Dass es für die Weinimporte aus der EU Probleme geben würde, war Lambert klar. Daher entschied er früh, sich selbst darum zu kümmern. Aber da hatte er die Rechnung ohne CHIEF gemacht. CHIEF steht für „Customs Handling of Import and Ex port Freight“ und ist das britische IT-Zollsystem der Steuer- und Zollbehörde HMRC, das seit den 1980er-Jahren die Importe regelt, seit dem 1. Ja nuar 2020 auch für Importe aus der EU. Vor die sem Datum war der Warenverkehr aus der EU nicht in CHIEF integriert.
CHIEF lässt den Import von EU-Weinen einbrechen „Das CHIEF-System enthält rund 10.000 verschie dene Kombinationen an Fehlerquellen, je nach dem, welche Art von Import Sie durchführen, ab hängig von der Warennummer selbst“, erläutert Lambert. „Sie müssen also die Kombination zwi schen Warencode und CPV-Code genau abstim men, also hier keinen Fehler machen, sonst wird die Deklaration nicht zugelassen und das System gibt kein grünes Licht“, so Lambert. Nun ist die Kombination von Daten und ihren Abhängigkeiten nicht die einzige Falle, die CHIEF für Importe vorhält. Das in Lamberts Augen an tiquierte und immer noch nicht auf die Importe vom Kontinent abgestimmte System ist derart vielfältig und kompliziert aufgebaut, dass es nur darauf spezialisierte Agenten, geschweige denn Mitarbeiter, abarbeiten können, aber „die gibt es längst noch nicht“, sagt Lambert. „Es gibt im Antrag ein Feld mit der Nummer 44. Hier wird das Ursprungsland definiert, was wiederum die jeweils nachfolgenden Angaben steuert. Direkt hier oder in den nachfolgend abhängigen Da tenfeldern nur einen Fehler zu machen, heißt von vorne anzufangen“, erläutert Lambert. „Außerdem – wir als Weinimporteure müssen insgesamt 16 Anmeldungen und Nachweise für einen Import abliefern, um einen EU-Wein zu deklarieren.“ Und so kommt es, dass dem britischen Handel, sei es dem Einzelhandel wie auch den Super märkten, mittlerweile rund 30 bis 40 Prozent ihres üblichen Angebotes fehlen. Außerdem la gern zurzeit in einschlägigen EU-Häfen Tausen de von Paletten, deren Papiere nicht in Ordnung sind und die für das kommende Weihnachtsge schäft dem Inselhandel fehlen. Besonders ver
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missen werden die Briten bevorzugte Weine aus Frankreich – seit Jahrhunderten ihre Leiden schaft. Leidtragende sind nicht nur die Impor teure, sondern vor allem die Konsumenten und die Erzeuger. Schon rechnen die Produzenten auf dem Festland damit, dass die britischen Im porteure den Mut verlieren und sich auf Weine anderer Kontinente konzentrieren.
Die Resignation eines Weinhändlers So hatte sich Lambert den Brexit nicht vorge stellt. „Meine Branche hatte eigentlich die Hoff nung, dass der Brexit zwar einen bürokratischen Mehraufwand bedeuten würde, aber dass er uns ruinieren würde, das hatten wir nicht auf dem Schirm“, sagt Lambert. „Zu dem unsäglichen Pro cedere der Zollabwicklung kommen noch die Ver zögerungen der Lieferungen, angefangen in der EU selbst, im Zollbereich und bei der Zustellung der Weine zu den Kunden. Dies kann durchaus zwei bis drei Monate Zeit in Anspruch nehmen – wie soll das gehen?“ Sein Erfolg, den er seit 1992 hat, basiert auf sei ner Fähigkeit, einen ständigen Strom spannen der, unterschiedlicher Weine von Produzenten zu suchen und zu importieren, die das wachsen de Netzwerk von spezialisierten unabhängigen Weinhändlern ansprechen. „Dass die britische Regierung es schafft, das Procedere der Impor te zukünftig zu vereinfachen, glaube ich nicht“, sagt Lambert, dessen Geschäft aber gerade da von abhängig ist. „Ich sehe keinen Weg mehr, in Großbritannien Geschäfte zu machen. Wegen der Art und Wei se, wie der Brexit-Deal ausgehandelt wurde, wird für mich und Hunderte andere das Wirtschaf ten weit über Gebühr erschwert“, sagt Lambert. „Ich bin wütend, sauer, frustriert und ängstlich. Je mehr ich mit dem Brexit und seinen Rätseln zu tun habe, umso wütender werde ich. Dazu kommt, dass der Weinhandel viel zu passiv das Geschehen auf sich nimmt. Kleinere Händler trauen sich nicht zu protestieren. Es braucht die großen Jungs der Branche, die aufstehen und mit der Regierung Tacheles reden, aber bisher tut sich nichts“, resümiert Lambert. Lamberts Vater ist Franzose, beheimatet in Bor deaux, und so hat er selbst auch die französische Staatsbürgerschaft. Sein nächstes Ziel ist daher Frankreich, wo er neu anfangen will. n
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