KPMG Gesundheitsbarometer – 02/2023

Page 1

Gesundheitsbarometer

Gemeinsam: Synergien nutzen

Teilen: Gesundheitsdaten nutzbar machen

Kooperationen: Neue Wege gehen

Zielsetzung: Eine optimale Gesundheitsversorgung

Das Gesundheitsbarometer

Mit dem KPMG-Gesundheitsbarometer, unserem großen Fachmagazin, fördern wir seit über fünfzehn Jahren regelmäßig den fachlichen Austausch in der spannenden und komplexen Gesundheitswirtschaft.

Dabei konnten wir bereits zahlreiche impulsgebende Perspektiven hochkarätiger Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Forschung kennenlernen.

Wir erreichen rund 9.000 interessierte Leserinnen und Leser aus allen Bereichen der Gesundheitsbranche.

Jede Ausgabe des Gesundheitsbarometers beleuchtet ein Thema im Fokus. Während die letzte Ausgabe den

Über diese Ausgabe

Digitale Plattformen prägen unser privates und berufliches Leben und zunehmend auch die Gesundheitsbranche. Die Vorteile liegen dabei auf der Hand: So haben Patientinnen und Patienten verbesserte Zugangsmöglichkeiten auf Gesundheitsdaten und -leistungen, eine Informationskontinuität kann durch effizientere Kommunikationskanäle gewährleistet und gefördert werden. Die telemedizinische Leistungen können ortsunabhängig angeboten werden. Auch für die Anbieter von Gesundheitsleistungen bieten sich Vorteile, wie die Möglichkeit auf größere Datenmengen zur Forschung und Analyse zugreifen zu können oder innovative Präventions- und Gesundheitsförderungsangebote zu ermöglichen. Durch digitale Plattformen können Unternehmen des Gesundheitswesens in einfachster Weise an ihre Kundinnen und Kunden herantreten Digitale Plattformen sind durch all diese Vorteile zukunftsweisend im Hinblick auf neue Geschäftsmodelle in der Gesundheitswirtschaft.

Bei der Nutzung von digitalen Plattformen kann leicht aus dem Fokus geraten, was das Handeln aller Beteiligten verbindet. Durch das Empfangen oder das Teilen von Informationen, den Kauf oder den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen können Nutzerinnen und Nutzer jeweils auf ihre eigene Weise profitieren. Plattformen vereinfachen also das, was schon immer essenzieller Bestandteil zwischenmenschlicher Beziehung war: Kooperationen.

Die Bedeutung von Kooperationen und Plattformen im Gesundheitswesen nimmt immer weiter zu, angetrieben durch die Digitalisierung und innovative Technologien sowie durch den steigenden Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen. Kooperationen und Plattformen sind also entscheidend, um die Herausforderungen der Gesundheitsbranche in der Zukunft zu bewältigen. Diese Ausgabe des Gesundheitsbarometers widmet sich daher der Frage, wie verschiedene

Schwerpunkt auf den Strukturwandel gelegt hat, richtet die vorliegende Fassung den Fokus auf Kooperationen und Plattformen.

Sie möchten regelmäßig über aktuelle Themen der Gesundheitsbranche informiert werden? Abonnieren Sie gerne unser Gesundheitsbarometer kostenfrei als Print- oder Onlineexemplar.

www.kpmg.de

Beteiligte aus dem Gesundheitswesen die entstehenden Chancen realisieren, welchen Herausforderungen sie dabei begegnen und wie sie diese bewältigen.

Das Thema digitale Ökosysteme wird in einem Fachbeitrag von Axel Schulz beleuchtet. Er ist Program Manager ART Basic Infrastructure bei der gematik und äußert sich auch über die in der Digitalstrategie des Bundesgesundheitsministeriums geplante Weiterentwicklung der gematik.

In einem Interview mit Vera Lux, Pflegedirektorin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), werden die Themen Plattformen und Kooperation aus der Perspektive der Pflege betrachtet, während Michael Hübner, Bereichsleiter der ambulanten Versorgung der BARMER, die Sichtweise der gesetzlichen Krankenkassen darlegt.

Mark Dominik Alscher berichtet von seiner Arbeit als Geschäftsführer des Bosch Health Campus und Professor an der Universität Tübingen und verrät dabei unter anderem, wie eine effektivere Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis gelingen kann und welche Forschungsbereiche zukünftig an Relevanz gewinnen werden.

Aus dem Verwaltungsrat der INTLAB AG erzählen Marina Martini und Kai Heib über die Chancen und Herausforderungen digitaler Gesundheitsanwendungen. Henrik Matthies, Gründer und CEO von Honic, erläutert, wie der Austausch von Daten zu einer besseren Versorgungsqualität führt.

Alexia Zurkuhlen berichtet von ihrer Arbeit als stellvertretende Vorsitzende des Netzwerks Deutscher Gesundheitsregionen und Leiterin des gewi-Instituts. Die Potenziale von Kooperationen im ambulanten Bereich werden in einem Interview mit Geschäftsführer Nils Grave von der ZG Zentrum Gesundheit GmbH thematisiert.

/ gesundheitsbarometer GESUNDHEITS BAROMETER 0 2 / 2023 2 © 2023 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser, mit Kooperationen und Plattformen werden zwei bereits heute wichtige Themen in der Gesundheitsbranche zukünftig noch weiter an Bedeutung gewinnen. Diese werden daher auch vom Bundesgesundheitsminister als zukunftsweisende Themen gesehen und spielen bei aktuelleren Reformvorhaben, wie der Krankenhausreform oder der Digitalisierungsstrategie, eine bedeutende Rolle, um das deutsche Gesundheitssystem zukunftssicher zu gestalten und die Versorgungsqualität und -sicherheit zu steigern.

Die rasante Entwicklung von Technologie und der Einsatz von digitalen Lösungen hat einen tiefgreifenden Einfluss auf die Art und Weise, wie Menschen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen erhalten, aber auch wie wir grundsätzlich Gesundheitsversorgung betrachten, organisieren und erleben. In diesem Vorwort möchte ich Ihnen einen Überblick über die Themen geben, die Sie in dieser Ausgabe erwarten.

Kooperationen können mit unterschiedlichen Zielen entstehen. Durch kurzfristige Kooperationen kann der Informationsaustausch gesteigert werden und zum Beispiel eine sichere medizinische Versorgung gewährleistet werden. Durch langfristig angelegte Kooperationen, wie etwa bei der Krankenhausreform, können neue Geschäftsmodelle entstehen. Kooperationen können als strategische Allianzen für ein bestimmtes Thema dienen oder sich auf vertraglich geregelte Bereiche beziehen. Eines haben aber alle Modelle gemeinsam: Nur durch die Zusammenarbeit und Kooperation von allen Stakeholdern und allen Bereichen kann eine zukunftsorientierte und sichere Versorgung geschaffen werden.

Insbesondere vor dem Hintergrund der fortschreitenden digitalen Transformationen des Gesundheitswesens spielen Kooperationen eine bedeutende Rolle, da die Komplexität der digitalen Transformation sich oft nur durch Zusammenarbeit mit starken Technologiepartnern und deren Plattformen bewältigen lassen. Wir zeigen in dieser Ausgabe, wie durch diese Vernetzung über Plattformen neue digitale Ökosysteme entstehen.

Der technologische Fortschritt schafft neue Möglichkeiten für Plattformen und neue Kooperationsmöglichkeiten. Traditionelle Grenzen zwischen Leistungserbringern, Kostenträgern und der Pharma- und Medizintechnikindustrie verschwimmen. Durch den Einsatz fortschrittlicher Plattformen und den

Austausch von Daten können neue branchenübergreifende Geschäftsmodelle gemeinsam entwickelt werden. Von telemedizinischen Lösungen bis hin zu elektronischen Patientenakten – wir erkunden eine Vielzahl erfolgversprechender Plattformmodelle, die eine personalisierte und koordinierte Versorgung ermöglichen.

Ein weiteres Thema, dem wir uns widmen, sind die verschiedenen Formen der Kooperationen. So können Kooperationen zwischen Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen dazu beitragen, Ressourcen zu bündeln, Spezialisierungen zu fördern und die Qualität der Versorgung zu verbessern. Zusammenarbeit zwischen der pharmazeutischen Industrie und Forschungseinrichtungen ermöglicht innovative Therapien und neue Behandlungsmöglichkeiten.

Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass Kooperationen und Plattformen im Gesundheitswesen auch mit einigen Herausforderungen einhergehen. Datenschutz und Datensicherheit sind beispielsweise zentrale Aspekte, die bei der Entwicklung und Nutzung digitaler Plattformen berücksichtigt werden müssen. Auch die Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen und die Integration von neuen Technologien in bestehende Strukturen stellen oft eine Herausforderung dar. Es lohnt sich aber, diesen Herausforderungen zu begegnen, denn ich bin überzeugt, dass wir durch Zusammenarbeit und Innovationsgeist den Weg zu einer vernetzten und effizienten Gesundheitsversorgung ebnen können.

Ich wünsche Ihnen inspirierende Kooperationen, zukunftsfähige Plattformen und die richtigen Ansprechpersonen und Partnerunternehmen, um die neuen Möglichkeiten zu nutzen.

Viel Freude beim Lesen der neuen Ausgabe des Gesundheitsbarometers zum Thema Kooperationen und Plattformen.

3 EDITORIAL © 2023 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by
Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis

06

Alle Inhalte auf einen Blick SCHWERPUNKT 08 Interview: Open Source und Telematikinfrastruktur 2.0 14 Interview: Personalmangel in der Pflege 18 Interview: Mehrwert generieren mit Campuskonzepten

28 Interview: Gesetzliche Krankenkassen im Wandel

34 Interview: Daten sind die Grundlage für moderne medizinische Forschung 40 Interview: Stark durch regionale Netzwerke 46 Interview: Kooperationen im ambulanten Bereich

KPMG LAW

56

Fachbeitrag / Interview: Flächendeckende Ersthelfer-App

KOLUMNE 64 Digitalisierung im Gesundheitswesen

22 Interview: Personalisierte Gesundheitsleistungen durch genprofiladaptierte Medikamententherapien

52 Interview: Durch Standardisierung können IT-Einzellösungen überwunden werden

4 GESUNDHEITS BAROMETER 0 2 / 2023 © 2023 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft
KPMG-Organisation
Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by
nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen
unabhängiger
Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
52 56 08 14 34 22 40 46 18 28 5 INHALTSVERZEICHNIS © 2023 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.

Alle Inhalte auf einen Blick

Open Source, die TI 2.0 und die Zukunft der elektronischen Patientenakte

Seite 08

Personalmangel in der Pflege und wie mit den Herausforderungen umgegangen werden soll

Seite 14

Schaffung von Synergien zwischen Forschung, Technik und Patientenversorgung

Seite 18

Branchenübergreifendes Agieren an der Schnittstelle zwischen Pharmakologie, Medizininformatik und Gentechnologie

Seite 22

Die Nutzung digitaler Plattformen und elektronischer Patientenakten der gesetzlichen Krankenkassen

Seite 28

Plattformen für Gesundheitsdaten als Grundlage moderner Medizin

Seite 34

GESUNDHEITS BAR OMETER 02 / 2023 6 © 2023 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.

Regionale Netzwerke im Gesundheitswesen für mehr Innovation und eine bessere Versorgung

Smartphone-basierte Alarmsysteme für schnelle Reanimationsmaßnahmen

Seite 40

Seite 56

Chancen und Herausforderungen von Private Equity im ambulanten Bereich

Seite 46

Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung der Bundeswehr

Seite 52

ALLE INHALTE AUF EINEN BLICK 7 © 2023 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.

Axel Schulz, Program Manager (ART Basic Infrastructure) der gematik im Gespräch mit Axel Bindewalt, Head of Healthcare und Julia Kaub, Partnerin Healthcare, beide KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Open Source und Telematikinfrastruktur 2.0

SCHWERPUNKT INTERVIEW
Kooperationen und Plattformen von und in der gematik 8 GESUNDHEITS B AROMETER 02 / 2 023 © 2023 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.

Die gematik setzt in Sachen Transparenz und Zusammenarbeit explizit auf eine Open-SourceKultur. Wie wird diese Kultur intern und extern gestaltet und welche Vorteile ergeben sich daraus?

Unsere Open-Source-Kultur ist noch nicht sehr alt. Die ersten Schritte haben wir mit der Corona-Warn-App gemeinsam mit den Entwickler:innen von SAP gemacht. Wir haben auf GitHub1 die Aufgaben eingeteilt und aus diesem Projekt ist unser internes Open Source Program Office (OSPO) entstanden. Nun möchten wir unsere Prozesse und Werkzeuge für eine Open-Source-Kultur intern etablieren und anschließend nach außen tragen. Die Werkzeuge adressieren Aufgaben wie die Verwaltung der GitHub-Accounts, die Sicherstellung einer Lizenz-Compliance oder die Administration in GitHub. In Workshops vermitteln wir die Open-Source-Kultur auch an andere, die an der Entwicklung beteiligt sind. Gleichzeitig möchten wir ihnen hierbei zeigen, wie durch Open Source die Qualität bei der Softwareentwicklung erhöht und die Geschwindigkeit gesteigert werden kann.

Die Grundidee einer Plattform –die Bereitstellung von Basisdiensten, die durch Dritte ergänzt werden können – wird künftig auch in vielen Aspekten des Gesundheitswesens eine Rolle spielen.

Plattformen werden immer relevanter für die Vernetzung von Unternehmen und Institutionen. An welchen Plattformen ist die gematik bereits beteiligt und welche Potenziale ergeben sich künftig aus ihnen?

In der Entwicklung sind wir auch extern an verschiedenen Open-Source-Aktivitäten beteiligt. Beispielsweise bei Kyklo2, wo wir selbst auch Patches einstellen, um den Quellcode zu verbessern. Bei Jenkins 3 sind wir im Build-Service involviert, wo wir ebenfalls die Software verbessern. Wir sind auch auf Simplifier4 , einer Plattform, auf der wir viel von unserer Arbeit online

bereitstellen. Für das Deutschen NotfallvorsorgeInformationssystem (DeNIS) haben wir eine Testplattform aufgebaut, über die wir Laboren und Interessierten eine Möglichkeit der Vernetzung bieten. Die Grundidee einer Plattform – die Bereitstellung von Basisdiensten, die durch Dritte ergänzt werden können – wird künftig auch in vielen Aspekten des Gesundheitswesens eine Rolle spielen. Wir werden auch hier in Zukunft eine gestaltende Rolle einnehmen und durch den Open-Source-Ansatz Plattformen bereitstellen.

Durch eine enge Zusammenarbeit mit Communitys von Entwickler:innen möchte die gematik an Innovationen teilhaben und bei Produkten ein hohes Maß an Sicherheit und Qualität sicherstellen. Welche Aspekte sind bei diesen Kooperationen besonders relevant?

Für uns ist wichtig, dass wir frühzeitiges Feedback zu unseren Entwicklungen bekommen. Die meisten Anwendungen, die wir betreuen, sind als Open Source verfügbar. Das E-Rezept ist ein schönes Beispiel, wo wir ein frühzeitiges Feedback bekamen, wie wir den Code besser und sicherer machen können und welche weiteren Funktionalitäten noch möglich wären. Ähnlich verlief es beim Referenzvalidator 5 , den wir als Open Source zur Verfügung stellten und bei dem wir noch am selben Tag den ersten Änderungsvorschlag, einen sogenannten Pull Request, erhalten haben. Diese Feedbacks gehen natürlich auch in unsere Qualitätssicherung mit ein. Wir sehen, dass diese Interaktion stark gewünscht wird und wir haben den Vorteil, dass viele Verbesserungen an unseren Entwicklungen aus der Community angestoßen werden.

Inwiefern profitieren die Communitys von der Zusammenarbeit mit der gematik?

Ich glaube, wir haben viele kluge Köpfe bei uns und draußen gibt es auch viele kluge Köpfe. Durch ein gemeinsames Arbeiten kann sehr viel Gutes entstehen. Wenn wir einen Vorschlag machen, zum Beispiel durch eine App-Entwicklung, dann kann die Community viel in die Zusammenarbeit einbringen, wir können dadurch aber auch viel zurückgeben. In dieser Form sind wir beispielseise auf der Plattform GitHub aktiv. Wir halten auch Fachkonferenzen und Vorträge, um Wissen an die Community zurückzugeben.

1 GitHub: Netzbasierter Dienst zur Verwaltung von Softwareversionen in Entwicklungsprojekten.

2 Kyklo: Produktinformations- und E-Commerce-Plattform für B2B-Händler und Hersteller.

3 Jenkins: Open-Source-Server, der bei der Softwareerstellung unterstützt.

4 Low-Code-Plattform, mit deren Hilfe und ohne großen Programmieraufwand integrierte Unternehmensanwendungen entwickelt und bestehende Systeme integriert werden können.

5 Referenzvalidator: Überprüft, ob ein Datensatz den Vorgaben entspricht.

SCHWERPUNKT
9 © 2023 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft,
eine
Aktiengesellschaft
nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.

Durch ein gemeinsames Arbeiten kann sehr viel Gutes entstehen. Wenn wir einen Vorschlag machen, zum Beispiel durch eine App-Entwicklung, dann kann die Community viel in die Zusammenarbeit einbringen, wir können dadurch aber auch viel zurückgeben.

Mit KIM und TIM bietet die gematik eine Plattform und einen Messenger an, die das Versenden von gesundheitsbezogenen Daten und Informationen sowie die Kommunikation ermöglichen. Welche zukünftigen Möglichkeiten sehen Sie mit den Anwendungen und was sind ihre Ziele?

KIM steht für Kommunikation im Medizinwesen und ist der erste etablierte sektorenübergreifende Kommunikationsdienst. Für die Zukunft sehen wir viele Anwendungsfälle im Bereich der Pflege, etwa für den

Versorgungsplan oder die Pflegeabrechnung. Hier können Verwaltungsvorgänge beschleunigt werden. Die Anwendung des E-Rezeptes ermöglicht eine leichtere Heimversorgung, etwa wenn Folgerezepte nicht vor Ort in der Praxis ausgestellt werden müssen, sondern via App an den Patienten oder die Patientin gehen. Auch Genehmigungsverfahren etwa bei einer Anschluss-Reha können durch digitale Lösungen beschleunigt werden. Wir können also Verfahren in der Verwaltung beschleunigen und den Austausch von Befunden in größerem Maße unterstützen.

TIM, eine Kurzform für Telematikinfrastruktur-Messenger, hingegen ist eher für die Ad-hoc-Kommunikation, ähnlich wie andere Messenger-Dienste, geeignet. Möchte ich mich als Arzt etwa zu einem konkreten Fall mit einer Kollegin austauschen, dann kann ich ihr den Fall schildern, Bilder versenden und bekomme eine schnelle Antwort. TIM kann also als Ergänzung zu KIM verstanden werden. Hier wollen wir die Kommunikation zwischen Leistungserbringenden weiter unterstützen, in einem nächsten Schritt sollen auch Versicherte in diese Kommunikation eingebunden werden. Der Weg zur Telemedizin ist dann nicht mehr weit.

10 GESUNDHEITS B AROMETER 02 / 2 023 © 2023 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft
nach
deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG
International Limited,
einer
Private English
Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.

Die Telematikinfrastruktur (TI) ist die Plattform für Gesundheitsanwendungen in Deutschland, mit der TI 2.0 ist eine Weiterentwicklung geplant. Was soll die TI 2.0 leisten können?

Die TI 2.0 wird nicht mit dem großen Knall kommen, sondern wir werden zu bestehenden Angeboten Zusatzangebote schaffen, sodass eine kontinuierliche Migration stattfindet. Mit der Weiterentwicklung wollen wir zum Beispiel digitale Identitäten parallel zur elektronischen Gesundheitskarte für Versicherte einführen, außerdem wollen wir einen konnektorlosen Zugang in die TI über ein sogenanntes TI-Gateway bereitstellen, sodass Ärztinnen und Ärzte künftig nicht mehr mit ihren Konnektoren arbeiten müssen. Es sind viele kleine Schritte, die wir gehen wollen, um von einer hardwarebasierten hin zu einer softwarebasierten Umgebung zu kommen, die sowohl Versicherte als auch Leistungserbringende unterstützen kann, indem wir eine moderne Sicherheitsarchitektur bereitstellen. Am Ende sollen Leistungserbringende mehr Zeit haben, sich auf die Patientinnen und Patienten zu fokussieren und diese sollen mehr Möglichkeiten haben, ihre Daten selbstbestimmt verwalten zu können. Nicht zuletzt soll die leistungserbringende Institution die Versorgung ortsunabhängig gewährleisten können.

Am Ende sollen Leistungserbringende mehr Zeit haben, sich auf die Patientinnen und Patienten zu fokussieren und diese sollen mehr Möglichkeiten haben, ihre Daten selbstbestimmt verwalten zu können. Nicht zuletzt soll die leistungserbringende Institution die Versorgung ortsunabhängig gewährleisten können.

Können Sie hier noch auf zeitliche Meilensteine eingehen, die Sie sich gesetzt haben?

Wir haben gerade die digitalen Identitäten für Versicherte veröffentlicht und rechnen damit, dass die Kassen noch in diesem Jahr die entsprechenden Umsetzungen bereitstellen können, sodass die Versicherten digitale Identitäten bekommen können. Wir gehen davon aus, dass wir Ende des Jahres die ersten Angebote zum TI-Gateway sehen werden, sodass dann die wichtigste Grundvoraussetzung für eine Anbindung an die TI lediglich ein Internetzugang ist. Dieser ist inzwischen glücklicherweise in nahezu

jeder Praxis oder Apotheke gegeben. Bei allen anderen Entwicklungen wird man den zeitlichen Rahmen noch sehen.

Durch die elektronische Patientenakte (ePA) sollen Patientinnen und Patienten allein entscheiden können, was mit ihren Daten geschieht, zudem soll eine freiwillige Datenspende für Forschungszwecke möglich sein. Wie läuft diese Bereitstellung ab und welche neuen Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich daraus?

Im Moment darf nicht einmal der Betreiber einer Patientenakte Zugriff auf die Daten haben, es gelten also hohe Sicherheitsstandards. Die Daten, die von dem oder der Versicherten aus der ePA für die Forschung bereitgestellt werden, werden pseudonymisiert und dem Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) übergeben. Diese Daten können dann für Forschungszwecke verwendet werden. Wir liefern also die Daten entsprechend der Datentransparenzverordnung in einem anonymisierten Topf. Die Patientinnen und Patienten können jederzeit ihre Zustimmung geben oder widerrufen.

Die Möglichkeiten, die sich für die Forschung daraus ergeben, sind enorm. Es gibt klinische Studien, bei denen nur noch auf die Bereitstellung der Daten gewartet wird, um eine statistische Auswertung der verschiedenen Indikationen, der verbundenen Medikationen und der geografischen Aspekte vornehmen zu können. Auch intern entwickeln wir User Journeys, um Anhaltspunkte zu finden, wo die Daten genutzt werden können, etwa bei der Prävention, um die Versorgung zu verbessern. Dann lässt sich nicht nur sagen, wie viele Menschen im Alter von über 60 Jahren Kehlkopfkrebs bekommen, sondern wir können Erkenntnisse für die Wirksamkeit von Anwendungen gewinnen.

Für die ePA ist zudem ein Opt-out-Verfahren geplant. Im Ausland gibt es hiermit unterschiedliche Erfahrungen. Wovon hängt Ihrer Meinung nach eine erfolgreiche Umsetzung ab?

Der kritischste Punkt ist ganz banal, nämlich dass die Daten überhaupt in die ePA kommen. Wenn man sich diesen gesamten Entwicklungsprozess ansieht, hängt viel von den entsprechenden Implementierungen im Praxisverwaltungssystem PVS ab, worüber die Daten in die ePA eingespielt werden. In einem nächsten Schritt geht es darum, dass wir die Daten auch tatsächlich nutzen können. Zudem müssen Patientinnen und Patienten erkennen, was ihr Vorteil aus der ePA ist. Sie müssen einen möglichst einfachen Zugriff auf ihre Daten erhalten, um einzusehen, welche Daten gespeichert werden.

SCHWERPUNKT 11 © 2023 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft,
Aktiengesellschaft
eine
nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen
sind. Alle Rechte vorbehalten.

Die gematik soll im Zuge der Digitalisierungsstrategie des Bundesgesundheitsministeriums mehr Kompetenzen erhalten. Welche Kompetenzen werden hier erweitert und welche zusätzlichen Aufgaben sind damit verbunden?

Dazu kann ich noch nicht viel sagen. Wir freuen uns natürlich über das Vertrauen, das uns hier entgegengebracht wird. Wir verstehen es als Beweis für die Qualität unserer Arbeit. Alles Weitere werden wir dann im Rahmen des konkreten Gesetzes sehen.

Gibt es Kooperationen oder Plattformen im Ausland, die Sie sich auch in Deutschland zukünftig vorstellen können?

Wir haben in der gematik einen speziellen Bereich, der sich mit dem Themenkomplex Strategie und Sicherheit im europäischen Kontext auseinandersetzt. Wir blicken hier vor allem auf die skandinavischen Länder, die eine gewisse Vorreiterrolle innehaben. Wir stehen in Kontakt mit der schwedischen Digital Health Agency, die zum Beispiel in grenzüberschreitenden Dienstleistungen, wie E-Rezept oder Patient Summary, führend sind, sodass diese auch international genutzt werden können. Wir beobachten auch Finnland, wo schon 100 Prozent der Patientenakten digital verfügbar sind, wovon die Forschung stark profitiert.

Es gibt also viele Länder, die uns in verschiedenen Belangen enorm voraus sind. Es ist wichtig, nicht nur technisch, sondern auch kulturell im Austausch mit anderen Ländern in Europa zu stehen.

Darüber hinaus sind wir mit Frankreich im Kontakt, die den persönlichen Gesundheitsraum „Mon Espace Santé“ mit allen relevanten Daten ins Leben gerufen haben. Sie haben interessante Beschleunigungsstrategien für Prozesse im Gesundheitswesen publiziert, hier stehen wir in einem regelmäßigen Austausch mit

der Projektgruppe. Wir sind auch Teil eines Projektes, in dem sichergestellt werden soll, dass EU-Bürger:innen europaweit Zugriff auf ihre Daten haben. Dänemark ist ein Beispiel für die Länder, von denen wir kulturell lernen können, denn dort herrscht ein breiter gesellschaftlicher Konsens, die eigenen Daten der Forschung zur Verfügung zu stellen, da man als Patientinnen und Patienten davon profitiert. Es gibt also viele Länder, die uns in verschiedenen Belangen enorm voraus sind. Es ist wichtig, nicht nur technisch, sondern auch kulturell im Austausch mit anderen Ländern in Europa zu stehen.

Axel Schulz Program Manager (ART Basic Infrastructure) der gematik

Axel Schulz ist diplomierter Medieninformatiker und seit Januar 2023 Program Manager (ART Basic Infrastructure) der gematik GmbH (zuvor: Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH – gematik).

Axel Bindewalt Partner Head of Healthcare Deutschland KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft abindewalt@kpmg.com

Julia Kaub Partnerin Healthcare KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft jkaub@kpmg.com

12 GESUNDHEITS BAROMETER 0 2 / 2023 © 2023
KPMG
AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
SCHWERPUNKT 13 © 2023 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen
Alle Rechte vorbehalten.
sind.

Impressum

Herausgeber

KPMG AG

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Klingelhöferstraße 18

10785 Berlin

Redaktion

Julia Kaub (V.i.S.d.P.)

Partnerin Healthcare

T + 49 89 9282 - 4419

jkaub@kpmg.com

Anmeldungen / Abmeldungen / Anschriftenänderungen für die Printausgabe des Gesundheitsbarometers

Paul Haag

T +49 211 475 - 7553

phaag@kpmg.com

Weitere Informationen

www.kpmg.de / gesundheit

Sevilay Hüsman-Koecke

Director Healthcare

T +49 721 4613 - 8127

shuesmankoecke@kpmg.com

ISSN (Print) 2364 - 3145

ISSN (Online) 2364 - 3153

Paul Haag

Sector Manager Healthcare

T +49 211 475 - 7553

phaag@kpmg.com

Sie wollen regelmäßig über aktuelle Themen der Gesundheitsbranche informiert werden? Abonnieren Sie unser Gesundheitsbarometer als Print- oder Onlineexemplar. www.kpmg.de / gesundheitsbarometer

www.kpmg.de / gesundheit

www.kpmg.de / socialmedia

Die enthaltenen Informationen sind allgemeiner Natur und nicht auf die spezielle Situation einer Einzelperson oder einer juristischen Person ausgerichtet. Obwohl wir uns bemühen, zuverlässige und aktuelle Informationen zu liefern, können wir nicht garantieren, dass diese Informationen so zutreffend sind wie zum Zeitpunkt ihres Eingangs oder dass sie auch in Zukunft so zutreffend sein werden. Niemand sollte aufgrund dieser Informationen handeln ohne geeigneten fachlichen Rat und ohne gründ l iche Analyse der betreffenden Situation.

Die Ansichten und Meinungen in Gastbeiträgen sind die des Interviewten / S tudienteilnehmers / Verfassers* und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten und Meinungen von KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht.

© 2023 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Der Name KPMG und das Logo sind Marken, die die unabhängigen Mitgliedsfirmen der globalen KPMG-Organisation unter Lizenz verwenden.

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.