie häufig dies geschehen muss, ist allerdings individuell sehr verschieden. Manche Patienten brauchen eine sehr engmaschige Rückkopplung, den meisten reicht ein Termin alle sechs bis acht Wochen aus.

Können digitale Gesundheitsanwendungen die Kommunikation unterstützen? Es gibt in Deutschland zwei zugelassene Apps, die dabei helfen sollen, Verhaltensänderungen dauerhaft zu etablieren. Sie informieren, was gesunde Ernährung bedeutet und wie viel Bewegung nötig ist, sie erinnern und sie klären über mögliche Folgeprobleme durch Adipositas auf. Digitale Gesundheitsanwendungen sind natürlich nicht gleichzusetzen mit einem Termin beim Arzt. Sie sind aber als Ergänzung durchaus sinnvoll und werden seit etwa einem Jahr auch von mir in der Praxis eingesetzt.

Welche Rückmeldung geben Ihre Patienten zur Nutzung der App? Wichtig ist, sich vorab bewusst zu machen, dass die Verwendung einer App nicht automatisch mit dem Verlust eines bestimmten Gewichts einhergeht. Ich habe Patienten, die sehr gut damit zurechtkommen und gute Erfolge sehen, andere haben das Gefühl, es bringt ihnen nichts. Man kann hier nicht pauschalisieren. Viele meiner Patienten betrachten die App als hilfreich und mögen sie, auch weil sie dadurch Zeit und Wege sparen. Man muss es ausprobieren. Es ist gut, diese Möglichkeit zu haben. .

Redaktion Miriam Rauh

Die digitale Adipositas-Therapie kostenlos auf Rezept

Zanadio ist eine App-basierte Adipositas-Therapie mit einem ganzheitlichen Ansatz, welche Patienten mit einem BMI zwischen 30 und 40 kg/m² auf ärztliche Verordnung kostenfrei als Leistung aller Kassen zur Verfügung steht. Als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) ist zanadio offiziell als Medizinprodukt zugelassen und erfüllt höchste Anforderungen an den Schutz Ihrer Daten. Das Programm ist wissenschaftlich fundiert und setzt nicht auf kurzfristigen Verzicht, Verbote oder Kalorienzählen. Stattdessen geht es um die langfristigen Effekte einer Verhaltensänderung. Die App ist ganzheitlich aufgebaut und umfasst die Bereiche Verhalten, Bewegung und Ernährung. Es gibt keine starren Vorgaben oder Ernährungspläne, wodurch das Programm vollkommen individuell angepasst werden kann.

zanadio zielt darauf ab, neue Gewohnheiten zu erlernen und diese langfristig beizubehalten. Darum ist das Programm auf zwölf Monate angelegt. Jede Woche werden neue Lektionen freigeschaltet, zu denen es interaktive Lerninhalte und Übungen gibt. Neben Bewegung und Ernährung geht es dabei beispielsweise um gesunde Routinen, Stress und Belastungen oder Selbstwert. Als App ist zanadio vollkommen ortsunabhängig einsetzbar und als digitaler Assistent stets an Ihrer Seite. Bei technischen Schwierigkeiten oder Fragen zum Programm können Sie sich jederzeit über die Chat-Funktion an ein qualifiziertes Support-Team wenden.

In einer Studie in Kooperation mit der Universität Leipzig wurde die Wirksamkeit von zanadio bestätigt. Die Gruppe der zanadioNutzer hat über zwölf Monate signifikant an Gewicht verloren (im Durchschnitt knapp acht Prozent), während das Gewicht der Kontrollgruppe, die freie Wahl in der Methode zur Gewichtsreduktion hatte, zum Studienende unverändert war.

Die Teilnahme am Programm ist für gesetzlich Versicherte vollkommen kostenlos –ohne Zuzahlung oder Rezeptgebühr. Sie reichen einfach Ihr Rezept ein: entweder über unseren kostenfreien Rezept-Service oder direkt bei Ihrer Krankenkasse. Diese stellt Ihnen dann einen 16-stelligen Code aus, mit dem Sie das Programm freischalten. Die Verordnungsdauer beträgt immer 90 Tage. Es gibt keine automatische Verlängerung (kein AboModell) und es entstehen keine Zusatzkosten. Sie können sich problemlos und kostenfrei ein Folgerezept ausstellen lassen. Privatpatienten empfehlen wir, vorab ihre Krankenkasse zu kontaktieren. Die meisten privaten Krankenversicherungen übernehmen aus Kulanz die Kosten ebenfalls vollständig. .

Scannen Sie jetzt den QR-Code und erhalten Sie weitere Informationen rund um die digitale Adipositas-Therapie, oder gehen Sie auf: www.zanadio.de

Foto: aidhere GmbH
„Stellen Sie sich vor, Sie landen am

Flughafen und werden am Handicap-Schalter empfangen“

Reiner „Calli“ Calmund ist einer der bekanntesten Menschen in Deutschland und hatte einen BMI von 60. Diäten halfen nicht. Da entschloss sich der ehemalige Bundesligamanager zu einer bariatrischen Operation und nahm 80 Kilo ab. Im Interview spricht er über Stigmatisierung und den Moment, als er sich für sein Übergewicht schämte.

Foto:
Pickfotografie

Herr Calmund, jahrzehntelang war eines Ihrer Markenzeichen Ihre Körperfülle. Wie kam es zu den 180 Kilo?

Ich erfülle das typische Klischee, das viele von Menschen mit Übergewicht haben: Ich habe jahrelang zu viel gegessen und mich zu wenig bewegt. Bei meiner OP habe ich gelernt, dass ich mein Fettfundament schon in jungen, schmalen Zeiten durch die vielen Süßspeisen angelegt hatte. Das konnte ich zunächst gar nicht glauben. Ich war als Kind und Jugendlicher als aktiver Fußballer ein Hungerhaken. Dann hatte ich einen Knochenabriss im Sprunggelenk, der damals noch nicht reparabel war. Ohne Sport kamen dann die Kalorien in Kompaniestärke anmarschiert. Unsere Nachbarn waren Bayern, die mir ihre Mehlspeisen wie Kaiserschmarren, Dampfnudeln und Apfelstrudel näherbrachten. Meine Mutter arbeitete in einer Bäckerei, sie brachte täglich ein Kuchenblech mit. So schaukelte sich das Gewicht bei mir hoch.

Gab es Momente, in denen Sie wegen Ihres Gewichts stigmatisiert wurden?

Wenn Sie mit stigmatisiert meinen, dass ich zu Karneval bei allen Büttenrednern einen breiten Part im wahrsten Sinne des Wortes eingenommen habe, dann lautet die Antwort: Ja, ich wurde stigmatisiert. Aber die Kunst ist ja, über sich selbst zu lachen. Gerade im Karneval. Ich wurde wegen meines Gewichts nicht ausgegrenzt, im Gegenteil: Das Gewicht wurde mein Markenzeichen. Eine große deutsche Tageszeitung betitelte mich als XXL-Manager. Diese Ehre wurde in Deutschland noch niemandem zuteil.

Was würden Sie Menschen raten, die aufgrund ihres Übergewichtes ausgegrenzt oder schlecht behandelt werden?

Abnehmen (lacht). Nein, Spaß beiseite, dafür ist das Thema einfach zu ernst. Wir reden hier ja über ein gesellschaftliches Phänomen, das weit über das Übergewicht hinausgeht. Dass Menschen ausgegrenzt oder schlecht behandelt werden – nur weil sie anders sind. Wir erleben eine Zeit, in der die Toleranzforderer die Intolerantesten sind. Wir alle sind gefordert, nicht nur über eine bunte und vielfältige Gesellschaft zu reden, sondern sie auch zu gestalten oder zu akzeptieren.

Wie viele Diäten/Abnehmkuren haben Sie in Ihrem Leben gemacht? Ich schätze, um die zehn. Ich habe insgesamt dabei 250 Kilo abgenommen, aber danach auch rund 300 Kilo wieder zu. Da konnte mir auch Joey Kelly nicht helfen, mit dem ich ja als Iron-Calli bei RTL und VOX mein Sport- und Diätprogramm in mehreren TV-Folgen öffentlich gemacht habe. Ich wollte mich damit selbst unter Druck setzen. Und zunächst purzelten die Pfunde auch.

Und dann kam der Jo-Jo-Effekt?

Ja – und das jedes Mal! Weg mit der gesun-

„Wir

reden hier über ein gesellschaftliches Phänomen, das weit über das Übergewicht hinausgeht. Dass Menschen ausgegrenzt oder schlecht behandelt werden – nur weil sie anders sind. Wir erleben eine Zeit, in der die Toleranzforderer die Intolerantesten sind. Wir alle sind gefordert, nicht nur über eine bunte und vielfältige Gesellschaft zu reden, sondern sie auch zu gestalten oder zu akzeptieren.“

den Ernährung, weg mit der regelmäßigen Bewegung und zurück zu den alten Gewohnheiten.

Wann kam der Moment, als Sie beschlossen haben, dass sich jetzt wirklich etwas ändern muss?

Stellen Sie sich vor, Sie landen in Amerika und werden dort direkt am Handicap-Schalter empfangen. Dort macht es rumms und Ihnen schiebt jemand einen Rollstuhl unter den Hintern. Anfangs war ich perplex und habe mich auch etwas geschämt, dann habe ich mir gedacht: Oh, das ist ja doch sehr bequem. So ging es mir an den Flughäfen von San Diego, San Francisco und Las Vegas. Und im Disneyland habe ich einen E-Scooter bekommen. Das war im Sommer 2019. So wollte ich dann doch nicht enden.

Wie kam es schließlich zur OP-Entscheidung?

Ich wusste, dass ich etwas ändern muss. Aber es war dann wie so oft im Leben: Es braucht einen Stupser von außen. Das war bei mir damals Uli Hoeneß. Im August 2019 war ich bei ihm in München, und als ich ging, sagte er: „Mensch, Calli, was ist eigentlich mit deiner Plauze, willst du da nicht mal was machen?“ Er hat mir den Spezialisten Professor Karcz in Großhadern empfohlen. Der Professor sagte mir auf den Kopf zu: „Herr Calmund, das geht bei Ihnen nur mit einer Magenverkleinerung. Selbst wenn Sie nach Grönland fliegen, dort Sport machen und gesund essen,

werden Sie nicht langfristig abnehmen.“ Ein paar Tage später war ich zum 70. Geburtstag bei Professor Werner Mang eingeladen. Werner bestätigte mir die Diagnose und empfahl mir für die Operation Professor Runkel von der Sana-Klinik in Offenbach. Fünf Tage nach der OP konnte ich das Krankenhaus mit meinem verkleinerten Magen verlassen.

Hatten Sie Angst vor der OP?

Ja! Es war meine zweite OP. Als Sechsjähriger wurden mir, mit der damals sogenannten Käppchen-Anästhesie, die Mandeln entfernt. Ich musste mich zwei Tage mehrfach übergeben. Mit der aktuellen neuen OP-Methode hatte ich keinerlei Probleme.

Wie haben Sie sich nach der OP gefühlt und wann war wieder ein normaler Alltag möglich?

Ich war fit wie ein Turnschuh! Meine Frau beschwerte sich schon: Seit ich mich wieder frei bewegen könne, sei zu Hause nichts mehr am rechten Platz. Ich konnte wieder Schuhe binden, mir ein Glas Wasser holen oder auch mal längere Spaziergänge machen. Sie werden es nicht glauben: Hinter unserem Haus liegt ein wunderbarer See, mitten im Wald. Ein kleines Paradies. Den hatte ich bis dato noch nicht gesehen.

Inwiefern hat sich Ihr Leben nach der Operation verändert?

Ich wurde agiler. Ich war auch im Kopf frischer. Ich fühlte mich so fit wie seit meiner Jugend nicht mehr. Selbst Federball oder Tischtennis spielen mit meiner jüngsten Tochter, alles ist wieder mühelos möglich.

Würden Sie sagen, dass Sie heute insgesamt gesundheitsbewusster leben?

Ganz klares Jein. Natürlich lebe ich bewusster, weil ich gerade in den letzten Jahren viel über meinen Körper gelernt habe. Ich achte schon darauf, was ich zu mir nehme – zumal in einen verkleinerten Magen auch nicht mehr so viel reinpasst. Ich würde aber lügen, wenn ich nicht hinzufüge: Manchmal vergesse ich es auch.

Worauf würden Sie niemals verzichten?

Auf leckeres Essen. Allerdings auf einem kleinen Teller, weil mein verkleinerter Magen bei großen Portionen rebelliert.

Haben Sie Angst davor, an Gewicht zuzulegen, bzw. davor, dass der Jo-Jo-Effekt wieder zuschlagen könnte?

Da bei der OP mein Magen ja verkleinert worden ist, ist der klassische Jo-Jo-Effekt nicht möglich. Trotzdem wiege ich mich täglich, um genau zu sehen, wie sich mein Gewicht entwickelt. Ich lebe bewusster – und habe ein Wohlfühlgewicht, das ich so halten will.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Gesundheit, ein langes Leben – und dass die Menschen auch Menschen akzeptieren, die anders sind als sie selbst. .

Bariatrische OP –hilft sie wirklich?

Für mehr Lebensqualität und ein geringeres Risiko für gravierende Folgeerkrankungen müssen Menschen mit Adipositas Gewicht reduzieren. Helfen konservative Maßnahmen nicht, braucht es die Chirurgie.

Herr Dr. Raggi, wann ist eine bariatrische Operation sinnvoll?

Die Leitlinie gibt vor, wann operiert werden kann. In Deutschland sind bariatrische OPs ab einem BMI von 35 mit Adipositas-assoziierten Begleiterkrankungen möglich.

Bei einem BMI über 40 besteht die Indikation auch ohne Begleiterkrankungen; vorab muss allerdings ein multimodales Konzept aus Ernährungstherapie, psychologischer Betreuung und Bewegung unter ärztlicher Anleitung über sechs Monate durchgeführt worden sein.

Ab einem BMI von 50 oder auch bei einem entgleisten Diabetes mellitus darf sofort operiert werden. Im Rahmen von Studien kann bereits bei einem BMI zwischen 26 und 34,9 operiert werden, zum Beispiel wenn ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2 mit Folgeschädigungen vorliegt.

Welche weiteren Kriterien spielen eine Rolle?

Ob der Patient auch psychisch in der Lage ist, die Tragweite des Eingriffs zu verstehen und sich an die Vorgaben zu halten, ist gesondert zu prüfen. Bei uns im Zentrum sind dafür eigene Psychologen vor Ort. Zudem wird geprüft, ob eine Drogen- oder Alkoholabhängigkeit besteht, eine Retardierung oder eine manifeste Depression. Auch hier gibt es Leitlinien, an denen wir uns orientieren.

Wer übernimmt die Kosten für die OP? Wenn Chirurgen und Psychologen grünes Licht geben, klären wir die Kostenübernahme mit den Krankenkassen. Für Privatpatienten ist der Prozess etwas anders, hier muss unter Umständeneine Kostenübernahme beantragt werden.

Gibt es verschiedene Operationsmöglichkeiten?

Die drei gängigsten Operationen sind aktuell die Schlauchmagen-OP, gefolgt vom

Dr. med. Matthias Raggi

Facharzt für Chirurgie und Spezialist für Viszeralchirurgie am Adipositaszentrum Stuttgart am Karl-Olga-Krankenhaus

„Mithilfe einer

bariatrischen

OP ist ein mittelbis langfristiger Verlust von 70 Prozent des Übergewichts möglich.“

klassischen Roux-Y-Bypass und dem Omega-Loop-Bypass. Eine Schlauchmagen-OP lässt sich bei sehr stark adipösen Patienten leichter durchführen; sie eignet sich für Patienten mit einem höheren Operationsrisiko oder Voroperationen.

Mit einem Magenbypass sehen wir sehr gute metabolische Veränderungen, eine

Reduktion von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie eine verringerte Mortalität. Ein Omega-Loop ist eine Art „kleiner“ Magenbypass. Man wägt anhand von BMI, Alter und Begleiterkrankungen sowie auch dem Wunsch des Patienten individuell ab, welche Operation durchgeführt wird.

Was genau sind die Ziele einer solchen OP?

Patienten kommen meist mit einem BMI von knapp 50 kg/m² und schaffen es mithilfe der OP, einen BMI von 30 zu erreichen. Ein mittel- bis langfristiger Verlust von 70 Prozent des Übergewichts ist durchaus realistisch. Dadurch erhöht sich nicht nur die Lebensqualität, auch das Risiko für Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sowie Typ-2-Diabetes sinkt deutlich. Bestehende Beschwerden wie zum Beispiel Gicht, Bluthochdruck, ein zu hoher Cholesterinspiegel oder eine Fettleber können sich zurückbilden.

Bitte gehen Sie auf das Thema Nachsorge ein.

Patienten bleiben für die OP meist zwei bis drei Tage stationär im Krankenhaus, nach vier Wochen kommen sie zur Kontrolle, dann nach drei Monaten, nach einem halben Jahr, nach einem Jahr, nach 18 Monaten; schließlich geht man zur jährlichen Kontrolle über.

Wünschen würde ich mir, dass wir den Patienten in Zukunft auch Ernährungsberatung und Psychotherapie als Kassenleistung für die Nachsorge als erstattungsfähige Leistung verordnen können. Bislang ist dies leider noch nicht möglich, die Maßnahmen würden aber die dauerhafte Gewichtsreduktion der Betroffenen sehr unterstützen. Im besten Fall halten sie ihr Normalgewicht nach der OP ein Leben lang. .

Redaktion Miriam Rauh

MIGRÄNE

MIGRÄNE

57% erfolgreich therapiert1

DEPRESSION

57% erfolgreich therapiert1

MIGRÄNE

PSEUDOTUMOR CEREBRI

57% erfolgreich therapiert1

PSEUDOTUMOR CEREBRI

96% erfolgreich therapiert2

DEPRESSION

55% abgeklungen1

55% abgeklungen1

DEPRESSION

OBSTRUKTIVE SCHLAFAPNOE

55% abgeklungen1

96% erfolgreich therapiert2

PSEUDOTUMOR CEREBRI

96% erfolgreich therapiert2

DYSLIPIDÄMIE/ HYPERCHOLESTERINÄMIE

DYSLIPIDÄMIE/ HYPERCHOLESTERINÄMIE

63% rückläufig1

OBSTRUKTIVE SCHLAFAPNOE

74–98% reduziert1, 7

74–98% reduziert1, 7

OBSTRUKTIVE SCHLAFAPNOE

ASTHMA

74–98% reduziert1, 7

ASTHMA

82% verbessert oder reduziert1

63% rückläufig1

DYSLIPIDÄMIE/ HYPERCHOLESTERINÄMIE

NICHT ALKOHOLBEDINGTE FETTLEBERERKRANKUNG

63% rückläufig1

NICHT ALKOHOLBEDINGTE FETTLEBERERKRANKUNG

90% verringerte Leberverfettung

ASTHMA

82% verbessert oder reduziert1

82% verbessert oder reduziert1

HERZ- UND GEFÄSSERKRANKUNGEN

HERZ- UND GEFÄSSERKRANKUNGEN

82% Risikoreduzierung8

37% Rückgang der Entzündung

90% verringerte Leberverfettung

NICHT ALKOHOLBEDINGTE FETTLEBERERKRANKUNG

20% Rückgang der Fibrose3

37% Rückgang der Entzündung

90% verringerte Leberverfettung

20% Rückgang der Fibrose3

37% Rückgang der Entzündung

20% Rückgang der Fibrose3

METABOLISCHES SYNDROM

METABOLISCHES SYNDROM

80% rückläufig3

80% rückläufig3

METABOLISCHES SYNDROM

80% rückläufig3

DIABETES MELLITUS TYP II

DIABETES MELLITUS TYP II

83% rückläufig4

83% rückläufig4

DIABETES MELLITUS TYP II

POLYZYSTISCHES OVARIALSYNDROM

83% rückläufig4

POLYZYSTISCHES OVARIALSYNDROM

POLYZYSTISCHES OVARIALSYNDROM

82% Risikoreduzierung8

HERZ- UND GEFÄSSERKRANKUNGEN

BLUTHOCHDRUCK

82% Risikoreduzierung8

BLUTHOCHDRUCK

52–92% rückläufig1, 7, 9

52–92% rückläufig1, 7, 9

BLUTHOCHDRUCK

REFLUXKRANKHEIT

52–92% rückläufig1, 7, 9

REFLUXKRANKHEIT

72–98% rückläufig1, 7, 9

72–98% rückläufig1, 7, 9

REFLUXKRANKHEIT

72–98% rückläufig1, 7, 9

BELASTUNGSINKONTINENZ

BELASTUNGSINKONTINENZ

BELASTUNGSINKONTINENZ

44–88% rückläufig 7

79% Rückgang der Hirsutismus 100% Menstruationsstörungen rückläufig5

79% Rückgang der Hirsutismus

100% Menstruationsstörungen rückläufig5

79% Rückgang der Hirsutismus 100% Menstruationsstörungen rückläufig5 VENENSTAU

VENENSTAU

95% zurückgegangen6

44–88% rückläufig 7 DEGENERATIVE GELENKERKRANKUNG

41–76% rückläufig1, 7

DEGENERATIVE GELENKERKRANKUNG 41–76% rückläufig1, 7

44–88% rückläufig 7 DEGENERATIVE GELENKERKRANKUNG

41–76% rückläufig1, 7

95% zurückgegangen6

VENENSTAU

95% zurückgegangen6

LEBENSQUALITÄT

LEBENSQUALITÄT

95 % verbessert1

95 % verbessert1

LEBENSQUALITÄT

95 % verbessert1

TOD

TOD

TOD 89 % Reduzierung der 5-Jahres-Sterberate8

89 % Reduzierung der 5-Jahres-Sterberate8

89 % Reduzierung der 5-Jahres-Sterberate8

Unverzichtbar: Mikronährstoffe nach Adipositas-OP

Eine Adipositas-OP verändert nicht nur das Gewicht der Betroffenen, sondern auch Nahrungsaufnahmeprozesse. Das erfordert die konsequente Substitution bestimmter Nährstoffe, ein Leben lang.

Herr Professor Dr. Otto, warum brauchen Patienten nach einer Adipositas-Operation Mikronährstoffe?

Die OP verändert nicht nur die Menge der Nahrungsaufnahme, sondern auch die Art. Patienten haben nicht mehr die Möglichkeit, die für sie nötigen Nährstoffe in ausreichender Menge aufzunehmen. Wenn wir Teile des Magens entfernen bzw. ausschalten, dann wird zum Beispiel nicht mehr ausreichend Vitamin B12 aufgenommen. Dieses ist aber unter anderem ein wichtiger Bestandteil für die Bildung von roten Blutkörperchen.

Welche Nährstoffe zugeführt werden müssen, damit kein Mangel entsteht, hängt von der jeweils gewählten OP ab. Wir können vorab recht gut vorhersagen, welche Nährstoffe wie Vitamin D, Vitamin B12, Eisen oder Calcium nicht ausreichend aufgenommen werden können. Zusätzlich muss man natürlich auch immer noch individuelle Gegebenheiten betrachten. Die Patienten benötigen ihr Leben lang auf sie abgestimmte Präparate.

Ab wann empfehlen Sie den Patienten die Einnahme?

Meist schon vor der OP, damit nicht schon ein Mangel besteht, wenn sie operiert werden. Spätestens sollte mit der Einnahme zeitnah nach der Operation begonnen werden. Viele Patienten mit Adipositas haben bereits vor der OP einen Nährstoffmangel; das stellen wir anhand der Blutwerte immer wieder fest.

Woran liegt das? Adipositas-Betroffene sind ja eigentlich überversorgt? Es kann mit Ernährungsgewohnheiten und dem veränderten Stoffwechsel zusammenhängen. Beim Vitamin-D-Mangel spielt auch eine Rolle, wie oft man sich der Sonnenstrahlung aussetzt. Die genauen Ursachen kennen wir nicht.

Prof. Dr. med. Mirko Otto

Stv. Direktor der Chirurgischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim und Leiter des Adipositaszentrums Rhein-Neckar

„Viele Patienten mit Adipositas haben bereits vor der OP einen Nährstoffmangel.“

Kommen die Patienten Ihrer Empfehlung nach?

Nach einem Zeitraum von etwa fünf Jahren nimmt nur noch ein Drittel der Patienten die Mikronährstoffe ein. Das macht uns große Sorgen, weil der Mangel zu massiven Folgeerkrankungen führen kann. Wir können dies auch an Daten aus Ländern sehen, in denen nach der OP gar nicht substituiert wird. In seltenen Fällen können die Mangelerscheinungen extreme Ausmaße annehmen. Es kommt vor, dass junge

Menschen einen so massiven Thiaminmangel haben, dass sie auf die Intensivstation müssen.

Warum ist die Quote so niedrig?

Patienten müssen die Kosten für die Präparate selbst tragen, weil es sich um Nahrungsergänzungsmittel handelt. Das schreckt viele ab. Zwar ist der finanzielle Aufwand für die Mittel deutlich geringer als das, was sie vor der OP zusätzlich für Nahrung ausgegeben haben, aber das gerät nach der OP rasch in Vergessenheit.

Haben Sie die Nährstoffversorgung im Rahmen der Nachsorge im Blick?

Der Begriff „Nachsorge“ passt hier nicht ganz, es ist mehr eine lebenslang begleitende Betreuung. Die wird von den Kassen nicht übernommen. Viele Krankenhäuser haben Konstrukte entwickelt, mit denen sie Patienten diese Begleitung dennoch zukommen lassen können – aber nicht alle Patienten sind darin eingebunden. Auch wir als Universität können Patienten nach der Operation begleiten, weil wir andere Mittel dafür haben. Niedergelassene Ärzte jedoch müssten dies aus eigener Tasche tragen. Das ist nicht realistisch. Allein eine Bestimmung der Blutwerte im Labor kostet 50 oder 60 Euro.

Was würden Sie verändern?

Es wäre wünschenswert, dass Patienten die Supplementationen erstattet bekommen. Der positive Nutzen bzw. die Notwendigkeit der Substitution von Mikronährstoffen nach einer Adipositas-Operation ist nachgewiesen. Meiner Meinung nach ist die Aufnahme von Mikronährstoffen nach der Operation unverzichtbar. Patienten, die sich nicht dazu durchringen können, im Anschluss Vitamine und andere Mikronährstoffe aufzunehmen, sollten von einer Operation absehen. Die körperlichen Folgen eines Mangels sind einfach zu gravierend..

Redaktion Miriam Rauh

Fotos: privat

„Bewegung für die Seele“

Claudia Catacchio war Leistungssportlerin – trotz Adipositas. Im Interview spricht sie über die Wichtigkeit der Bewegung und erklärt, warum diese an kein Abnehmziel geknüpft sein sollte und was Stigmatisierung mit Betroffenen macht.

Redaktion Emma Howe

Frau Catacchio, Sie leben mit Adipositas. Wann und wie hat sich die Erkrankung bemerkbar gemacht?

Es ist schwer zu sagen, ab wann es tatsächlich von einfachem Übergewicht, wie es so viele kennen, in eine Krankheit gekippt ist. Als Diagnose wahrgenommen habe ich es erstmals um 2004 herum, als es lapidar aufgelistet in einem Arztbrief stand, in dem es eigentlich um etwas anderes ging. Bis dahin hatte sich das Thema hauptsächlich als wiederkehrende Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper bemerkbar gemacht. Ich war der Meinung, ein paar Kilo zu viel zu haben, machte eine Diät, nahm ab, nahm wieder zu – dann ging der Prozess von vorne los. Das Auf und Ab wurde über die Jahre immer drastischer, die Diäten immer extremer. Ich befand mich in einem richtigen Teufelskreis. Aus zwei bis drei Kilo, die man verlieren wollte, wurden 30 bis 40.

„Das soziale Stigma wiegt ebenso schwer wie die Extrakilos, die man durch den Alltag bewegen muss – ein Umstand, der an Körper und Seele gleichermaßen zerrt.“

Gab es eine Diagnose?

Eine ganz offizielle Diagnose, nicht nur als Wort auf einem Arztbrief – ohne weitere Informationen –, habe ich nicht bewusst erhalten. Vielleicht habe ich es aber auch nur von mir weggeschoben. Da bin ich mir ehrlich gesagt nicht sicher. Erst als es immer mehr Kilos wurden und meine Lebensqualität stark begann zu leiden und ich mich 2018 für eine Magenbypass-Operation interessierte, begann ich mich in der Tiefe mit Adipositas als komplexer Erkrankung auseinanderzusetzen.

Leiden Sie an Folgeerkrankungen?

Glücklicherweise bin ich bis jetzt von Folgeerkrankungen verschont geblieben – sicher auch dank der OP, die bei mir 2018 durchgeführt wurde. Das hat mich gerettet. Aus diesem Grund rate ich jedem Betroffenen, sich Hilfe zu holen, bevor es zu spät ist.

Wie erleben Sie Ihre Erkrankung im Alltag und mit welchen Herausforderungen haben Sie zu kämpfen?

Seit meiner Operation bin ich nicht mehr auf den ersten Blick als Adipositas-Patientin zu identifizieren, daher habe ich zum Glück keine Herausforderungen mehr zu bewältigen, wie sie viele andere Betroffene jeden Tag erleben. Aber ich erinnere mich genau, wie es mal war. Das sind keine schönen Erinnerungen. Aus diesem Grund setze ich mich nach wie vor für Adipositas-Erkrankte ein. Als Mensch, der mit Adipositas lebt, ist man extrem sichtbar und unsichtbar zugleich. Das soziale Stigma wiegt ebenso schwer wie die Extrakilos, die man durch den Alltag bewegen muss – ein Umstand, der an Körper und Seele gleichermaßen zerrt.

Menschen mit Adipositas wird oft unterstellt, faul und unfähig zu sein. Bitte äußern Sie sich dazu.

Als Nichtbetroffener ist es immer einfach zu urteilen, und viele können sich nicht vorstellen, dass die Patienten keine Schuld trifft. Die Annahme, dass Adipositas eine selbst gemachte Krankheit ist, die man einfach abstellen könnte, wenn man nur genug Disziplin aufbringt, ist einfach falsch. Die Wahrheit ist viel komplexer und ich würde mir wünschen, dass sich Menschen, bevor sie urteilen, informieren. Adipositas ist eine chronische Erkrankung wie COPD oder Diabetes. Und wie bei diesen Erkrankungen muss auch Adipositas behandelt werden.

„Bewegung fördert das physische und psychische Wohlbefinden auf unzählige Arten und ist für fast alle einfach zu integrieren.“

Sie zeigen, dass man Adipositas in keine Schublade stecken kann, denn Sport und Bewegung spielten schon immer eine wichtige Rolle in Ihrem Leben. Ja, schon als Kind habe ich viel Sport gemacht. Besonders mochte ich Tennis, Ballett und Gymnastik. Später habe ich den Rudersport für mich entdeckt und diesen sogar bis zum Leistungssport hin verfolgt – und auch einige Erfolge eingefahren. Meine Erkrankung ließ mich dennoch nie los. Ich machte Diäten, um weiter dabei sein zu können, und diese wurden immer radikaler. Das brachte meinen Stoffwechsel und Hormonhaushalt gewaltig durcheinander – ich nahm immer weiter zu. Es wurde immer schwieriger. Dennoch: Der Sport gibt mir viel und es war eines meiner größten Ziele, diesen wieder richtig ausüben zu können. Beim Sport kann ich

abschalten, meinen Körper spüren und sehe nicht mehr die Defizite, sondern das, was ich alles noch leisten kann. Das macht glücklich und motiviert. Ich bin wahnsinnig froh, so viel von meiner Lebensqualität nicht zuletzt durch Sport zurückgewonnen zu haben – nicht als Mittel zur Abnahme, sondern als Belohnung dafür –, und möchte ihn keinen Tag missen.

Wie kann jeder Betroffene mit Übergewicht Sport in seinen Alltag integrieren?

Sport sollte man immer treiben, aber nicht nur zum Abnehmen. Ich wünschte, diese ungünstige Verkettung ließe sich wieder lösen. Bewegung fördert das physische und psychische Wohlbefinden auf unzählige Arten und ist für fast alle einfach zu integrieren. Es muss nicht immer Leistungssport sein. Spaziergänge, Radfahren, Schwimmen, Tai-Chi – Hauptsache, irgendeine Art von Bewegung, für mindestens 30 Minuten am Tag. Das würde vielen Menschen schon enorm helfen.

Was wünschen Sie sich bezüglich Ihrer Erkrankung von der Gesellschaft?

Ich wünsche mir, dass Adipositas als extrem komplexe und schwer zu behandelnde Krankheit anerkannt wird und Betroffene mit dem Respekt und der Fürsorge behandelt werden, die anderweitig Erkrankten auch entgegengebracht werden. Das wäre ein guter Start. .

Das Bewegungsdreieck

Bewegung tut gut. Dem Körper und der Seele! Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene wird regelmäßige Bewegung empfohlen.

KINDER UND JUGENDLICHE

ALLTAGSBEWEGUNG

• 0–3 Jahre: so viel Bewegung wie möglich in sicherer Umgebung

• 4–6 Jahre: 3 Std. und mehr pro Tag in Bewegung sein, z. B. laufen, klettern, springen

• 7–18 Jahre: 1 Std. und mehr pro Tag, z. B. Rad fahren, gehen, laufen, schwimmen

BEWEGUNGSSPIELE UND SPORT

• 4–6 Jahre: angeleitete Bewegung – z. B. Sport im Verein – nach Lust und Laune in Alltagsbewegung integrieren

• 7–18 Jahre: 0,5 Std. und mehr pro Tag moderate oder intensivere Bewegung zusätzlich zur Alltagsbewegung und sportliche Betätigung an 2–3 Tagen pro Woche zur Stärkung von Ausdauer und Kraft

SITZEN

• langes Sitzen vermeiden

Private Bildschirmzeiten

Für alle Altersgruppen gilt: so wenig wie möglich

• 0–3 Jahre: keine Bildschirmmedien, 4–6 Jahre: maximal 0,5 Std. pro Tag, 7–11 Jahre: maximal 1 Std. pro Tag, 12–18 Jahre: maximal 2 Std. pro Tag

ERWACHSENE

ALLTAGSBEWEGUNG

• im Alltag so viel wie möglich bewegen, z. B. Treppen steigen, zu Fuß gehen, Radf ahren statt das Auto benutzen

AUSDAUER

• 2,5 Std. und mehr pro Woche moderate Ausdauerbewegung (z. B. 5 × 30 Min.)

• oder mindestens 1,25 Std. pro Woche intensivere Ausdauerbewegung – oder beides in Kombination KRAFT

• an 2 oder mehr Tagen pro Woche Kräftigung der Muskeln, z. B. funktionsgymnastische Übungen

SITZEN

• lange Sitzphasen vermeiden und regelmäßig durch körperliche Aktivität unterbrechen, z. B. kleine Spaziergänge, Arbeit im Stehen

Quelle: Abbildung in Anlehnung an „Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung“(BzgA)

Ernährung bei Adipositas

Bei Übergewicht reicht Kalorienzählen allein nicht. Wer abnehmen will, muss Struktur in die Mahlzeiten bringen und seine Ernährung dauerhaft umstellen: mehr vom Richtigen essen, weniger vom Falschen.

Redaktion Emma Howe

Adipositas ist eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts. Laut der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beginnt Übergewicht bei Erwachsenen ab einem Körpermasseindex (Body-Mass-Index = BMI) von mehr als 25. Von Adipositas (Fettleibigkeit) spricht die WHO, wenn der BMI über 30 liegt.

BMI berechnen – so geht’s

Zur Bestimmung des BMI und des Adipositas-Grades kann eine einfache Formel herangezogen werden: Körpergewicht in kg/ Körpergröße in m² = BMI. Zum Beispiel: 75 kg1,65 m * 1,65 m = 27,5 kg/m²

Gewichtsklassifikation bei Erwachsenen anhand des BMI:

. BMI unter 18: Untergewicht, das Risiko einer Begleiterkrankung ist niedrig

. BMI zwischen 18 und 24,9: Normalgewicht, das Risiko einer Begleiterkrankung ist durchschnittlich

. BMI zwischen 25 und 29,9: Übergewicht, das Risiko einer Begleiterkrankung ist gering erhöht

. BMI zwischen 30 und 34,9: Adipositas Grad 1, das Risiko einer Begleiterkrankung ist erhöht

. BMI zwischen 35 und 39,9: Adipositas Grad 2, das Risiko einer Begleiterkrankung ist hoch

. BMI über 40: Adipositas Grad 3, das Risiko einer Begleiterkrankung ist sehr hoch

Foto: InsideCreativeHouse
„Neben dem Wert des BMI ist auch die Fettverteilung im Körper entscheidend für das Risiko von Folgeerkrankungen durch Adipositas.“

Auf die Fettverteilung kommt es an „Neben dem Wert des BMI ist auch die Fettverteilung im Körper entscheidend für das Risiko von Folgeerkrankungen durch Adipositas“, erklärt Doris Nußbaum, Diätassistentin und zertifizierte Ernährungsberaterin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) im Helios St. Elisabeth-Krankenhaus Bad Kissingen.

Personen mit einem höheren BMI sollten nicht nur auf das Körpergewicht achten, sondern parallel ihren Bauchumfang messen. Denn: Bei einer bauchbetonten Adipositas besteht ein erhöhtes Risiko für Krankheiten wie die koronare Herzkrankheit, Schlaganfall und Diabetes Typ 2. Bei einem Bauchumfang von über 88 Zentimetern bei Frauen und 102 Zentimetern bei Männern besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für diese Begleiterkrankungen.

Diät bei Adipositas

„Wer dauerhaft mehr Kalorien zu sich nimmt, als er verbraucht, nimmt zu. Und zwar nicht nur durch das Schlemmen an Weihnachten, Ostern oder an zwei runden Geburtstagen. Ausschlaggebend ist eine anhaltend erhöhte Energiezufuhr“, erklärt Doris Nußbaum. Zwar gibt es Diäten wie Sand am Meer. Doch nicht jede Diät führt zu langfristigen Erfolgen beim Abnehmen. Gerade bei übergewichtigen oder adipösen Personen gibt es keine allgemeingültige Diät. Vielmehr sollte eine Ernährungstherapie an die individuellen Bedürfnisse angepasst sein. Dabei kann es primär auch um eine Verbesserung der Gesundheit gehen und nicht um die Gewichtsreduktion. „Wer erfolgreich Körpergewicht verlieren will, sollte weniger, aber ausgewogen essen und sich im Alltag mehr bewegen“, erklärt Nussbaum.

Die richtige Energiezufuhr bei Adipositas „Weniger Energie zu sich zu nehmen, als der Körper benötigt, ist für den Abnehmerfolg wichtiger, als low-fat oder low-carb zu essen“, erklärt Nussbaum. Das Energiedefizit sollte circa 500 Kilokalorien am Tag unter dem täglichen Energiebedarf liegen. „Am besten sprechen Betroffene hierzu mit einer Ernährungsexpertin oder einem Ernährungsexperten. Ansonsten können schnell falsche Werte entstehen“, rät Nussbaum.

Hinweise rund um eine gesunde Diät

.Ernährungsweise muss zur Person passen

.Energiedefizit erhöht die Chance auf eine nachhaltige Gewichtsreduktion

.nicht in strenge Schemata pressen lassen

.realistische Ziele setzen, um frustbedingten Essanfällen vorzubeugen

.Ernährungsprotokolle können anfangs hilfreich sein, um Portionsgrößen einzuschätzen .Intervallfasten zum Einstieg kann gut funktionieren, um das „Snacking“ zu kontrollieren

Den Energiebedarf bei Adipositas berechnen Eine Formel zur Berechnung des Energiebedarfs bei Adipositas liefert meist ungenaue Werte, da sie durch den hohen Fettanteil im Körper verfälscht werden. Grundsätzlich wird der Energiebedarf eher durch die Muskelmasse bedingt. Bei einer übergewichtigen oder adipösen Person muss die Muskelmasse zunächst individuell berechnet werden. Betroffene sollten hierzu Rücksprache mit ihrem Arzt oder Ernährungsberater halten, um nicht fälschlicherweise einen zu hohen Energiebedarf zu berechnen.

12 Ernährungstipps bei Adipositas

1 Zwei bis drei Mahlzeiten pro Tag – möglichst keine Zwischenmahlzeiten und Snacks.

2 Gemüse (zubereitet mit hochwertigen Ölen) und zuckerarme Obstsorten sollten die Basis der Ernährung bilden.

3 Wenig normale Nudeln, helles Brot/Gebäck und Fertiggerichte essen. Lieber ballasttoffreiche Kohlenhydrate: Vollkornnudeln, Vollkornbrot etc. – die sättigen länger.

4 Proteine (Eiweiß) sorgen für einen langen Sättigungseffekt und verhindern damit Heißhungerattacken. Essen Sie deshalb zu jeder Mahlzeit genügend Eiweiß – z. B. Hülsenfrüchte (Bohnen, Linsen und Co.), mageres Fleisch, Fisch, Tofu, Eier, Milchprodukte, Vollkorngetreide oder Nüsse.

5 Wichtig und sättigend sind auch gute Fette: zum Beispiel hochwertig hergestelltes Olivenöl, Nussöl, Leinöl oder Hanföl.

6 Viel trinken! Und zwar unbedingt zuckerfrei. Am besten Wasser und Tee.

7 Snacks als absolute Ausnahme – am ehesten Rohkost oder eine Handvoll Nüsse. Wenn es etwas Süßes sein muss: dunkle Schokolade mit 70 Prozent Kakaoanteil. Aber: Langsam und achtsam genießen! Und – vielleicht reicht auch schon „einmal dran schnuppern“? Vielleicht ist es sogar gar nicht Hunger, sondern Langeweile, die den Essimpuls auslöste?

8 Üben Sie Achtsamkeit und Genuss im Umgang mit Essen. Überlegen Sie Alternativen (spazieren, ein Bad nehmen, Zähne putzen, Bittertropfen einnehmen, jemanden anrufen usw.) für Situationen, in denen Ihr Essimpuls nicht aus wahrem Hunger entsteht.

9 Tellerprinzip beachten: 50 Prozent Gemüse plus 30 Prozent sättigendes Eiweiß (Hülsenfrüchte, Fisch, Fleisch) plus 20 Prozent ballaststoffreiche Beilage (Vollkornnudeln, Kartoffeln o. Ä.)

10 Bei starkem Übergewicht kann ein hochwertiger Proteinshake als Abnehmhilfe ärztlich verordnet werden. Wählen Sie Shakes besser nicht auf eigene Faust!

11 Planen Sie evtl. ein bis zwei Reistage pro Woche ein. Reistage sind Entlastungstage. Sie unterstützen das Abnehmen und sensibilisieren die Geschmacksnerven.

12 Auch ein Heilfasten, am besten ärztlich begleitet in einer Kurklinik, kann den Einstieg in die Ernährungsumstellung erleichtern. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt.

Gut zu wissen: Lebensmittel im Vergleich Manchmal sind es die kleinen Dinge, die bei der Ernährung viel ausmachen und sich positiv oder negativ auf das Körpergewicht auswirken können. „Oft liegt der Teufel im Detail und so entpuppen sich vermeintlich gesunde Smoothies beispielsweise als wahre Fruchtzuckerfallen“, erklärt Doris Nussbaum. Dieser gelangt direkt in die Leber und wird dort zu Fett umgebaut. Die Diätassistentin und Ernährungsberaterin hat Tipps, welche Lebensmittel durch gesündere Alternativen ausgetauscht werden können.

Bewusst ernähren

Die Ernährung spielt bei übergewichtigen und adipösen Menschen eine wichtige Rolle. Wer ein zu hohes Gewicht und einen zu hohen Bauchfettanteil hat, sollte seine Ernährung umstellen und sich mehr bewegen. Denn Gewichtsreduktion, Ernährung und Bewegung hängen zusammen.

Um Crash-Diäten und falsche Ernährungsweisen zu vermeiden, empfiehlt es sich, mit Ärzten zu sprechen oder Diätassistenten aufzusuchen. Diese können einen sinnvollen Ernährungsplan mit den Betroffenen erstellen. Auf diese Weise können langfristige Ziele erreicht werden, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken. Denn: Wer Gewicht und Bauchfett reduziert, verringert auch das Risiko für zum Teil lebensbedrohliche Begleiterkrankungen durch Adipositas oder Übergewicht.

Bitte beachten Sie: Grundsätzlich sollte eine Ernährungsumstellung immer mit dem Hausarzt oder einem Ernährungsmediziner/-berater besprochen werden. Diese Informationen ersetzen keine ernährungsmedizinische Beratung. Ernährungsmedizinische Behandlung/ Beratung ist eine Kassenleistung..

„Oft liegt der Teufel im Detail und so entpuppen sich vermeintlich gesunde Smoothies beispielsweise als wahre Fruchtzuckerfallen.“

Diabetes und Übergewicht –ein gefährliches Duo

Über 90 Prozent der Menschen mit Diabetes Typ 2 haben Adipositas. Neben Übergewicht sind ungesunde Ernährung und mangelnde Bewegung weitere Risikofaktoren. Bereits ab einem BodyMass-Index (BMI) von 27 steigt das Risiko um 100 Prozent, an Diabetes Typ 2 zu erkranken.

Typ-2-Diabetes ist eine chronische Erkrankung, bei der sich der Zucker- oder Glukosespiegel im Blut erhöht. Die Ursache für die Erkrankung liegt darin, dass der Körper nicht wirksam auf das körpereigene Insulin reagieren kann oder nicht in der Lage ist, ausreichend Insulin zu produzieren.

Symptome eines Diabetes Typ 2

Bei einem unbehandelten Diabetes sind die Blutzuckerwerte dauerhaft erhöht. Das ist zu Beginn nicht immer spürbar: Ein Typ-2-Diabetes kann sich über Jahre entwickeln, ohne dass Symptome auftreten. Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel kann folgende Beschwerden verursachen:

• Übermäßiger Durst

• Vermehrtes Wasserlassen (Polyurie)

• Schwäche, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Leistungsschwäche, Schwindel

• Erhöhte Neigung zu Infektionen, schlechte Wundheilung

• Trockene Haut, Juckreiz

• Gewichtsverlust ohne Grund

Wenn der Blutzuckerspiegel sehr stark erhöht ist, kann es auch zu Bewusstseinsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit, dem diabetischen Koma, kommen. Wenn ein nicht ausreichend behandelter Diabetes über lange Jahre besteht, das Blut also dauerhaft zu viel Zucker enthält, können die Blutgefäße geschädigt werden. Dann besteht ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle sowie für Probleme mit der Durchblutung der Beine und Füße. Ein zu hoher Blutdruck verstärkt dieses Risiko zusätz-

lich. Auch die kleinen Blutgefäße der Augen, Nerven und Nieren können Schaden nehmen. Dadurch kann es zu einer allmählich abnehmenden Sehkraft, Empfindungsstörungen und Nierenschäden kommen. Diabetesbedingte Nervenschäden und Durchblutungsstörungen können zum Beispiel zu einem „diabetischen Fuß“ führen. Dabei sind Schmerzen am Fuß kaum noch spürbar, und es kann sich aus einer Druckstelle oder kleinen Verletzung schnell eine schlecht heilende Wunde entwickeln: Da die Beine und Füße schlecht durchblutet sind, ist die Wundheilung gestört.

Behandlung eines Diabetes Typ 2 Welche Behandlung bei Typ-2-Diabetes sinnvoll und angemessen ist, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab: Wichtige Aspekte sind Alter, körperliche Verfassung, andere Erkrankungen, allgemeine Lebenssituation und persönliche Ziele. Es ist jedoch oft erforderlich, den Blutzuckerspiegel mit Medikamenten oder Insulin zu regulieren. Eine Gewichtsabnahme kann dazu beitragen, dass der Körper besser auf Insulin anspricht und die Dosis reduziert werden kann. Denn das Gewicht steht in einem engen Zusammenhang mit dem Risiko, an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Denn Fettleibigkeit und Übergewicht erhöhen das Risiko aufgrund von erhöhten Glukose- und Fettspiegeln im Blut. Diese erhöhten Spiegel können zu einer Insulinresistenz führen, was die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse überbeansprucht und zu einer Erschöpfung des Organs und schließlich zur Erkrankung Diabetes Typ 2 führen kann. Diabetes, ebenso wie Adipositas, erfordern beide

eine lebenslange Therapie und Kontrolle, um gesundheitliche Auswirkungen gering zu halten und Begleiterkrankungen zu vermeiden.

Diabetes und Adipositas zusammen erhöhen das Sterberisiko um das Siebenfache Eine Gewichtsabnahme, die durch Lebensstilmanagement mit Ernährungsumstellung und Bewegung erfolgt, ist die wichtigste Maßnahme, um den Zuckerstoffwechsel zu verbessern. Dass diese einen positiven Einfluss auf das Diabetesrisiko ausübt, konnte bereits in mehreren Studien gezeigt werden. So konnte eine Diabetesreduktion von 58 Prozent in der „Finnish Diabetes Prevention Study“ bei Patienten mit Prädiabetes durch Lebensstilintervention (Ernährungs- und Bewegungskonzept) erreicht werden. Zudem belegen epidemiologische Daten den Wert einer frühen Gewichtsreduktion bei Typ-2-Diabetes. Denn: Diabetes und Adipositas zusammen erhöhen das Sterberisiko auf das Siebenfache. Jedes Kilo Gewichtsverlust im ersten Jahr nach Manifestation war mit einem erhöhten „Überleben“ von drei bis vier Monaten assoziiert, zehn Kilogramm Gewichtsverlust mit einer Wiederherstellung der nach der Diabetesmanifestation verminderten Lebenserwartung im Ausmaß von 35 Prozent.

Eine erfolgreiche Gewichtsabnahme ist für viele Betroffene allein schwer zu bewältigen. Umso wichtiger ist es, sich Hilfe bei Familie, Freunden und professionellen Stellen zu holen. Auch digitale Anwendungen können helfen, das Ziel zu erreichen. .

Redaktion Leonie Zell
Foto: Nataliya Vaitkevich

Eine Diabetes-App, die der Arzt verschreiben kann?!

Apps auf Rezept – davon haben viele noch nie gehört. Doch es gibt sie wirklich: Für beispielsweise psychische Erkrankungen, Rückenschmerzen und auch Krebs können Apps mittlerweile verordnet werden. Ebenso für Typ-2-Diabetes. Und das ist ziemlich praktisch, denn bei Typ2-Diabetes spielt die Anpassung des Lebensstils eine entscheidende Rolle. Mithilfe einer App kann man nun immer und überall seinen persönlichen Diabetes-Begleiter bei sich tragen, der auf dem Weg zu einem gesünderen Leben unterstützt.

Ke nnen Sie jemanden, der Typ2-Diabetes hat? Wahrscheinlich schon, oder vielleicht sind Sie sogar selbst betroffen. Denn über 8,7 Millionen Deutsche leiden an der Stoffwechselerkrankung. Personen, die an Diabetes leiden, haben oftmals mit unangenehmen Beschwerden zu kämpfen. Diese sind vielzählig und können von Heißhunger auf Süßes, ständigem Appetit, Verdauungsbeschwerden, Müdigkeit bis hin zu ungeklärten Stimmungsschwankungen reichen. Vielleicht finden Sie sich hier wieder oder sind überrascht, welche Symptome den Diabetes begleiten können. Doch die gute Nachricht ist: Mit einem gesunden Lebensstil können viele der Beschwerden deutlich gelindert werden! Besonders neu diagnostizierte Patienten finden mit Vitadio den perfekten Begleiter.

Ein gesunder Lebensstil besteht aus einem Zusammenspiel verschiedener Komponenten

und in individuellem Tempo. Vitadio begleitet die Menschen mit Typ-2-Diabetes täglich – jederzeit und überall. Jeden Tag bekommen die Nutzenden nützliche Tipps und Tricks, Aufgabenlisten (die auch wirklich umsetzbar sind!) und wöchentlich individualisierte und machbare Ziele, die sie selbst festlegen und auf die sie hinarbeiten können.

sionsforum sollen zum bestmöglichen Bewältigen der Erkrankung beitragen. So kann sich zum Beispiel mit Gleichgesinnten über Rezepte oder Erfahrungen ausgetauscht werden – und dabei merkt man, dass man mit den Problemen nicht allein ist.

Doch woher nimmt man überhaupt das ganze Wissen zur Erkrankung und dazu, wie ein gesunder Lebensstil funktioniert? Aus dem in der App integrierten Bildungskurs, der zum Beispiel Lektionen zur Erkrankung, zu Ernährung, Bewegung oder gesundem Schlaf enthält. Jede Woche wird eine neue Lektion freigeschaltet. Außerdem finden sich in der App gesunde Rezepte, man kann die Bewegung, das Körpergewicht und den Blutzuckerwert dokumentieren und es besteht die Möglichkeit, die Werte mit dem Arzt zu teilen..

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“Ich habe Angst zu verhungern“

Lea leidet unter Hyperphagie.

Weitere Informationen im Innenteil, auf Seite 6–7

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