KLIPP September/Oktober 2020

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Wie fühlen sich sc

... am Beispiel von Emmanuel Kamdem, geb wo man sich ein bisschen behütet fühlt usw. Ich hatte keine Probleme, mich in der Welt zu bewegen. Natürlich habe ich ab und zu gedacht: Warum nicht? Aber wenn man hier Kinder hat, kommt das natürlich irgendwann zur Sprache. Den Antrag habe ich dann gemeinsam mit meinen Kindern gemacht. Ich werde alt und es ist gut, wenn sie hier auch als Österreicher leben.“

Was denkt der Beamte?

Fotos: Klipp

Der 52-jährige Emmanuel Kamdem ist beruflich viel unterwegs. „Da habe ich auf einmal am Flughafen bemerkt, gebe ich dem Beamten meinen österreichischen Pass und überlege mir dann: Was denkt der Beamte, der mich gerade kontrolliert? Was spielt sich in seinem Kopf ab? Man stellt sich sehr viele Fragen.“

E

mmanuel Kamdem entschied sich erst spät – vor ungefähr 12 Jahren – die Staatsbürgerschaft zu beantragen. „Ich selbst bin relativ schnell Österreicher geworden. Weil es hängt immer davon ab, in welcher Umgebung man sich befindet – welche Freunde, welcher Freundeskreis usw. Und ich habe einen relativ großen Freundeskreis und da fühlt man sich natürlich sehr wohl, wenn man gute Freunde hat,

Emmanuel Kamdem

Diskriminierung ist der Alltag Im Gespräch kommt Emmanuel Kamdem auch auf Anfeindungen zu sprechen. „Generell gibt es mal hier, mal da Anfeindungen – manchmal sehr offen, manchmal sehr subtil. Nicht jeder, der dich

Geboren am 15. September 1968 in Kamerun,studierte dort Jus und Politikwissenschaft und hat knapp 9 Jahre als Journalist gearbeitet. Nicht zuletzt aufgrund der politischen Situation in Kamerun (Diktatur) im September 1995 im Alter von 27 mit rund 100 anderen Journalisten und Studenten nach Europa geflüchtet. Nach einem Journalistenkongress in Graz, zu dem er eingeladen war, ist er hier geblieben und hat zu Beginn Gelegenheitsjobs gehabt, unter anderem auch beim Megaphon gearbeitet, bis er vor 20 Jahren, im Jahr 2000 den Verein Chiala (Förderung von Kultur, Diversität und Entwicklung) gegründet hat, welchen er bis heute führt. Emmanuel Kamdem ist verheiratet (Frau ist aus Senegal) und hat zwei Kinder. Von 2003 bis 2008 war er Vorsitzender des MigrantInnenbeirates Graz. Außerdem ist er im Vorstand der Europa-Afrika-Plattform „Adept“, wodurch er beruflich auch viel reist.

angrinst, meint das auch so. Viele Leute spielen ein bisschen damit. Ich möchte keine paranoiden Gefühle raustragen, aber im Großen und Ganzen ist Rassismus sehr präsent. Diskriminierung ist der Alltag – und die Fragen dazu – manchmal sehr direkt. Seit wann bist du da? Wirst du immer da bleiben? Ist dir nicht zu kalt da? Warum lässt du die gute Sonne in Afrika und quälst dich da? Natürlich wirst du auch beschimpft – auf der Straße, in der Straßenbahn. Da braucht man nur die Blicke der Menschen zu beobachten.“

mus, Neokolonialismus und Kapitalismus. Wenn man einen schwarzen Menschen sieht – okay, der ist so. Der ist ganz sicher so. Er verhält sich so. Das weiß man. Ohne jemals in Afrika gewesen zu sein.“ Natürlich freut Emmanuel Kamdem, dass „Black Live Matters“ jetzt einen Blick auf die schwarzen Menschen wirft. „Die Frage für mich ist aber: Hilft uns das? Ist das nicht peinlich? Die Politik spielt damit. Man muss korrigieren, was nicht gut läuft. Zwingen kann man niemand, aber man kann mit Bildung, mit Projekten etwas tun.“ Ein Ansatz seiner

„Nicht jeder, der dich angrinst, meint das auch so“ Auch in Afrika Rassismus „Wie gesagt, ich möchte hier jetzt keine Hysterie ausbreiten. Aber wir haben ein sehr tiefes RassismusProblem in Österreich. Ich möchte nicht damit sagen, dass jeder zweite, dritte Österreicher, den man auf der Straße trifft, ein Rassist ist. Nein. Das ist nicht der Punkt. Es gibt einen sehr großen Teil an unbewusstem Rassismus. Der Rassismus ist auch keine österreichische Geschichte, sondern eine weltweite. Auch in Afrika gibt es Rassismus. Aber von Ort zu Ort manifestiert sich das immer ein bisschen anders. Er ist in den Köpfen, in den Büros, bei den Behörden, ist in den Familien verankert, in Vorurteilen, den Klischees, den Stereotypen.“

Genaue Vorstellungen von schwarzen Menschen Im Verein „Chiala“ am Griesplatz, dort wo wir unser Gespräch führen, kommen tausende jährlich zu Beratungen. „Und ein Gutteil der Leute kommt auch wegen Diskriminierungen. Die Leute suchen eine Arbeit und bekommen manchmal die Arbeit nicht, weil sie schwarz sind, weil sie aus Afrika kommen oder bekommen eine Wohnung nicht, weil sie Afrikaner sind. Die Liste ist lang. Wir haben in Europa für schwarze Menschen genaue Vorstellungen, wie diese Leute sind. Das hat sich vor 500 Jahren entwickelt – durch Sklaverei, Kolonialis-

Meinung nach: „Man muss die Geschichte Afrikas in die Schulen bringen. Man muss die Geschichte erzählen. Sie muss in den Büchern stehen, zum Teil auch von Afrikanern geschrieben. Bildung kann da viel verändern – auch diesen weltweit anti-schwarzen Rassismus.“

Wo kommst du her? Das ist eine der entscheidenden, meist diskriminierenden Fragen. „Es gibt ja Menschen in Österreich mit schwarzer Hautfarbe, 20, 30, 35 Jahre alt, die in Österreich geboren sind. Wenn man so eine Person fragt: Wo kommst du her? Dann sagt er: Aus Österreich. Und der andere: Nein, vorher. Was ist vorher? Er war ja vorher nirgends. Er war immer da. Und dann, wenn es keine gute Antwort aus der Sicht des Fragestellers ist, sagt er: Ja und deine Eltern? Ja, du hast gesagt ich und nicht meine Eltern. Ich bin Österreicher, ich bin da geboren.“ Emmanuel Kamdem macht aber klar, dass die Frage per se nicht diskriminierend ist. „Es wird mit der Zeit nur nervig. Aber es kommt auch auf den Hintergrund der Frage an. Wenn wer über Kamerun und Afrika mehr erfahren will, freue ich mich, wenn ich mit ihm diskutieren kann.“

Geschichte Afrikas erzählen Das Bild vom „armen Afrika“, wo die Menschen nichts zum Essen haben,

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