L vol 6

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Journal fĂźr Literatur Journal littĂŠraire Seite 1

Herausgeber: LKS Literarischer Kreis Vol|06


Impressum Herausgeber: LKS Literarischer Kreis e. V. c/o Susanna Bur Blumenstr. 20 66111 Saarbrücken

Kontakt: literarischerkreis@gmail.com www.lksev.wordpress.com

Redaktion: Stefan Weigand Susanna Bur

Grafische Gestaltung: Stefan Weigand Susanna Bur

Erscheinungstermine: Das Journal erscheint vierteljährlich. Nächste Ausgabe: 15. Dezember. 2014

ISSN 2197-9316 Copyright©: Für die Inhalte der jeweiligen Texte sowie grammatikalische und stilistische Fehler sind die Autorinnen und Autoren selbst verantwortlich. Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte und Pflichten verbleiben bei den Autorinnen/Autoren sowie Fotografinnen/ Fotografen. Ungeachtet der Sorgfalt, die auf die Erstellung von Text, Abbildungen und Programmen verwendet wurde, können weder die Autorinnen/Autoren oder Herausgeber für mögliche Fehler und deren Folgen eine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung übernehmen.

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Inhaltsverzeichnis Vorwort ..................................................................................................... 5 Keine Chips heute, Anne Adam ................................................................. 6 Worüber Heiner schweigt, Bodo Bickelmann ......................................... 12 ankommen, Heinz-Josef Scherer ............................................................. 20 jetzt - später, Heinz Josef Scherer ........................................................... 21 Mangel - Genuss, Heinz Josef Scherer.................................................... 22 Seelenruhe, Heinz-Josef Scherer ............................................................. 23 Der Mann und seine Herzallerliebste, Pia Ferone ................................... 26 Immer noch, Birgit Burkey ...................................................................... 34 Perfektion, Birgit Burkey......................................................................... 35 Unbeachtet, Birgit Burkey ....................................................................... 37 Apfelschnitze, Amadeus Firgau .............................................................. 38 Vorbereitung für den Jakobsweg, Amadeus Firgau ................................ 40 Als ich mein erstes Buch schrieb, Heike S. Rogg.................................... 44 Die Überraschung, Barbara Wehlen-Leibrock........................................ 50 Die ewige Jugend, Barbara Wehlen-Leibrock ....................................... 52 Cèst la vie, Barbara Wehlen-Leibrock .................................................... 56 Das Karussel, Barbara Würtz.................................................................. 58 In der Stadt, Barbara Würtz .................................................................... 59 Barockfest in Blieskastel, Barbara Würtz ............................................... 61 Waldgeheimnisse, Barbara Würtz .......................................................... 62 Ubi tu Gaius, Andrea Pfeiffer.................................................................. 64 Kündigung, Susanna Bur ........................................................................ 68 Tätliche Auseinandersetzung mit einer Amaryllis, Susanna Bur ........... 73

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VOR WORT

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Ist es Realität oder Fantasy oder ist es beides? Literatur ist unendlich. Sie erzeugt Bilder, Gerüche, Gefühle. Lässt uns lachen, trauern, weinen, nachdenken. Trägt uns hinaus zu einer Reise um die Erde und in fremde, erdachte Welten. Literatur kann alles. Der Kreativität und Fantasy sind keine Grenzen gesetzt. Sie ist von tiefer kultureller Bedeutung, manchmal einfach nur schön, trivial, manchmal provokant und schonungslos im Umgang mit der sozialen Realität. Sie ist so komplex, dass sie sich kaum in wissenschaftliche Rahmen eingrenzen lässt, sie sucht ständig nach neuen Themen, sprengt alle Ketten. Es ist nicht von Bedeutung, ob die Autorinnen und Autoren ein öffentlich gewürdigtes Werk erschaffen haben. Jede literarische Arbeit ist ein sprachliches Kunstwerk - eine Art Magie. Susanna Bur, Redaktion

Foto: Susanna Bur

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Keine Chips heute Anne Adam

Ab morgen nehme ich ab, ganz bestimmt. Warte mal, am Samstag ist die große Geburtstagsfeier von Sabine, da gibt es viele leckere Dinge zu essen und es wäre unhöflich, wenn ich mir da nur ein Häppchen nehmen würde. Die ganze Arbeit, die Sabine sich da macht. Nein, das geht nicht, aber nächste Woche, ja, ab nächster Woche nehme ich ab. Montagmorgen! So, heute geht es los! Das Knäckebrot hat erstaunlicherweise recht gut geschmeckt, allerdings erst, nachdem ich ordentlich Butter und Marmelade drauf getan habe. Niemand kann erwarten, dass man das trocken runter würgt und an Magerquark habe ich nicht gedacht. Immer noch Montagmorgen! Mh, anscheinend macht so ein Knäckebrot nicht wirklich satt, vielleicht hätte ich doch zwei essen sollen. Zu spät, jetzt bin ich im Büro. Mein Magen knurrt. Ruhe da drin, wir nehmen ab! Vielleicht sollte ich den Apfel? Ein Apfel macht nicht dick, das ist gesundes Obst. Immer noch Hunger! Mal schauen, ob irgendwo in der Schublade meines Schreibtisches etwas Essbares zu finden ist. Ha! Ein Schokoladenriegel. Der passt aber doch nicht in meinen Diätplan. Andererseits habe ich heute Morgen schon Kalorien eingespart, da kann ich den ruhigen Gewissens essen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass Knäckebrot und Apfel nicht satt machen. Späterer Montagmorgen! Jetzt würde ich gerne einen Apfel essen, leider ist der schon vernichtet. Für morgen muss ich mir unbedingt zwei einpacken oder besser gleich drei. Noch besser,

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ich stelle mir hier eine wohl gefüllte Obstschale hin, dann bin ich für alle Eventualitäten gerüstet. Gegen Obst kann kein Diätplan Einwände erheben. Aber noch steht hier keine wohl gefüllte Obstschale. Also was tun? Von Petra gegenüber schweben verlockende Düfte zu mir herüber. Was isst die da? Es riecht nach Käsekuchen. Ich muss sowieso heute noch in die Registratur, da kann ich auch gleich gehen. »Hallo Petra, was isst du denn leckeres? Das riecht ja sehr verlockend.« »Oh, ich war gestern bei meinen Eltern und meine Mutter, du weißt ja, dass sie immer Angst hat ich verhungere, hat mir einen ganzen Käsekuchen eingepackt. Den kann keiner so gut backen wie meine Mutter. Möchtest du ein Stück?« »Oh nein, ich diäte gerade.« »Ach so, na dann.« »Meinst du, dass ich vielleicht so ein klitzekleines Stückchen… nur zum Probieren?« »Klar doch!« Sprachs und schnitt mir ein Riesenstück ab. »Das kann ich nicht annehmen, das ist viel zu groß. Nur ein klitzekleines Stückchen zum Probieren bitte.« »Ach was, das ist doch nicht groß, wenn man den ganzen Käsekuchen als Vergleich nimmt.« Da hat sie eigentlich recht und außerdem, wenn mir vor Hunger schlecht wird, kann ich nicht arbeiten. Ich werde ganz einfach heute Mittag nichts essen, dann passt das schon, und außerdem ist im Käsekuchen Quark drin, der macht nicht dick. Endlich satt! War doch ganz einfach das Diäten. Man muss nur die richtigen Sachen essen. Gleich ist Mittagspause, da esse ich nichts, trinke nur einen Milchshake. Milch macht müde

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Männer munter, das gilt bestimmt auch für Frauen. Irgendwie muss ich den Tag ohne Essen überstehen. »Nur einen Milchshake, bitte!« »Heute keine Donuts?« »Nein, danke, ich diäte.« »Na dann, schönenTag noch.« »Habt ihr auch Donuts mit Obstfüllung?« »Aber ja, mit Erdbeercreme.« »Ohne Creme geht nicht?« »Nein, leider.« »Ach, so ein bisschen Creme wird’s auch nicht reißen. Packen sie mir bitte einen ein oder besser zwei – für später.« Und was mache ich nun? Ich habe noch ganz viel Mittagspause übrig. Und da ich mich nicht in ein Restaurant setzen kann ohne etwas zu essen… Salat, ich könnte einen Salat essen. In meinem Diätbuch steht drin, dass man viel Obst, Gemüse und Salat essen soll. Ah, da ist ja auch Petra. »Hallo Petra, darf ich mich zu dir setzen?« »Aber gerne. Ich habe noch nicht bestellt, möchtest du auch etwas essen?« »Ja, ich nehme einen Salat, das darf ich. Salat ist gesund und hat nicht viele Kalorien. Ich nehme einen Salat.« Kellnerin: »Welchen Salat hätten sie denn gerne?« »Welchen können sie mir empfehlen? Ich diäte gerade und möchte möglichst wenig Kalorien zu mir nehmen.« »Dann wäre unser Blattsalat mit Tomaten genau richtig.« »Gut, aber nicht, dass ich in einer Stunde wieder Hunger habe. Könnte man nicht noch etwas Sättigendes dazu nehmen? Vielleicht Eier und Champignons? Champignons machen doch

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bestimmt nicht dick, oder? Dazu würde Käse passen, aber einen mageren bitte. Und Joghurtsoße, keine Soße mit Sahne. Wir wollen ja nicht übertreiben.« Zu Petra: »Du solltest dir auch einmal überlegen, ob du nicht ein paar Kilos abnehmen möchtest. Du bist jetzt zwar nicht dick, aber wenn du den ganzen Käsekuchen gegessen hast, wäre es zu überlegen, ein paar Kalorien einzusparen. Diäten ist ganz leicht. Ich habe heute kaum etwas gegessen und überhaupt keinen Hunger.« Was bin ich satt. Heute muss ich bestimmt nichts mehr essen. Obwohl mein Diätplan vorschreibt, dass ich noch eine Zwischenmahlzeit und ein frühes Abendessen zu mir nehmen soll. Nicht, dass alles durcheinander gerät, wenn ich diese Mahlzeiten ausfallen lasse. Ich glaube, das hat etwas mit dem Stoffwechsel zu tun; den muss man anregen. Hungern ist ganz schlecht für eine Diät. Also muss ich wohl oder übel. Von mir aus könnte ich darauf verzichten, aber was tut man nicht alles um rank und schlank zu werden. Da muss man auch einmal Kompromisse eingehen. Ich kaufe mir gleich einen Joghurt, das wird meine Zwischenmahlzeit, und zwar einen Magerjoghurt. Wenn schon, denn schon. Haben die hier nur so winzige Becherchen? Da ist ja nichts drin. Wie sollen 125g Magerjoghurt meinen Stoffwechsel anregen? Ich nehme einfach vier Stück. Da steht kalorienreduziert drauf und nur mit Fruchtzucker gesüßt. Damit wäre also auch etwas für die Gesundheit getan. FRUCHTzucker, das hört sich doch gut an. Frucht macht nicht dick und ist gesund – das weiß doch jedes Kind. Früher Abend! Mal schauen, was mein Diätbuch so als Abendmahlzeit empfiehlt. Gemüsepita! Hört sich lecker an. Was

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brauche ich dafür? Fladen, Gurke, Paprika, Apfel. Sahne und Tomatenmark miteinander verrühren und auf den Fladen streichen. Sahne? Ich dachte, Sahne macht dick. Fladen habe ich jetzt keinen, aber im Kühlschrank habe ich Paprika. Und wenn ich die Sahne weg lasse, könnte ich auch die Pizza nehmen, die noch im Gefrierfach liegt. Sahne gegen Käse – ein perfekter Tausch und die Paprika schnippel ich noch oben drauf, das gibt den Frischekick. Später Abend! Ich schaue gleich mal, wie viel ich schon abgenommen habe. Kreisch! Ein Kilo mehr als heute Morgen, wie geht das? Ich habe mich fest an den Diätplan gehalten, bin fast verhungert und nun habe ich noch ein Kilo mehr? Wozu dann dieses Kasteien, dieses Darben? Pah, dann kann ich auch die Tüte Chips noch essen. Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an.

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Mondzauber Texte Anne Adam Illustrationen Susanna Bur Erschienen im SAWA-Magazinverlag ISBN: 3945193001 Seitenanzahl: 264 € 9,90 www.amazon.de Auch als E-Book erhältlich Zauberhafte Märchen und Geschichten – nicht nur für Kinder Da ist Robert, der Regenwurm, der sich einsam fühlt und auf der Suche nach einem Freund seinem wahren Ich begegnet oder die rührende Geschichte einer Freundschaft zwischen einem Jungen und einem Elefanten. Ein Stern, der vom Himmel fällt oder das Seepferdchen, welches gerne ein stolzer Hengst wäre – all dies finden Sie in den bezaubernden Geschichten dieses Buches.

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Worüber Heiner schweigt Bodo Bickelmann

Samstag, 30. Dezember, Talstraße »Schau mal, ist das nicht Heiner?« »Wer? Der im grauen Mantel? Der so hinkt? Ich denke schon.« »Dass der noch frei rumläuft!« »Warum soll er das denn nicht tun?« »Der ist doch verhaftet worden.« »Verhaftet? Warum das denn?« »Ist eingebrochen ... in so ’n Laden in der Stadt.« »Wer? Heiner? In einen Laden eingebrochen? Nie im Leben!« »Doch, was meinst du denn, warum er hinkt? Weil ihn die Polizei erwischt und angeschossen hat!« »Das glaub ich nicht! Der hat ja als Kind nicht mal Süßigkeiten geklaut. Der hätte sich in die Hosen gemacht vor Angst!« »Tja, vielleicht hat er ja nur so auf unschuldig getan? Jedenfalls kenn ich einen, der hat gesehen, wie sie Heiner aus dem Laden abgeführt haben. In Handschellen! Und am Bein hat er geblutet.« »Und warum läuft er dann hier rum und sitzt nicht im Gefängnis?« »Das mein ich doch eben! Vielleicht hat er Bewährung? Vielleicht hat er aber auch den Richter mit seiner Unschuldsmiene an der Nase rumgeführt ... Oder er hat Beziehungen ... Richtig ist das jedenfalls nicht!«

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»Der Heiner ... so was!«

Mittwoch, 27. Dezember, Gasthof zum Anger »Hallo Dietmar! Komm, setz dich zu mir, ich gebe dir einen aus ... Sag mal, arbeitet bei dir nicht einer namens Heiner Schulz?« »Tja, schön wär’s! Krankgeschrieben ist er. Seit über einer Woche! Irgendwas am Bein.« »Am Bein? Ich nehme ein Pils. Und du? Also zwei Pils. Am Bein, sagst du? Dann vermute ich, er ist es.« »Dann ist er was?« »Hm, hat der bei dir mit Geld zu tun?« »Manchmal schon. Warum? Was ist denn los?« »Na ja, ist zwar nur ein Gerücht – aber besser, ich sag’s dir: Angeblich ist er von der Polizei bei einem Einbruch erwischt worden.« »Was? Der Heiner Schulz?« »Ja, soll versucht haben, die Ladenkasse aufzubrechen!« »Heiner Schulz? Das glaube ich nicht!« »Doch! Heiner Schulz, so heißt er. Und am Bein hat er eine Schusswunde.« »Nee, also ... das traue ich dem nicht zu. Dazu ist er viel zu ängstlich. Weißt du, wenn in der Firma irgendwer einen Fehler gemacht hat, denkt der Schulz immer gleich, er wär’s gewesen. So einer ist der! Und wenn er wirklich was verbockt hat, dann guckt er dich so schuldbewusst mit großen Augen an, dass du ihn nicht mal richtig anschreien kannst. So einen wie den will

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ich eigentlich nicht um mich haben ... Und du meinst wirklich ...?«

Freitag, 22. Dezember, Polizeikantine »Als wir dort angekommen sind mit Blaulicht und Sirenen, stand er immer noch im Laden, gleich hinter dem zerbrochenen Schaufenster. Stand da, als ob er nur drauf wartet, dass wir ihn verhaften. Und draußen standen ein paar Leute aus der Nachbarschaft, zum Teil in Morgenmänteln - die hatte wohl der Lärm geweckt -, und all die Leute gafften, als sei das Ganze eine Art Straßentheater. Ich dachte zuerst, er ist benommen vom Blutverlust und deshalb nicht abgehauen. Das Blut lief an seinem Bein hinab und sickerte in einen seiner Schuhe, und am Boden hatte sich schon eine Pfütze gebildet. Sah schlimm aus, auch mit den ganzen Glassplittern drum herum. Wie er so zwischen den Scherben und vor all den Gaffern stand, so regungslos und unbeteiligt ... das war geradezu ein bisschen unheimlich, und obwohl er sich nicht wehrte, war ich doch froh, als wir ihm die Handschellen angelegt hatten. Auf dem Revier hat er dann behauptet, er sei kein Einbrecher, er sei nur in dem Laden gewesen, um ein Geschenk zu kaufen. Für seinen Neffen. Mitten in der Nacht! Na ja, dachten wir, der wird auch noch einsehen, dass es keinen Zweck hat zu lügen. Aber stell dir vor: In dem Laden gibt es eine Videokamera, die hat alles aufgezeichnet, nein, nicht alles, nur den Anfang. Jedenfalls sieht es so aus, als wäre er wirklich nur zufällig da rein geraten. Aber sicher ist das nicht – irgendwann hat jemand die Kamera ausgeschaltet, und

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Foto: Susanna Bur

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zu dem Zeitpunkt saß er immer noch in einer Ecke und hat gewartet und geschlafen.«

Donnerstag, 21. Dezember, Vereinshaus »Du, neulich ist mir was untergekommen! Ich war mit meiner Frau einkaufen - Weihnachtsgeschenke für die Kinder - und da sehe ich, wie so ’n komischer Kerl vor einem von den Tischen mit dem Spielzeug steht. Der Tisch war ganz mit grünem Tuch bedeckt - sollte wohl Gras darstellen -, und obenauf war so ’ne Spielzeuglandschaft mit Bäumen und Bergen und einer Ritterburg - alles aus Plastik. Und dieser Kerl steht da und starrt die Landschaft an, als wäre sie das Tollste, was er je gesehen hat. Und dann fängt er tatsächlich an, damit zu spielen - ein erwachsener Mann! -, nimmt einen Ritter und setzt ihn auf den Turm der Burg, nimmt ein paar andere und stellt sie hinter einem Wäldchen auf zum Angriff, und so geht das weiter, er bringt alles durcheinander. Und so sehr hat ihn das gepackt, dass er gar nicht merkt, wie ich ihn beobachte. Aber dann kommt eine Verkäuferin mit klappernden Absätzen, und da schaut er erschrocken auf. Ich ducke mich schnell hinter ein Regal mit Teddybären, damit er mich nicht sieht, aber neugierig bin ich dann doch, und wie ich noch mal zwischen den Bären hindurchlinse, da sehe ich, wie der Kerl unter den Tisch krabbelt, und weil dieses grüne Tuch bis fast auf den Boden runter hängt, kann ihn die Verkäuferin nicht sehen. Die hat ihn auch vorher nicht bemerkt, die ist nur zufällig vorbeigekommen. Ich überleg noch, ob ich was sagen soll, aber da ruft meine Frau, sie hat was gefunden für unsern Jüngsten, und dann wird’s auch Zeit, der Laden

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macht gleich zu. Und in der Hektik hab ich den Kerl komplett vergessen, erst später ist er mir wieder eingefallen, und ich hab mich gefragt, ob er wohl noch rechtzeitig unterm Tisch hervorgeklettert ist. Wenn nicht, tja, dann hat er wohl die ganze Nacht im Laden zugebracht.«

Mittwoch, 20. Dezember, Hinterzimmer »Mann, das war ja ein Scheißtipp, den du uns gegeben hast! Leichter Bruch - von wegen! Reingekommen sind wir ja, und die Kameras haben wir auch ausgeschaltet - war genau, wie du’s gesagt hast. Aber dann ... Hannes ist gerade hinten im Büro mit dem Tresor beschäftigt, und ich halte vorne im Laden Wache, und da spiel‘ ich so mit der Kasse rum - man weiß ja nie, ob sie nicht doch was drin gelassen haben -, jedenfalls, ich versuch gerade, die Kasse aufzubrechen, da steht plötzlich dieser Typ hinter mir und bedroht mich mit meiner eigenen Pistole. Ja, ich hatte sie halt auf der Theke neben mir liegen lassen, du hast ja gesagt, da wäre niemand, und dann war ich so mit dieser Scheißkasse beschäftigt und hatte mich mit dem Rücken zur Pistole gedreht, und plötzlich hab ich diese Stimme im Nacken: keine Bewegung! Ich drehe mich um, natürlich mit erhobenen Händen, und da steht dieser Milchbubi hinter mir. Keine Ahnung, wo der hergekommen ist. Aber zielt doch tatsächlich mit meiner eigenen Pistole auf mich, der Dreckskerl! Mit beiden Händen hält er sie fest umklammert, und ich sehe sofort, der hat noch nie eine Pistole in der Hand gehabt, jedenfalls keine echte. Während er weiter auf mich zielt, tastet er sich rückwärts um die Theke herum auf die andere Seite. Und dann sagt er, ich soll auch hinter

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der Theke hervorkommen. Ich schau ihm in die Augen, und ich weiß genau, der wird nicht schießen. Also bleib ich stehen und warte ab, was er wohl tun wird. Er sagt noch mal, ich soll um die Theke rumkommen, und noch mal, und je öfter er das sagt, desto sicherer bin ich mir: er wird nicht schießen. Und endlich sieht er’s auch selber ein, und mit’nem Gesicht wie’n Frischling im Knast bei der ersten Schließe lässt er die Pistole sinken. Und genau in dem Moment kommt Hannes aus den hinteren Büros, und was macht dieser Idiot: schießt! Schießt auf den Kerl und trifft ihn am Bein, und dann schießt er noch mal und trifft das Schaufenster. Das Schaufenster! Natürlich geht gleich der Alarm los, und wir beide ab durch die zerbrochene Scheibe. Der Milchbubi ist zurück geblieben, und seitdem frag ich mich, was das für einer war. Ein Nachtwächter war’s bestimmt nicht, der hätte sich nicht so blöd dran gestellt. Keine Ahnung, was der da gemacht hat!«

Sonntag, 31. Dezember, Küche »Nein, Mama, er ist kein Dieb. So etwas brächte Heiner niemals fertig. Warum er dann den Leuten nicht sagt, was er dort getan hat? Er hat’s auf dem Revier erzählt, und wie die ihn dann dort angeschaut haben, das, sagt er, war doch eine Art Strafe für ihn, auch wenn sie ihn schließlich laufen ließen. Er sagt, wie die ihn angeschaut haben, da hat er gewusst, sie würden ihn mehr achten, wenn er ein Einbrecher wäre. Aber Heiner ist kein Dieb, es war nur Zufall. Er hat plötzlich zum ersten Mal seit seiner Kindheit alles vergessen können. Und damit fing es an.«

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Gromek will lesen Kriminalroman Bodo Bickelmann Erschienen im Bur-Verlag ISBN: 978-3-944306-14-8 € 11,80 Auch als E-Book erhältlich ISBN 978-3-944306-15-5 „Mein Name ist Gromek. Ich bringe Menschen um — das ist mein Job. Ich hasse es. Endlich habe ich die Chance auszusteigen. Dafür soll ich jemandem das Leben retten. Doch diesen Mann habe ich erschossen. Schon vor langer Zeit. Mit seinem Tod hatte alles angefangen.“

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ankommen Heinz-Josef Scherer

Foto: Heinz-Josef Scherer

Komme im Moment an und vertiefe ihn! In ihm verbirgt sich - wenn du es zul채sst und genau hinsiehst auch deine Ewigkeit.

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jetzt - später Heinz-Josef Scherer

Foto: Heinz-Josef Scherer

Jedes ‚jetzt’ hat auch ein ‚später’, wobei dieses ‚später’ einmal zu einem ‚jetzt’ wird. Auch wenn dir das ‚jetzt’ wichtiger erscheint und das ‚später’ noch weit entfernt, handele stets so, dass du später auf das ‚jetzt’ mit guter Erinnerung zurückblicken kannst – u.a. dadurch, dass du in deinem früheren ‚jetzt’ verantwortungsvoll sowohl mit dem ‚jetzt’ als auch dem ‚später’ umgegangen bist.

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Mangel – Genuss Heinz-Josef Scherer

Foto: Heinz-Josef Scherer

Nur wer um den Mangel weiĂ&#x;, kennt auch den Genuss.

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Seelenruhe Heinz-Josef Scherer

Foto: Heinz-Josef Scherer

Es gibt Themen und Aufgaben, die dich ein Leben lang begleiten. So lange sie nicht einer Behandlung/Erledigung zugef端hrt werden und sich derweil Umwege 端ber Tr辰umereien, Illusionen, Selbstbetr端gereien, Ersatzbefriedigungen usw. verschaffen erlangst du nicht deine Mitte, deine Seelenruhe.

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Sehnsucht nach dem innern Land Kurzgeschichten/Erzählungen/ Stories/Gedichte/Aphorismen/Beobachtungen/ Ansichten/Autobiographisches/ Photographien von

Heinz-Josef Scherer ISBN 978385438102-0 172 Seiten erhältlich beim Autor E-Mail: jozsy@web.de oder über den Verlag www.united-pc.eu ‘Belletristik-Sonstiges/Allerlei’ sowie im Buchhandel, über Amazon u. a.

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Foto: Susanna Bur


Der Mann und seine Herzallerliebste Pia Ferone

Keine Sorge, es wird nun keine Schnulze folgen, die euch 'harten' Jungs sozusagen am A...(llerwertesten) vorbeigeht und euch nur langweilt. Derer begegnet ihr armen Kerle in der Film-und Musikszene oder gar zu Hause zur Genüge. Ich will euch auch nicht belächeln oder gar denunzieren. Dafür liebe ich euch und eure Leidenschaften viel zu sehr! Nein. Ich möchte vielmehr meine ganz persönlichen, fraulich-sensiblen Beobachtungen formulieren und an euch weiterreichen. Dass die mir allerdings bisweilen ein Lächeln ins Gesicht zaubern, das dürft ihr nicht so ernst nehmen, das müsst ihr mir gestatten. Also, es geht um das, was ihr entweder mit größter Sorgfalt auswählt oder wo es oft auch um 'Liebe auf den ersten Blick' geht. Wo ihr nicht geizig seid, sondern im Gegenteil, großzügig ein paar mehr Euros locker macht. Wo ihr euch furchtlos locken lasst. Was ihr bewundert. Wo euch wirklich nichts zu viel wird. Womit ihr euch stundenlang innigst beschäftigt. Wo ihr jedem Wehwehchen mit äußerster Sorgfalt begegnet. Was ihr streicheln mögt, zart und einfühlsam und intensiv, entlang sämtlicher Kurven, Wölbungen und Rundungen. Womit ihr euch verbindet, voll und ganz. Was ihr mit größter Hingabe besteigt, antreibt, zur Raserei bringt, bisweilen gar an die Grenze der Akrobatik. Was ihr zähmt und nehmt, wie euch gerade zumute ist, wie es gefällt. Die macht, was ihr wollt - bis auf wenige Ausnahmen. Womit ihr eine vollkommene Symbiose leben könnt. Was ihr nun mal aus tiefstem Herzen achtet und liebt! Ihr wisst natürlich, worum es sich handelt. Es ist nicht etwa das Frauchen, das dem allem selbstverständlich sehr nahe kommt, in der Regel aber auch nicht darüber hinaus. Selbst die Geliebte kann diesem Bündnis nicht das Wasser reichen. Nein, ich rede von etwas anderem.

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Es ist - schlicht und einfach - 'die Maschine', also euer Motorrad, das ich meine, und ich muss gestehen, dass die mir schon einige Male in meinem bisherigen Dasein ein gewisses Gefühl von Eifersucht beschert hat, was eine andere Frau als Konkurrentin nicht so schnell bei mir schafft. Doch mit diesem Glanz, Esprit, Temperament, mit diesen Schwingungen kann ich als Vertreterin der weiblichen Spezies nicht mithalten. Da nutzen mir auch meine neapolitanischen Anteile nicht, die durchaus für Spannung sorgen können. Nein, da hat die Geschichte etwas weitaus Verlockenderes für euch Männer hervorgebracht. Es ist nun für mich überaus spannend zu beobachten, welcher Typ Mann bei welchem Typ Motorrad landet beziehungsweise umgekehrt. Vor langer Zeit sah ich mal eine interessante wie verblüffende Fotoreportage über die Gemeinsamkeiten von Hunden und ihren Besitzern. Die gingen weit über die Psyche hinaus, die zeigten sich nämlich sogar in Äußerlichkeiten bis hinein in die Gesichtszüge. Ehrlich, da gibt es oftmals überraschende Parallelen. Es scheint sich mit euch Männern und euren 'Mopeds', wie ihr sie mit Kosename nennt, nicht viel anders zu verhalten. Sorry, wenn ich es mir erlaube, solche Vergleiche anzustellen. Die sind durchaus liebevoll gemeint. Da ich als ganz normale Frau von technischen Kleinigkeiten wenig Ahnung habe (so wie die meisten eben) und es mir auch keinen Spaß macht, das zu ändern - verzeiht mir, meine Artgenossinnen, die das anders leben - also weil ich nun mal eine technische Nullcheckerin bin, erwartet von mir bitte keine Namen solcher Maschinen, das wäre ja eventuell sogar Schleichwerbung. Ich beschreibe dieses Phänomen aus einer ganz anderen Perspektive heraus. Es geschieht auf der Ebene, die ihr Kerle an uns Weibern eben ein wenig belächelt und die euch öfter auch an uns nervt. Ich schreibe aus dem Gefühl, aus dem Bauch heraus und exemplarisch, will heißen, ich picke da mal vier heraus aus der Reihe meiner bescheidenen fraulichen Erfahrungen.

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Der Erste, mein Ex-Freund Michael, der sich mir gegenüber, je nach seinem Stimmungsbarometer, gerne auch distanziert 'Mike' nannte, sehr männlich, athletisch-muskulös, dunkelster Bass, starke Behaarung - er musste sich für mich nicht androgyn glatt rasieren, ich mag das so, wie Gott euch gemeint hat - leidenschaftlich, zackig, rational, ohne viel Sinn für Ästhetik oder das Außergewöhnliche..., der besaß eine Maschine vom Typ her mittelgroß, rank und schlank, ohne Schnick-Schnack, mit ausreichend PS, die er möglichst schnell hochfahren konnte. Die Farbe fand keine große Beachtung, auch der Beifahrersitz nicht, obwohl ich den hin und wieder nutzte. Demnach gab es für mich nicht unbedingt das, was man in diesen Situationen Bequemlichkeit nennen konnte. Das Ding musste gut und ökonomisch funktionieren. Darum ging es. Und er hatte es erworben für wenig Geld. Wenn ich auf seiner Maschine mitfuhr, durfte ich etwas erleben, was mir im Paarleben sonst nicht zugestanden wurde: eine Nähe über mehrere Stunden hinweg. Seinen Rücken in ständiger Tuchfühlung, an ihn angeschmiegt, meine Arme ihn umklammernd, den Kopf angelehnt, so genoss ich unsere Zweisamkeit. Im Grunde handelte es sich jedoch um eine Dreiecksbeziehung. Mein Ex-Freund nämlich meinte, das Höchste in seinem Leben sei es, auf dem Rücken seiner Maschine alleine mit 200 über die Autobahn zu fliegen, ein unbeschreibliches Lebensgefühl. Und wenn es denn schon sein müsse, irgendwann einmal, dann wolle er so sterben und nicht anders. Diese Einstellung sollte nach vier Jahren Partnerschaft ein wesentlicher Trennungsgrund werden. Ihr Männer möget mir diese Kleinlichkeit verzeihen. Der Zweite, der sich damals in demselben Motorrad-Club befand wie mein Ex-Freund, mein Anti-Mann zum Lesbisch-werden geeignet, weich und zart besaitet, etwas rundlich um die Hüften, gemütlich und einfach gestrickt, per Beschluss Single, da Frauen zu anstrengend seien, besaß so eine von den Riesenmaschinen, ausladend, üppig, vergoldet, mit Dächlein bei Regen nebst Musikanlage, bestückt

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mit allzu herzhaftem deutschem Schlager, der Sitz breit und angenehm gepolstert, einem kleinen Sofa gleich, einschließlich des Beifahrersitzes, so dass ich bei längeren Fahrten durchaus zur Untreue neigte und gerne auch mal vom harten, schmalen Sitz meines ExFreundes zu diesem exklusiven Weichteil wechselte, wirklich nur dahin, Mann verstehe mich nicht falsch! Das Ganze besaß den Hauch von gemütlicher Couch im Wohnzimmer. Meinem Popo bekam das gut, die Schlagerschnulze meinen Ohren nebst weiterleitenden Nervenbahnen allerdings weniger. Der Dritte, ein kräftiger, stämmiger Kerl mit Bartstoppeln und Brummbärstimme, Alfred, liebte graziöse, zierlich-schlanke, sportliche Frauen mit langen, dunklen Haaren, feurig und wendig, wenn Mann sie zu entfachen wusste. Er schwärmte von schönen jungen italienischen Frauen im weißen Sand am Meer, die er nicht haben beziehungsweise besitzen konnte - mich ja auch nicht - und kaufte sich, was meint ihr, ist doch glasklar, so eine kleine, schnittige, rasante, italienische Maschine, mit ordentlich Saft dahinter, so eine Geheimnisvolle, der man nicht gleich ansieht, was dahinter steckt, die aber abgeht, wenn es drauf ankommt. Feuerrot natürlich der Lack, Schwarz der Rest. Seine kräftige Statur und dies feine Maschinchen, ein herr-lich spannendes, ein wundervolles Duo! Und der Vierte und Letzte, den ich euch hier vorstellen möchte, Fritz: groß, schlank, Totalästhet, der Kreative und Romantiker, der Frauenliebhaber, bei dem keine bleiben wollte, der sich bei schönem Wetter an wallenden Brüsten und wohl geformten Füßen in schicken Schuhen ergötzen konnte, die Wohnung ein Schmuckstück, hypersauber, kein Härchen, weder an seinem Körper noch in seinem Bad, alles ordentlich an seinem Platz. Und kam es da durch gewisse menschliche Aktivitäten zu unumgänglichen Veränderungen, wurde dieses Chaos schnellst möglich wieder behoben. Ton in Ton das gesamte Heim von der Wandfarbe über das Bettzeug bis zu den unzähligen Kerzen... eben perfekt durchdacht. Sternzeichen Jungfrau, was

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Foto: Susanna Bur


sonst, er konnte nichts dafür. (Ich bin auch eine, ich spreche aus Erfahrung!) Dieser besondere Mann zeigte mir seinen besonderen Juwel mit größtem Stolz in der Brust. Ich sah ihn förmlich niederknien vor dieser seiner Errungenschaft. Sie stand in der Garage und raubte somit dem Vierrad den eigentlich ihm zustehenden Platz. So durfte ich die Seufzer der Hingabe hautnah erleben und die Bewunderung des Besitzers teilen: königsblau die Göttin, groß, lang, mit eleganten Linien und Wellen, wundervoll geschwungenem Sitz, blitzblank poliert. Da können selbst meine Fenster frisch nach dem Putzen nicht mithalten. Absoluter Stil das Ganze. Wow! »Ich habe sie gesehen und sie war mein!«, raunte er mir zu. Da wusste ich bereits beim ersten näheren Kennenlernen, welcher Platz mir gebührte, obwohl er mir versicherte, er spüre, dass i c h es sei und keine andere. Ihr wisst es ja schon aus meinen anderen Texten, ich war in diesen Jahren einfach nicht zu retten!!! Doch er wusste mich in der Tat zu locken. »Du tust mir soo gut. Du bist soo normal, ganz anders als die Frauen, die ich hinter mir habe. Und du siehst soo gesund aus. Ich mag deine zarte Haut, sie ist noch soo glatt... Und dein Mund mit den Zähnen soo appetitlich..!«, stellte er fachmännisch fest, während er sich eine Zigarette nach der anderen in den Mund schob und daran saugte, als hätte er in seiner gesamten Säuglingszeit zu wenig Nahrung erhalten und müsste dies nachholen. (Sorry, ich will damit keinem Raucher zu nahe treten, das war nun mal seine Wirkung auf mich.) Er bekochte mich mit Leidenschaft immer wieder auf's Neue, während er in seiner absolut sauberen, ja wohl keimfreien Küche auf Musik tänzerisch herumwirbelte. Ein Augenschmauß! Dabei schaffte er es einmal, mich mit seiner galanten Art auf einen hohen Barhocker zu pflanzen und mir die Beine zu spreizen, während ich gerade an meinem Gläschen Champagner nippte... Er durfte mir auch die Hand- und Fußschellen zeigen, die zwischen all dem Spielzeug in der obersten Schublade im Nachtschränkchen lagen und von denen er sich als Kriminalkommissar

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selbst nach Feierabend nicht verabschieden konnte... Er war in der Tat außergewöhnlich. Meine beiden Seelenfreunde Werner und H.G., denen ich alles, nein, fast alles erzählte, reagierten sehr besorgt: »Pass nur auf dich auf, Kleines, wer weiß, was das für einer ist!« »Ach, keine Panik, der ist ganz harmlos, ehrlich, halt ein bisschen durchgeknallt wie wir alle, der ganz normale Wahnsinn!« Und weil er nicht locker ließ, schaute ich mir mit ihm auch seinen Lieblingsporno an, eine blonde, langbeinige Möchte-gern-Schöne, die ihre Möse mit dem fein geschnittenen hellen Haarbüschel zehn Zentimeter vor dem Zuschauer hingebungsvoll bearbeitete. Es berührte mich fast peinlich. Ich könnte wahrhaftig erotischere Streifen drehen! Das mit den Pornos war noch nie meine Welt und wird es auch nicht werden. Und dennoch legte ich mich eines Tages noch mit ihm in die exquisit geschlungene Wanne voll fein duftendem Schaum in seinem luxuriösen Badezimmer, rundum Kerzen in den passenden Farben, leise Musik im Hintergrund, und ließ ihn in seinem Narzissmus mit mir tun, wonach ihm war. Das wirkte zunächst sogar romantisch und entspannend. Doch fand ich sein bestes Stück, so er selbst, plötzlich außerordentlich und erstaunlich groß, so riesig, dass es mich beinahe innerlich erdolcht hätte, als es meine weibliche Höhle aufsuchte. Hilfe, ich bekam es wirklich mit der Angst zu tun. Ein paar Zentimeter weniger wären mir, ehrlich gesagt, lieber gewesen, und ich wollte es nicht unbedingt noch einmal haben. Wer behauptet denn, Frauen würden sich nach solchen XXL-Größen sehnen? Manch eine bevorzugt sicherlich einen 'kleinen Prinzen'. Das war's dann im Grunde mit uns beiden! Ich will jetzt keine weiteren Intimitäten preisgeben zu dem umfangreichen Thema 'Der Mann und seine Herzallerliebsten'. Lasst euch nur so viel sagen, dass ich große Unterschiede beziehungsweise Parallelen zu erkennen glaube oder erahne bezüglich der Art und Weise, wie ihr mit euren Maschinen und mit uns Frauen im allgemeinen und 'in besonderen Situationen' umgeht.

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Es ist für mich auf jeden Fall faszinierend zu erleben, wie die Augen von euch Männern leuchten beim Anblick eurer Schmuckstücke. Wie ihr innerlich erregt seid beim Erzählen darüber. Wie sehr ihr euch freut, wieder auf ihrem Rücken sitzen, ja, sie reiten zu dürfen, in variantenreicher Stellung vom aufrechten Sitz bis in die anschmiegsame Liegeposition. Wie sie bereitwillig zwischen euren Schenkeln liegt. Das demonstriert ihr uns zumindest gerne. Nicht zu vergessen die Geräusche, die dabei entfacht werden und die in euren Ohren so wohlig klingen mögen wie die süßesten Lustschreie einer Frau. Nicht zu vergessen auch der Duft, der euren Nasen schmeichelt, immer wieder anders, je nachdem, wieviel Gas ihr gebt und wohin eure Wahrnehmung gerade geht. Alles in allem: Erotik pur! Oder? Und vor allem, wie es euch nie langweilig wird mit ihnen. Mein Gott, da kann Frau wirklich neidisch werden!

Aus meinem autobiografischen Band: Erotische und andere Geschichten und Gedichte aus dem Leben einer Frau 'Und die Rosen wollten nicht blühen'

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Immer noch Birgit Burkey

Immer noch lagern klärende Worte hinter heimlichen Wänden. Wahrheit ummauert, mit rußgeschwärzten Steinen. Hinter verschlossenen Fenstern wabern lichtscheue Schatten, treu ergeben meinen Ängsten. Ich tauche meine Finger in Asche, bemale mein Gesicht, und warte, warte bis deine Hände meine Haut reinigen.

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Perfektion Birgit Burkey

Auf meinem Seelenspiegel hast du Flecken hinterlassen, schwarze Punkte gelebter Vergangenheit, unpoliert, jedoch nicht unbeachtet. Ich verhülle den Glaskörper mit dunkelschöner Spitze, präsentiere dir Perfektion, du gönnst dir sowieso nur einen Blick auf den äußeren Kokon.

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Foto: Susanna Bur

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Unbeachtet Birgit Burkey

Im mattschwarzen Glas spiegeln sich Konturen, ich erahne dein Gesicht, während deine Lippen die meinen erkunden. Jenseits unserer Stille flüstern Blätter im Wind, zieht der Mond seine Bahn. Während Körper verschmelzen, rauscht die Zeit – unbeachtet.

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Apfelschnitze Amadeus Firgau

Er sitzt am Küchentisch, neben sich zwei Körbe frisch aufgelesener Äpfel, vor sich zwei Schüsseln und ein Schneidebrett. Er viertelt die Äpfel, entkernt sie, schält sie, wirft die Reste in die eine Schüssel und die geschälten Viertel in die andere. Die Tochter kommt herein. »Was machst du mit all den Äpfeln, Papi?« »In Scheiben schneiden und auf dem Kachelofen trocknen. Für den Winter.« »Oh lecker!“ Sie tänzelt davon. „Ich üb’ jetzt Klavier!« »Solltest du nicht vorher das Bad putzen?« Sie kommt zurück und faucht durch die Küchentür: »Du musst mir nicht vorschreiben, was ich tun soll! Ich üb’ jetzt nicht Klavier, das hast du davon! Und das Bad putze ich auch nicht!« Sie verschwindet, er hört sie die Treppe hoch trampeln. Nach zwei Minuten hört er von oben ihre Stimme: »Überhaupt wollte ich deshalb schön Klavier üben, damit du es hörst! Jetzt hab’ ich gar keine Lust mehr!« Er sagt nichts, nach weiteren zwanzig Sekunden hört er sie wieder: „Bloß damit du nicht alleine da unten arbeiten musst! Jetzt bist du schuld, wenn ich’s nicht tue!“

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Foto: Susanna Bur

Er seufzt und schält weiter seine Äpfel. Es dauert nicht lange, da kommt sie in die Küche, kramt ein bisschen an der Anrichte herum und setzt sich mit Obstmesser und Schneidebrettchen an den Tisch. »Ich helf’ dir ein bisschen, Papi«, sagte sie. »Damit du nicht so alleine arbeiten musst.«

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Vorbereitungen für den Jakobsweg Amadeus Firgau

If I had eight hours to chop down a tree, I’d spend six sharpening my axe. (Abraham Lincoln) Als ich Anfang 2011 meiner Familie meine Pilgerpläne unterbreitete, meldete sich die Tochter, sie wolle mit. Ich müsse aber noch ein paar Wochen warten, bis nach ihrem Abitur. Danach habe sie genug Zeit, außerdem wolle sie den Camino nützen, ihren weiteren Lebensweg zu überdenken, vielleicht könne sie durch Gespräche mit mir auch ein bisschen an meinen Lebenserfahrungen teilhaben – und überhaupt sei dies vielleicht die letzte Gelegenheit, mit ihrem alternden Papa etwas Gemeinsames zu unternehmen. Ich war gerührt. Ich hatte vorgehabt, im Frühjahr loszupilgern (da ist es in Spanien noch schön kühl, dachte ich). Ich hatte sogar erwogen, in Lourdes zu starten, sozusagen als Gegenpol zu Santiago de Compostela. Aber das hätte eine Woche länger gedauert und eine kompliziertere Wanderung schräg über die Pyrenäen bedeutet. Jetzt musste ich bis Mitte Juni warten und dann sollte es möglichst unkompliziert sein – also Camino Francés pur. »Und dein Knie?«, fragte meine Frau besorgt. »Wird schon gehen«, sagte ich. „Irgendwie.“ »Und was mach ich so lange ohne dich?« »Hmm ...«

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Es galt nun den Weg für uns zwei vorzubereiten. Ich dachte, das wird ein fröhliches Planen, voller Vorfreude und gemeinsamer beglückender Einkäufe. Aber nein, jetzt begann der Beziehungsstress Vater – Tochter. Sie stand kurz vor dem Abi, verfasste die letzten Referate, paukte für die letzten Klausuren und wollte nichts sonst wissen oder tun. »Aber wir müssen deine Schuhe kaufen. Du musst sie noch einlaufen. Oder willst du Blasen kriegen?« »Papa! Wie oft soll ich dir noch sagen: Lass mich in Ruhe mit deiner Pilgerei!« »Meine? Ich dachte, unsere!« Peng, die Tür zu ihrem Zimmer schlug zu. Die Tür ging wieder auf. »Und überhaupt, Papa, mich nervt, dass du alles so gründlich planen willst. Mir wird schon in der Schule alles vorgeschrieben: Klausurplan, Stundenplan ... Auf dem Jakobsweg will ich Freiheit erleben! Abenteuer!« »Aber die Schuhe ...« Peng, die Tür knallte zu. Also packte ich meinen Rucksack. Man ist zunächst versucht, alles mitzunehmen, was man vielleicht mal brauchen kann. Man weiß ja nicht, was auf einen zukommt. Ich legte alles, was ich für wichtig hielt, auf einen Haufen, inklusive SpanischWörterbuch, Fernglas, Bibel, Mundharmonika, Pullover, Badehose, Pflanzenbestimmungsbuch, Kniebandagen. Dann wog ich diesen Haufen – deutlich über 12 Kilo – und sah mich gezwungen, auszusortieren, was ich nicht unbedingt benötigte. Bei 8,5 Kilo inklusive Rucksack hörte ich auf, besser ging es nicht. In-

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zwischen weiß ich, was noch zu Hause hätte bleiben dürfen. Man lernt aus seinen Fehlern. Gleichzeitig legte ich für meine Tochter alles auf einen Haufen, was ich für sie schon gesammelt hatte, so dass sie nach ihrem Abi nur noch einzupacken brauchte. Als sie mal vorbei kam, kickte sie verächtlich mit dem Fuß dagegen: »Du glaubst doch nicht, dass ich das alles mitnehme?«

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Herz und Knie. Auf dem Jakobsweg Amadeus Firgau 515 Seiten ISBN 987-3-86858-952-8 SHAKER Media Preis der Druckversion: 25,90 € Preis der eBook-Version: 7,55 € Dieses Buch zeigt ein vielschichtiges Mosaik meiner Erfahrungen auf dem Camino. Dazu gehört auch Hintergrundwissen – wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart besser würdigen. Vieles allerdings lässt sich nicht zwischen Buchdeckel bannen: Die Düfte, das Singen der Vögel, die Verunsicherungen (wie geht der Weg weiter?), die Gespräche, das warme Gefühl der empfangenen und gewährten Hilfe, das ernstgemeinte Lächeln, auch die Schmerzen und die Müdigkeit – und zuletzt die Freude, anzukommen und ein Bett zu finden.

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Als ich mein erstes Buch schrieb Heike S. Rogg

»Ich schreibe ein Buch. Einen Krimi!« Mit dieser Aussage ernte ich zunächst ein vielsagend nachsichtiges Lächeln aller, die meinen Ausspruch hören. In der Realität bedeutet das: Du brauchst Talent, Fantasie, Durchhaltevermögen, Glück, Schreibvermögen, Stil und möglichst einen Partner, der genug für beide verdient. Nichtsdestotrotz setze ich mich an den Schreibtisch, ein jungfräuliches Schulheft vor mir, und greife zum Füller. So ein richtiger Füllfederhalter gibt einem doch den gewissen Anschein von Professionalität. Ein Kugelschreiber wäre da viel zu profan. Dann kommt die Überlegung. Ich weiß, ich lese gerne Krimis, am liebsten die mit viel Lokalkolorit. Also will ich auch so einen schreiben. Als Nordhessin ins Saarland geraten, drängt sich die Verknüpfung zwischen Kassel und dem Bliesgau einfach auf. Beide kenne ich gut. Also sitze ich da und warte – auf den ersten Satz. Und er kommt. „Was für ein Ausblick!“ Das scheint mir der Hammersatz schlechthin. Was gibt es nicht alles für Ausblicke? Ich entscheide mich für einen von ganz oben, den vom Kassler Herkules. Da bietet es sich doch regelrecht an, dort ein armes Opfer runterzustoßen. Aber von wo? Von vorn? Geht nicht. Dabei fällt jenes fiktive Opfer den armen Besuchern der Wasserspiele direkt vor die Füße. Hinten? Geht auch nicht. Da fällt es in ein tiefes Loch und kann von meinem geplanten Zeugen nicht gefunden werden. Also bleiben rechts oder links. Aber funktioniert das dann auch so wie erdacht? Es hilft nichts. Ich muss eine Vorortrecherche einlegen. Also, ab ins Auto, vierhundert Kilometer nach Kassel fahren und den Herku-

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les ersteigen. Ganz schön anstrengend in der Realität, vor allem, wenn man nicht mehr dreißig ist. Mein nächstes Opfer werde ich mit Sicherheit ertränken. Nachdem alle Mordmöglichkeiten geklärt sind, der erste Satz vorhanden ist, schreibe ich das erste Kapitel. Bei den Testlesern entscheide ich mich als Erstes für Ehemann und Mutter. Die sind mit Sicherheit am nachsichtigsten. Stimmt auch. Allgemeiner Tenor: »Schreib mal weiter.« Dann kommt die erste Wegkreuzung. Will man authentisch sein oder reicht Tatortniveau. Natürlich entscheide ich mich für die anspruchsvolle Authentizität. Das aber heißt wieder recherchieren: Wie läuft das eigentlich in der Realität bei Polizei, Gerichtsmedizin und Staatsanwaltschaft? Ein paar Telefongespräche, das Interesse scheint geweckt, denn ich bekomme überall Termine. Als Erstes lerne ich die verschiedenen Dienstgrade kennen, dann den Unterschied zwischen Polizei und Kriminalpolizei. Dann klande ich in der Rechtsmedizin. Dort zeigt man mir einen Obduktionsraum, die Obduktionswerkzeuge und die Kühlkammern für die Leichen. Wichtigste Regel: Niemals Gerichtsmedizin oder Pathologie schreiben. Das heißt immer Rechtsmedizin und der dazugehörige Arzt ist der Rechtsmediziner oder höchsten falls der Forensiker. Nachdem ich die ersten fünf Kapitel geschrieben und zum Testlesen weitergegeben habe, kommt der Erste ins Spiel, der eine Person in dem Krimi darstellen möchte, aber bitte nicht den Mörder. Also gut, führe ich eben einen Ingenieur ein. Dann wird beraten, wie er denn als solcher heißen möchte. Die anderen Namen habe ich bis dahin aus dem örtlichen Telefonbuch “geklaut“. Fantasie ist eine feine Sache und unverzichtbar. Wenn ich aber die Figuren in meinem Krimi entwickele, brauche ich realistische Vorgaben. Das heißt ich überlege, welche Typen ich kenne, verpasse ihnen

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neue Namen und kann mir jetzt ihr Verhalten genau vorstellen und sie entsprechend beschreiben. Zwischendurch kommen noch mehrere Berufsgruppen dazu, die meinem Bekanntenkreis entliehen werden. Diese Freunde werden dann gefragt, welchen Namen sie im Buch haben möchten. Oder ich verheirate sie einfach und lasse den Mann den Namen der Frau annehmen. Auch das Motiv für den Mord ist aus dem Leben gewählt. Manche Dinge brauchen eben eine Weile, bis sie vergolten werden. Mittlerweile gehe ich dann dazu über, Testleser außerhalb meiner Familie mit Blättern, E-Mails oder Faxen zu beglücken. Aber auch hier durchaus positive Resonanz. Peinlich sind nur die vielen Tipp- und Kommafehler, denn jeder Leser meint es gut und korrigiert den Text. Das wird spätestens dann zum Problem, wenn die Leserschaft sich über mehrere Generationen erstreckt. Denn das bedeutet: Alte deutsche Rechtschreibung, neue deutsche Rechtschreibung, neuste deutsche Rechtschreibung. Aber ich lasse mich nicht entmutigen, kaufe noch ein offizielles Korrekturprogramm und schreibe munter weiter. Ich habe meine Geschichte beinahe zu Ende erzählt, das Manuskript ist fast fertig, da kommt der achte Leser, der mir erklärt, wer der Mörder ist. Das ist nicht geplant. Also das Ende umschreiben – ein neuer Mörder muss her. Daraufhin wirkt die Geschichte zu konstruiert. Ich bediene Klischees, die meinem Anspruch entgegenlaufen. Das ist der Moment, wo ich das Ende nicht mehr mag. Daraufhin beginne ich ein zweites Manuskript, denn ich habe bereits eine neue Idee. Daran schreibe ich erst mal eine Zeit lang. In der Zwischenzeit besuche ich eine saarländische Freundin, die mir die Dialoge meiner saarländischen Figuren übersetzt, denn ich spreche ja nur hochdeutsch. Es ist ein amüsanter Vormittag, mit dem dilettantischen Versuch diesen Dialekt schriftlich zu fixieren.

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Nachts um drei fällt mir plötzlich ein besserer Schluss ein. Also aufstehen, an den Schreibtisch setzen und schreiben, damit er nicht wieder verloren geht. Dieser muss dann auch erst mal wieder auf technische Möglichkeiten getestet werden, hält denen aber stand. Wer jetzt meint, das Manuskript sei fertig und man könne die Füße hochlegen, der irrt. Es folgt das eigenhändige Korrekturlesen nach dem Korrekturprogramm. Jetzt finde ich auch die ganzen Kommas, die man kann, aber nicht muss. Stelle fest, dass ich bei der Satzstellung nicht immer mit der deutschen Sprache konform gehe, und splitte meine geliebten Schachtelsätze, dass sie auch für den normalen Konsumenten lesbar werden. Dann lege ich alles wieder in der Schublade und versuche einen Verlag zu finden, der genauso begeistert von meinem Meisterwerk ist, wie ich selbst. Natürlich gibt es auch hierbei wieder Weg und Irrweg. Kontaktiere ich selbst die Verlage oder schalte ich eine Literaturagentur ein? Und genau das entwickelt sich zur vierfachen Kreuzung. Verlag mit Selbstkostenzuschuss, oder ohne? Wann kassiert die Agentur? Vorher – nachher? Man könnte es ja auch als Book on Demand selbst herausgeben. Ein Dschungel von Möglichkeiten liegt vor mir. Dabei will ich doch nur meine Geschichte als fertiges Buch sehen. Also, Computer anschalten und lesen, was ein Verlag so möchte, um bereit zu sein, mein Machwerk überhaupt eines Blickes zu würdigen. Ich finde Normseiten, weiß aber noch nicht, was das sein soll. Bisher hielt ich normale Din A 4 Seiten für so etwas. Aber man kann Normseiten sogar runterladen und die verwenden dann auch wirklich nur die erlaubten dreißig Zeilen und sechzig Anschläge. Also kopiere ich meinen Text in diese, mir angebotenen Normseiten und formatiere ihn neu, denn jetzt passen die Absätze nicht mehr. Dann soll ich ein Exposé schreiben. Ein Art Inhaltsangabe, aber keine Werbung. Außerdem wollen sie da schon den Mörder wissen wie unspannend. Auch eine Leseprobe von 20-50 Seiten wird ge-

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wünscht. Was nehme ich da bloß? Den Anfang? Gut gelungene Kapitel ohne Zusammenhang? Ich entscheide mich für die ersten 30 Seiten. Das liegt in der Mitte und hat einen Zusammenhang. Außerdem lernt ein Lektor gleich alle wichtigen Personen kennen. Es folgt ein Anschreiben, warum man sich berufen fühlt, zu schreiben und ob man die sprachlichen Voraussetzungen mitbringt. Auch soll man schon die möglichen Leser vorhersagen. Ein kurzer Lebenslauf vervollständigt den Packen für die Verlage. Jetzt alles noch mal korrekturlesen. Und wieder finde ich Fehler, die vorher bestimmt noch nicht da waren, denn sonst hätte ich sie ja gefunden. Man sollte bei einem Krimi natürlich nur solche Verlage aussuchen, die auch Krimis verlegen. Bei einem Kochbuchverlag liegt man eindeutig falsch. Und dann heißt es warten ... warten ... warten ...

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Tod am Herkules Heike S. Rogg ISBN-13-978-3-9437-6046-0 Euro 8,80 Esch Verlag, Potsdam Eine saarländische Kegelgruppe ist auf einer Fahrt nach Kassel unterwegs. Dabei fällt ein Mitglied vom Herkules und Busfahrer Hannes findet die Leiche. Da von nun an die spezielle saarländische Mentalität auf nordhessische Sturheit trifft, beschließt Hannes zusammen mit einem mitgereisten Blieskastler Kommissar, die Ermittlungen selbst in die Hand zu nehmen. Beide lösen den Fall noch in Kassel, erleben aber kurze Zeit später eine unangenehme Überraschung …

Mehr Infos und Leseproben: Website: www.busfahrer-hannes.de

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Die Überraschung Barbara Wehlen-Leibrock

Wissen Sie, was ein Bumerang ist ? Man wirft ihn fort und eh man es sich versieht, ist er wieder da. Ähnlich wie bei Weihnachten. Kaum ist Weihnachten vorbei, geht es im alltäglichen Stress munter weiter durch das Jahr. Es verfliegt, kaum dass es angefangen hat und eh man es sich versieht, ist es wieder Weihnachten. Dann stellt sich alljährlich die bange Frage, was schenke ich wem? Was hat das mit einem Bumerang zu tun? Ganz einfach, es gibt Geschenke, die nehmen auf wundersame Art und Weise ihren Weg… Nehmen wir mal an, Sie kaufen Lose bei einer Tombola und … gewinnen. Zuerst eine geklöppelte Tischdecke in altrosa, dann eine Blumenvase aus Bleikristall, dann ein Hirschgeweih eines Sechssenders und schließlich den Hauptgewinn. Neidisch schauen die anderen. Wer weiß, was die gewonnen haben? Zwei gestrickte Eierwärmer, einen Wasserball , ein selbstbeklebter Spiegel, mager ist die Ausbeute! Was mag im Hauptgewinn wohl drin sein ? Tausend Augen ruhen aus Ihnen, als Sie das in rosa Geschenkpapier eingewickelte Papier auspacken. Es ist ein Buch, und war für eins … Der Titel haut Sie aus den Latschen. “Die Sprunggelenksfraktur bei den Breitmaulfröscen“.

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Das ist ein Thema, das Ihnen immer schon auf der Seele gelegen hat. Oma Erna hat sich auch ganz riesig darüber gefreut! Das Buch lag nämlich auf ihrem Gabentisch. Sie hatten es ihr geschenkt. Zu Weihnachten!! »Ach ihr Kinner, ist das scheen«, sagte sie ein- über das andere Mal. Irgendwann war es Ihnen peinlich, denn Oma Erna ist fast blind. Auch der nächste war über das Geschenk ganz aus dem Häuschen. Zum achtzigsten Geburtstag Lag es auf dem Gabentisch. Oma Erna hatte es geschenkt. »Musche lääse«, hatte sie geheimnisvoll dem Geburtstagskind zugeflüstert. Auch der Nächste freute sich ganz toll und ganz besonders der Übernächste war aus dem Häuschen, oder war es der überüber, oder der über-über-übernächste? Taufen, Hochzeiten, 60zigste, 70zigste, 80zigste Geburtstage , keiner blieb vor dem Buch verschon. Auf vielen Gabentischen war es Gast. Es war praktisch ein Wanderer zwischen den Welten. Überall war es nur kurze Zeit und bald woanders auf. Dann wurde es still um das Buch. Keiner hörte mehr von ihm . Es war verschollen in der Versenkung oder auf dem Speicher? Schade !! Bis, ja bis Sie bei der Tombola Lose kauften. Sie gewannen zuerst eine geklöppelte rosa Tischdecke , eine Vase aus Bleikristall und dann …

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Die ewige Jugend Barbara Wehlen-Leibrock

Ich lag im Sommer auf der Wiese und träumte vor mich hin. Die Luft roch nach Blumen, um mich herum zirpten die Grillen und die Vögel sangen. Da kam eine Fee zu mir und sagte, ich hätte einen Wunsch frei. Was sollte ich mir wünschen, ich, der ich wunschlos glücklich in der Wiese lag. So grübelte ich und grübelte ich. Meine Gedanken kreisten nur noch um das Thema. Die Ruhe des schönen Sommertages war dahin. Was war mein innigster Wunsch ? Geld, Gesundheit, Glück und Frieden ? Da kam die Fee wieder. »Weißt du, was du willst ?«, fragte sie. »Ich will«, erwiderte ich nach einer langen Pause, »ewig jung sein«. Die Fee lächelte und verschwand. Und so gingen die Jahre dahin. Meine Familie und meine Freunde schwanden dahin. Herrschaftssysteme wandelten sich. Ich sah Könige und Kaiser kommen und gehen. Allein ich blieb als Konstante durch die Jahrhunderte bestehen. Eines Tages, ich lag bestimmt schon im 500. Jahr auf der Wiese und sonnte mich. Da trat eine Frau zu mir. Ich öffnete meine Augen und erblickte sie. Sie war alt und ging gebückt. Ihr Gesicht war übersät mit vielen Runzeln. »Sie ist bestimmt steinalt«, fuhr es mir durch den Kopf.

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»Ja«, sagte sie , als hätte sie meine Gedanken erraten. »Ich bin uralt und meine Zeit ist bald gekommen«. »Meine Zeit wird nie kommen«, erwiderte ich, »denn ich werde niemals alt sein.« »Dann weißt du nicht, was das Leben ist. Du bist jung und bleibst auf ewig jung. Du hast nur die Erfahrungen der Jugend gemacht. Du weißt nicht, wie es sich anfühlt, alt zu werden.« »Das will ich gar nicht wissen«, erwiderte ich, »denn ich will niemals so faltig und runzlig sein wie du.« »Ja«, sagte sie, »das ist wahr. Als die ersten Falten kamen, da war ich erschrocken und habe versucht, sie wegzubekommen. Aber, sie sind Sinnbild meines Lebens. Jede Falte ist ein Teil meines Leben. Bin durch Höhen und Tiefen gegangen, habe in Abgründe geschaut und habe das höchste Glück erlebt.« »Ich erlebe die ewige Jugend«, sage ich. »Für mich scheint immer die Sonne und die negativen Erfahrungen des Alters bleiben mir erspart.« »Das mag sein«, entgegnete sie. »Aber, dein Leben hat keinen Anfang und kein Ende. Es ist nur ein Stück eines Weges. Es wird sich nie vollenden.« »Ich kenne meine Ur-ur-ur-ur Enkel«, wand ich ein, »ich werde auch noch die weiteren Generationen kennenlernen.« »Ich kenne meine Enkel«, sagte sie, »und ich weiß, dass mein Urenkel im Sommer auf die Welt kommen wird. Ich wäre glücklich, das erleben zu dürfen. Zeit ist ein kostbares Geschenk. Und nur, wenn du nur eine bestimmte Zeit zur Verfügung hast, kannst du begreifen, wie kostbar sie ist.«

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Das stimmte mich nachdenklich, denn ich liebte zwar alle meine nachfolgenden Generationen, aber ich wusste auch, dass ich noch weitere Generation kennenlernen würde. »Aber«, wand ich ein, »dein Leben kann sich nie vollenden, da du keine Zeit hast , alles zu Ende zu bringen.« »Das ist auch nicht meine Aufgabe«, lachte sie, »ich gehe nur ein Stück des Weges in der Zeitgeschichte. Die Zeitgeschichte lebt in mir und ich lebe in ihr. Ich habe Kinder geboren, die meine Idee weitertragen werden und ihre eigenen Ideen entwickeln werden. Da du ewig lebst, gibst du den nachfolgenden Generationen keine Chance sich selbst zu finden.« An dieser Stelle unterbrach sie sich, denn das Atmen fiel ihr schwer. »Vollendet kann ein Leben nie sein«, fuhr sie fort, »da jeden Tag neue Aufgaben auf uns warten, die wir nicht alle zu Ende führen können. Ich habe genug gesehen und erlebt. In meinem Leben habe ich das getan, was ich mir vorgenommen habe. Für mich ist mein Leben vollendet. So, wie es war, bin ich zufrieden.« »Du hast keinen Hunger mehr, etwas Neues zu erleben? Du hast keine Lust mehr, das Leben in vollen Zügen zu genießen, jung zu sein?«, sagte ich. »Nein«, sprach sie und lächelte. Was soll ich sagen, ich lebe immer noch. Ich habe aufgehört, die Jahre und Jahrhunderte zu zählen. Es stimmt, Zeit ist für mich nicht kostbar. So, wie es ist, ist immer Sommer. Doch eines Tages wird die Fee wiederkommen und dann werde ich Sie bitten, mir mein Leben zurückzugeben.

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Foto: Susanna Bur

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C´est la vie Barbara Wehlen-Leibrock

Mein Magen tut mich heute drücken Was tat ich nicht alles, um ihn zu entzücken Warf´ nur das Allerfeinste in ihn hinein Doch er rächte sich ganz hundsgemein. Als Entrée ein verführerisches ameuse geule Comme tous le veulent Der Loup de mère war ein Gedicht, hätte baden können in dem Gericht, wollte untertauchen und ihn ganz umschlingen, musste loben all die ach so köstlichen Dinge. Auch die Ente, mon dieu War alles andere als trop vieux Sie war so rosa und so zart, Glückstränen rannen mir in den Bart Der Wein, zugegeben, er floss ein bisschen reichlich, aber mein Magen, er ist doch wirklich weichlich! Beim Dessert, einem verführerischen Tiramisu, da machte er zum ersten Mal „buh“! streikte und sah rot: kein Bissen mehr, sonst bin ich tot, ließ er mich wissen, dann aß ich nur noch kleine Bissen. Jetzt rebellierte er ganz offen, fing an mit mir zu zoffen.

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Er hat gewonnen, alles ist zerronnen! Nur Zwieback und ein T채sschen Tee tut ihm heute nicht mehr weh!!! Doch morgen oder 체bermorgen M체sst ein kleines M채lchen ich besorgen. Bis dahin ist er genesen und wieder schlemmen, als ob nichts gewesen!

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Das Karussel Barbara Würtz

Auf dem Festplatz ein Karussell betrieben von einer Mamsell Die Besucher sehen den Lichterglanz eilen herbei mit Anna und Hans Fest auf den Brettern warten wiehernde Pferde Ein grauer Elefant steht hinten an der Wand Das Karussell steht still jedes Kind in den Sattel will Im Feuerwehrauto eine Klingel sie wird betätigt von einem Schlingel Ein Signal ertönet jetzt die Pferde rennen wie gehetzt Die Lichter blinken auf und ab weiter läuft´s in schnellem Trab Rasend geht es Rund´ um Rund´ für manche Kinder nicht gesund

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In der Stadt Barbara Würtz

Weiße und weinrote Sonnenschirme als Sonnen- und Regenschutz in der Stadt Stühle in Gelb und Orange als Farbtupfer in der Stadt Glühbirnen in verschiedenen Farben in Girlanden als Abendlichter in der Stadt Grüne Hochstämmchen am Herkulesbrunnen zur Auflockerung und als Zierde in der Stadt „Frischer Quetschekuche und Waffeln“ auf Hinweisschildern in der Stadt Üppige Blumenpracht entlang den Gassen zum Wohlfühlen in der Stadt Mondscheinmarkt in der Nacht als Erlebnis in der Stadt Dreitägiges Barockfest als Erinnerung an die Grafenzeit in der Stadt

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Gem채lde: Barbara W체rtz

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Barockfest in Blieskastel Barbara Würtz

In der Stadt ein Barockfest steht an Jeder soll mitmachen, der kann Ein Theaterstück wird aufgeführt und dafür fleißig die Trommel gerührt Sänftenrennen ist neu Mitmachen ohne Scheu kann jeder, der Lust hat in der Stadt Einheimische mit hoher Frisur Auch Gäste, die hier sind in Kur Damen und Herren in barocken Gewändern aus hiesigen und fremden Ländern Barocke Speisen werden serviert in der Stadt

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Waldgeheimnisse Barbara Würtz

Im Schattenwurf der Bäume wohltuende Kühle In das Schweigen schiebt sich schwaches Rauschen Ein Bach mäandert zwischen Baum und Strauch Seine blauen Wasser fließen stetig wie das Leben Steine hemmen ab und zu seinen schnellen Lauf Gelbe Dotterblumen säumen seine Ufer Das Himmelsblau trübt sich ein graue Wolken schieben sich vor künden vom noch fernen Regen

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Foto: Susanna Bur


Ubi tu Gaius Andrea Pfeiffer

Im Gegensatz zu unserem Garten, den wir bei unserem Einzug vor ein paar Monaten in recht verwildertem Zustand vorgefunden hatten, war der Garten der Gutenbergs ein malerisches Idyll, ein Salon im Freien. Die Gutenbergs liebten es nämlich, schöne Sommertage draußen zu verbringen. Zu diesem Zweck standen auf der Terrasse zwischen zahllosen Kübeln mit Bougainvillea, Jasmin und Oleander zwei wunderschöne Deckchairs aus Teakholz, die mit der Zeit die typisch edle, graue Patina angenommen hatten. So dicht standen die beiden Stühle, dass sie sich an der Lehne berührten - fast wie ein Sinnbild für die beiden liebenswerten alten Leute, die nach einem erfüllten Leben in ihrem kleinen Paradies den Lebensabend miteinander verbringen durften. Vor einigen Tagen, als ich wieder einmal ganz die Schönheit des angrenzenden Gartens bewundernd am Zaun stand, kam Frau Gutenberg zu mir herüber. Trotz ihres hohen Alters bewegte sie sich noch immer mit einer graziösen Anmut; ihre Garderobe zeugte von Stil und sicherem Geschmack. An diesem Tag trug sie auf ihrem sorgfältig aufgesteckten, weißen Haar einen leichten Strohhut mit einem apfelgrünen Band, der gut zu ihrem hellen Leinenkleid passte. »Sie mögen Pflanzen und die Natur, nicht wahr?«, fragte sie mich und strahlte mich mit freundlichen grauen Augen an. Als ich eifrig nickte, lächelte sie und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, mit ihr auf der Terrasse eine Tasse Tee zu trinken und dabei ein wenig über die Kunst des Gärtnerns zu plaudern. »Wissen Sie«, philosophierte sie, als sie mir wenig später eine dampfende Tasse brachte, »wer Pflanzen liebt, der hat Freude am Entstehen, Wachsen und Gedeihen, der liebt das Leben als solches.« »Das haben Sie schön gesagt, Frau Gutenberg!«, stimmte ich zu.

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»Bitte nennen Sie mich doch einfach Cornelia. ‘Frau Gutenberg’ klingt so förmlich unter Nachbarn. Verraten Sie mir auch Ihren Vornamen?« »Aber gern. Ich heiße Simone.« »Also, Simone, lassen Sie uns einen kleinen Rundgang durch den Garten machen. Ich bin sicher, das wird sehr interessant für Sie.« Bereitwillig führte sie mich durch ihr grünes Reich. Voller Hingabe erzählte sie, wie sich der Garten im Lauf der Jahrzehnte entwickelt und immer mehr vervollkommnet hatte. »Er ist genauso wunderbar zusammengewachsen wie Cornelia und ihr Mann«, dachte ich. Als wir nach gut einer Stunde wieder an der Terrasse ankamen, läutete das Telefon. Cornelia ging ins Haus und nahm ab. Nach einer kleinen Weile kam sie zurück. Sie schien völlig verändert. Aller Glanz war aus ihren Augen verschwunden und auf einmal wirkte sie tatsächlich alt. »Entschuldigen Sie, Simone, ich muss sofort ins Krankenhaus zu meinem Mann. Er war heute Nachmittag beim Arzt, von wo man ihn anscheinend direkt in die Klinik brachte.« »Das tut mir leid, Cornelia. Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes.« Besorgt sah sie mich an. »Ich fürchte, doch. Offenbar hat man im Krankenhaus eine konkrete Diagnose gestellt. Ich muss sofort mit dem behandelnden Arzt sprechen. Ich habe mir sofort ein Taxi bestellt. Es wird gleich da sein.« »Ja, natürlich.« Ich drückte ihre schlanken Hände. »Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass es Ihrem Mann bald wieder besser geht. Und - ich bin jederzeit für Sie da, wenn Sie mich brauchen.« Gerührt sah sie mich an und seufzte. »Ich weiß nicht, ob Sie verstehen können, was es für mich bedeuten würde, von meinem Mann getrennt zu sein. Kennen Sie den Spruch, mit dem sich die Brautleute bei den alten Römern ewige Liebe und Treue schworen? ‘Ubi tu Gaius, ego Gaia.’ Das heißt direkt übersetzt ‘Wo du Gaius bist, bin ich

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Gaia’ oder so viel wie ‘Wo du hingehst, will auch ich hingehen’. Seit Albert und ich uns das erste Mal begegnet sind, ist das immer so gewesen.« Ich konnte nicht umhin, die alte Dame, der mittlerweile die Tränen in den Augen standen, zum Trost wortlos in den Arm zu nehmen. Als das Taxi kam, holte sie ihre Handtasche und verließ mit mir zusammen das Haus. Nachdenklich und bedrückt sah ich zu, wie sie in den Wagen stieg. Inzwischen war eine ganze Woche vergangen. Die Sonne hatte tagsüber durch die Zweige der alten Platane helle Flecken auf den Rasen gemalt und das Geißblatt begann gegen Abend, mit seinem schweren Duft die dicken, brummenden Nachtfalter anzuziehen. Auch an diesem Tag hatten wir unsere Nachbarn nicht gesehen. Die Terrasse blieb verwaist. Cornelias Garten fing unter der anhaltend warmen Witterung zusehends an, zu leiden. Deshalb entschloss ich mich, hinüberzugehen und die Pflanzen mit Wasser zu versorgen; es gab einen Wasserhahn an der Terrasse; eine Trommel, auf der ein langer Gartenschlauch ordentlich aufgerollt war, stand direkt daneben. Während ich in Gedanken versunken zusah, wie der ausgetrocknete Boden sich langsam vollsaugte, hörte ich Schritte auf dem Kiesweg. Ein Mann mittleren Alters in korrektem Anzug und Krawatte kam ums Haus und sah mich erstaunt an. »Können Sie mir sagen, was Sie hier machen? Wohnen Sie hier?« Verneinend erklärte ich, dass ich eine Nachbarin sei, die sich um den Garten kümmere. Ich fragte nach seinem Namen und dem Verbleib der alten Leute. Er räusperte sich und stellte seinen ledernen Aktenkoffer auf den Terrassentisch. »Mein Name ist Dr. Heinrich. Ich bin der Notar und Anwalt des verstorbenen Ehepaars Gutenberg. Ich verwalte das Testament von Frau Gutenberg und wollte mir das Anwesen noch einmal vor Ort ansehen.«

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Der Gartenschlauch glitt mir aus der Hand. Fassungslos hörte ich mich sagen: »Verstorben? Ja, aber wieso... wann denn?« »Darf ich zunächst nach Ihrem Namen fragen, bevor ich Ihnen Auskunft gebe?« »Carius. Simone Carius.« Er zog die Augenbrauen hoch und öffnete seine Mappe. »Das ist natürlich etwas anderes. Nun, Frau Carius, Herr Gutenberg wurde am Donnerstag letzter Woche mit Verdacht auf akutes Aneurisma ins örtliche Klinikum eingeliefert. Eine sofort eingeleitete Notoperation verlief leider tödlich - sein Kreislauf war der enormen Belastung durch die Narkose nicht mehr gewachsen. Als Frau Gutenberg von dem Verlust erfuhr, erlitt sie einen schweren Schock; man behielt sie vorsichtshalber gleich da. Vom Krankenhaus aus rief sie mich vor drei Tagen an und bestellte mich zu sich, um ihre Hinterlassenschaft neu zu regeln. In der folgenden Nacht verstarb Frau Gutenberg völlig unerwartet an Herzversagen.« Er sah auf die Papiere, die er aus der Aktenmappe genommen hatte. »Frau Cornelia Gutenberg war die einzige Hinterbliebene ihres Mannes. Das Paar hatte keine Kinder. Es gibt keine sonstigen Angehörigen. Daher hat Frau Gutenberg, Sie, Frau Carius, als Alleinerbin ihres Anwesens eingesetzt, da Sie sich, wie sie vermutete, liebevoll um ihren geliebten Garten kümmern würden. Bei Ihnen, davon war sie überzeugt, wäre er in guten Händen.« Mein Kopf war völlig leer. Nur ganz langsam tauchte aus dem Nebel der Benommenheit die Erinnerung an die Worte auf, die Cornelia ihr ganzes Leben lang begleitet hatten und die mich nun auf eigenartige Weise trösteten: Ubi tu Gaius, ego Gaia.

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Kündigung Susanna Bur

Sabrina stand vor mir, überheblich grinste sie mich an, das Blau ihrer Augen stach mir ins Herz. »Wenn Sie dich nicht mehr wollen, dann ist das eben so!« Ich schrie sie an: »Was sie wollen ist eine Firmenmatratze, die mit jedem ins Bett geht. An deinen Fähigkeiten liegt es nicht, dass du bleiben kannst. Du hinterhältiges Biest, wie kann man sich nur auf diese billige Ebene der Firmenhure herablassen, warte ab, auch dich wird es treffen, wenn du von jedem benutzt sein wirst, wirst du lästig.« Sie grinste weiter auf ihre gemeine hinterhältige Art. »Ich habe gewonnen, ich bin schlauer als du.« Plötzlich befanden wir uns in der Firmenküche, und ich hatte eine Bratpfanne in der Hand, die ich ihr an den Kopf schlug. Es war als würde ich nach einem Geist schlagen, es ging durch sie hindurch. Ich schlug und schlug, aber sie lachte nur weiter. Die Schmerzen in meinem Bauch wurden schlimmer, Verzweiflung ließ mich die Kontrolle über mich verlieren. Ich heulte, schrie, krümmte mich und schlug wieder mit der Pfanne zu. Wieso konnte ich sie nicht verletzen, wieso ging alles durch sie hindurch? Wieso sah alles so verschwommen aus, die Küche war plötzlich mitten im Büro und Michael gesellte sich zu uns. Auch er hatte ein höhnisches Grinsen aufgesetzt. »Das hast du davon, dass du so moralisch warst. Ich bleibe, gehöre auch zu den Siegern.« Karla saß wie so oft auf Michaels Schreibtisch. Wie üblich die Beine keck übereinandergeschlagen, Ausschnitt bis zum Blinddarmnabel, und aus ihrem dummen bäuerlichen Gesicht kamen die Worte: »Was willst du denn dagegen tun?«

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Foto: Susanna Bur

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Ich schlug wieder mit der Pfanne um mich, wollte sie verletzten, erschlagen; es tat ihnen nichts. Ich hatte fürchterliche Schmerzen im Bauch und war verzweifelt, schrie um Hilfe. Ich ließ die drei stehen und lief durch das Gebäude. Es hatte sich in ein Labyrinth verwandelt, das sich dauernd neu gestaltete. Alles war so verschwommen, verschoben. Ich kannte doch jeden Flur, jedes Büro, doch nichts war mehr so, wie ich es mir vertraut war. Ich ging auf alle zu, von denen ich glaubte, dass sie mich mögen. »Hilfe, hilft mir denn niemand, wie könnte ihr das zulassen? Wie könnt Ihr mir das einzig Stabile im Leben wegnehmen. Was wird aus meinen Kindern, wenn ich ihre Ausbildung nicht mehr bezahlen kann.« Sie drehten sich weg, wichen mir aus, als wäre ich eine Aussätzige, vor der man sich schützen musste. Ich suchte die anderen, die es auch getroffen hatte, aber sie waren nicht mehr zu finden. In ein paar Metern Entfernung stand Thomas. Ich wünschte mir eine Peitsche in die Hand, mit der ich ihn auspeitschen könnte. Der Wunsch war sofort Wirklichkeit, aber alle meine Hiebe, die ihn trafen, taten ihm nicht weh, er lachte nur, genauso gemein wie die anderen. Ich war nur noch eine Masse aus Schmerz, Hilflosigkeit, Zerstörung, nicht in der Lage, sich zu verteidigen. Ausgeliefert einem Publikum, das lachend meine Folter beobachtete, als wäre es ein amüsantes Theaterstück. Ich hob einen Stein auf, der plötzlich vor mir lag und warf in an die Glaswand, hinter der das Credo, die niedergeschriebenen moralischen Gesetze des Unternehmens hingen. Ich wollte sie zerstören. Ich traf, das Glas splitterte. Alle Kollegen hatten sich mittlerweile um mich herum versammelt und lachten. Nur Martina kam auf mich zu und sagte: »Ich verstehe das nicht, wieso du, wieso nicht Sabrina?« Ich wollte sie umarmen, aber sie war plötzlich nicht mehr da. Ich fiel auf die Knie und weinte.

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Ich wollte nur noch Rache, stand auf, ging in den großen Konferenzraum. Jetzt konnte ich es allen zeigen. Ich zog eine Zigarette aus der Tasche und rauchte demonstrativ mitten im Raum, obwohl im gesamten Gebäude absolutes Rauchverbot herrschte. Alle waren mitgekommen, aber es interessierte niemanden, ich sah nur grinsende Gesichter. Die Schmerzen waren nicht mehr auszuhalten, Wut entbrannte in mir gegen mein eigenes Unvermögen, mich gegen die Gewalt, die mir angetan worden war, zu wehren. Ich krümmte mich und suchte in meiner Tasche nach einer Schusswaffe, um Amok zu laufen aus einem Gefühl des unendlichem Hasses und Enttäuschung, um mich an allen zu rächen, alle zu verletzen, zu erschießen, die mir so weh getan haben. Es muss doch möglich sein, den anderen genau so viele Schmerzen zu bereiten, wie ich sie aushalten musste. Sie sollten alle spüren wie grauenvoll das war, sie sollten alle selbst leiden, um zu wissen, dass man das einem Menschen nicht antun kann. Ich fand eine Pistole. Mit der Waffe in der Hand lief ich auf den Balkon der Lobby, lehnte mich an das Geländer, um Halt zu finden. Aber es gab nach und ich fiel die Treppe hinunter in die Tiefe. In diesem Augenblick wachte ich schweißgebadet auf. Das Herz schlug mir bis zum Hals, ich zitterte, hatte Schmerzen. »Es war ein Traum, ein Albtraum«, sagte ich mir. Ich knipste das Licht an und setzte mich auf den Rand meines Bettes. Meine Gefühle bekam ich aber nicht in den Griff. Denn der Albtraum war noch nicht zu Ende, ich war mitten drin, er war in der Realität schlimmer als im Traum. Ich war vor einigen Tagen entlassen worden.

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Der Orangenkrieg wie aus einer Mücke ein Elefant wird Satire Susanna Bur Bur Verlag ISBN 978-3-944306-08-7 Seitenzahl: 96 € 6,50 Auch als E-Book für 1€ erhältlich Was passiert, wenn sich ein Ehepaar scheiden lassen will. Nur so, aus Spaß, weil es ihnen wie ein Abenteuer erscheint, eine Abwechslung in ihrem Ehealltag bedeutet. Während Olivia und Lukas verliebt wie eh und je diesen Schritt geplant in Angriff nehmen und so gar keine Probleme damit haben, lösen sie in ihrem sozialen Umfeld, ja sogar in der halben Welt ein Chaos aus. Der Grund dafür sind ihre 16 Orangenbäumchen, die sie selbst gezogen haben aus einer wohl nicht ganz ungefährlichen Orange aus Málaga.

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Tätliche Auseinandersetzung mit einer Amaryllis Susanna Bur

Vor einigen Tagen entdeckte ich sie in einer Buchhandlung. Neben den vielen Büchern über Malerei wirkte sie fast bescheiden und doch: Sie zog meinen Blick magisch an, mehr als die anderen Bücher. Es schien, als würde sie mit mir Kontakt aufzunehmen um mir zu sagen: »Nimm mich mit, ich bin bezaubernd schön. Ich bin so schön, dass ich den Umschlag eines Buches über Blumenmalerei zieren kann.« Ich nahm sie mit in unsere Malgruppe, aber nicht wegen ihr alleine, sondern auch wegen ihrer schönen Blumenschwestern, die uns als Vorlage für unsere Bilder dienen könnten. Sie ging durch viele Hände, wurde bewundert und wieder zu den anderen Büchern über Malerei gelegt. Malen geht nicht auf Kommando, die Stunde muss stimmen. Gestern Abend flog eine Muse durch unseren Aufenthaltsraum und verschenkte großzügig Küsse. Die magische Stunde war gekommen, die kreativen Kräfte mussten umgesetzt werden. Ich wählte die Amaryllis als Motiv, ich wollte sie malen, und sie wollte es auch. Mit meinem Graphitstift begann ich, ihren Umriss und ihre perfekten Linien auf das Papier zu bringen. Doch jedes Mal, wenn ich meine gezeichneten Linien mit ihr verglich, schien sie mir auszuweichen, sich zu drehen und zu beugen. Sie lächelte mich überlegen und kühl an und tanzte aus der Reihe, in die ich sie zwingen wollte. Endlich, nach vielen verbesserten Strichen gelang es mir, eine Ähnlichkeit mit ihrem Körper zu erarbeiten. Als ich dann zur Farbe griff lachte sie laut und tanzte weiter: »Du fängst mich nicht, du besiegst mich nicht.«

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Das konnte und wollte ich nicht zulassen. Ich nahm die weiche Pastellkreide in Rot, um ihre makellose Haut nachzuahmen. Die Amaryllis ließ es zu, dass ich sie studierte. Was ich sah, war ein Teint von einer Reinheit und Samtigkeit, für den ich meine Seele verkaufen würde. So oft ich es auch versuchte, dieses Aussehen aufs Papier zu bringen, ich konnte diese Schönheit nicht einfangen. Sie lachte weiter, ich wehrte mich gegen sie. Mein Farbauftrag wurde wilder, meine Strich härter, ich wechselte hastig zwischen den Farben Rot und Schwarz. Ihr Lachen wurde immer kälter, die Bewegungen zackiger. Hatte ich eine Ähnlichkeit erzielt, bewegte sie sich in eine andere Richtung. Jetzt ging ihr Lachen in ein grässliches Fauchen und Zischen über, ihre Blütenblätter wurden länger, spitzer, verwandelten sich in lange Krallen. Sie tanzte nicht mehr, sondern griff mich an. Ihre spitzen Krallen schlitzten meine Hände auf, rotes und schwarzes Blut spritzte heraus, ich wischte es auf ihrem Bild ab. Ihr Gesicht wandelte sich von Schönheit in eine grauenvolle Maske. Wilder und wilder wurde unser Kampf, bis ich die Schmerzen nicht mehr aushielt und zurückwich. Die hässliche Maske, die mich aus dem Buch heraus fixierte, verwandelte sich wieder in die kühle Schönheit. Sie blickte zu mein Gemälde hin und meinte: »Du hast es nicht geschafft, mich zu kopieren.« »Doch«, erwiderte ich, » ich habe ein Bild deines wahren Charakters erschaffen.« Ich schlug das Buch mit dem Originalbild zu und spürte, dass sie darüber heftig erschrak. Mein Gemälde hängte ich an die Wand, die Kampfspuren waren deutlich zu sehen. Eine meiner Kolleginnen war vom dem Bild über alle Maßen begeistert. Ich schenkte ihr meine Amaryllis und auch das Buch mit dem Original.

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Jetzt ziert sie eine Wand, gebändigt hinter einem Glasrahmen, ungefährlich, eine besiegte und eingesperrte Schönheit und hofft, dass sie nicht ausgetauscht und entsorgt wird.

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Enjoy Digital Painting Digitales Malen mit GIMP Susanna Bur ISBN 978-3-944306-01-8

www.bur-verlag.de

Preis: Print 24,90 € E-Book, Kindle Edition Dieses einzigartige Handbuch zeigt Ihnen anhand von 34 detaillierten Tutorials, wie Sie klassische Maltechniken am Computer umsetzen können. Das Spektrum ist groß: von der sehr einfachen Smudge-Technik über Zeichnung mit Bleistift, Buntstiften, Kohle und Pastell, bis hin zu Öl-, Acryl- und Aquarellmalerei sowie Mischtechniken. Lassen Sie Ihrem kreativen Drang, schöne Bilder zu malen, freien Lauf. Der Monitor Ihres Computers ist Ihr Fenster zum digitalen Reich und GIMP ist Ihr Werkzeug. Starten Sie die Reise durch Ihre Visionen, ob abstrakt oder realistisch, ob Ihre Reise Sie zu den Blumen im Garten führt, zu Fantasiewelten oder durch den Himmel ins Weltall, es gibt keine Grenzen. Lernen Sie, wie Sie in einfachen Schritten aus einer Fotografie ein Meisterwerk erstellen. Dieses Buch enthält auch viele praktische Tipps zum Einrichten des kostenlosen GIMP Bildbearbeitungsprogramms zu einem perfekten Werkzeug für die digitale Malerei. Selbstverständlich lassen sich die Techniken auch in vielen anderen Bildbearbeitungsprogrammen umsetzen.

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Verzeichnis: Redaktion, Autorinnen und Autoren

Anne Adam

Andrea Pfeiffer

Verlegerin, Redakteurin

Jahrgang1963 Assistentin der Gesch채ftsf체hrung

anne.adam@sawa-magazinverlag.de

combox@t-online.de

Bodo Bickelmann

Heike S. Rogg

Autor

Autorin

bodobickelmann@web.de

heikerogg@aol.de

Susanna Bur

Heinz-Josef Scherer

Redaktion Malerin, Fotografin, Autorin literarischerkreis@gmail.com

Dipl.-Soziologe/Systemischer Therapeut und Berater Autor, Poet jozsy@web.de

Birgit Burkey

Barbara Wehlen-Leibrock

Autorin, Poetin

Rechtsanw채ltin, Autorin

b.burkey@t-online.de

bmleibrock@online.de

Pia Ferone

Stefan Weigand

Autorin

Redaktion, Layout

Pia.ferone@gmx.de

info@bur-verlag.de

Amadeus Firgau

Barbara W체rtz

Autor

Malerin, Autorin

sorala@freenet.de

bee.wuertz@gmail.com

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Sie lieben die Saar, wir auch! ISBN 978781482-3260000 Print: 120 Seiten, 15,89€ Amazon.de auch als E-Book erhältlich Begleiten Sie uns auf einer außergewöhnlichen Reise durch das Land rechts und links der Saar. Emotionale Geschichten und Gedichte saarländischer sowie elsass-lothringischer Autorinnen und Autoren wurden zusammengetragen und mit persönlichen Fotografien umrahmt. Entstanden ist dabei dieses sehr unterhaltsame literarische Werk für alle Menschen, die sich dem Saarland und Elsass-Lothringen verbunden fühlen und alle, die es werden wollen. www.lksev.wordpress.com

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Wir schreiben gerne - und Sie? LKS Literarischer Kreis e. V.

Wir treffen uns alle 14 Tage dienstags u 18:30 Uhr im Theater Blauer Hirsch Saargem체nder Str. 11, 66117 Saarbr체cken Mehr Information zum LKS finden Sie auf unserer Website www.lksev.wordpress.com

N채chste Lesung ist am 27.l und 28. September 2014, jeweils von 16-17 Uhr im vhs-Zentrum am Schloss.

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