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VON CHANCEN UND MISSBRAUCHSGEFAHR
ZUR PERSON
JOSEF URSCHITZ ist Wirtschafts kolumnist bei der Tageszeitung „Die Presse”. eine Sorge bei künstlicher Intelligenz ist die existenzielle Bedrohung der Menschheit”, sagte Google-Ex-Chef Eric Schmidt neulich. Und: „Wir verstehen die Auswirkungen nicht, die ein solches Maß an Intelligenz mit sich bringt”. Der Mann weiß, wovon er spricht: Google gehört zu den Pionieren bei der Entwicklung selbstlernender Systeme und setzt diese –etwa bei seiner Suchmaschine oder in Google Maps – bereits umfassend ein.
MKI-Systeme unter Kontrolle zu halten ist eine der großen Herausforderungen der Zukunft. Dazu braucht es dringend eine klare Regulierung.
Und Schmidt ist mit seinen Bedenken nicht allein: Viele Tech-Größen, von Elon Musk bis Bill Gates, haben in jüngster Zeit sehr ernst vor der Entwicklung gewarnt und eine vernünftige Regulierung gefordert.
Das scheint vielen noch übertrieben. KI ist bisher eine Sache, die uns vor allem das Leben erleichtert. Etwa durch ihren Einsatz in Suchmaschinen, in Smart Home-Systemen, in Auto-Sicherheitssystemen und so weiter. Sie hat zwar durch selbstlernende Textsysteme wie etwa ChatGPT eine neue Qualität erhalten und sie wird zahlreiche Berufsfelder, die derzeit fast zu 100 Prozent auf „Manpower” basieren – vom Journalismus bis zur Steuerberatung – dramatisch verändern. Aber eine existenzielle Bedrohung für die Menschheit?
Das scheint vielen heute noch übertrieben. Die Entwicklung befindet sich ja in einem sehr frühen Stadium. Aber die ersten Gefahren zeigen sich schon am Horizont: Wenn KI-Systeme selbsttätig Fotos und Videos so überzeugend fälschen können, dass das nur noch Spezialisten auffällt und Texte so abfasst, dass man einen Menschen dahinter vermuten muss (was derzeit schon der Fall ist), dann ist die Missbrauchsgefahr, etwa für politische Desinformationskampagnen, schon sehr groß.
Das eigentliche Problem scheint aber zu sein, dass die Entwicklung sehr stark im militärischen Bereich passiert. Dass also die Kriegsführung zunehmend auf KI-basierten Robotiksystemen beruht.
Wenn so etwas außer Kontrolle gerät, dann ist die Schmidt-Definition der existenziellen Bedrohung („die Tötung vieler, vieler, vieler Menschen”) eine sehr reale Gefahr. Von einem Szenario, in dem KI-Systeme sich autonom gegen ihre Erfinder wenden, sind wir zwar noch sehr weit entfernt, aber wenn sich ausgerechnet die Entwickler solche Sorgen machen, dann sollte man die sehr ernst nehmen. Es geht darum, solche Systeme unter Kontrolle zu halten. Dazu braucht man Regulierung, die die Politik am besten zusammen mit den beteiligten IT-Unternehmen ausarbeiten sollte. Und nicht so freidrehend, wie das derzeit die EU tut, deren Pläne den ChatGPT-Entwickler bereits über einen Rückzug aus Europa nachdenken lassen.
Die Büchse der Pandora ist geöffnet. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Und zu riskieren, hier von den USA und China einfach abgehängt und links liegen gelassen zu werden, kann sich Europa nicht leisten. Denn eines ist auch klar: KI wird nicht nur Berufsfelder, sondern auch die Geopolitik kräftig verändern.
Finanzminister