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Journal fĂźr Literatur Journal littĂŠraire Herausgeber: Literarischer Kreis Saar Vol | 04


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L Journal fĂźr Literatur Journal littĂŠraire

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Impressum Herausgeber: Verein LKS Literarischer Kreis e. V. c/o Susanna Bur Blumenstr. 20 66111 Saarbrücken

Kontakt: literarischerkreissaar@gmail.com www.literarischerkreissaar.wordpress.com

Redaktion: Stefan Weigand Susanna Bur

Grafische Gestaltung: Stefan Weigand Susanna Bur

Erscheinungstermine: Das Journal erscheint vierteljährlich. Nächste Ausgabe: 15. Juni 2014

ISSN 2197-9316 Copyright©: Für die Inhalte der jeweiligen Texte sowie grammatikalische und stilistische Fehler sind die Autorinnen und Autoren selbst verantwortlich. Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte und Pflichten verbleiben bei den Autorinnen/Autoren sowie Fotografinnen/ Fotografen. Ungeachtet der Sorgfalt, die auf die Erstellung von Text, Abbildungen und Programmen verwendet wurde, können weder die Autorinnen/Autoren oder Herausgeber für mögliche Fehler und deren Folgen eine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung übernehmen.

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Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................... 7 Winterzauber, Barbara Würtz ................................................... 8 Nach dem Sturm, Andrea Pfeiffer ........................................... 10 Ecuador, Andrea Pfeiffer ......................................................... 14 Schlafbereit, Birgit Burkey ...................................................... 24 Nachtgedanken, Birgit Burkey ................................................ 26 Frühlingsbeginn, Birgit Burkey ............................................... 27 Frühlingsgewitter, Anne Adam ................................................ 28 Alt werden—alt sein, Anne Adam .......................................... 32 Les Larmes De L‘espoir, Josiane Orlane ................................ 36 Verifizierbarkeit, Heinz-Josef Scherer .................................... 38 Richtiger Ort, Heinz-Josef Scherer ......................................... 39 Info-Suche, Heinz-Josef Scherer ............................................. 40 Einfache Welten, Heinz-Josef Scherer .................................... 41 Diffusität - Fragment über das Glück, Heinz-Josef Scherer ... 42 Systemwechsel, Jörg Bur ........................................................ 44 Das Hemd ist zu groß, Dr. Christine Reiter ............................ 46 Dunkel, Dr. Andreas Hämer .................................................... 50 Männer und Frauen, Dr. Andreas Hämer ................................ 51 Politische Neologismen, Dr. Andreas Hämer ......................... 54 Der Gnom, Bodo Bickelmann ................................................. 58 Vom Mädchen zur Frau, Dolly Hüther .................................... 62 Genderismus: Von Ampelmännchen und Ampelfrauchen, Susanna Bur ............................................................................ 68

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VOR WORT

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Frühlingsahnung Die Felder liegen weiß; wohin ich schau' ins fahle Nebelgrau, scheint Schnee und Eis. Doch da – ein Sonnenstrahl bricht durch den Flor und zieht den Blick empor mit einem Mal, und von der Erden ringt jung ein Duft sich durch die Luft: – will's Frühling werden? „Richard Dehmel“

Den Winter haben wir dieses Jahr anscheinend übersprungen, was die meisten jedoch sicherlich weniger traurig stimmt. Empfangen wir also die verfrühten Sonnentage mit offenen Armen. Nebst einigen Gedichten und Kurzgeschichten rund um die Natur, das Leben und natürlich den Frühling, finden die Leserin und der Leser in der ersten Ausgabe 2014 Texte, die sich mit dem Thema Mann und Frau auseinandersetzen. Was macht ein Mädchen zur Frau, und übertreiben wir es im 21. Jahrhundert nicht manchmal vielleicht ein wenig mit dem Genderismus? Abschließend möchte ich mich noch bei allen Autorinnen und Autoren für das Einsenden ihrer Werke bedanken, und wünsche allen Leserinnen und Lesern eine gute Zeit beim Durchstöbern der vierten Ausgabe des Journal für Literatur Stefan Weigand (Red)

Gemälde Susanna Bur

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Winter-Garten-Zauber Barbara Würtz

Ausgehungert nach Farben und Duft streife ich durch meinen Garten Sonne zaubert glitzernde Kristalle auf den Schnee Klare Luft umschmeichelt mich tief atme ich sie ein Die blattlosen Zweige des Winterschneeballs übervoll mit zartrosa-weißen Blüten vanilleartig ihr Duft Bald werden fleißige Bienen die Blüten bevölkern Meine Gedanken schweifen zu goldenem Honig auf meinem Frühstückbrot Freudig gestimmt beende ich meinen morgendlichen Rundgang

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Nach dem Sturm Andrea Pfeiffer

Der heftige Regenschauer hatte plötzlich aufgehört; es hellte sich langsam auf. Kräftige Windstöße fuhren immer wieder zwischen die kniehohen Gräser auf der Pferdekoppel gegenüber unseres kleinen Ferienhauses im Nordwestzipfel Irlands. Ich sah aus dem Fenster aufs Meer hinaus. Durch die mit glitzernden Tropfen gesprenkelte Scheibe beobachtete ich, wie jenseits der Weide die schaumköpfigen Wellenberge des aufgewühlten Atlantiks auf den weitläufigen Strand zujagten. Doch die flache Sandspange bot ihrer Wut keine Angriffsfläche; statt wie an Steilklippen erbost empor zu spritzen, lief das Wasser in breiten Bögen aus und zog sich besänftigt zurück. Es drängte mich, hinauszulaufen, um dieses grandiose Naturschauspiel aus der Nähe zu genießen. Eine stürmische Windbö schnitt mir die Luft ab, als ich ins Freie trat. Gegen den nächsten drohenden Guss mit Kapuzenmantel und Gummistiefeln geschützt, marschierte ich an der Pferdekoppel entlang den Hügel hinab. Die Ponys hatten sich in ihren Unterstand zurückgezogen: Stoisch und von der stürmischen Witterung recht unbeeindruckt lugten sie darunter hervor. Offensichtlich waren sie derlei Temperamentsausbrüche der Elemente gewohnt und wussten damit umzugehen. Nach wenigen hundert Metern bog ich in den ungeteerten, steinigen Sandweg zum Strand ein. Tief atmete ich den mir so vertrauten, nun besonders würzigen Duft nach feuchtem Gras,

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Tang und Salz ein, in den sich der malzig-herbe Rauch der traditionell mit Torf beheizten Kamine mischte. Auf den haushohen Dünen peitschte der Strandhafer, vereinzelte Furchen durchzogen die Wiesen links und rechts des Weges, nunmehr mit Regenwasser prall gefüllte Lebensadern der angrenzenden Marschlandschaft. Ab und zu zeichneten jähe Böen Kräusel auf die glatten Oberflächen der Wassergräben, doch der Wind ließ langsam nach. Er bot mir kaum noch Widerstand, als ich, immer wieder im klammen Sand abrutschend, die erste Düne erkletterte. Es musste hier Tausende von Strandschnecken geben, denn der Hügel war mit kleinen Schneckenhäuschen geradezu übersät. Überall schillerten Perlmuttknöpfchen in pastelligem Rosa, Blau und Ocker und überzogen den Sand wie ein Netz aus kostbaren Perlen. Das Szenario, das sich mir vom Gipfel der Düne aus bot, war von dramatischer Schönheit. Vorher zu einer undurchdringlichen, bleischweren Barriere verdichtet, waren die graphitgrauen Wolken nun vom Sturm in Fetzen gerissen. Dicke Strahlenbündel blendenden Sonnenlichts drangen schräg durch die Wolkenlücken. Die gleißenden Lichtbahnen wirkten so massiv, dass ich versucht war, die Hand auszustrecken, um sie berühren zu können. Das immer noch bewegte, aber lange nicht mehr so stürmische, graublaue Meer flammte glühend auf, wo die Sonnenstrahlen ins Wasser tauchten. Am Fuß der Düne zeichnete das Licht bizarre Umrisse auf den breiten Sandstreifen, erstrahlend und verblassend mit dem hastigen Wechselspiel der Wolken. Sprudelnd wusch das Meer immer wieder über den Strand und ließ

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eine glänzende, den Himmel reflektierende Fläche zurück, die nur hier und da durch angespülte, glattpolierte Meereskiesel unterbrochen wurde. Alle Farben waren frisch und sauber, wie gerade gewaschen: Blütenweiße Häuser strahlten mit apfelgrünen Wiesen und einem zwischen den Wolken reinblauen Himmel um die Wette. Und natürlich das Meer, zwischen Grau, Blau und Grün je nach Lichteinfall changierend wie kostbare Seide. Die sanften Erdfarben der Küstenlandschaft schließlich vollendeten die Harmonie des Farbenspektrums. Ich drehte mich um und blickte landeinwärts. Im Hintergrund spannte sich über dem majestätisch über das Flachland wachenden Tafelberg Benbulben ein prächtiger Re-

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genbogen: Leuchtendes Rot ging über in strahlendes Gelb, das sich in zartem Grün auflöste und gegen den Himmel einen reizvollen Kontrast bildete. Mit einem Kloß im Hals erinnerte ich mich unwillkürlich an die Worte aus dem Buch Genesis: „Und Gott sprach zu Noah: Meinen Bogen setze ich in die Wolken; er soll das Bundeszeichen sein zwischen mir und der Erde. Balle ich Wolken über der Erde zusammen und erscheint der Bogen in den Wolken, dann gedenke ich des Bundes, der besteht zwischen mir und euch und allen Lebewesen, allen Wesen aus Fleisch, und das Wasser wird nie wieder zur Flut werden, die alle Wesen aus Fleisch vernichtet.“ Überwältigt setzte ich mich in den Sand und schloss die Augen. Ich lauschte dem Wind, dem sprudelnden Rauschen des Meeres und dem Rascheln des langen, scharfkantigen Strandhafers, schmeckte das Salz der Seeluft auf den Lippen, schnupperte die aromatischen Düfte der Küste und ließ den pudrig feinen Sand langsam durch die Finger rinnen. Eins mit den Elementen sein und mit allen Sinnen genießen. Wie ich sie liebe, die Stürme an der Küste Donegals.

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Ecuador Andrea Pfeiffer

Eine Hand auf seinem Arm weckte Magnus auf. „Excuse me please, we are preparing to land. Would you please put your seat in an upright position and fasten your seat belt?” Er sah die adrett gekleidete, verbindlich lächelnde Stewardess aus verschlafenen Augen an. “Ja klar, – äh - yes, no problem, thank you.” Er streifte die leichte Schlafdecke ab, die man ihm vor einer halben Ewigkeit kurz nach dem Abflug in Quito gereicht hatte, stellte seinen Sitz in die aufrechte Position zurück, fischte den Sicherheitsgurt aus der Ritze neben seinem Sitz, ließ ihn ins Schloss klicken und zog ihn fest. Er fühlte sich müde, so als habe man seinen Akku entladen. Dabei hatte er sich von dieser Reise in den ecuadorianischen Regenwald etwas ganz anderes erwartet. Er sah aus dem Fenster, konnte aber aufgrund der anhaltenden Dunkelheit noch nicht viel erkennen. Stattdessen erblickte er sein eigenes Gesicht. Er betrachtete die Spiegelung in der Fensterscheibe lange und forschend. Hatte er sich verändert? Abgesehen von den Bartstoppeln, dem dichten, nun etwas längeren silbergrauen Haar und der Müdigkeit schien er immer noch der zu sein, als der er Deutschland verlassen hatte. Der äußere Eindruck täuschte. Judith hatte Recht behalten. Egal, wo er auch hingehen würde, er würde immer sich selbst mitnehmen. Vor sich selbst könne man nicht davonlaufen. Dass das stimmte, hatte er am eigenen Leib erfahren müssen.

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Sie hatte ihn dennoch nicht zurück gehalten. „Tu, was du tun musst. Es ist dein Leben und du bist ein freier Mensch. Wenn du gehen willst, geh.“ Zwar hatte sie mit den Tränen gekämpft, aber es hätte nicht zu ihr gepasst, ihn festhalten zu wollen. Sie wusste, dass er sich niemals würde Fesseln anlegen lassen und respektierte das mit einer klaglosen Selbstverständlichkeit, die ihresgleichen suchte. Er hatte sein ganzes Leben lang immer das getan, was er als richtig erachtet hatte. Konsequent. Heute wusste er, dass dies nur ein schönes Wort für sein egoistisches Verhalten gewesen war. „Rücksichtslos“ wäre wohl der treffendere Ausdruck dafür. Immer wieder grübelte er darüber nach, ob und wie er den Schaden, den er vielleicht mit seiner überstürzten Flucht angerichtet hatte, wieder gut machen könnte. Es war inzwischen viel Zeit vergangen; auf sein bisheriges Leben sah er zurück, als ob es jemand anders geführt hätte. Noch immer sah er Tilda vor sich, seine Frau, die mit unglaublichem Lebenswillen und zäher Entschlossenheit jahrelang gegen ihr fortschreitendes Krebsleiden gekämpft und doch verloren hatte. Wenn er an sie dachte, erinnerte er sich nur noch an ihre zerbrechliche Gestalt mit dem unfassbar kleinen, blassen Gesicht, das ihn aus dem Krankenbett Herz zerreißend tapfer anlächelte. Von der stattlichen, aufrechten, vor Lebenslust sprühenden Erscheinung, die er vor mehr als vierzig Jahren geheiratet hatte, war nichts mehr übrig geblieben. Bei den beiden Knoten am Hals hatte es sich um die Monstrosität eines „follikulären Schilddrüsenkarzinoms“ gehandelt. Ein gesunder Mensch hatte gute Heilungschancen; Tilda hatte je-

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doch bereits eine Brustamputation und die Entfernung des kompletten Magens hinter sich, die jeweiligen zermürbenden Chemotherapien eingeschlossen. Sie war so geschwächt, dass sie die starke Narkose nicht mehr verkraftete. Während der Operation hatte ihr Kreislauf schließlich völlig versagt. Die Ärzte hatten getan, was sie konnten. Vergeblich. Er hatte im Warteraum gesessen, unzählige Becher faden Kaffees in sich hineingeschüttet und sich heftige Vorwürfe gemacht. Warum nur hatte er Tilda immer wieder mit anderen Frauen betrogen, die ihm im Grunde gar nichts bedeutet und ihm nur den flüchtigen Kick der Eroberung beschert hatten? Warum hatte er sie damals mit seinem drei Monate alten Sohn einfach ein ganzes Jahr in Deutschland zurückgelassen, um in Singapur seiner Karriere und mandeläugigen Kindfrauen nachzujagen? Warum hatte er sich unbedingt bereit erklären müssen, den Werksaufbau in Tschechien zu begleiten, um wieder einmal die monatelange Trennung von seiner Familie herbeizuführen? Und schließlich: Warum nur war ihm Judith begegnet, zu der er sich seit ihrem ersten Zusammentreffen unwiderstehlich hingezogen gefühlt hatte und mit der er zum ersten Mal in seinem Leben Leidenschaft erlebt hatte, die mit tief empfundener Liebe gepaart war? Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er sich daran erinnerte, wie traurig Judith gewesen war, als er ihr mitgeteilt hatte, dass der sich dramatisch verschlechternde Gesundheitszustand seiner Frau ihn an seinen Gefühlen für sie zweifeln ließ. Dabei hatte er sich zu Beginn ihrer Beziehung eine gemeinsame Zukunft mit ihr so sehr gewünscht, dass er bereits ganz konkrete Pläne entworfen hatte. Die Details hatte er ihr so voller Begeisterung geschildert, dass sie sich tatsächlich von seiner Euphorie

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hatte anstecken lassen. Dabei hatte sie anfangs sehr kritisch dazu gestanden. Die Umstände hatten es ihrer Meinung nach nicht zugelassen, allzu viel über die Zukunft nachzudenken oder gar Pläne zu schmieden, die sich dann doch nicht würden umsetzen lassen. Sie hatte Recht gehabt. Nüchtern betrachtet, hatte die Situation eine Verbindung nur unter den schwierigsten Bedingungen zugelassen. Mit zweiundsechzig war er immer noch eine überaus attraktive Erscheinung, aber ganze siebzehn Jahre trennten ihn von Judith, einmal abgesehen von den ebenfalls widrigen Umständen, dass er verheiratet und in führender Position im gleichen Unternehmen tätig gewesen war. Dazu kam, dass sie ganz anders war als alle Frauen, mit denen er bisher mehr oder weniger zusammen gewesen war: Sie strahlte eine selbstbewusste Souveränität aus, die durch ihre Attraktivität und ihre Intelligenz noch unterstrichen wurde. Daneben besaß sie eine natürliche Freundlichkeit und eine umwerfend humorvolle Schlagfertigkeit. Eine Mischung, die ihm völlig fremd war, ihn aber gerade deshalb verzauberte. Er hatte nichts gegen diese Faszination tun können. Und erst recht hatte er nichts dagegen tun wollen, als ihm Judith signalisiert hatte, dass sie für ihn in gleicher Weise empfand. Magnus wurde aus seinen Gedanken gerissen, als das Flugzeug auf der Landebahn aufsetzte. Nach einem kurzen Umstiegsaufenthalt in Barajas, dem Madrider Flughafen, würde er seinen Flug nach Frankfurt fortsetzen. Die Maschine rollte aus und hielt. Die meisten Passagiere standen auf, öffneten die Gepäckablagen über den Sitzen und

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holten nach und nach ihr Handgepäck heraus. Magnus fischte seine Jacke und seine Umhängetasche aus dem Fach und reihte sich in die Prozession der zum Ausgang drängenden Reisenden ein. Im Flughafengebäude fand er gleich einen Waschraum, in dem er sich rasieren, waschen und kämmen konnte. Immerhin war er nach vielen Monaten im ecuadorianischen Regenwald in die sogenannte Zivilisation zurückgekehrt. Hatte diese Zeit Spuren hinterlassen? Er musterte sich eingehend im Spiegel, aber außer einer leichten Bräune und einem für ihn ungewohnten Dreitagebart konnte er rein äußerlich nichts feststellen. Er dachte an die indianischen Stämme, die er während seiner Reise durch die Nationalparks Yasuni und Cuyabeno getroffen hatte. Bei den Kichwa hatte er in einer Hängematte geschlafen und die Secoya hatten ihm sogar erlaubt, an einer Schamanenzeremonie teilzunehmen und von der Ayahuasca zu probieren, ein aus einer Dschungelliane und Wurzeln des Chacruna-Strauchs tagelang gekochter, bitter-süßlicher Sud, der es ermöglichen sollte, mit Geistern zu kommunizieren und in die Zukunft zu blicken. Stattdessen war ihm sofort schwindlig und übel geworden so dass er den gerade zu sich genommenen Trank direkt wieder von sich geben musste. Dennoch hatte er in der folgenden Nacht im Traum Tildas Martyrium in allen Einzelheiten nochmals durchlebt und war in der Morgendämmerung schweißgebadet aufgewacht. Er hatte nicht direkt gewusst, wo er sich befand und war einen Moment lang in Panik geraten, bis ihn die Geräusche des Regenwalds in die Wirklichkeit zurückgeholt hatten.

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Mit dem Einbaum war Magnus am nächsten Tag zusammen mit seinem eingeborenen Führer den Rio Napo entlang durch den Urwald gefahren. Auf beiden Seiten gigantische Baumriesen, manche mit Lianen behangen. Über ihm hatten Papageien gekreischt, meist die blaugelben oder rotgrünen Aras oder die schwarz-weißen Tukane mit ihren leuchtend gelben Schnäbeln, aus der Ferne waren Affenschreie zu ihm gedrungen, wunderschöne exotische Schmetterlinge und winzige Kolibris hatten am Ufer um farbenprächtige Blüten getanzt, Schildkröten hatten sich auf blank gespülten Baumwurzeln gesonnt. Sogar den durch seine Tarnung fast unsichtbaren Potoo hatte er in einem Baum ausmachen können, obwohl dieser Vogel durch seine Färbung leicht als Ast durchgegangen wäre. Er hatte sich im Boot lautlos den Fluss hinab treiben lassen und das unbeschreiblich schöne Bild eines Garten Edens und die Ruhe genossen. In Wentaro, einem Huaorani-Dorf, war er von der gesamten Gemeinschaft gastfreundlich aufgenommen worden; sogar für seine unzähligen Moskitostiche gab es Linderung in Form eines Heilmittels, das aus einer Urwaldpflanze gewonnen worden war. Zum Abendessen hatte es Yuccaknollen und Schweinefleischeintopf gegeben, anschließend hatte ihn die Dorfgemeinschaft spontan durch einen Willkommenstanz geehrt, der von Schilfrohrflöten musikalisch begleitet worden war. Dass die Huaorani dabei einfach in T-Shirts, kurzen Hosen und Gummistiefeln ihren Stampftanz ausführten, anstatt dem gängigen Klischee von fast nackten, federgeschmückten und bunt bemalten Körpern zu entsprechen, hatte für sein europäisches Dafürhalten nicht einer gewissen Komik entbehrt.

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„Passengers for Lufthansa Flight no. LH4417 to Frankfurt are requested to proceed to gate no. C37.” Die Durchsage riss ihn aus seinen Gedanken. Er streifte sich sein zerknittertes Hemd und seine Jacke hastig über, räumte seine Waschutensilien in seine Umhängetasche und machte sich auf den Weg zum Flugsteig. Das Boarding hatte schon begonnen, als er die Sicherheitskontrollen hinter sich gelassen hatte und endlich am Gate ankam. Die beiden Damen des Lufthansa-Bodenpersonals begrüßten ihn freundlich und händigten ihm seine Bordkarte aus. In gut zweieinhalb Stunden würde er seinen Fuß wieder auf deutschen Boden setzen. Er freute sich nicht uneingeschränkt darauf, weil das bedeutete, sich mit dem, was er zurückgelassen hatte, wieder auseinandersetzen zu müssen. Im Flugzeug hatte er sich dieses Mal einen Gangplatz ausgesucht, damit er die Beine besser ausstrecken konnte. Der lange Transatlantikflug steckte ihm noch in allen Gliedern. Er entfaltete die deutsche Tageszeitung, die man ihm beim Betreten des Flugzeugs überreicht hatte und überflog die Schlagzeilen. Es war jedoch nichts dabei, was ihn wirklich interessiert hätte, deshalb legte er die Zeitung schnell beiseite und schloss wieder die Augen. Er dachte an Judith und sah ihr trauriges Gesicht bei seinem Abflug vor sich. Sicher hatte sie erst in ihrer Wohnung ihren Tränen freien Lauf gelassen. Er sehnte sich danach, sie in den Arm zu nehmen, ihre Wärme zu spüren und ihren Duft einzuatmen. Aber durfte er das so einfach, nachdem noch nicht einmal sie im Stande gewesen war, ihn von seiner sinnlosen Flucht vor der Realität abzubringen?

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Sie musste sich zweifellos zurückgelassen fühlen, ab-gewiesen und völlig bedeutungslos. Dabei hatte er noch niemals so stark für eine Frau empfunden. Würde sie ihm überhaupt eine Chance geben, ihr zu erklären, warum er nicht anders hätte handeln können? Was, wenn nicht? Wenn die bewusst durch ihn herbeigeführte Trennung einfach zuviel für sie gewesen war? Warum hatte er diese unbequemen Gedanken rasch beiseite geschoben, als er noch die Wahl hatte, sich der Situation zu stellen und zu bleiben, wo er war? Angst kroch in ihm hoch. Hatte er nun auch Judith durch sein überstürztes Handeln verloren? Sie hatte ihn nie vor irgend eine Wahl gestellt und seine Entscheidungen stets ihm selbst überlassen. „Tu, was du tun musst“. Magnus hatte Zweifel, ob er es in ihrer Situation fertig gebracht hätte, genauso selbstlos zu reagieren. Sie musste ihn sehr lieben, sonst wäre sie dazu sicher nicht fähig gewesen. Er konnte nicht einfach zurückkommen, ohne sie zu sehen und mit ihr zu sprechen. Das würde er ohnehin nicht aushalten. Gleich morgen würde er sie aufsuchen, wenn er seinen Jetlag ausgeschlafen haben würde. Die Maschine setzte sanft auf der Frankfurter Rollbahn auf. Als er in den bereitstehenden Bus zum Terminal stieg, schien die Sonne durch Wolkenlücken; hier und da konnte man ein Stückchen blauen Himmel sehen. Für Anfang Mai war es schon recht warm. An der Gepäckausgabe musste er eine Weile warten, bis sein Backpack endlich auf das Metallschuppenband fiel. Mit geübtem Griff nahm er das schwere Teil auf den Rücken und ging zum Ausgang. Vor dem Flughafengebäude lief er auf die Taxis

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zu, die hier in einer langen Reihe schon auf Fahrgäste warteten. Er hatte seinen Rucksack schon in einen Kofferraum gewuchtet, als er seinen Namen rufen hörte. Er drehte sich um. Judith kam auf ihn zu, langsam, mit einem fragenden Ausdruck im Gesicht. „Du bist zurück, Magnus.“ Eine Feststellung, keine Frage. Sie blieb vor ihm stehen und sah ihn forschend an. „Geht es dir gut? Besser als vorher?“ Statt einer Antwort zog Magnus sie wortlos zu sich heran und hielt sie fest. Sie wehrte sich nicht. Aber als er sie küssen wollte, schob sie ihn mit sanfter Nachdrücklichkeit von sich weg. „Magnus, es tut mir leid. Als du gegangen warst, wurde mir klar, dass wir beide niemals zusammen würden leben können. Du wirst immer nur das tun, was du für richtig hältst. Über kurz oder lang würde ich daran zerbrechen. Ich liebe dich, das weißt du, aber ich kann mir das einfach nicht antun. Ich habe auch eine Verantwortung mir selbst gegenüber.“ Magnus schüttelte verständnislos den Kopf. „Aber warum bist du dann hier?“ „Ich habe gerade eingecheckt, mir bleibt auch nicht mehr viel Zeit bis zum Abflug.“ Ihr Blick richtete sich an ihm vorbei in die Ferne. „Meine Bewerbung um eine Stelle als Assistentin der Geschäftsführung im Ausland war erfolgreich. Ab nächster Woche arbeite ich in unserer kanadischen Filiale. Man suchte dort jemand, der sowohl fließend Deutsch als auch Englisch und Französisch spricht. Geradezu ideal für mich.“

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Ihre Worte klangen wie eingeübt; nüchtern, sachlich und bar jeder Emotion. Magnus hörte zwar, was sie sagte, konnte es aber nicht begreifen. „Du gehst weg?“ hörte er sich fassungslos sagen. „Ja, Magnus. Und ich werde nicht zurückkommen.“ Judith nahm seine beiden Hände und drückte sie. „Es tut mir unendlich leid. Aber es ist die richtige Entscheidung; wenn du ehrlich bist, weißt du das auch.“ Sie sah ihm in die Augen und strich ihm mit einer Hand liebevoll über die Wange. „Vermissen werde ich dich weiterhin. Ganz schrecklich sogar.“ Sie berührte ihren Mund mit dem rechten Zeigefinger und legte ihn dann auf seine Lippen. „Ich wünsche dir alles Gute, Magnus. Vor allem, dass du dich selbst endlich findest.“ Sie ließ ihn los. Die ersten paar Schritte lief sie rückwärts, Tränen standen in ihren Augen. Dann drehte sie sich energisch um und ging ins Flughafengebäude zurück. „Hallo Sie, wo soll’s denn nun hingehen?“ fragte der Taxifahrer Magnus etwas ungeduldig. „Ja... wohin?“ wiederholte Magnus.

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Schlafbereit Birgit Burkey

Nacht endet, Tag beginnt. Schlafbefreit blicke ich der Sonne entgegen, die sich langsam aus dem Horizont schält. Tag beginnt, Nacht endet. Ich öffne mich dem Neuen, dem Unbekannten, dem Zukünftigen.

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Nachtgedanken Birgit Burkey

Des Nachts, wenn dein Kopf sich auf meinem Bauch zurechtkuschelt und dein Haar meine nackte Haut kitzelt, frage ich mich, was uns wohl verbindet? Im Raum schweben Antworten, oft greifbar nah, mich neckend, sie lassen sich nicht fangen. Will ich sie 端berhaupt erfassen, oder mich treiben lassen, im Sog meiner Gef端hle? Ich lausche deinem Atem, f端hle die Unendlichkeit meiner Gedanken, und begreife, nicht alle Fragen ben旦tigen Antworten.

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Frühlingsbeginn Birgit Burkey

Frühlingsmond steht hoch am Himmel, zwischen all dem Sterngewimmel, auf der Erde Osterglocken, die ein Lächeln mir entlocken. Windgestöber in den Blüten, längst vergessene Wintermythen, in der Sonne wildes Treiben, lasset uns vom Frühling schreiben.

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Frühlingsgewitter Anne Adam

Die Sonne schickte die ersten warmen Strahlen zur Erde. Die Menschen genossen nach dem langen kalten Winter die angenehme Wärme. Und weil der Sonne gerade so danach war, drehte sie so richtig auf; es wurde heiß, um nicht zu sagen sehr heiß. Völlig untypisch für einen Frühlingstag Anfang Mai. Die Menschen fingen an zu schwitzen und zu stöhnen, die Bäume streckten ihre wenigen grünen Blätter aus, die noch kleinen Blumen reckten ihre Köpfe. »Mh, endlich kann ich wieder so richtig arbeiten«, seufzte die Sonne und schloss genüsslich die Augen. Plötzlich spürte sie einen Schatten auf ihrem Gesicht und blinzelte kurz. Wütend riss sie die Augen ganz auf: »Mach sofort, dass du da weg kommst.« Vor ihrer Nase hatte sich eine kleine Wolke breit gemacht. Keine Antwort. »He, du da, hörst du nicht?« »Redest du mit mir?«, fragte verwundert das Wölkchen. »Mit wem denn sonst? Oder siehst du da noch jemanden außer dir?«, fauchte die Sonne, immer noch sehr wütend. »Was willst du von mir?«

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»Musst du dich direkt vor meiner Nase breit machen? Du hältst meine Strahlen ab.« Die kleine Wolke schaute um sich und sagte: »Hier steht kein Schild: Parken verboten! Also kann ich mich hier so breit machen, wie ich will.« »Ist denn der Himmel nicht groß genug? Mach, dass du dich verflüchtigst, du frecher Bengel. Na warte, dir werd ich´s zeigen.« Die Sonne konzentrierte sich und wurde heißer und heißer. Kleine Explosionen schossen in Fontänen von ihrer Oberfläche. Das ließ die Wolke aber vollkommen unbeeindruckt, sie schwebte weiterhin fröhlich in der Luft und grinste sich eins. Die Sonne gab ihr Bestes, wurde rot glühend und langsam stiegen winzig kleine Wassertröpfchen, wie Nebel, von der Wolke auf. »He, was machst du da? Lass das!« »Ich denke ja gar nicht daran. Gleich bist du nur noch ein feuchter Streifen am Himmel.«

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Eine zweite Wolke kam vorbei geschwebt, etwas größer als die erste. »Gibt es ein Problem?«, fragte sie. »Die da will mich verbrennen.« »Da muss sie sich aber sehr anstrengen. Wir werden uns jetzt vereinen und sind dann größer.« Die beiden Wolken hielten sich aneinander fest und machten die Sonne damit nur noch wütender. Der Wind kam kurz vorbei, um der Sonne »Hallo« zu sagen. »Machen die beiden dir Ärger, soll ich sie weg pusten?«, fragte er. »Das wäre sehr nett von dir«, gab die Sonne zur Antwort. Der Wind blies seine Backen fest auf und pustete was das Zeug hält. Die Wolken flogen kilometerweit weg, gleichzeitig wurde die Luft sehr kalt. Aber kaum waren die beiden Wolken weg, zogen schon neue heran. Diesmal größer und gewaltiger als die ersten. Auch die pustete der Wind weg, aber immer wieder kamen neue hinterher. Die Sonne strahlte, der Wind blies, und die Wolken türmten sich zu riesigen Gebirgen auf. Und schon tobte ein wilder Kampf am Himmel. Durch dieses Hin und Her stießen die Wolken ständig aneinander und es rummste und polterte. Die Wut der Kontrahenten lud die Luft elektrisch auf und rief Zeus auf den Plan. »Ha, ein Gewitter«, rief er mit dröhnender Stimme, »das macht Spaß.«

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Und schon schleuderte er Blitz um Blitz auf die Erde. Die Wolken setzten noch eins drauf und öffneten ihre Schleusen. Der Regen prasselte auf die Wiesen und Bäume, löste Sturzbäche aus, ließ die Welt in grauer Nässe versinken. Die Menschen holten schnell die Wäsche von der Leine, schlossen die Autodächer und fluchten über den plötzlichen Wetterumbruch. Nach gut einer Stunde waren die Wolken leer geregnet und zogen weiter. Der Wind hatte keine Puste mehr, die Sonne keine Lust. Nur Zeus wollte noch weiter wüten und schoss immer noch Blitze ab. Aber so alleine machte das auch keinen Spaß, also zog auch er von dannen. Im Weggehen rief er noch: »Wenn ihr mal wieder eine Sause machen wollt, sagt nur Bescheid, ich bin allzeit bereit.« Auf der Erde trockneten die Dächer, die Vögel zogen ihre Köpfchen wieder unter den Flügeln hervor, und die Blumen schüttelten die Tropfen von ihren Köpfen. Aber alles sah irgendwie betrübt aus. Da hatte die Sonne Mitleid und sandte noch schnell ein paar sanfte Strahlen aus. Der Himmel färbte sich rosa und ließ erahnen, wie schön der nächste Tag werden würde. Müde und mit einem Lächeln auf den Lippen ging die Sonne unter.

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Alt werden – alt sein Anne Adam

»Wäre ich bloß schon sechs, ich könnte in die Schule gehen und lesen und schreiben lernen.« Als ich endlich in der Schule war, fand ich sie gar nicht mehr so toll. Das frühe Aufstehen, die Hausaufgaben, das Nachsitzen, wenn sie nicht gemacht waren. Naja, nicht alles war schlecht, es gab auch schöne Dinge. Ferien, zum Beispiel. Ferien waren so viel wertvoller, wenn man welche haben konnte. Als Nichtschulkind wusste man solche Annehmlichkeiten nämlich nicht zu schätzen. Mit 14 war man schon sehr nahe dran am Berufsleben, und wenn ich denn endlich den letzten Schultag hinter mir haben werde, dann, ja dann kann ich Geld verdienen, bin fast erwachsen, kann mitreden. So fing ich eine Lehre an, in einem Detektivbüro. Wie spannend! Ich werde ganz tolle und interessante Fälle kennen lernen. Indiskrete Fotos von einem Ehebrecher, wie er seine arme Frau mit der Sekretärin betrügt. Oder entführte Kinder wieder finden; vielleicht kann ich selbst ja auch etwas dazu tun. Ich werde ein Held, nein, eine Heldin sein und wohlwollend auf die Mutter schauen, die ihr Kind wieder glücklich in die Arme schließen kann. Und alles nur, weil ich diese Kleinigkeit entdeckt habe, die alle anderen übersehen hatten.

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Die Wirklichkeit sah anders aus. Ich saß in einem verstaubten Büro und musste das Alphabet rückwärts lernen. Welche Schmach! Nun gut, auch diese Zeit ging vorbei. »Ach wäre ich doch schon 21 und damit volljährig (in früheren Zeiten begann die Volljährigkeit erst mit 21 Jahren).« Und als ich es dann war, hatte sich nicht wirklich etwas geändert. Gut, ich durfte gewisse Dinge vor dem Gesetz selbst entscheiden. Da ich aber von meinen Eltern sehr viel Freiheit bekommen habe, war das nun auch nicht so viel anders. Außerdem hatte ich geheiratet und war sowieso für mein Leben selbst verantwortlich. Dann war ich plötzlich Mutter. Zwar nicht ganz so plötzlich, denn es dauerte immerhin fast fünf Jahre, bis ich endlich dieses kleine, zarte Etwas in den Armen halten konnte. Ab dann hieß es, des Nachts aufstehen. Und das mir. Ich will zwar nicht INS Bett, aber wenn ich mal drin liege… »Du musst dem Kind mehr zu trinken geben, dann schläft es auch durch«, meinte meine Mutter. »Noch ein- zwei Wochen, dann schläft er durch«, sagte meine Schwiegermutter zu mir. Das sagte sie aber fast jede Woche. Und so baute ich wieder auf die Zeit. Und die Zeit kam. Auch der hartnäckigste Schreihals (Entschuldigung Sohn, aber du warst einer) wird irgendwann älter und ruhiger. Meine Zeit plätscherte so an mir vorbei. Hausfrau und Mutter. Nein lieber andersherum. Mutter und Hausfrau, das gefällt mir besser. Hausfrau war ich nun nicht so gerne, aber die Arbeit musste ja getan werden. Zu diesen Zeiten war es nun mal üblich, dass die Mutter zu Hause blieb und sich um Haushalt und Kin-

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dererziehung kümmerte. Gut, nebenher jobbte ich noch, aber eine richtige Arbeit war das dann doch nicht. Das Kind kam in die Schule und alles wiederholte sich. Wenn er mit der Schule fertig ist, wenn er den Zivildienst abgeleistet hat, wenn er seine Lehre hinter sich gebracht hat, und dann: Wenn er sein Studium abgeschlossen hat. Kind erwachsen, Freizeit! Was fange ich damit an? Schreiben, ja schreiben, das habe ich immer schon gerne gemacht und so fing ich an im Ehrenamt für den Tierschutz zu schreiben. Ich schrieb für Freunde Gedichte. Ich saß nächtelang vor dem Computer und schrieb; auch einen Roman und diverse Kurzgeschichten. Und ich habe es geschafft, endlich ein Buch zu veröffentlichen. Um seine Träume zu verwirklichen ist man nie zu alt. Ich schaue in den Spiegel und denke mir: Ja, du bist alt geworden. So alt, wie deine Mutter war, als du noch so jung warst. Nie hast du gedacht, dass das einmal so sein würde. Na gut, niemand bleibt für immer jung, aber dass das so schnell gehen sollte, damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Alle Onkel und Tanten, die als Kind uralt für mich waren, leben nicht mehr. Nun bin ich diejenige, die Tante, die alte Tante. Unsinn, ich bin nicht alt, ich bin doch erst 60. Gut, 62, aber das ist doch noch nicht alt. Ich habe noch so viel vor. Jede Zeit hat Träume. Jede Zeit hat ihre Erfüllung. Ich möchte keines meiner Jahre missen, auch die schlechten nicht, denn auch sie haben mich geformt, mich zu dem gemacht, was ich heute bin: Ein Frau, die (immer noch) mit beiden Beinen im Leben steht und selbiges genießt.

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Mondzauber Texte Anne Adam Illustrationen Susanna Bur Erschienen im SAWA-Magazinverlag ISBN: 3945193001 Seitenanzahl: 264 € 9,90 www.amazon.de Auch als E-Book erhältlich Zauberhafte Märchen und Geschichten – nicht nur für Kinder Da ist Robert, der Regenwurm, der sich einsam fühlt und auf der Suche nach einem Freund seinem wahren Ich begegnet oder die rührende Geschichte einer Freundschaft zwischen einem Jungen und einem Elefanten. Ein Stern, der vom Himmel fällt oder das Seepferdchen, welches gerne ein stolzer Hengst wäre – all dies finden Sie in den bezaubernden Geschichten dieses Buches.

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Les Larmes De L‘espoir Josiane Orlane

Ne fuyez pas la réalité! Ouvrez grand lex yeux et regardez! Ne fuyez pas la cruauté! Ouvrez grand les oreilles et écoutez! Tous ces enfants qui pleurent chaque jour, Et qui cirent «au secours»…“ Ils ont mal, ils sont bleesés. Et, ce n‘est pas qu‘un petit bobo. Ils recherchent la plus petite goutte d‘eau! Ils ont soif! Ils sont affamés, Pour assouvir leur envie de virvre, Et surtout pour survivre! Pour certains la maladie et l‘épuisement Les empêcheront de grandir. L‘esclavage ou le manque de médicaments Les feront périr!... Leur visage marqué par la souffrance et la détresse Est terriblement frappé par leur tristesse: Ils n‘ont plus aucun parent pur les consoler Car le malheur a forcé à les quitter. Parce qu‘il ne faut pas oublier tous ces enfants! Ne restons pas indifférents A tous ces martyrs, Il faut réagir puis agir.

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Ils sont peut-être loin par la distance, Mais rien ne nous empêche d‘apporter notre présence, Notre humanité et nos compétences. Offrons leur notre confiance. Alors unissons-nous fort, Unissons nos efforts.

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Verifizierbarkeit Heinz-Josef Scherer

Es ist nicht nÜtig, sich ständig der Verifizierbarkeit tatsächlicher oder vermeintlicher Lebenschancen durch praktischen Vollzug zu vergewissern. Oft reicht schon ein Gedanke, ein Erinnern daran.

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Richtiger Ort Heinz-Josef Scherer

Wenn du dich irgendwo aufhältst, wo du dich darüber freust, wieder einen Menschen zu sehen und/oder zu hören – dann hast du etwas richtig gemacht.

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Info-Suche Heinz-Josef Scherer

Erwartest du eine Information von außen und sie erreicht dich nicht schau in deinem Innern nach: möglicherweise findest du sie dort und - wenn du lange genug suchst die für dich entscheidende handlungs- und lebensleitende Wahrheit.

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Einfache Welten Heinz-Josef Scherer

Bisweilen tut es gut, in einfache, alltags- und handlungsnahe Welten einzutauchen. Du verlässt für kurze oder längere Zeit deine sonst gewohnte Distanz schaffende - Metaposition mit der damit einhergehenden (nicht selten zirkelhaft verlaufenden und mitunter eine fatale Eigendynamik nach sich ziehenden) Dauerreflexion. Unerwartet-spontan spürst du eine Art von Angekommensein, ein Gefühl von - Leben, .Frische, Lebendigkeit

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Diffusität - Fragment über das Glück Heinz-Josef Scherer

Ich erlebe bei diesem nächtlichen Anblick eine diffuse, doch umso heftigere Anwandlung von Glück wobei sich sein Gegenstand nicht exakt benennen lässt. Vielleicht ist es gerade diese Diffusität, welche für das Ganzheitliche, kaum Fassbare steht und dadurch diese tiefe emotionale Sensation auslöst.

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Sehnsucht nach dem innern Land Kurzgeschichten/Erzählungen/ Stories/Gedichte/Aphorismen/Beobachtungen/ Ansichten/Autobiographisches/ Photographien von

Heinz-Josef Scherer ISBN 978385438102-0 172 Seiten erhältlich beim Autor email oder über den Verlag www.united-pc.eu ‘Belletristik-Sonstiges/Allerlei’ sowie im Buchhandel, über Amazon u. a.

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Systemwechsel Jörg Bur

Du stammst aus einem totalitären Staat in dem das System alles und der einzelne nichts bedeutete. Wo wenige das Sagen hatten, während der Mehrheit nur das Schweigen blieb. Und brach man dieses Schweigen, so verschwand man oft über Nacht und ward nie mehr gesehen. Letzten Endes ging dieser Staat zugrunde, starb an den Folgen einer friedlichen Revolution. Er wurde aufgelöst und zum Bestandteil jenes Staates, in dem du jetzt lebst. Und mit diesem Ende begann dein Aufstieg. Eine einzigartige Karriere, wie sie keine Frau je zuvor gemacht hatte. Du wurdest zur mächtigsten Frau der Welt, zur Übermutter einer ganzen Nation. Politisch Gleichgesinnte wie Gegner knickten ein vor dieser Macht, die du verkörperst und starke Männer suchen deinen Rat. Doch ich glaube, du hegst einen Traum. Still, beharrlich und unerbittlich. Du träumst vom Systemwechsel. Von einem Land, in dem das System alles und der einzelne nichts bedeutet.

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Von einer allmächtigen Partei, die alle verstummen lässt, die gegen das System sind. Von einem totalitären Staat mit dir als übermächtigen Führerin. Nur vom Sozialismus, von dem träumst du wahrscheinlich nicht. Denn ihm fehlt einfach jene charmante Eigenschaft des Kapitalismus: Der Profit.

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Das Hemd ist zu groß Dr. Christine Reiter

„Um Punkt eins wird gegessen –das war immer so und ist auch jetzt so!“ Der Vater sprach’s und griff nach den Schüsseln mit den dampfenden Speisen, die vor ihm standen. Bedächtig lud er sich einen kleinen Berg gekochter Kartoffeln auf den Teller, daneben ein kleines Schnitzel. Über alles gab er reichlich von der lecker riechenden Rahmsoße. „Vielleicht hatte ja der Schulbus Verspätung?“ warf die Mutter schüchtern ein. Sie schaute ihren leeren Essteller an, als ob der ihr eine Antwort geben könnte. „Papperlapapp, der hatte noch nie Verspätung! Unser Sohn ist es, der immer Verspätung hat!“ Der Vater schmatzte genüsslich, wischte sich mit der weißen Serviette, die er zuvor in der Hemdöffnung festgesteckt hatte, die Soße von den Lippen, bevor er sein Glas Mineralwasser ansetzte. „Er muss Pünktlichkeit lernen! Er soll mal die Firma übernehmen –da muss er schon disziplinierter werden!“ „Er ist ja noch so jung“, warf die Mutter ein, faltete bedächtig ihre Serviette auf und breitete sie auf ihrem Schoß aus. Sie griff nun ein wenig zögernd nach den Schüsseln, die der Vater in seiner Reichweite abgestellt hatte, um sich –ebenso zögernd- eine sehr kleine Portion von den Speisen aufzutun. „Pünktlichkeit kann man nicht früh genug lernen! Überhaupt –wenn er mal die Firma übernehmen will…“ Während der Vater kaute, sprach er undeutlich Verhaltensregeln aus, die die Mutter

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dennoch verstand, weil sie alles schon zigfach von ihm gehört hatte: Martin sollte einmal die Firma übernehmen, die Vater Herrmann gegründet hatte. Deshalb sollte er jetzt schon die Weichen stellen. Die schulischen Leistungen müsste er verbessern… „Aber in Musik hat er neulich wieder eine Eins nach Hause gebracht“, verteidigte die Mutter trotzig ihren Sohn. „Ja, diese Eins bringt ihm aber gar nichts für das wirkliche Leben“, entgegnete der Vater energisch und lud sich Salat auf den Teller. Auf die wichtigen Fächer sollte sich der Sohn konzentrieren -vor allem auf die Mathematik! Der Vater selbst war früher in diesem Fach immer der Beste seiner Klasse! Und gute Kenntnisse in Mathematik waren erforderlich, wenn der Sohn später die Firma übernehmen würde. Die Mutter sah, dass der Vater seine Mahlzeit beendet hatte. Sie selbst hatte nur wenig gegessen, hatte immer wieder sehnsüchtig aus dem Fenster geschaut, gehofft, dass es an der Haustür klingelte und sie den Sohn im Vorgarten auf das Haus zukommen sehen könnte. Nun rief sie die Haushaltshilfe, damit diese den Tisch abräume. Während sie selbst das Dessert auftischte –heute gab es die ersten Erdbeeren für das Jahr- klingelte es. Martin betrat lässig das Esszimmer und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Die blondgewellten Haare, die ihm sonst bis auf den Rücken fielen, hatte er heute zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die Mutter bemerkte, dass er ein Hemd seines Vaters trug, das ihm jedoch erheblich zu weit war. Außerdem schien er die zerlöcherte Jeans, die sie in die Tüte für die Altkleidersammlung gelegt hatte, wieder dort herausgenommen

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zu haben. Sie hatten noch bei seinem Freund Christian geprobt, erklärte er, denn am Wochenende hatten sie doch ihren wichtigen Auftritt. Martin spielte in einer Band, wollte einmal ein berühmter Schlagzeuger werden. Ach ja, der Auftritt –an den hatte die Mutter nicht mehr gedacht. Während sie sich erneut erklären ließ, um welchen Auftritt es sich handelte, den Martins Band hatte, holte sie still die noch warmen Speisen nebenan aus der Küche und forderte den Sohn auf, es sich gut schmecken zu lassen. Der Vater verließ währenddessen schweigend den Raum, um sich zum Mittagsschlaf hinzulegen.

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LeseKultur bietet 

Bildung

Wissen

Freude am Lesen

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Seminare: 

Lektüreseminare zur deutschen Literaturgeschichte -

Von Dichtern und Denkern Begegnungen mit den Großen der deutschen Literaturgeschichte

Produktives Lesen

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Deutsche Rechtschreibung und Zeichensetzung 

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Information und Anmeldung: CTM LeseKultur, Trierer Str. 44 66869 Kusel, Tel.: 06381 4256224,mobil: 0177 251897 ctm@lese-kultur.com

Detaillierte Informationen finden Sie auf unserer Website: www.lese-kultur.com Kursleiterin: Frau Dr. Christine Reiter

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Dunkel Dr. Andreas Hämer, 30.1.2013

Wenn die Fichtenzweige nadeln und die Winterkälte strahlt Fische in der Tiefe radeln und der Buchfink Triller malt wenn der Igel stachelträumend leis im Winterschlafe lacht weil‘s beim Maulwurf, hochaufbäumend voller Wühlsinn, plötzlich kracht ... knuspern wie die frischen Brötchen schwere Schritte harsch im Schnee wirbeln wie die Walrossmädchen Wolken, Mond und Sternenhöh. Alle Dunkelheit umarme du, wenn Nacht und Nebel singt und, gefolgt von einem Schwarme guter Geister – frostbeschwingt.

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Männer und Frauen Dr. Andreas Hämer, 19.5.2013

zu singen nach: Der Mond ist aufgegangen Die allermeisten Männer sind exzellente Kenner des weiblichen Geschlechts. Sie bringen Analyse ins weibliche Gemüse sind stark im Eifer des Gefechts. Die armen, armen Frauen die sich zu gar nichts trauen sind meistens selber schuld wenn Männer dominieren sie an der Nase führen herum, sie tragen's mit Geduld. Die allermeisten Männer sind übergroße Könner und lieben den Applaus. Sie wollen alles wissen und fühlen sich beschissen kommt mal das Gegenteil heraus. Es gibt wohl manche Frauen das sind die ganz, ganz schlauen sie wirken als der Hals wolln ihn das Haupt zwar nennen und ihm die Ehre gönnen – so drehen sie ihn jedenfalls.

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Die allermeisten Männer die brauchen selten Gönner sie gönnen sich's gern selbst den Auftritt, die Allüre den Vatertag, die Biere da wird gelacht und laut gerölpst. Die armen, armen Frauen die müssen viel verdauen was ihnen vorgekaut von wunderschönen Pfauen die fremde Federn klauen und reden dann noch dumm und laut. Die allermeisten Männer sind eitel arme Penner verpennen ihr Gefühl. Ach, unter ihrer Mütze ist oft nur wenig Grütze sie haben Angst und tun nur kühl. Fehlt's unsren lieben Frauen vielleicht an Selbstvertrauen? Sie kompensieren gern mit körperlichen Reizen wolln von den dümmsten Käuzen noch schöne Komplimente hörn.

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Und die modernen Männer die bringen's auf den Nenner sind leise, soft und glatt die großen Feministen als ob sie's gerade wüssten was es mit Frauen auf sich hat. Doch gibt's auch andre Frauen und Männer, die nicht hauen die sich durchaus bemühn und Neues wagen wollen verlassen alte Rollen – ein jeder Mensch ist androgyn.

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Politische Neologismen Dr. Andreas Hämer 30.6.2012

Merkeln Wenn’s liebe Hausschwein Junge kriegt so spricht man auch von ferkeln. Wenn einer immer feilt und biegt und hämmert, sagt man werkeln. Wenn eine Kanzlerin vergisst den müden Mund zu schnörkeln und dessen Winkel abwärts trist sich ziehen, sagt man merkeln.

Wulffen Als Christian in der Klemme war von Medien stark gebeutelt und als auch BILD im letzten Jahr sein Image sehr vereitelt nahm er den Hörer selbst zur Hand verlegte sich aufs Wulffen und poltert’ voll das ganze Band – doch hat’s ihm nicht gehulfen.

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Seehofern Wenn einer viele Reisen tut dann kann er was erzählen. Nur unsrem Horst, dem tat’s nicht gut er wollt's wohl gern verhehlen zum Beispiel, als ein Kind entstand da musst' er ausbaldovern wie das verborgen bleibt im Land – doch da heißt's längst: seehofern.

Guttenbergeln Ein Doktorand, der es versäumt all das, was er geschrieben auch die Zitate, gut verleimt im Wust von Kraut und Rüben klar nachzuweisen – wie abstrus! so wird man später nörgeln. Bleibt er auch cool von Kopf bis Fuß man nennt das guttenbergeln.

Gauckeln Wenn unser Bundespräsident es wagt, den Krieg zu deuten und Schwarz im Ernst rotgolden nennt sind’s nicht nur Dreistigkeiten. Sollt's denn gelingen dem Herrn Gauck uns alle zu verschaukeln uns so etwas mit viel Klamauk – ich sag mal: vorzu-gauckeln?

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Es perlen die Tage Dr. Andreas Hämer ISBN 978-3-935431-25-5 Ladenpreis 12,80 € In den vielfältigen und brisanten Gedichten im Werk „Es perlen die Tage“ von Andreas Hämer geht es um Politik, Frieden, Kirche und Religion, Natur und umgedichtete Kirchenlieder. Ansprechende Illustrationen vom Grafiker Dietmar Fiessel erweitern die Interpretation der Gedichte. Beim Lesen der Gedichte kann man nachdenken und auch schmunzeln. Die Polarität zwischen Aufrütteln und Träumen kann eine Spannung erzeugen, die zur Reflexion über die eigenen Sichtweisen anregt und zum Handeln motiviert.

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Gesichter der Zweisamkeit Robert Bruckart ISBN: 978-3-944306-06-3 Seitenanzahl: 270 € 9,90 www.amazon.de Auch als E-Book erhältlich Nichts beschäftigt uns Menschen in unserem Leben wahrscheinlich mehr, als in glücklicher Zweisamkeit zu leben und trotzdem stellen wir immer wieder fest, dass es nicht gerade einfach ist, eine solche zu finden. Dabei entgeht uns oft, dass wir es meist selbst sind, die einer solchen Zweisamkeit hinderlich im Weg stehen. Und noch eins sei gesagt; Zweisamkeit ist nicht gleich Zweisamkeit. Der Kurzgeschichtenband mit dreizehn verschiedenen Lebensabschnitten erzählt Episoden aus den Leben von Menschen, bei denen Zweisamkeit und die Suche nach ihr, wie auch das Ende einer Zweisamkeit, eine wesentliche Rolle spielt.

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Der Gnom Bodo Bickelmann

Er sitzt auf meinen Schultern. Nirgends kann ich hin gehen ohne ihn. Er will, dass ich ihn trage. Immer. Ich weiß nicht, warum er so leidenschaftlich an mir hängt. Ich weiß nicht mal mehr, wann er mir das erste Mal begegnet ist. Wenn ich schlafen gehe, gleitet er von mir hinab, setzt sich in eine Ecke des Schlafzimmers und beobachtet mich. Ich schlafe schlecht ein unter diesen Blicken. Seine Augen, tagsüber aschgrau, glühen nachts wie die Reste eines Feuers, bereit, mit dem nächsten Luftzug wieder aufzulodern. Morgens spüre ich dann, wie er darauf lauert, dass ich die Decke von mir streife, dass ich die Füße auf den Boden setze, mich erhebe... und jedes Mal, obwohl ich weiß, was kommen wird, zucke ich zusammen, wenn er aus der Ecke hochschnellt und mir mit einem Satz oder höchstens zweien im Nacken sitzt. Die Nachbarn und meine Freunde haben sich größtenteils an ihn gewöhnt. Manche grüßen sogar uns beide, wenn sie uns begegnen: erst mich, dann mit einem gespielt verständnisvollen Lächeln den Gnom auf meiner Schulter. Die meisten jedoch tun so, als wäre er nicht da, und versuchen, seinem Anblick auszuweichen: entweder, indem sie beim Reden stur an mir vorbeisehen, oder indem sie penetrant in meine Augen schauen, so dass ich mich von diesem Starren durchbohrt und ausgezogen fühle. Dann fürchte ich jedes Mal, die letzten Reste meines Selbstbewusstseins zu verlieren; wie ein Besitz komme ich mir vor, ein

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Besitz des Gnoms und ein Besitz der anderen, die mich mit ihren Blicken so durchdringen. Meine Kunden andererseits erschrecken jedes Mal, wenn ich, meine Hilfe anbietend, zwischen den Regalen auftauche und vergeblich versuche, gegen das reptilienhafte Grinsen über meinem Schädel anzulächeln. Die wenigen, die überhaupt noch etwas bei mir kaufen, tun das aus Mitleid (greifen sichtlich nach dem ersten Besten, zahlen rasch und gehen) oder aus Angst, ich könnte ihnen diese spitzen Zähne an die Kehle hetzen (auch sie greifen irgendetwas, zahlen jeden Preis und flüchten). Keinen, nicht einen von ihnen sehe ich ein zweites Mal. Meine Mutter sagt, sie liebt mich auch mit Gnom. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass sie mich seltener einlädt als früher, und manchmal glaube ich sogar, sie wünscht sich, sie wäre gestorben, bevor sie mich so erleben musste. Vielleicht sollte ich ihr von dem Anruf erzählen? Vor zwei Tagen klingelte mein Handy, was mich sehr erstaunte, weil mich kaum noch jemand anruft. Ich hörte eine Stimme, die mir nicht vertraut vorkam, obwohl ihr Besitzer mich gut zu kennen schien. Er sagte, die erste Laufzeit sei jetzt um, und ich könne mich entscheiden, ob ich verlängern wolle oder nicht. Wenn nicht, solle ich einfach innerhalb der nächsten fünf Tage eine bestimmte Nummer wählen, ließe ich nichts von mir hören, würde der Gnom noch einmal die vereinbarte Laufzeit bei mir bleiben. Ich notierte mir die Nummer sofort auf einen Zettel und gleich darauf auf einen zweiten Zettel, zur Sicherheit, falls mir der erste verloren ginge. Ich wollte noch fragen, wie lang die Laufzeit

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sei, und was überhaupt der Zweck dieser Vereinbarung sei, aber der Anrufer hatte schon aufgelegt. Im ersten Moment war mir danach, jauchzend in die Luft zu springen. Vielleicht hätte ich es auch getan, aber mit dem Gnom auf meinen Schultern ist das nicht so einfach. Dann fing ich an zu grübeln. Eine Vereinbarung... ich hatte eine Vereinbarung getroffen, offenbar – gewissermaßen – hatte ich den Gnom gemietet... Aber wozu? Was konnte für mich der Vorteil sein an dieser Übereinkunft? Ach was Vorteil, sagte ich mir, er hat dir nur Unglück gebracht. Sieh zu, dass du ihn los wirst! Und sobald ich mich dazu entschlossen hatte, sah ich der Zukunft mit neuem Mut entgegen. Und der Gnom? Wie geht es ihm dabei? Weiß er, dass er mich verlassen muss? Wird er unruhig? Wirkt er traurig? Nein, ihm ist nichts anzumerken, und wer weiß: wenn unsere Beziehung ja gewissermaßen rein geschäftlich ist, vielleicht hängt er dann weniger an mir, als ich vermutet hatte. Noch drei Tage. Noch habe ich nicht angerufen. Ich zögere die Aufhebung hinaus, genieße den Ausblick auf die Zukunft und stelle mir vor, wie es sein wird ohne ihn. Ohne das Grinsen im Spiegel und ohne die grau verhangenen Augen, die so zu tun scheinen, als wären sie blind, und dennoch den Eindruck erwecken, als schauten sie in dich hinein. Vor allem jedoch ohne das Glühen in der Nacht, das Lauern, diesen Blick, der bis in deine Träume reicht, der dich womöglich besser als du selber kennt, der dich beobachtet, das Gute und das Böse sieht, bevor du selber es bemerkst, der in die dunkelsten Winkel deiner Seele

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schaut, dorthin, wohin kein Licht fällt, schon gar nicht deins – dorthin, wo du vielleicht nicht einmal bestehen würdest ohne diesen Blick. Ich schaue in den Spiegel, suche im Aschgrau seiner Augen, ob er mir nicht ein Wort zu sagen hat. Drei Tage. Oder mehr.

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Vom Mädchen zur Frau Dolly Hüther

Aus aktuellem Anlass beschäftigen mich zwei Fragen: Wann fängt ein Mädchen an – ein Mädchen zu sein? Und wann fängt ein Mädchen an – eine Frau zu sein? Die erste Frage beantwortet sich meiner Meinung nach von selbst. Bei der Geburt eines Kindes schaut die Hebamme dahin, wo die Geschlechtsmerkmale zu sehen sind und sagt bestimmend wie bestimmt: „Es ist ein Mädchen!“ Oder eben: „Es ist ein Junge!“ Durch die heute für gewöhnlich vorgenommene Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung) wissen die Eltern meistens schon ab der dreizehnten Schwangerschaftswoche, welches Geschlecht ihr erwartetes Baby hat. Der Zeitpunkt also, zu dem das werdende menschliche Lebewesen als Mädchen identifiziert wird, ist frühestens Anfang des vierten Monats und spätestens mit der Geburt angesagt. Und hier beginnt auch schon das Problem, das ich angesichts des unwillkürlichen und willkürlichen Gebrauchs der Bezeichnung habe. Wenn Ursula Scheu mit ihrem Klassiker „Wir werden nicht als Mädchen geboren, wir werden dazu gemacht“ bereits 1977 die mustergültige Einübung in die weibliche Geschlechtsrolle von Geburt an einem kritischen Blick unterzogen hat, so plädiere ich für eine bewusstere Verwendung des Wortes. Die Bezeichnung Mädchen führt mit seiner Endung chen eine Verniedlichung ein, die der des Jungen von Anfang an fehlt. Eine adäquate Nennung wäre Bübchen, doch diese Diminutivform

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ist unüblich (geworden) und wenn sie gebraucht wird, dann als betontes Attribut. Personen, die sich über einen Kinderwagen beugen, hören wir nicht fragen: „Ist es ein Bübchen oder ein Mädchen?“ Das männliche Baby wird im heranwachsenden Alter auch schon mal zu einem jungen Mann, in der Pubertät gar zu einem jungen Herrn; selten genug, das ein Mädchen in ebendiesem Alter als „Junge Frau“ bezeichnet wird. Ganz zu schweigen von der unterschiedlichen Tonlage, die mit diesen Ansprachen oft (noch) einhergeht. Die Bezeichnung Junges Mädchen oder Kleines Mädchen ist auch von der Gesellschaft für Deutsche Sprache bemängelt worden. In der Schule lern(t)en wir: Kleines Häuschen gibt es nicht. Es muss kleines Haus heißen oder Häuschen. Hingegen scheint die Beantwortung meiner zweiten Frage, wann ein Mädchen zur Frau wird, weitaus schwieriger zu sein. Mehrere bereits gegebene und divergierende Antworten illustrieren das – unangebrachte Sprüche, Irraussagen und höchst fragwürdige Zuordnungen einmal beiseite gelassen. Persönlich finde ich es relativ einfach, den Zeitpunkt zu bestimmen. Es gibt immerhin den biologischen, der mit der Menstruation zusammenfällt. Bekanntlich ist das weibliche Wesen dann eine junge Frau, die fähig ist, ein Kind zu erzeugen und auszutragen. Im Nachweis: Es gibt leider viel zu viele junge Frauen, die im Alter zwischen zwölf und sechzehn Jahren bereits Mütter sind, z.B. in Wien derzeit hundertundachtzig (laut Schwangerschaftsabbruch Museum, Wien Maria Hilfe Ring.) Oder handelt es sich um Mädchen, die mit Mädchen oder Bübchen schwanger gehen? Im Saarland kursiert momentan eine

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Meldung, wonach eine 16jährige Frau ihr Kind (vielleicht mangels einer sogenannten Babyklappe?) in die Kälte gelegt hat. Nach dem flüchtigen Mädchen oder jungen Mädchen, wie der Radiosprecher die junge Mutter zehn bis zwölfmal nannte, wird gefahndet. Ich gehe einmal von mir als heute 81jähriger Frau aus. Ich gehöre einer Kriegsgeneration an, die hinsichtlich der sexuellen Aufklärung nur dürftig unterrichtet worden war, wenn die Thematik überhaupt zur Sprache kam. Wie die anderen wurde auch ich im Alter von achtzehn bis einundzwanzig Jahren als Mädchen angesprochen, wo heutzutage gewöhnlich vom Frausein und von Frau die Rede ist. Wenn ich offenen Auges durch die Straßen gehe und mir junge weibliche Personen begegnen, kann ich deren Alter kaum einschätzen. Deshalb frage ich danach, bei jeder Gelegenheit, die sich bietet – und fasse es kaum. Bei durchaus bis sehr erwachsen aussehenden Jugendlichen kommt es schon mal vor, dass sie erklären, zwölfjährig zu sein, oder dreizehn, vierzehn, fünfzehn Lenze zählen. Im Supermarkt fragte ich die Kassiererin, die als ‚das Mädchen an der Kasse’ bezeichnet worden war, wie alt sie denn sei. Sie antwortete umstandslos, zweiundvierzig Jahre. Eine Nennung verleiht auch einen bestimmten Status. Würden wir anfangen, eine junge Frau als solche auch zu bezeichnen, wie das bei jungen Männern oder jungen Herren gehandhabt wird, könnte dies das Selbstbewusstsein junger Frauen stärken. Wenn ich diese Behauptung in meinem alltäglichen Umfeld platziere, bekomme ich manchmal sogar von Müttern Reaktionen, die mich fast umhauen. Eine Frau mit drei Töchtern im Al-

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ter von acht, zwölf und achtzehn Jahren erzählte mir stolz, ihr ältestes Mädchen habe gerade das Abi gemacht, mit einem Notendurchschnitt von 1,7. Angesprochen auf die im Grunde unkorrekte wie überfällige Bezeichnung ihrer Tochter als ältestes Mädchen, erklärte sie mir fast wütend: „Das ist und bleibt mein Mädchen!“ Solle es auch bleiben, versicherte ich ihr. Doch gegenüber einer fremden Dritten, die ich für sie sei, wäre die Erwähnung ihrer ältesten Tochter als einer jungen Frau sicher angebrachter? Oh nein, in dieser Hinsicht glaubte sie ihre Tochter nicht unterstützen zu müssen. Sensibel registriere ich die beharrliche Verwendung dieser Nennung auch in Zeitungsartikeln, Sachbüchern und Forschungsarbeiten von Sprachwissenschaftlerinnen. Ich stelle fest, häufiger als Frauen sind es Männer, die junge Frauen gerne verniedlichen und ihren Status schmälern, indem sie sie als Mädchen titulieren. Zuletzt gab es zwei Anlässe, die mich dazu geführt haben, dieses Thema öffentlich machen zu wollen. Auf einer Veranstaltung wurde ich als „altes Mädchen“ begrüßt. Mein Protest rief seltsam befremdete Blicke hervor, die Unterstellung, humorlos zu sein und die „Ehre“ nicht wahrzunehmen, die in dieser Bezeichnung läge. Selbst meine Erklärung, mit der Mädchen-Nennung gehe immer, von der Wiege bis zur Bahre, irgendein „schmückendes“ Beiwort einher, wie blondes, freches, mutiges, hübsches Mädchen usw., förderte hier keine Einsicht zutage.

Einen in diesem Kontext bemerkenswerten Artikel fand ich in der EMMA Nr. 3/2009. Die kritische Sichtung der Presse-

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Berichterstattung über den Amoklauf in Winnenden, wo Frauen hingerichtet worden waren und die Medien nicht zwischen Lehrerinnen, die nur wenig älter als die Schülerinnen waren, unterschied, im Gegenteil, zumeist von Schülern und Lehrern die Rede war, kann nicht oft genug vor Augen geführt werden. Als ich aber unter dieser Prämisse meine neue EMMA las (Nr. 1/2010), in der ich keine der von mir als Fehläußerung bezeichneten Aussage erwartet hatte, war ich doch ein wenig bestürzt. Ich beziehe mich auf den Artikel „Serap Cileli, Die Unermüdliche“, wo Chantal Louis allein achtmal die Bezeichnung Mädchen anführt, unter anderem von einem „verzweifelten Mädchen“ spricht, das im Alter von zwölf Jahren eine Zwangsehe eingehen sollte. Dafür wäre sie dann nicht zu jung gewesen – aber für die Bezeichnung „junge Frau“? Ich war und bin natürlich glücklich, dass die EMMA derartige Themen an sich immer wieder aufgreift. Um so mehr möchte ich dazu anregen, der Mädchen-Frau-Thematik selbst ein Dossier zu widmen. Der um sich greifende willkürliche und saloppe Gebrauch von femininen Bezeichnungen (siehe Stern 11/2009, wo die siebenunddreißigjährige Schauspielerin Heike Makatsch mit einer „Traumkarriere: vom Viva - Mädchen zum Filmstar“ vorgestellt wird) verzerrt nicht nur unsere Realitätswahrnehmung; der bewusstere Umgang könnte im Gegenteil zum Vorteil aller, Männer und Frauen, doch insbesondere der jungen Frauen, gehandhabt werden. Es gibt noch viel zu tun. Diskussionsbedarf?

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Der fadenreiche Kokon Dolly Hüther ISBN: 978-3-8424-0070-2 Seitenanzahl: 208 € 19,90 www.amazon.de

Da fällt die Liebe ins Alter ein und fragt nicht danach, ob eine oder einer mit ihr Schritt hält? Marianne, knapp 80, und Holger, ein Jahrzehnt jünger, stolpern mehr als dass sie tanzen in eine Liebesgeschichte hinein. Doch das Erlebnis von Zusammensein und erfüllter Sexualität bleibt nicht nur ein Versprechen. Marianne verschafft dabei ihren intimsten Gedanken Luft, lässt Erinnerungen zu und spinnt fiktive Episoden, wie geschaffen, um nicht schweratmig zu werden in der Enge eines Beziehungs-Kokons.

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Genderismus: Von Ampelmännchen und Ampelfrauchen Susanna Bur

Deutschland, 8. März: Internationaler Frauentag Mehr Rechte für Frauen! Nicht nur, dass wir die gleichen Rechte haben sollten wie Männer, nein, wir sollten viel mehr Rechte haben. Hat sie uns doch über Jahrtausende unterdrückt, diese böse Spezies, diese Verirrung der Natur. Wozu brauchen wir sie eigentlich überhaupt? Ok, wir Frauen sind im Durchschnitt körperlich etwas schwächer. Dann sind wir noch ab und zu schwanger, was uns körperlich noch schwächer macht. Bei unseren Altvorderen war es wohl so, dass die Männer deswegen auf die Jagd gingen, und wir Frauen zu Hause blieben und das Feuer hüteten, kochten, putzten, uns um die Kinder kümmerten. Eben weil wir körperlich schwächer waren, oft schwanger und deshalb von denen abhängig, die auf die Jagd gingen und das Futter nach Hause brachten. Ich bin mir sicher, das mit dem Kinderkriegen haben die Männer uns in ihrer Gemeinheit aufgedrückt. Warum kamen die Jäger eigentlich mit dem Beutegut zurück und haben uns und den Nachwuchs gefüttert? Sie hätten doch auch bleiben können, wo sie waren?

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Wenn ihr jetzt ernsthaft glaubt, es sei Liebe und Verantwortung gewesen, dann irrt ihr euch gewaltig. Die Antwort ist ganz einfach: Zu Hause gab es zur Belohnung Sex und fertig gekochtes Essen. War schon irgendwie ganz doof, das mit der ungerechten Arbeitsaufteilung. Überhaupt hat die Natur das ganz fies gemacht mit den Unterschieden zwischen Mann und Frau und dem Ausgleich: Männer können ein Leben lang Kinder zeugen, mit vielen Frauen, Frauen können deswegen immer und mit ganz vielen Männern. Aber so war es bei den Altvorderen, nicht im Deutschland von heute. Damals hat es das Überleben der Spezies Mensch gesichert, ohne Zusammenhalt und Arbeitsaufteilung in einer Sozialgemeinschaft konnte man nicht überleben. So wollten wir Frauen das nicht mehr haben. Wir haben es den Männern jetzt gezeigt: Wir können alles und viel besser und müssen es vor allen Dingen andauernd und bei jeder Gelegenheit auf den Tisch bringen. Wie hat es meine Freundin Christiane so treffend ausgedrückt: »Was die Frauen erreicht haben ist, dass sie jetzt auch noch neben allem anderen einer Erwerbstätigkeit nachgehen müssen. Müssen ist heute angesagt, nicht können. Wir haben keine Wahl mehr, und das ist gut so! Die Wirtschaft zieht daraus einen Riesenvorteil, denn, weil die Frauen unbedingt in die Erwerbstätigkeit wollen - man verblödet ja auch zu Hause! - sind genug Arbeitskräfte auf dem

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Markt, um die Löhne ordentlich zu senken. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, und der ist im Keller. Welch einen Erfolg können die Frauen damit auf ihrer Seite verbuchen! Wie gut, dass das endlich vorbei ist, dass eine Familie von einem Lohn leben, ja sich sogar ein Haus bauen konnte. Das ist vergangen, war vor der Zeit der Befreiung der Frauen, aber, äääääh, da war doch noch was? Ja, die Pflichten kamen halt mit den Rechten. Wie dumm sind doch die Frauen, die sich heute noch dafür entscheiden, Kinder groß zu ziehen, den Haushalt zu führen und auch noch froh sind, wenn sie das können, weil sie einen Mann abgekriegt haben, der genug verdient. Sie werden von ihren Geschlechtsgenossinnen mitleidig belächelt. Die haben nichts zu lachen, die sind von ihren Männern abhängig. Wie viel schlauer sind doch da die Frauen, die sich beim kleinsten Problem trennen, Alleinerziehende werden. Die liegen voll im Trend. Es macht unglaublichen Spaß, morgens unter Zeitdruck mit zwei Kindern zu streiten. Frühstück machen, ab in den Kindergarten oder Schule und die Kinder abgeben. Dann schnell zum Job eilen – oder zu zwei Jobs, da die Bezahlung so mies ist. Nach getaner Arbeit die Kinder einsammeln, einkaufen, waschen, kochen, putzen, Schulaufgaben machen, todmüde ins Bett sinken. Und am nächsten Tag die gleiche Prozedur. Am Monatsende dann der Gang zur ARGE, um die Aufstockung abzuholen.

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Tägliche Existenzangst und Angst davor, dass die Sozialleistungen gekürzt werden. Wie war das noch mit der Abhängigkeit? Wurde die nicht irgendwie nur verschoben? Die haben nichts zu lachen, diese Frauen, die sind vom Staat abhängig. Welch wundervolle Welt haben wir Frauen und erkämpft! Endlich sind wir wahre Männer! Wir haben uns wirklich befreit! Oder haben wir nicht Emanzipation völlig falsch interpretiert und uns das Männliche als Vorbild genommen, wollen mit aller Macht so sein wie Männer, so arbeiten, genauso Karriere machen, anstatt das Weibliche zum Vorbild zu nehmen und zu stärken? Dann gab es auch endlich die neuen Scheidungsgesetzte, wonach der Mann einer Frau keinen Unterhalt mehr zahlen muss, die sich um den Haushalt gekümmert hat, und er sich trennen will. Immer denen auf den Kopf, die sich einfach nicht für die neue Frau entscheiden, sondern immer noch Heim und Herd bevorzugen – die Dummerchen. Die müssen dann auch zur ARGE. Da wir Frauen in Deutschland gleichberechtigt sind und uns alle Berufe und Möglichkeiten offen stehen, können wir jetzt endlich weitere, wichtige Reformen einklagen, egal, wie abstrus auch manches klingen mag. Woran wir dringend noch arbeiten müssen ist die Veränderung der Sprache, denn alleine dadurch, dass Berufe immer z. B. Industriekaufmann hießen und nicht Industriekauffrau haben uns die Männer unterdrückt. Die sprachliche Vernichtung der Frau konnte so nicht weitergehen. Die Sprache muss sich ändern, damit sich die Machtverhältnisse ändern.

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Gut – mir persönlich hat es nichts ausgemacht, Betriebswirt zu sein, ich habe es als Berufsbezeichnung gedeutet und nicht als männliches Attribut oder gar als Macht des Mannes über mich. Jetzt muss ich Betriebswirtin sagen, sonst kratzen mir die Frauenrechtlerinnen die Augen aus, dieser Macht habe ich mich jetzt zu unterwerfen.. Aber ich will nicht zwangsbevormundet sein, wo bleibt meine freie Entscheidung? Ich bleibe Betriebswirt. Unsere neue Sprachgerechtigkeit bringt vor allem mit sich, dass viel mehr Text geschrieben werden muss. … Die Vorsitzende/der Vorsitzende … der Kassenwart/die Kassenwartin (falsch, die weibliche Form wird immer zuerst genannt!). Die Gleichstellungsstelle schreib uns das vor. Mittlerweile werden viele männliche Worte in weibliche umgewandelt und werden auch benutzt: Die Gästin neben dem Gast, die Mondin statt der Mond. Alles muss weiblich werden, eine neue Sprache muss dringend her. Leider erwischte es nicht nur gender-zugeordneten Hauptworte, nein, das ist nicht genug, auch einige mit dem sächlichen, definiten Artikel das ausgestatteten Worte müssen daran glauben, niemand hat sie gefragt, sie können sich nicht wehren. Feministische Sprachwissenschaftlerinnen diskutierten schon Ende der 70ger über Änderungen. Das Wort Mitglied missfiel ihnen wegen zu starker Anklänge ans männliche Sexualorgan. Es sollte durch eine weibliche Variante ergänzt werden. Vorschläge waren unter anderem Ohneglied, Mitklitoris oder, kür-

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zer, Mitklit. Letzteres ähnelt genuschelt ausgesprochen immerhin der Ursprungsversion. Dem Germanistenverband war das zu genitalfixiert. Er entschied sich für eine intuitive Lösung: Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder. Wie das Wort Verband in eine weibliche Form gebracht wird, ist noch nicht geklärt. Ich muss die dringend anschreiben und meinen Vorschlag, die Verbande, übermitteln. Was für eine Arbeit wird das Justizministerium mit den Gesetzestexten haben. Die Hauptschwierigkeit, liegt vor allem darin, einen geschlechtergerechten und trotzdem lesbaren Text zu verfassen. Kann ich mir gut vorstellen! Evangelische Theologen erarbeiteten vor einigen Jahren eine Bibel in gerechter Sprache. Endlich schreibt mal jemand (eine jemandin?) das Buch der Bücher so, wie es wirklich damals war. Endlich wird das Buch der Bücher zur Bücherin der Bücherinnen! In der gender-gerechten Bibel wird aus Herrlichkeit zumeist Glanz, wegen der Silbe Herr. Die stammt zwar vom Adjektiv hehr - erhaben -, aber sicher ist sicher. Gott ist in dieser Bibel wahlweise weiblich oder männlich, mal die Lebendige oder schlicht Ich-bin-da. Das Geschlecht wechselt beständig, auch im selben Satz. Das führt zu rätselhaften Aussagen: Er ist ein Krieger; sein Name ist Sie (Buch Exodus). Das sogenannte Binnen-I (die VerbraucherIn), ist umstritten, weil es von der Existenz zweier klar bestimmbarer Geschlechter, nämlich Männern und Frauen, ausgeht. Das dritte Gender darf nicht vergessen werden.

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Eine weitere Lösung wäre das Gender-Gap, wie es unter anderem im Zentrum für Geschlechterstudien der Berliner Humboldt-Universität praktiziert wird: Die Gender Studies freuen sich über Student_innen aus dem ... Ausland.' Dagegen spricht sich jetzt wieder eine deutsche Philosophin aus (den Namen lasse ich hier außen vor), denn die Leerstelle im Wort schlage in ihr dialektisches Gegenteil um und verweise im Sinne der Unterstrichvariante auf Menschen, die gesellschaftlich und strukturell unsichtbar gemacht werden. Wobei nicht geklärt ist, ob das auch jeder Leser (oh, Verzeihung, jede Leserin und jeder Leser) versteht. Die grüne Jugend in Hessen setzt auf den Genderstar: Ein Feiertagsgesetz, womit jede(*)r leben kann. In den diversen Genderzirkeln ist der letzte Schrei das Dynamische Gendern. Man setzt einen Unterstrich irgendwo im Wort (Fem_inistinnen). So wird hervorgehoben, dass es nicht einen festen Ort gibt, an dem ein Bruch in Zweigenderung stattfindet, wie es in einem Blog heißt. Die Universität Köln empfiehlt in ihrem Leitfaden ÜberzeuGENDERe Sprache, den geschlechterunsensiblen Bürgersteig durch einen Bürger(*)innensteig zu ersetzen. Aus ausländerfeindlichen Sprüchen sollen diskriminierende Sprüche gegenüber Personen mit Migrationshintergrund werden. Ob das nicht zu umständlich wäre? Ich hätte da eine Lösung: Ich biete Menschen, die sich nicht zwischen Genderstar(*), Binnen-I oder einer der anderen Möglichkeiten entscheiden können, eine Bastelanleitung für einen

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Würfel. Einfach beschriften, dann kann jede/jeder die unterschiedlich korrekte Form auswürfeln. Aber viele der ach so gendersensiblen Frauen bleiben in manchen Fällen gerne bei dem traditionellen Männlichen, nämlich dann, wenn es um negative Eigenschaften geht: Das Böse ist männlich! Es gibt Gewalttäter, die Gewalttäterinnen sind eine Rarität im Sprachgebrauch. Es gibt Antisemiten, haben Sie schon einmal von einer Antisemitin gehört? Gesetze müssen umgeschrieben werden, vor allem das Strafgesetzbuch. Es ist dringend notwendig, dass jedem Täter auch eine Täterin zur Seite gestellt wird! In Europa tobt die Krise, aber das EU-Parlament hat andere Sorgen: Sexistische Formulierungen sollen auch in den Veröffentlichungen des EU Parlaments verschwinden. Dazu hat die Parlamentsverwaltung jetzt eine 16-seitige Broschüre vorgelegt: Geschlechtergerechter Sprachgebrauch beim Europäischen Parlament. Sie soll Dolmetschern und Politikern als Leitfaden dienen für eine geschlechtergerechte Ausdrucksweise.

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Die Frauenrechtlerinnen sind mit ihrer Arbeit noch lange nicht fertig, ich habe auch einige persönliche Anliegen: Mich ärgert es sehr, dass bei den Fußgängerampeln nur ein Ampelmännchen zu sehen ist und kein Ampelfrauchen. Ich finde das sexistisch. Wir sollten neben den bisher aufgestellten Ampeln noch welche mit Ampelfrauchen aufbauen, sonst werde ich mich in Zukunft weigern, bei Grün über die Straße zu gehen. Allerdings sollten sich die Ampelfrauchen von den Ampelschotten deutlich unterscheiden. Nicht dass wir uns beim Überqueren der Straße an die Männer mit Kilt halten .

Ich will auch nicht mehr, dass das Salz des Lebens aus einem Salzstreuer kommt, es sollte eine Salzstreuerin sein. Kommen wir von der Sprache zur Zwangsquote. Also liebe Frauen, die Frauenrechtlerin wollen, dass ihr alle – aber auch alle – Posten dieser Welt mindestens mit 50% besetzt. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob Frauen das wollen, wir haben den Frauenrechtlerinnen zu gehorchen. Ist die Zwangsquote nicht irgendwie Planwirtschaft durch die Hintertür und auch Bevormundung? Und jetzt zum Sport. Es ärgert mich ungemein, dass viel mehr Männer Fußball spielen als Frauen. Auch hier muss die Zwangsquote endlich greifen. Wenn das mathematische Verhältnis zwi-

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schen Frauen- und Männermannschaften nicht ausgeglichen ist, müssen einige Männermannschaften diesen Sport aufgeben. Worauf ich sehr stolz bin, ist der Saarbrücker Frauenlauf'. Weg mit den Kerlen, denn, wie auf dem offiziellen Logo zu sehen ist, laufen da nur Langhaarige, nackt und barfuß. Ich bin der Meinung, es sind Abbildungen von Frauen beim Wettlauf um den Thron von Germany‘s next Topmodel. Oder laufen sie den Männern nach, die sich sicherlich in nicht allzu ferner Zukunft auf eine Insel zurückziehen werden? Denn wo bleiben ihre Rechte? Männer sind z. B. im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ausgegrenzt, nicht eine Erwähnung ihrer Existenz wert. Deshalb sollte es den Namen tragen: Ministerium für alle, außer Männer oder alternativ Ministerium für alle, die nicht rückwärts einparken können". Lasst uns den Kampf für Rechte der Frauen in die Länder tragen, in die er gehört - und nicht in die Lächerlichkeit. 3. November: Weltmännertag 19. November: Internationaler Männertag

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Der Orangenkrieg - wie aus einer Mücke ein Elefant wird Satire ISBN 978-3-944306-08-7 Seitenzahl: 96 € 6,50 Auch als E-Book für 1€ erhältlich Was passiert, wenn sich ein Ehepaar scheiden lassen will. Nur so, aus Spaß, weil es ihnen wie ein Abenteuer erscheint, eine Abwechslung in ihrem Ehealltag bedeutet. Während Olivia und Lukas verliebt wie eh und je diesen Schritt geplant in Angriff nehmen und so gar keine Probleme damit haben, lösen sie in ihrem sozialen Umfeld, ja sogar in der halben Welt ein Chaos aus. Der Grund dafür sind ihre 16 Orangenbäumchen, die sie selbst gezogen haben aus einer wohl nicht ganz ungefährlichen Orange aus Málaga.

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Bur-Verlag

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Verzeichnis: Redaktion, Autorinnen und Autoren

Anne Adam Verlegerin, Redakteurin Kontakt: anne.adam@sawa-magazinverlag.de

Bodo Bickelmann Autor Kontakt: bodobickelmann@web.de

Jörg Bur Jahrgang 1966, Kontakt: info@bur-verlag.de www.bur-verlag.de

Susanna Bur Jahrgang 1953 Redakteurin, Betriebswirtin, Malerin, Fotografin, Autorin Kontakt: literarischerkreissaar@gmail.com www.bur-verlag.de

Birgit Burkey Autorin, Poetin Kontakt: b.burkey@t-online.de

Dr. Andreas Hämer Geb. 1948, im Ruhestand seit 7/2009 Kontakt: a24haemer@gmail.com

Dolly Hüther Autorin Kontakt: dollyhuether@web.de www,dollyhuether.de

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Dolly Hüther Autorin Kontakt: dollyhuether@web.de www,dollyhuether.de

Josiane Orlane Französische Poetin Kontakt: www.jardindespoetes.fr

Andrea Pfeiffer Jahrgang1963 Assistentin der Geschäftsführung Kontakt: combox@t-online.de

Dr. Christine Reiter Jahrgang 1955 Geboren und aufgewachsen in Saarlouis Dozentin in der Erwachsenenbildung im Fachbereich Deutsch Gründerin von CTM LeseKultur. Institut für sprachliche und literarische Bildung Kontakt: www.lese-kultur.com

Heinz-Josef Scherer Dipl.-Soziologe/Systemischer Therapeut und Berater Autor, Poet Kontakt: Literarischer Kreis Saar Jozsy@web.de

Stefan Weigand Jahrgang 1987 Redaktion, Layout Kontakt: info@bur-verlag.de, www.bur-verlag.de

Barbara Würtz Malerin, Grafikerin, Autorin, Kaligrafin Veröffentlichung von Haiku und Geschichten Kontakt: bee.wuertz@gmail.com

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Sie lieben die Saar, wir auch! ISBN 978781482-3260000 Print: 120 Seiten, 15,89€ Amazon.de auch als E-Book erhältlich, € 4,89 Begleiten Sie uns auf einer außergewöhnlichen Reise durch das Land rechts und links der Saar. Emotionale Geschichten und Gedichte saarländischer sowie elsass-lothringischer Autorinnen und Autoren wurden zusammengetragen und mit persönlichen Fotografien umrahmt. Entstanden ist dabei dieses sehr unterhaltsame literarische Werk für alle Menschen, die sich dem Saarland und Elsass-Lothringen verbunden fühlen und alle, die es werden wollen. www.literarischerkreissaar.wordpress.com

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Schreiben Sie gerne? Wir auch! Und deshalb laden wir Sie ein, sich dem

Literarischen Kreis Saar anzuschließen. Wir treffen uns jeden Samstag von 17-19 Uhr im Raum 17 des alten Rathauses am Schloßplatz in Saarbrücken. Ausgenommen sind Feiertage. Mehr Information zum LKS finden Sie auf unserer Website www.literarischerkreissaar.wordpress.com und im Programm der vhs -Saarbrücken, Kurs 2115

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