Weinfederjournal No. 53

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KOSTENFREI IM ABO

EDITION #53

JUNI 2018

verband deutscher weinpublizisten

PORTRAITS, REISEN, ANTWORTEN, KOMMENTARE, EHRUNGEN, VERKOSTUNGEN, ENTDECKUNGEN …

Der Reiz der reifen Roten // Ein Rheingauer „Fritz Keller” namens Weil // Eleonora Marconi bei Masseto // Das Erwachen der Schlegelflasche // Ristorante Ornellaia // Malvasier-Weingut Wohlgemuth-Schnürr // Neues wineBANK-Flaggschiff // Weinmachen mit Fingerspitzengefühl und Herzblut // Naturalweine: Das Prinzip Hoffnung // Weinelf will Europameister werden // Probiert und verliebt // Jauch, Beckenbauer & Reitzle // Roter Veltliner – eine (Wieder-)Entdeckung // Rotweine Lang // Das berührende Trio // Flammen – so weit das Auge reicht // Silvaner Extreme // Beachtliche Vertikale in Nordheim am Main // Die Kunst der Weinbewertung Mundus Vini // Vacqueyras und sein vinophiles Dasein // La Vialla – Toskana-Träume und ihre Erfüllung // Sardinien – Paradies für Feinschmecker // Guide zur „Magie der 1.000 Hügel” ... C O P Y R I G H T © W E I N F E D E R E . V. V E R B A N D D E U T S C H S P R AC H I G E R W E I N P U B L I Z I S T E N


EDITORIAL/IMPRESSUM LIEBE LESERINNEN UND LESER,

mit Blick auf die steigenden Temperaturen beginnt die Bewerbung von „Saisonweinen”: Noch ist es an der Zeit für Spargelweine und die Zeit für Sommerweine steht bevor. Der Begriff „Sommerwein” ist natürlich ein reiner Marketingbegriff – man kennt ihn nur im Norden Europas, im Mittelmeerraum wird er nicht verwendet. Nichts gegen spezielle Rebsorten, deren Genuss besonders geeignet bei höheren Temperaturen ist: Letztlich bleibt sowieso alles Geschmacksache.

Aktuell beschäftigt die Winzer ohnehin eine andere Frage: Die europäische Datenschutzverordnung hat bei vielen

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Verunsicherung ausgelöst. Über Jahre mühevoll aufgebaute Verteiler für Newsletter müssen bestätigt werden. Sicher eine mühsame Aufgabe – aber der Schutz der personenbezogenen Daten schützt uns alle. Das sollte uns die Mühe wert sein. Und ich freue mich weiter über Newsletter von Winzern – selbst wenn es eine Empfehlung für Sommerweine ist. Ich wünsche einen schönen Sommer! Ihr

DANKE!

Im Süden Europas ist es im Sommer recht heiß – trotzdem wird Rotwein bevorzugt.

WEINFEDER JOURNAL | EDITION # 53 | JUNI 2018

Wolfgang Junglas 1. Vorsitzender Weinfeder e.V. (Verband deutschsprachiger Weinpublizisten)

AN DIE AUTOREN UND DAS LEKTORAT DIESER AUSGABE: HERMANN-JOSEF BERG // BRITTA BINZER // MARCEL FRIEDERICH // CHRISTA HANTEN // WOLFGANG JUNGLAS // JOACHIM A. J. KAISER // RUDOLF KNOLL // STEFAN KRIMM // HORST KRÖBER // NORBERT KRUPP // MARTIN SACHSE-WEINERT // ARTHUR WIRTZFELD

IMPRESSUM

● HERAUSGEBER Weinfeder e.V. Verband deutschsprachiger Weinpublizisten, 1. Vorsitzender: Wolfgang Junglas, Weinfeder e.V., Bienenbergweg 4 - 65375 Oestrich-Winkel, Telefon: 06723 - 601902, Fax: 885546, E-Mail: info@weinfeder.de, Internet: www.weinfeder.de, Facebook: www.facebook.com/weinfeder ● TITELFOTO Arthur Wirtzfeld ● AUTOREN DIESER AUSGABE Hermann-Josef Berg, Britta Binzer, Wolfgang Junglas, Rudolf Knoll, Dr. Stefan Krimm, Norbert Krupp, Dr. Martin Sachse-Weinert, Arthur Wirtzfeld ● LEKTORAT Dr. Christa Hanten ● LAYOUT & SATZ Arthur Wirtzfeld, Telefon: 0931 - 322460, redaktion@weinfeder.de ● SCHLUSSREDAKTION Arthur Wirtzfeld ● ViSdPG Weinfeder e.V. ● COPYRIGHT-HINWEIS Alle redaktionellen Beiträge im Weinfeder Journal werden in der Originalversion veröffentlicht. Für den Inhalt und die Ausformulierung der Texte sind allein die Autoren verantwortlich, die das alleinige Copyright für ihre Texte innehaben. Ein Nachdruck oder eine Veröffentlichung von Beiträgen im Internet, in sonstigen digitalen oder in Printmedien, auch auszugsweise, kann nur in Absprache mit den jeweiligen Autoren erfolgen. Gegen Honorar, das mit dem Autor zu vereinbaren ist, kann jeder Beitrag unter Angabe der Quelle (Weinfeder) und Namensnennung der/des Autorin/ Autors übernommen und veröffentlicht werden.

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Redaktionsschluss für die Ausgabe Edition #54 ist der 31. August 2018. Einsendungen von Beiträgen bitte an redaktion@weinfeder.de – Ansprechpartner Arthur Wirtzfeld (gleiche Mailadresse) Telefon: 0931-322460. C O P Y R I G H T © W E I N F E D E R E . V. V E R B A N D D E U T S C H S P R AC H I G E R W E I N P U B L I Z I S T E N

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INHALT

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VACQUEYRAS UND SEIN VINOPHILES DASEIN

LA VIALLA – TOSKANA-TRÄUME UND IHRE ERFÜLLUNG

SARDINIEN – PARADIES FÜR FEINSCHMECKER

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16 NATURALWEINE: DAS PRINZIP HOFFNUNG

ELEONORA MARCONI NEUE WEINMACHERIN BEI MASSETO

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RHEINGAUER „FRITZ KELLER” NAMENS WEIL

MALVASIER-WEINGUT WOHLGEMUTH-SCHNÜRR

DER REIZ DER REIFEN ROTEN

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INHALT

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WEINMACHEN MIT FINGERSPITZENGEFÜHL & HERZBLUT

NEUES WINEBANK-FLAGGSCHIFF

RISTORANTE ORNELLAIA

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DAS ERWACHEN DER SCHLEGELFLASCHE

DIE DEUTSCHE WEINELF WILL EUROPAMEISTER WERDEN

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KARDINALFRAGEN ZU WEIN UND GESUNDHEIT

BEACHTLICHE VERTIKALE IN NORDHEIM AM MAIN

DIE KUNST DER WEINBEWERTUNG MUNDUS VINI

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PROBIERT UND GLEICH VERLIEBT

ROTER VELTLINER

DAS BERÜHRENDE TRIO

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ROTWEINE LANG

SILVANER EXTREME

FLAMMEN – SO WEIT DAS AUGE REICHT

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VINUM PROMINENTEN-TALK

LUDWIG KNOLL: BUNDESPREIS ÖKOLOGISCHER LANDBAU

GUIDE ZUR „MAGIE DER 1.000 HÜGEL”

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ZWISCHEN ZWEI RIESEN: VACQUEYRAS UND SEIN VINOPHILES DASEIN DR. MARTIN SACHSE-WEINERT

Châteauneuf-du-Pape? Klar: Eldorado für Rotweinfans aus aller Welt, AOC-Status seit 1936. Gigondas? Sicher: famose Côtes du RhôneWeine, AOC-Status seit 1971. Vacqueyras? Wie bitte? Vacqueyras?

Raue Landschaft und ein Terroir, das Weine mit Kraft und Charakter hervorbringt. (© Dr. Martin Sachse-Weinert) COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN

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AOC Vacqueyras: Ja, man tut sich schwer als kleiner Weinort zwischen übermächtigen Nachbarn, die allen Ruhm und jegliches Renommee für sich gepachtet zu haben scheinen. So muss sich Vacqueyras fühlen, jene kleine südfranzösische 1.300-Seelen-Gemeinde am Fuße der Dentelles de Montmirail, wiewohl man mit der Verleihung des AOC-Status am 22. Februar 1990 mit den Konkurrenten zumindest nominell gleichgezogen hat. Also machte es durchaus Sinn, dass sich der Meininger Verlag für die ProWein 2018 dazu entschlossen hatte, im Rahmen seiner Vorträge auch dieses Gebiet in näheren Augenschein bzw. seine Weine in den Mund zu nehmen. Mit Sascha Speicher hatte man den stellvertretenden Chefredakteur als Ver- und Vorkoster aus dem eigenen Haus gewonnen und somit stand einer interessanten Veranstaltung nichts im Wege, zu der sich viele Fachbesucher am Stand einfanden.

Zunächst wurde das Publikum mit einigen grundlegenden Informationen vertraut gemacht, beispielsweise der Tatsache, dass 96 % der um Vacqueyras erzeugten Weine rot sind, was bei der Dominanz von Grenache-, Syrah- sowie MourvèdreTrauben im Gebiet der südlichen Côtes du Rhône nicht verwunderlich ist. Mehr als die Hälfte des gesamten Terroirs, also etwa 800 ha (von total 1.461 ha) auf der sogenannten Grande Terrasse des Garrigues wird von Kieselgestein geprägt, unterlegt mit Tonschichten, doch auch Sand, Mergel, weißer Kalkstein und Schotter sind zu finden. Entscheidend für diese Bodenformation ist weniger die Rhône als vielmehr die Ouvèze, die bei Vacqueyras Ablagerungen aus dem Miozän als willkommene Grundlage für den Weinbau bildete. Hier werden durchschnittlich knapp über 44.500 hl produziert, wiewohl man mit 30 hl/ha einen der niedrigsten Leseerträge Frankreichs erzielt – was natürlich zur Qualitätssteigerung beiträgt. 80 privaten Weingütern stehen fünf

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Kooperativen gegenüber, die neben den Rotweinen auch 3 % Weiße (vor allem Grenache Blanc, Clairette, Marsanne, Roussanne und Viognier) sowie 1 % Rosés produzieren.

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Die Weißen: Trotz dieser klaren Dominanz der Roten startete die Verkostung mit drei Weißweinen, beginnend mit der 2016er „Cuvée Eva” der „Domaine de la Tourade”. Die Kombination von 75 % Clairette und 25 % Grenache Blanc ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Süden der Rhône von Assemblages geprägt ist. Die schöne Nase erinnert an Fenchel, Anis und Kräuter. Durch die Vergärung im Stahltank gewinnt der Wein eine angenehme Frische, die die mediterrane Würze deutlich zur Geltung bringt. Mit 14,5 % Alkohol ist der Weißwein verhältnismäßig volumenreich, wirkt jedoch insgesamt sehr „trinkig” – ein Begriff, der uns während dieser Messe häufiger begegnete und sich in Fachkreisen zu etablieren scheint. Als zweiter Wein folgte der 2016er „Le Fleurantine” aus dem Weingut „Domaine la Fourmone”, mit 13,5 % Alkohol schon eher im Bereich der Weißen verortet, was auch eine „klassische” Charakteristik bedingt. Anklänge an den für die Gegend um Montélimar typischen weißen Nougat, aber auch an Honig und gebrannte Mandeln präsentieren den Wein als äußerst schmackhaft, die Cuvée aus Grenache Blanc, Clairette und Roussanne wird sowohl in Stahltanks als auch in Holzfässern („demi-muids”, das heißt 600 l Fassungsvermögen) vinifiziert.

Bernard Burle, Weinmacher bei Font Sarade, ist ein quirliger Zeitgenosse, sehr wach, hart arbeitend, mit Augenmerk auf den Vacqueyras. (© Domaine Font Sarade)

Das Angebot der Weißweine beschloss der 2016er „Castillon” aus dem Haus „Fontaine du Clos”, das immerhin 40 Rebvarietäten im Angebot hat, wobei von den insgesamt immerhin 100 ha des Weinguts lediglich 14 ha auf das Gebiet der AOC Vacqueyras entfallen. Ebenso wie beim vorhergehenden Wein sind es hier drei Rebsorten (50 % Grenache Blanc, 25 % Marsanne und 25 % Rousanne), die unseres Erachtens in diesem Fall keine charakterstarke Cuvée erzeugen. Zu undifferenziert am Gaumen, zu wenig strukturiert und damit – auch dies gibt es – zu harmonisch empfanden wir das Aroma, selbst wenn uns die Nase zunächst durchaus gefällig erschien. Die Aussage Speichers, der Wein verfüge über eine „internationale Ausrichtung”, hatte damit für uns eher negative Konnotationen: Sollte man mit dem „Castillon” etwa versuchen (wie wir dies auch von manchen südamerikanischen Estates her kennen), dem vermeintlichen Durchschnittsgeschmack der Europäer jegliche Eigenständigkeit zu opfern?

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Die Roten: Den ersten Rotwein, der zur Verkostung anstand, verdankten wir Adrien Roustan, den wir bereits auf seiner „Domaine d’Ourea” persönlich besucht hatten (nachdem wir diese nach einigem Suchen und mit freundlicher Hilfe eines Einheimischen im Nirgendwo vor Vacqueyras gefunden hatten). Der junge, sympathische Winzer ist seit einigen Jahren – wie diverse weitere Weingüter in dieser Region – auf biologischen Anbau umgestiegen, präsentiert wurde in Düsseldorf seine Assemblage aus Grenache Noir (70 %), Syrah (20 %), Carignan (5 %) und Cinsault (5 %). Interessant ist der – für einen Südfranzosen – verhältnismäßig geringe Alkoholgehalt von nur 13,5 %. Umso überraschender empfanden wir ein zunächst sehr alkoholisch dominiertes Aroma, das sich jedoch schnell verflüchtigte und Grenadine- sowie VeilchenTönen Platz machte. Die deutlichen Tannine änderten nichts an einem sehr harmonischen Geschmacksbild, beim Gesamteindruck können wir dem Conférencier durchaus beipflichten: „charmant”. Derart positiv eingestimmt auf Vacqueyras‘ weitere Rote, folgte der Biowein der „Domaine de Verquière” mit 14 % Alkohol. Der Eigentümer Thibaut Chamfort absolvierte seine Ausbildung, ehe er das traditionsreiche Familienweingut übernahm, unter anderem in Südafrika und Kalifornien, nicht untypisch für die junge Winzergeneration auch in Deutschland. Ganz im Süden der Appellation gelegen, zeigt sich in seinem Wein deutlich der GarrigueCharakter, der hier zunehmend typisierend wirkt und sich in der südlichen Provence und im Languedoc intensiver fortsetzt. Warme Aromen, mit Pflaume im Vordergrund, bewirken eine bemerkenswerte Fülle im Glas, unterstützt von harmonischen Gewürznoten.

Diese zunehmend als „dunkel” eingestuften Töne wurden noch weiter gesteigert im 2016er „Les Hauts de la Ponche” der „Domaine Font Sarade”. Bernard Burle hat erst 2012 eine Kooperative verlassen, um sich eigenständig, seit 2015 unterstützt von seiner Tochter Claire, dem Weinbau zu widmen. Außergewöhnlich für dieses Weingut ist, dass mehr als 70 % in den Export gehen, wohl auch, weil mit den drei assemblierten Rebsorten Grenache Noir (50 %), Syrah (25 %) und Mourvèdre (25 %) ein wirklich typischer, charaktervoller südfranzösischer Rotwein vorliegt. Zunächst etwas kalt und metallisch in der Nase, macht sich dann deutlich ein Gewürzton Luft, der sogar Zimt umfasst und mit Erinnerungen an eine dunkle, ja: leicht verbrannte Brotkruste die Teilnehmer vollends im Süden Frankreichs ankommen ließ.

Die Prophezeiungen des Winzers trägt der nächste Wein schon im Namen: „Fruit Sauvage” vom „Le Clos de Caveau” ist eine Cuvée aus nur zwei Rebsorten (Grenache Noir mit 60 %, Syrah mit 40 %), auch hier aus biologischem Anbau bereits seit 1989. Direkt am Fuß der Dentelles de Montmirail produziert, dominiert hier eine kernige, enge, beinahe kühle Frucht, die sich am Gaumen überraschend würzig und warm optimierte. Deutlich adstringierend, beweist das perfekte Verhältnis zwischen Fülle und Frucht, dass Henri Bungener zu einem äußerst präzisen Arbeiten fähig ist – das ästhetische Verständnis der Familie zeigt sich auch in den sehr geschmackvoll eingerichteten Gîtes des Weinguts. Während alle zuvor verkosteten Weine dem Jahrgang 2016 entstammten, stand nun mit dem „Le Poète” der „Domaine la Fourmone” der erste Vertreter der 2015er-Lese auf dem Programm, ein Jahrgang, der allgemein – auch in den benachbarten Regionen – als qualitativ sehr hochwertig eingestuft wird. Dieser Einschätzung machte der „Dichter” alle Ehre, der sich sehr samtig und weich gab, vielleicht auch bedingt durch den um einen halben Prozentpunkt gegenüber seinen Vorgängern reduzierten Alkoholgehalt (14 %). Hier finden sich wiederum Grenache Noirund Syrah-Trauben zu einer wohlschmeckenden Cuvée kombiniert, wobei die Typizität der Region durch die Anklänge vor allem von Thymian und Rosmarin deutlich zum Ausdruck kommt. Man darf deshalb durchaus froh sein, dass die ursprüngliche Nutzung des Guts („Fourmone” leitet sich ab vom Lateinischen „fromentum”, was „Getreide” bedeutet) nunmehr der Weinproduktion zugeführt wurde. Wiewohl man in der „Domaine Clos des Cazaux” auch seltener verwendete Trauben kultiviert (Aubun, Counoise), finden sich in der „Cuvée Saint Roch” wiederum nur bereits bekannte und verbreitete Rebsorten (70 % Grenache Noir, 25 % Syrah und 5 % Mourvèdre). Die Farbe changiert vom Dunkelroten ins eher Rostige, die Garrigue macht sich durch ein durchaus gefälliges, würzig-pfeffriges Aroma bemerkbar. Auch pikante Kräutertöne sind im Abgang spürbar,

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wobei allerdings die Besonderheit des Terroirs zu einer außergewöhnlichen Charakteristik beiträgt: Im Unterschied zu den meisten anderen Weinen der AOC Vacqueyras pflanzen Jean-Michel und Frédéric Vache einen Großteil ihrer Rebstöcke auf Sandgestein, was wohl unter anderem auch den deutlich feststellbaren Kakao-Ton bedingt. Damit war Speicher mit seinen Zuhörern bereits beim letzten der zehn Weine angelangt, ein „Pince-Lapin” der „Domaine Fontaine du Clos”, die man bereits vom dritten Weißwein her kannte. Die Besonderheit dieser Cuvée aus 50 % Grenache Noir sowie 50 % Syrah besteht in seiner bemerkenswert orientalischen Charakteristik: Nuancen von getrockneter Feige und Myrrhe, aber auch Curry- sowie Nuss-Aromen tragen zu einem stimmigen, sehr wohlschmeckenden Gesamteindruck bei. Dabei können auch die immerhin 15 % Alkoholgehalt nicht verhindern, dass der Connaisseur sich durchaus gewünscht hätte, man wäre nicht auf der ProWein und stünde somit vor der Herausforderung, vielleicht den einen oder anderen Wein ebenfalls noch verkosten zu wollen: Ein weiteres Gläschen hätte man sich hiervon noch gerne gegönnt.

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Fazit: Was uns bei den Weinen der AOC Vacqueyras überzeugt, ist nicht nur ihr unstrittig großes Potenzial, dem eine große Weiterentwicklung prognostiziert werden kann. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis ist (derzeit noch) ein großer Pluspunkt, mit dem gerade auch gegenüber den Nachbarn gepunktet werden kann. Wir beobachten die Weine und Winzer dieser Appellation nun schon seit gut einem Jahrzehnt intensiver und sind immer wieder vor Ort. Dabei gilt es auch Rückschläge zu konstatieren, so die Schließung des ausgezeichneten Restaurants „L’Eloge” im „Cave des Vignerons de Caractère”. Aber solange man weiterhin im „Café du Cours” ein anständiges französisches Gericht zu einem fairen Preis erhält, muss man nicht (immer) ins „L‘Oustalet” nach Gigondas oder auf das „Château des Fines Roches” nach Châteauneuf-du-Pape fahren – die Nachbarn sind auch weinmäßig schon übermächtig genug. ■

Ortsschild von Vacqueyras, gelegen an der südlichen Rhône. (© Fotolia, DURIS Guillaume)

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LA VIALLA – TOSKANA -TRÄUME UND IHRE ERFÜLLUNG

Fattoria La Vialla, eingebettet in die sanfte Hügellandschaft der Toskana. (© La Vialla)

DR. STEFAN KRIMM

Zugegeben, zuerst war ich misstrauisch wegen etwas viel Bio und „corporate design”: das grobe Packpapier, die runde Kinderschrift auf allen Seiten des bunten Informationsmaterials, die vielen lachenden Gesichter, das erkennbare Bemühen, Bilder von einer heilen ländlichen Welt in der von vielen Deutschen oft unkritisch geliebten Toskana zu liefern. Das sah nach dem gezielten Erfüllen von Sehnsüchten und einem überaus effizienten Marketingkonzept aus. Und im Hintergrund die Fotos der bestfrisierten, fröhlichen, angeblich weinbauenden Brüder Lo Franco in gut geschnittenen hellen oder von Butcher’s Stripes gezierten Hemden.

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ennoch: Die wiederholten Erfolge des Betriebs bei Wettbewerben wie Mundus Vini Biofach, bei der dicht besetzten Internationalen Wine & Spirit Competition (IWSC) in London und bei Verkostungen der kritischen Kollegen vom Decanter gaben zu denken. Und die Sortimentspreise ebenfalls. Misstrauen ist zwar oft ein guter Ratgeber, gerade, wenn etwas Trendiges verkauft werden soll, um möglichst viel Geld zu machen. Aber hinter intensiven Imagekampagnen stehen, wie mich meine langjährigen Bemühungen auf dem Feld des verkostenden Unterscheidens zwischen Schein und Sein gelehrt haben, oft keine guten Weine. Eher das einem angenommenen „Mainstream” entsprechende, möglichst risikolose Gegenteil ohne Ecken, Kanten und eigene Persönlichkeit. Blieb also nur eines: Ein paar Flaschen ordern, um sich einen Überblick zu verschaffen (etwas toskanisches Mandelgebäck kam trotz gewisser Vorbehalte auch dazu). Der Gesamtpreis auf der Rechnung hielt sich in sehr angenehmen Grenzen. Erst recht in Anbetracht des klingenden Titels eines „Italian Wine Producer of the Year 2016” bei der IWSC. Normalerweise führen solche Auszeichnungen ja zu einem im Rahmen der Marktwirtschaft durchaus nachvollziehbaren Anziehen der Preise.

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Erstes Ergebnis nach einer Blindprobe mit italienischen Vergleichsweinen war eine Weihnachtsempfehlung für die „Weinfeder”, eine Art Zentralorgan der deutschen Weinjournalisten und -publizisten. Und zwar in der ziemlich schwierigen Kategorie der Weißweine unter 10 Euro! Das verlangte nach einer Ausweitung der Kampfzone, sprich: einer etwas umfänglicheren Degustation. Bei La Vialla handelt es sich um eine biodynamisch bewirtschaftete, über 1.500 Hektar umfassende Fattoria nordwestlich von Arezzo mit Ablegern bis Sizilien und ins Veneto. Hergestellt wird nicht nur Wein (ca. 120 ha Rebland), sondern das Sortiment umfasst auch Oliven, Käse, Nudeln und Gebäck. Die selbst gewählte Bezeichnung „größter Bio-Bauernhof der Toskana” überspielt etwas die Tatsache, dass mit der Flächenangabe mehr als 1.500 Fußballfelder gemeint sind, während übliche Bauernhöfe meist zwischen 5 und 50 Hektar Fläche bewirtschaften und ganze fränkische Dorffluren nicht größer als 300 bis 500 Hektar sind. Es handelt sich also um einen – hervorragend organisierten – Großbetrieb, in dem kaum etwas dem auf dem Land sonst nicht ganz unüblichen Zufall überlassen bleibt. Das gilt auch für den Vertrieb, der, abgesehen von dem mehr dem Erlebnis-Shopping dienenden großen Stützpunkt der „Speisekammer der Fattoria La Vialla” in Frankfurt, im konsequenten kostensparenden Direktabsatz erfolgt. Gegründet wurde das Unternehmen 1978 von Piero und Giuliana Lo Franco, den Eltern der heute die geschäftliche Verantwortung tragenden Brüder Gianni (geboren 1969), Antonio (geboren 1971) und Bandino (geboren 1976). Die Entscheidung für den Weinbau im großen Stil war mutig: Das Gebiet um Arezzo, 80 Kilometer südöstlich von Florenz und 40 Kilometer nördlich des Lago Trasimeno, kann sich mit den weiter südlich und westlich gelegenen berühmten Gebieten um Montalcino, Montepulciano und Bolgheri sowie der in den letzten beiden Jahrzehnten kometengleich aufgestiegenen Maremma nicht vergleichen. Hier wurde immer, und meist zum Eigenbedarf, Landwein produziert. Was allerdings auch bedeutete, dass ein Großteil der Böden ziemlich „jungfräulich” blieb, weil sich der Einsatz der gerade im Weinbau lange intensiv eingesetzten Großchemie angesichts der erzielbaren Marktpreise meist nicht gelohnt hätte. Schon in den 1980er-Jahren entschloss sich die ganze Familie für den Aufbau einer großen Fattoria, zu der neben dem Rebland auch Flächen für Getreide und Viehzucht gehören sollten. Das Land war wegen der mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und der

Industrialisierung seit den 1960er-Jahren einsetzenden Landflucht nicht teuer. Wer, wie die in der Textilindustrie erfolgreichen Eltern Vialla, die finanziellen Mittel hatte, konnte sich sehr günstig eindecken. Allerdings erwarb man dabei meist auch Ruinen – von Höfen und von halben oder ganzen Dörfern. Das hieß: Viel Arbeit, hohe Investitionen, ein nicht unbeträchtliches Risiko und einen langen Atem, bis sich der überall im Wirtschaftsleben naturgemäß angestrebte „return on investment” einstellte. Und man musste, was die Höhe der Löhne anging, einigermaßen konkurrenzfähig bleiben, sonst ging die junge leistungsfähige Generation eben vollends an die „from nine to five” arbeitende Konkurrenz der Fabriken und Büros in den Städten verloren. Kurz gesagt: Das 1978 mit der Absicht der Schaffung einer Ferienresidenz für die Familie begonnene Abenteuer ging nicht schief, sondern es wurde zu einem großen, für die Arbeitsplatzstruktur der ganzen Region bedeutsamen Erfolg, der mittlerweile auch etliche, meist schon im Winter vor der Saison vermietete, urige Ferienhäuser umfasst. Deren Gäste, wie ich in persönlichen Gesprächen feststellen konnte, häufig zu begeisterten Werbeträgern für La Vialla werden. Geboten werden ihnen nämlich nicht einfach nur Wein und andere landwirtschaftliche Produkte, sondern ländliche Urlaubsfreuden, die gerade in Deutschland so

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gesuchte „Authentizität”, Gastfreundschaft, Gemeinschaft und „Selbstverwirklichung” – bis hin zur mehr oder weniger effizienten Mithilfe zur Zeit der Lese oder der Olivenernte. Die Realisierung von Träumen gewissermaßen, wie sie unter anderem in der Zigarettenindustrie mit dem kernigen Marlboro-Cowboy oder dem barfuß auftretenden Gauloises-Raucher für die „unangepasst-lockere”, sich „intellektuell” fühlende reifere Jugend als Instrument der Absatzsteigerung erkannt und genutzt wurde. Beim Wein gehört – von der Wachau über die Pfalz bis in den französischen Südwesten – immer auch die als fester Halt fungierende Familie samt engagierten, glücklichen Mitarbeitern dazu. Hier heißt es nicht „sex sells”, sondern „values sells”, das meint Wärme, überschaubare Verhältnisse, gegenseitiges Vertrauen und – am besten „alles wie früher”. Auch das gehört bei La Vialla zum erfolgreichen Gesamtkonzept. Dazu frei laufende Hühner, lange Tafeln mit karierten Tischdecken, gemeinsame Mahlzeiten, Feste und Feiern. Nicht zu vergessen aber auch die ernsthafte, zielorientierte Zusammenarbeit mit den Universitäten Pisa und Florenz, die Suche nach alten Reben und ihre Vermehrung, die weitgehend geschlossenen, auf Abfallvermeidung ausgerichteten Kreisläufe, die intensive Förderung der Biodiversität. Und „natürlich”, als Basis aller Bemühungen, die mit großer Ernsthaftigkeit betriebene Biodynamie mit ihrer Beachtung kosmischer Zyklen, den mit

Weinbergsidylle – wilde Gräser und Wiesenblumen. (© La Vialla)

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Konsequente Biodynamie – vergrabene Kuhhörner – alles von Demeter zertifiziert. (© La Vialla))

Mist gefüllten, über den Winter vergrabenen Kuhhörnern, den winzigen Mengen von „Aktivatoren” pro Hektar, der Kräuterasche, dem Verzicht auf Reinzuchthefen und der radikalen Verminderung der Schwefelbeigaben zur Stabilisierung der Weine. Alles genauestens überwacht und weitestgehend von „Demeter” zertifiziert. Man könnte von einem Großbetrieb des guten Willens und der Umweltverträglichkeit reden, das sind an und für sich schon begrüßenswerte, in der Biodynamie bisweilen schon mit fast religiösem Eifer verfolgte Ziele. Aber, wie auch immer, beim Wein siegt am Ende über eventuell ideologisch begründete Rücksichten doch die Qualität. Für die ist auf La Vialla der angesehene Önologe Marco Cervellera verantwortlich. Und um sie ging es auch in der im Folgenden skizzierten Verkostung. 2016 Torbolino Bianco di Toscana IGT (13,5 %) – 50 % Chardonnay, 30 % Viognier, 10 % Sauvignon Blanc, 10 % Traminer Erinnert farblich wie geschmacklich fast an einen Orange-Wein, aber ohne jede Oxidation. Im vielschichtigen Duft ausge-

prägte Quitten-Aromen und tropische Früchte; auch am Gaumen eine ganze Palette von Eindrücken, nussig unterlegt und gut abgestimmt mit feinen Grapefruit-Bitternoten, schöner Körper, langer Nachhall 15,5/20 – (6,10 €/Fl.)

2015 Casa Conforto Chianti Superiore DOCG (14 %) – 90 % Sangiovese, 10 % Canaiolo Bemerkenswert frischer, dunkler und eleganter Wein mit Waldbeeren-Aromen, der mit früheren säuerlichen Toskanern dieser Klasse nichts gemein hat und eher an einen Côtes du Rhône Villages erinnert. 13,5 % reichen absolut und zu diesem Preis gibt es nicht viel Konkurrenz! 16/20 – (6,35 €/Fl.)

2013 Podere La Casotta Rosso di Toscana IGT (14 %) – 30 % Pugnitello, 30 % Malvasia Nera, 20 % Aleatico, 10 % Colorino, 10 % Sangiovese Tiefdunkles Braunrot; kultivierte Waldbeeren-Aromen mit leicht animalischen Anklängen, etwas Tabak und recht gut eingebundenem Holz; am Gaumen viel frische Schwarzkirsche mit einem Hauch von

Schattenmorelle und einer Spur Passitoartiger Süße, Biss und Spiel, klare, pure Frucht, geschliffene Tannine, sehr langer Nachhall mit feinen Bitternoten 16,5/20 – (20,50 €/Fl.) 2015 Leccio Moro Montecucco DOC (14,5 %) – 90 % Sangiovese Grosso, 10 % Merlot Kräftiges Rubinrot; recht intensiver, leicht rauchiger Duft nach Waldbeeren mit einem Hauch von Deckblatt; am Gaumen kraftvoll und dicht, geschliffene Frucht, Ahnung von Bitterschokolade, schönes Spiel, noch zurückhaltend, aber mit gutem Entwicklungspotenzial, langer Nachhall mit feinen TabakAnklängen 16/20 – (7,25 €/Fl.) 2014 Casal Duro Rosso di Toscana IGT (14 %) – 60 % Sangiovese, 25 % Cabernet Sauvignon, 15 % Merlot Kräftiges Purpurrot, schmaler Rand; würzige, leicht kräuterige Aromen von Waldbeeren, Kirsche und Tabak; am Gaumen recht reif und weich, intensive WaldbeerenAromen, feiner kirschiger Biss, guter Schliff, mittlerer Körper, langer, aber etwas bitterer Nachhall 15,5/20 – (13,50 €/Fl.)

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2016 Casa Conforto Chianti Superiore DOCG (13,5 %) – 90 % Sangiovese, 10 % Canaiolo) Kräftiges Rubinrot; Aromen von Kirsche und Veilchen, unterlegt mit einer Spur Deckblatt, feine Süße; am Gaumen saftig mit viel Frucht und gutem Schliff, kräftige, feinbittere, etwas trockene Tannine, guter Körper, recht langer Nachhall 15,5/20 – (6,35 €/Fl.)

2016 Vino Rosso da Uve Sangiovese Toscana IGT (13,5 %) – 100 % Sangiovese Kräftiges, dunkles Rubinrot; Duft nach Kirsche, unterlegt mit einer Spur Veilchen und Deckblatt; im Mund eigenständig und straff, Kirsche und trockenes Holz, schöner knackiger Biss, guter Körper, feinbittere Tannine, recht langer Nachhall 15,5/20 – (6,75 €/Fl.) 2016 Lo Chiffon Spumante brut nature non filtrato (12,5 %) – 40 % Pinot Nero, 40 % Chardonnay, 20 % Trebbiano Mutig: ein ungefilterter Sekt mit enor-

mem Feinhefe-Depot! Gedeckte Farbe wie frischer ungefilterter Apfelsaft; Duft nach Äpfeln, Apfelmus, Zitrus und einem Hauch Vanillezucker; am Gaumen bei ein wenig an Grapefruit erinnernder, leicht bitterer Frische mit vegetabilen Noten Anklänge an feines Apfelmus, eigenständig und pur, feine Perle, relativ langer, etwas bitterer Nachhall 15,5/20 – (9,60 €/Fl.) 2012 Cuvée 2 Metodo Classico Extra Brut (12,5 %) – 100 % Pinot Nero Klares Weißgold; im Duft feine, mandelig unterlegte Apfel-, Quitte- und ZitrusNoten mit einer Spur Honig und Pfirsich; am Gaumen frisch, lebhaft, nuanciert und elegant, pur und präzise, feine Perle, schöner Nachhall 16,5/20 – (20,50 €/Fl.)

2010 Occhio di Pernice Riserva (15 %) – 80 % Sangiovese, 20 % Trebbiano Toscano Tiefe, rötliche Bronzefarbe; betörender Duft nach kandierten Quitten und

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Akazienhonig mit einer Ahnung von süßem Kürbis-Chutney und Schlehen, feine Mineralität, ein Hauch trockene Kräuter; am Gaumen intensive Noten von kandierten Früchten, Honig und etwas Pflaumenhaut, Spiel und Spannung, einnehmender Schmelz, herrliche Politur, überaus langer Nachhall. Ein großer Süßwein! 18/20 – (15 €/Fl. 0,5 l) MEIN FAZIT:

In der Preisklasse der allermeisten Weine darf man keine Wunder erwarten. Aber La Vialla bietet ein Sortiment an, das ausgesprochen hohe Gegenwerte liefert: klare, fruchtige, saubere, ja pure Rosso di Toscana IGT, darunter der bemerkenswerte 2013 Podere La Casotta, und mit dem Torbolino einen feinen, vielschichtigen Weißen, dessen Preis man als kleines Geschenk bezeichnen kann. Entsprechendes gilt in einer ganz anderen Klasse für den exzellenten 2010 Occhio di Pernice Riserva. ■

Eine Auswahl der verkosteten Weine. (© Dr. Stefan Krimm) COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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Wer Sardiniens Genüsse in vollem Umfang erkunden möchte, sollte die hier produzierten Weine unbedingt verkosten, von denen etliche inzwischen auch durch den „Gambero Rosso” mit respektablen Punktezahlen um und über 90 von 100 sowie dem Prädikat „Drei Becher” bewertet sind. (© Norbert Krupp)

SARDINIEN – PARADIES FÜR FEINSCHMECKER NORBERT KRUPP

Von bäuerlicher Tradition geprägte Inselküche glänzt durch zeitgemäße Modifikation – von kraftvollen Weinen angemessen begleitet.

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iele Italiener sehen die Mittelmeerinsel Sardinien, die nur 250 Kilometer westlich der Küste Roms liegt, als reines Sonnen- und Badeparadies. Dank ihrer malerischen Strände und der fast unberührten Natur im teils kargen, gebirgigen Hinterland gilt Sardinien als die „Karibik Italiens”. Doch dieses traditionelle Image will die sardische Landesregierung

jetzt durch neue Schwerpunkte verändern, besonders bei den deutschsprachigen Touristen, von denen man gerne noch mehr beherbergen und bewirten möchte. Bislang reist fast jeder Vierte der etwa 1.200.000 ausländischen Gäste (Zahlen von 2015) aus Deutschland an: Die Deutschen sorgen für fast 1.560.000 Übernachtungen pro Jahr, auf die Schweizer entfallen rund 700.000 und auf die Österreicher 230.000 Übernachtungen. Die Ministerien für Tourismus und Landwirtschaft haben eine Kampagne gestartet, um die Spezialitäten der sardischen Küche

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und die in den vergangenen Jahren bemerkenswert gesteigerte Qualität der auf der Insel erzeugten Weine in den Fokus zu rücken. Den Gästen, die mit Fähre oder Flugzeug nach Sardinien kommen, soll bewusst gemacht werden, dass sie zur Entdeckung einer der großen italienischen Wein- und Genuss-Regionen eingeladen sind. Doch diese Idee muss auch in den Köpfen der Gastgeber mit Leben erfüllt werden. Dazu sollen sieben öffentliche Veranstaltungen mit dem Titel „Territori del Vino e del Gusto” (frei übersetzt: Orte voller Wein und Genuss) beitragen, die an sieben ausgewählten touristischen Schwerpunkten wie Orosei, Baunei, Nuoro, Atzara, Aggius, Cabras und Sant‘Antioco organisiert werden. Ziel dabei ist es, auch für Touristen interessante Verkostungsveranstaltungen und Volksfeste zu etablieren, bei denen heimische Weine und Speisen im Mittelpunkt stehen. Die sardische Küche, die zum großen Teil auf traditionellen, teils auch weiterentwickelten Rezepten der einst nur von Fischern, Hirten und Bauern bewohnten Insel aufbaut, präsentiert sich bodenständig, vielseitig und ehrlich. Regionale Zutaten vom Land und aus dem Meer stehen dabei im Mittelpunkt. Besondere Bedeutung wird auf der Insel dem Brot beigemessen – davon gibt es 900 verschiedene Sorten. Neben Fladenbroten fallen auch sogenannte Hochzeitsbrote ins Auge, die für feierliche Anlässe in tagelanger Arbeit kunstvoll verziert und gebacken werden. Die wohl typischste sardische Brotsorte ist das „Pane Carasau”, ein fast hauchdünnes Fladenbrot, das mit ein paar Tropfen Olivenöl einfach köstlich schmeckt. Gutes Brot verlangt nach gutem Käse, und in dessen handwerklicher oder auch genossenschaftlicher Produktion sind die Sarden wahre Meister. Unter Einsatz traditioneller Methoden und modernster Technik werden aromatische, kraftvolle Käse hergestellt, die bei keinem Mahl fehlen dürfen. Für den allerorten bekannten „Pecorino Sardo” wird ausschließlich Schafsmilch verwendet. Die besonders hochwertigen Sorten dürfen bis zu sechs Monate und noch länger reifen, um einen besonders charakteristischen Geschmack auszubilden. Sardinien verfügt auch über viele authentische Fleisch- und Wildgerichte, die sehr kreativ mit Kräutern und Gewürzen aromatisiert werden. Auch Fische und Meeresfrüchte sind auf guten Speisekarten vertreten, kommen aber trotz der Insellage nicht so oft auf den Tisch.

Ein festliches Menü für einen besonderen Anlass besteht normalerweise aus einer reichhaltigen Speisenfolge der traditionellen sardischen Küche, die sich von Gegend zu Gegend unterscheidet. Heute gibt es hier auch eine zunehmende Zahl junger, international ausgebildeter Küchenchefs, die kreative und innovative Küche auf höchstem Niveau anbieten und dabei auf die heimischen Produkte zurückgreifen. Ein Menü eines dieser jungen Chefs, die sich in dem Verein „Cuochi per l’Isola” (Köche für die Insel) zusammengeschlossen haben, könnte aus einer Auswahl der folgenden Gänge bestehen: Rohe rote Garnele, tagesfrischer Käse und Radieschen, Tintenfisch und Zucchini, Krake, Kartoffeln und Mandeln

**** Frittierte Miesmuscheln, Tomaten und Basilikum **** Geräucherte Fregola (kleine sardische Nudeln), Venus-Muscheln und BabyKalmare

**** Maccarones de busa (längliche, mit einer Nadel gerollte Nudeln), Wildschwein und gesäuerter Ricotta

**** Pezzonia (Mittelmeerfisch, der Dorade ähnlich), Kartoffeln und Oliven **** Fischsuppe

**** Roastbeef mit Cannonau

**** Torrone - (Nougat aus Eiweiß und hellem Honig)

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Ein typisches Gewürz der sardischen Küche, das sich auch als gewichtsarmes Reisemitbringsel anbietet, ist der Safran. Um diesen zu ernten, müssen die winzigen Stempelfäden bestimmter Krokusblüten von Hand gezupft werden. Kein Wunder, dass sardischer Safran zu den edelsten und teuersten Küchengewürzen zählt: Sein Preis resultiert aus dem enormen Arbeitsaufwand, der selbst in die Produktion kleiner Mengen investiert werden muss. Man bedenke: Für ein Kilogramm reinen Safran müssen fast 100.000 Blüten gezupft werden. Safran verhilft Backwaren zu einer intensiven gelblichen Farbe und kann bei etlichen Reis- oder Nudelgerichten für einen unvergleichlichen Geschmack sorgen. Das regionale Getränkeangebot, das die sardische Küche begleitet, kann auch anspruchsvolle Genießer positiv beeindrucken. Das auf der Insel aus Maisschrot (!) gebraute Lagerbier der Marke „Ichnusa” vermag sogar deutsche Gäste zu überzeugen, die beim Mittagsmahl oder am Abend ihren Durst nicht mit heimischem Wein stillen wollen. Doch wer Sardiniens Genüsse in vollem Umfang erkunden möchte, sollte die hier produzierten Weine unbedingt verkosten, von denen etliche inzwischen auch durch den „Gambero Rosso” mit respektablen Punktezahlen um und über 90 von 100 sowie dem Prädikat „Tre Bicchieri” bewertet sind. Im Anbaugebiet „Gallura” ganz im Norden der Insel dominiert der „Vermentino di Gallura”, der einzige Weißwein Sardiniens mit DOCG-Bezeichnung. Der Rest der oberen Hälfte Sardiniens ist vor allem dem „Cannonau di Sardegna” sowie dem „Vermentino di Sardegna” vorbehalten. Beim „Cannonau” handelt es sich um einen sehr dichten und kraftvollen Rotwein. Die Rebe ist weltweit

Eine köstliche Spezialität der sardischen Küche: Pezzonia (Mittelmeerfisch, der Dorade ähnlich) an Kartoffeln und Oliven. (© Norbert Krupp)

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Das beschauliche Zentrum des Städtchen Orosei in der Provinz Nuoro (Ostküste) mit der zentralen Piazza an der kleinen Pfarrkirche wirkt sehr authentisch und idyllisch. Hier ist der ideale Platz für eines der Degustations- und Genussfeste, wie sie vom Tourismus-Ministerium etabliert werden sollen. (© Norbert Krupp)

stark verbreitet und wird teilweise in großen Mengen kultiviert, insbesondere in Spanien, wo sie „Garnacha” heißt, und in Südfrank reich, wo sie „Grenache” ge nannt wird. Heute weiß man, dass der Cannonau nicht, wie bisher gedacht, von den Spaniern nach Sardinien gebracht wurde, sondern dass diese Weinsorte hier entstanden ist und von der Insel aus ihren Siegeszug in die Welt angetreten hat. Einige sardische Erzeuger können bereits mit sehr guten Qualitäten aufwarten. Sie kommen meist aus der bergigen Provinz Nuoro, zum Beispiel aus der Umgebung der Stadt Jerzu. Am südlichsten Zipfel des Eilandes reift „Carignano del Sulcis”, der auch in Südfrankreich als „Carignan” verbreitet ist. Die sardischen Sortenvertreter wirken dagegen vergleichsweise gerbstoff- und alkoholreich. Ihr Geschmack erinnert an Aromen reifer Pflaumen sowie an den „Mirto di Sardegna”, einen Kräuterlikör aus MyrtenFrüchten. Auch den italienischen Zitronenlikör „Limoncello” sollte man unbedingt in der sardischen Variante probiert haben.

Noch immer wird ein großer Teil der sardischen Weine von Genossenschaften produziert, die noch nicht alle ganz so ambitioniert wie selbstständige Winzer arbeiten. Die Genossenschaft „Cantina di Santadi”, im Südwesten etwa 60 Kilometer von Cagliari entfernt gelegen, war eine der frühen positiven Ausnahmen. Zu den international bekannten Erzeugern zählt die Kellerei Sella & Mosca mit ihren 550 Hektar (!) bewirtschafteter Rebfläche, die bis Ende 2016 zur Campari-Gruppe gehörte. Von der FlughafenStadt Alghero (40.000 Einwohner, im Nordwesten der Insel gelegen) aus vertreibt S & M verhältnismäßig große Mengen in aller Herren Länder.

mit rund 60.000 Einwohnern viertgrößte Stadt Sardiniens ist bekannt für ihre langen Sandstrände, ein quirliges Zentrum und etliche steinerne Zeugen der Vergangenheit.

Von Alghero aus sind es nur etwa 30 Kilometer bis Sassari im Landesinneren, mit fast 130.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Insel. Auch hier werden ausgezeichnete Olivenöle, Käse sowie Weine produziert.

Ganz im Süden der 270 Kilometer langen und 145 Kilometer breiten Insel liegt Cagliari, mit rund 155.000 Einwohnern in der Stadt selbst und nochmals gut 300.000 im Umland die Hauptstadt der autonomen Region Sardinien. Auch hierher werden zahlreiche Direktflüge von deutschen Flughäfen aus angeboten. ■

Die ideale Möglichkeit, im Nordosten Sardiniens mit der Erkundung der Insel zu beginnen, bietet Olbia, das von verschiedenen deutschen Airlines angeflogen wird. Die

Nur eine Autostunde südlich liegt das malerische Städtchen Orosei in der Provinz Nuoro an der Ostküste. Dem beschaulichen Stadtzentrum ist anzumerken, dass der Ort noch nicht lange touristisch erschlossen ist: Rund um die zentrale Piazza mit der kleinen Pfarrkirche wirkt alles noch sehr authentisch und idyllisch. Es hat sich gezeigt: Die Piazza ist der ideale Platz für eines der Degustationsund Genussfeste, wie sie vom TourismusMinisterium etabliert werden sollen.

Weitere Infos: www.sardegnaturismo.it/de und bei www.sardinien-auf-den-tisch.eu

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NATURALWEINE: DAS PRINZIP HOFFNUNG RUDOLF KNOLL

In den letzten drei, vier Jahren war bei manchen Weinverkostungen Naserümpfen angesagt, weil das Riechorgan mit jeder Menge Fehler von Oxidation über flüchtige Säure und Böckser bis hin zum Mäuseln oder einem schlichten Fäulniston konfrontiert wurde. Hin und wieder ist sogar der Geruch von Kartoffelsuppe möglich (beim Riesling). Oder man glaubt, den Geruch eines verbrannten Reifens nach einer Notbremsung bei 150 km/h wahrzunehmen. Nahm man solche Weine trotzdem in den Mund und suchte nach dem versprochenen „außergewöhnlichen Geschmack”, konnte allenfalls konstatiert werden, dass der Wein frei von jedem Geschmack war und auch die angekündigte „Spannung” allenfalls einer Bogensehne entsprach, die gerissen war.

Die Gefahr, dass guter Geschmack auf der Welle der Naturweine keine Rolle mehr spielte, ist gebannt. Nachdem Grausamkeiten gefüllt wurden, entsteht nun der Eindruck, dass die Winzer auf den Pfad der Tugend zurückkehren. (© Fotolia, Igor Norman) COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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range und Natural wurden Schlagworte für diese Art „Wein”. Die Herstellungsmethoden dafür unterscheiden sich. Die einen verzichten auf jeglichen Zusatz von schwefeliger Säure. Andere lassen Weißweine etliche Wochen wie Rotwein auf der Maische gären. Wieder andere machen beides und bauen den Saft mit Stiel und Stängel oder auch entrappt in Amphoren oder Betoneiern aus. Erlaubt ist alles, weil sich solche Produkte jeder Kontrolle etwa der Weinprüfung entziehen. Man deklariert sie einfach nur als Wein oder Landwein, setzt den Preis hoch und findet offenbar genügend Konsumenten, die Beifall klatschen – und sich zudem einem prickelnden Produkt zuwenden, dem natürlich moussierenden Pétillant Naturel, kurz „Pet Nat”. Das ist, vereinfacht gesagt, ein Schaumwein oder Perlwein, der in der Flasche vergoren wurde und noch Hefe enthält. Letztere kann dafür sorgen, dass die Buddel beim Öffnen fast explodiert und viel Flüssigkeit inklusive Hefe großräumig verteilt wird. Es gibt einige gute „Pet Nat”, wenn sorgfältig gearbeitet wurde. Aber das sind meist die Ausnahmen von der Regel.

Filtration und kann mit Zufriedenheit registrieren, dass ein geringer verbliebener Hefeanteil in den Flaschen dafür sorgt, dass die Weine frisch und ausgewogen bleiben. Deklariert werden sie schlicht als Landwein, da sie durch die erkennbaren Trubstoffe bei jeder offiziellen Weinprüfung durchfallen würden. Auch in Deutschland ist positive Bewegung in die Sache gekommen. Nico Espenschied vom Espenhof in Flonheim-Uffhofen (Rheinhessen) schockierte einige Jahrgänge lang mit einem hoch oxidativen Traminer (für den es auch Fans gab). Die aktuelle Version entspricht endlich seiner Aussage „ursprünglich, unkonventionell und lebendig” und lässt durch eine klare Aromatik erkennen, um welche Sorte es sich handelt. Armin Störrlein aus dem fränkischen Randersacker wagte sich trotz schlechter

Verkostungsergebnisse bei Kollegen-Weinen („trüb, oxidativ, geruchlich und optisch wie Sherry”) an die Maischegärung bei Silvaner heran. Wichtig war ihm dabei optimales, gesundes Traubengut, das entrappt, aber nicht gequetscht wurde. Anschließend kam es in einem gut abgedichteten Behälter zur spontanen Ganztraubenvergärung mit anschließendem biologischem Säureabbau auf der Maische. Nach 90 Tagen wurde der Wein ohne Pressen in Barriques gefüllt, lag hier noch sechs Monate auf der Hefe und wurde dabei mehrfach aufgerührt (Bâtonnage). Vor der Abfüllung bekam der Wein noch etwas SO2. Das Ergebnis war in allen bisher gefüllten drei Jahrgängen 2015, 2016 und 2017 ein komplexer, druckvoller, sehr typischer Silvaner der Sonderklasse. ■

Fazit: Es geht doch.

Sogar Medien machen in diesem Spiel mit Natural, Orange und Pet Nat mit. Es gibt einige euphorische Berichte über solche Produkte und deren Erzeuger, bei denen man vermuten kann, dass die Autoren einer Art Gehirnwäsche unterzogen wurden. Es gibt auch seriöse Weinhändler, die derartige Füllungen ins Sortiment aufnehmen. „Ich muss das machen, weil Gastronomen danach lechzen”, erzählte mir kürzlich ein nicht unbedeutender Händler aus Österreich. Die Gefahr, dass die Welle hochschwappt wie ein Naturereignis und den guten Geschmack hinwegfegt, war kurzzeitig zu befürchten. Aber jetzt gilt das Prinzip Hoffnung und man hat den Eindruck, dass Winzer, die noch vor kurzem Grausamkeiten füllten, zwar weiter experimentieren, aber auf den Pfad der Tugend zurückkehren. Und diejenigen, die sich neu mit alternativen Ausbaumethoden befassen, gehen mit Fingerspitzengefühl und Überlegung an das Thema heran. Man nehme den Österreicher Kurt Feiler aus Rust (Weingut Feiler-Artinger). Er offeriert aktuell einen 2015er Welschriesling, der sieben Wochen auf der Maische vergor und dann zehn Monate im Holzfass ruhte. Getauft wurde der Wein „O.S.OLÉ BIO”. O und S stehen für „ohne Schwefel”. Geschmacklich ist der Wein stabil, komplex und eigentlich normal. Sein Kollege von der anderen Seite des Neusiedler Sees, Gernot Heinrich aus Gols, verzichtet bei einer Weißweinkollektion, genannt „Freyheit”, auf SO2 sowie eine

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Maische aus Weißweintrauben (© Fotolia, Manuel Wächter)

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ELEONORA MARCONI NEUE WEINMACHERIN BEI MASSETO ARTHUR WIRTZFELD

Es gibt wahrscheinlich zahllose Gründe, warum Frauen in der Weinbereitung auf dem Vormarsch sind – über Quoten, Leidenschaften und Helden sprach ich mit Eleonora Marconi.

Grund für das Interview war eine mir jüngst zugesandte Pressemeldung, die lautete: Eine selbstbewusste junge Frau: „Mich beeindrucken Liebe, Leidenschaft und Frauen, die den Charakter ihrer Männer prägen.” (© Eleonora Marconi)

An vielen Arbeitsplätzen kann es große ge schlechts spezifische Unterschiede geben, im Weinbereich ist das Verhältnis längst beispielhaft

aufgebrochen. Gerade hier rücken Frauen immer mehr in den Fokus und besetzen Spitzenjobs in

Produktion und Vertrieb. Nicht nur die Konsu-

mentinnen überwiegen, auch die Zahl der Winzerinnen und Sommelierèn steigt stetig.

Das Team des Kultweinguts Masseto in Bolgheri unter der Leitung von Gutsdirektor Axel Heinz wird ab sofort verstärkt durch die Önologin Eleonora Marconi.

Wer ist Eleonora Marconi?

Ihre Weinpassion habe sie schon im Gymnasium entdeckt und direkt anschließend als Einstieg in die Weinwelt Sommelierkurse besucht, erzählte Eleonora Marconi, eine attraktive junge Frau, die zudem noch eine sympathische Stimme am Telefon hat. Nach einem Önologiestudium an der Università Politecnica delle Marche in Ancona absolvierte sie ein Praktikum im berühmten Frescobaldi-Weinkeller auf Castello di Nipozzano. Außer ihrer Arbeit dort hat sie in Südaustralien und Frankreich internationale Erfahrung gesammelt.

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”Botti di Vino” – Fasslagerkeller des Masseto (© Ornellaia e Masseto Società Agricola S.r.l.)

Eleonora Marconi ist in San Benedetto del Tronto in der Region Marken geboren und aufgewachsen. Der Tochter eines Italieners und einer Australierin bescheinigen ihre bisherigen Arbeitgeber in Südaustralien, Frankreich und Italien größten Respekt vor dem Terroir und eine sehr gewissenhafte Arbeitsweise im Vinifikationskeller. Sie gehören zu einer ständig wachsenden Zahl von Frauen im Weinsektor, der einstmals eine Männerdomäne war. Wie bewerten Sie diese Annahme?

Eleonora Marconi: „Ich denke nicht, dass es einen großen Unterschied zwischen Männern und Frauen in der Weinindustrie gibt. Stattdessen bezieht sich die Fähigkeit, Wein zu machen, auf das Individuum – unabhängig davon, ob der Mann oder die Frau den Wein macht. Ich fühle mich wohl und glaube, dass die gelegentliche Diskussion um eine Quote nicht wirklich die Realität spiegelt.” Wie empfinden Sie das Klima für Frauen in der Weinbranche und warum hat es so lange gedauert, bis Frauen heute in TopPositionen wirken?

Eleonora Marconi: „Ich nehme keine atmosphärischen Störungen in der Weinbranche wahr und ich empfinde auch nicht, dass dieses Thema spezifisch für die Weinindustrie ist. Es ist ein weltweites Problem

der Gleichheit in der Arbeit. Immer noch haben Frauen einen weiten Weg vor sich, um wirklich die gleichen Rechte wie die Männer zu erhalten.”

Gibt es eine weibliche Figur in der Weinwelt, die Sie für inspirierend halten oder die Sie vielleicht in Ihrem Wirken beeinflusst?

Eleonora Marconi: „Während meiner Tätigkeit in Australien beeindruckten mich die Persönlichkeiten der dortigen Winzer … sie hatten so viel Energie, Liebe und Leidenschaft für ihr Handwerk. Nach und nach entdeckte ich den Grund ihres Erfolges – hinter ihnen standen unglaubliche unterstützende Frauen. Sie waren großartige schöne Frauen, die den Charakter ihrer Männer prägten. Darüber hinaus hatte ich das Vergnügen, mit einigen Winzerinnen in Südaustralien zu arbeiten, die ebenso leidenschaftlich und erstaunlich waren. Sie haben mich inspiriert und ich versuche jeden Tag, diese guten Erinnerungen und Erfahrungen bewusst zu halten und mein Ding zu machen.” Wo sehen Sie sich gerade und was möchten Sie bewirken?

Eleonora Marconi: „Ich bin im Moment sehr glücklich und kann mir nichts anderes vorstellen als das, was ich gerade tue.”

Sie sind jetzt in Diensten bei Masseto. Worin besteht der Reiz, hier als Önologin zu arbeiten?

Eleonora Marconi: „Diese Frage ist etwas verfrüht, also darauf jetzt zu antworten, fällt mir schwer, denn das Weingut ist noch nicht fertig. Im Moment erfahre und atme ich die Atmosphäre des großartigen Terroirs und der großartigen Menschen im Team bei Masseto. Wir alle arbeiten hier jeden Tag in Harmonie und mit einem unglaublichen Engagement.” Welche Weine bevorzugen Sie zum persönlichen Genuss und warum?

Eleonora Marconi: „Dass ich einen Lieblingswein hätte, dem ist nicht so. Stattdessen wähle ich den Wein zum Genießen, der je nach Stimmung und Anlass passt.” Gibt es Helden in Ihrem Leben?

Eleonora Marconi: „Ja, meine Familie. Sie sind definitiv die wichtigsten Menschen in meinem Leben. Sie unterstützen meine Träume und mein Wirken, egal wo ich lebe oder arbeite. Und das war besonders wichtig für mich, während ich um die halbe Welt gereist bin.” Ich danke Ihnen, Frau Marconi, für das interessante und offene Gespräch. ■

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RHEINHESSEN IN BEWEGUNG: DREI STUFEN UND EIN RHEINGAUER „FRITZ KELLER” NAMENS WEIL RUDOLF KNOLL

Rheinhessen ist Deutschlands größtes Anbaugebiet – und die Region, die sich in den letzten 10, 15 Jahren so sehr gemausert hat, dass das Wort „Aufsteiger” durchaus angebracht ist. Wurde früher noch boshaft gereimt „Rheinhessen – kann man vergessen” und waren Winzer aus dem Dreieck zwischen Mainz, Worms und Bingen bei Messen frustriert, weil potenzielle Kunden einen weiten Bogen um ihren Stand machten, als die Herkunft zu erkennen war, so wird heute mit viel Hochachtung über Rheinhessen gesprochen und auch geschrieben. Zwar gibt es in diesem Gebiet immer noch viel Fasswein, aber selbst der bekommt Boden unter den Füßen und bessere Preise, seit einige Kooperationen von Winzern aus diesem Fundus gezielt abschöpfen und mit gutem Marketing im Handel erfolgreich sind ...

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ogar ein Winzer wie der Rheingauer Wilhelm Weil hat erkannt, dass Rheinhessen bisher ungeahnte Möglichkeiten bietet. Vor einem Jahr startete er mit seiner Linie „Robert Weil Junior” mit inzwischen fünf Weinen, darunter kein Riesling, jedoch die weiße Burgunderfamilie sowie ein Rosé und ein Spätburgunder. Im ersten Jahr wurden von den vier Weinen jeweils 100.000 Flaschen über Edeka abgesetzt. Vom Jahrgang 2017 wurden jeweils 200.000 Flaschen, also insgesamt eine Million Buddeln, gefüllt. Die Weine kommen von einer Fassweinkellerei, werden aber praktisch schon im Vorfeld aussortiert. Es gibt fixe Verträge mit Winzern, die auch bestimmte Vorschriften bei der Pflege der Weingärten einzuhalten haben. Das entspricht ziemlich exakt dem Vorbild der „Edition Fritz Keller”. Der Badener arbeitet seit rund zehn Jahren mit Aldi zusammen (wurde dabei anfangs oft angefeindet für die Kooperation mit dem Discounter) und vermarktet über diese Schiene jährlich rund zwei Millionen Flaschen. Diese Menge möchte Wilhelm Weil mit Rheinhessenwein ebenfalls in absehbarer Zeit erreichen. Denn er denkt bereits über die Zusammenarbeit mit Edeka hinaus und will längerfristig seinen Namen als Marke im Export nutzen.

Ebenfalls einen wichtigen Akzent auf anderer Ebene setzten inzwischen mehr als 80 Winzer, die vor einem Jahr den Verein „Maxime Herkunft Rheinhessen” ins Leben gerufen haben. Dabei sind neben den Mitgliedern des regionalen VDP nahezu alle Erzeuger, die in den letzten Jahren zu den Aufsteigern im Gebiet gehören. Hinter ihnen stehen etwa sieben Prozent der Rebfläche. Das mag auf den ersten Blick nicht extrem hoch anmuten. Aber erstens gibt es in Rheinhessen immer noch Fassund Einfachwein in rauen Mengen, der von Kellereien auch in anderen Regionen aufgenommen wird. Und zweitens ist ein Großteil der Gebietselite dabei. Es fehlen nur wenige Winzer, weil sie in der Regel nicht den Richtlinien des Vereins entsprechen können. Diese sind relativ einfach, aber schlüssig. Es handelt sich um ein Drei-StufenSystem für im Wesentlichen trockene Weine. Spätlesen und höhere Prädikate sind nach wie vor zulässig, aber nur für fruchtige oder edelsüße Weine. Basis ist der Gutswein, der auf dem Etikett nur die Sorte anführt. Darüber eingereiht wird der Ortswein, bei dem Rebsorte und Herkunftsort genannt werden (z. B. Niersteiner Riesling). Gebietstypische regionale Rebsorten werden durchgängig gefordert. Genannt werden Riesling, Weißburgunder, Grauburgunder, Silvaner und Spätbur-

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Linie „Robert Weil Junior” (© Weingut Robert Weil)

gunder. Die sonstigen Vorschriften werden ausdrücklich als Empfehlungen auf privatrechtlicher Basis bezeichnet. „Wir sind keine gesetzgeberische Instanz”, macht der Vorsitzende Johannes Geil-Bierschenk aus Bechtheim deutlich. Für die Ortsweine stehen ein maximaler Ertrag von 75 hl/ha und eine Vermarktung nicht vor dem 1. April nach der Ernte in den Statuten. Als Lagenweine sollten nur die herben Spitzen jedes Betriebes ausgezeichnet werden. Die Erntemenge von vollreifem Lesegut mit selektiver Ernte soll 55 hl/ha nicht überschreiten. Frühester Vermarktungszeitpunkt ist der 1. September. Die Vorstandschaft bildet ein Dreigestirn aus Johannes Geil-Bierschenk, Stefan Braunewell und Philipp Wittmann, der auch geistiger Vater des Vereins ist – obwohl er Regionalvorsitzender des VDP ist und die Drei-Stufen-Pyramide eigentlich im Widerspruch zu dem komplizierten

System des Bundesverbandes steht. Hier gibt es vier Stufen, in der dritten und vierten, der höchsten Etage, mit teilweise unterschiedlichen Bezeichnungen. Mal wird von Großer Lage, dann wieder vom Großen Gewächs gesprochen. Dass die Erste Lage eigentlich nur für die zweitrangige Kategorie steht, kapieren zwar vermutlich viele Winzer, aber die Konsumenten mutieren zu Fragezeichen. Die drei Stufen, von denen auch bislang der Rheinhessen-VDP nicht abgekommen ist, sind viel besser verständlich. „Sie sind ein nachvollziehbares Klassifikationsmodell. Das System passt zu Rheinhessen und ist ein Beitrag dazu, dass wir weiter vorankommen”, erläutert Philipp Wittmann. Er hat seine Kollegen im Bundesverband im Vorfeld über seine Vorstellungen informiert und erntete keinerlei Widerspruch. Vielleicht auch deshalb, weil manche VDPler das Vier-Stufen-System im Detail selbst nicht so recht intus haben ... ■

Imagefoto Rheinhessenwein (© rheinhessenwein.de)

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MALVASIER - WEINGUT WOHLGEMUTH - SCHNÜRR VOM REFORMATOR INSPIRIERT HERMANN-JOSEF BERG

Was benötigt ein Winzer zum guten Weinmarketing? Richtig, einen besonderen (vielleicht seltenen) Wein und eine spannende Story. Dann tritt das ein, was Frankreichs großer Schriftsteller

Victor Hugo einst so artikulierte: „Nicht ist mächtiger als eine Idee zur richtigen Zeit!” Das Weingut Wohlgemuth-Schnürr im rheinhessischen Gundersheim hatte sie: die Idee zum Luther-Wein.

(Foto © phamate.com/Marc Hurstel ) COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN

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Alexandra Damm und ihr Mann Andreas Schnürr (© Weingut Wohlgemuth-Schnürr)

Martin Luther sollte 1521 vorm Wormser Reichstag, in Gegenwart von Kaiser Karl V., seinen 95 Thesen und Schriften öffentlich abschwören.

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ies hat der Reformator bekanntlich nicht getan. Was Luther jedoch tat: Er konsumierte während seines Aufenthaltes den vor Ort angebauten Malvasier, vermutlich war es der Frühe Rote Malvasier. Und er soll ihn „sehr geschätzt haben”, wie ein kaiserlicher Legat in seiner Aufzeichnung festhielt. Die aus diesen weißen Trauben erzeugten „Rheinweine” hatten im Mittelalter den Ruf, sehr gut und sehr teuer zu sein. Luther war eben kein Kostverächter. „Uns fesselte dieser historische Aspekt”, erzählt Andreas Schnürr, „sodass wir uns auf die spannende Spurensuche nach diesem fast vergessenen Weintyp begaben.” Denn der Malvasier (auch als Malvasia oder

Malvoisie bekannt) steht als Synonym für verschiedene Rebsorten. Die großen Literaten hat dies wenig gestört: Ob Shakespeare, Heinrich Heine, Thomas Mann oder Hoffmann von Fallersleben, sie alle besangen den wie auch immer gearteten Malvasier. 35 Prozent mehr Malvasier-Anbaufläche

2002 hatten Alexandra Damm und Andreas Schnürr, die das Weingut Wohlgemuth zur Jahrtausendwende als Seiteneinsteiger (beide sind diplomierte Agrar-Ingenieure) übernommen hatten, den ersten Frühen Roten Malvasier gepflanzt. Die Rebstöcke erwarben sie in einer österreichischen Rebschule. Zwei Jahre später wurde die erste, wenn auch eher geringe Erntemenge eingefahren. Heute ist gut ein Hektar Rebfläche damit bestückt (35 Prozent mehr als 2002) – Tendenz steigend. Damit zählt der Betrieb de facto zu den bedeutenden Malvasier-Erzeugern hierzulande. Denn laut Deutschem Weininstitut (Bodenheim/ Rheinhessen) lag die Anbaufläche bundesweit von 2014 bis 2016 bei vier Hektar. Mit „Edition 595” Umsatzplus Passend zum Jubiläum „500 Jahre Reformation” (2017) gab es die 2016er Malvasier-„Edition 595”. 1517 hatte Martin

Luther seine 95 Thesen an der Wittenberger Schlosskirche publik gemacht. Schlechte Nachricht: Beide 2016erVarianten sind ausverkauft. Gute Nachricht: 2017er Malvasier sind noch vorhanden – aber mengenmäßig nur die Hälfte vom Vorjahr. Denn am 25. August 2017 hatte ein schwerer Hagel die Hoffnungen auf eine umfangreiche Neuedition in großen Teilen zunichte gemacht. Auch wenn diese Rebsorte für sein Weingut von Bedeutung ist, sieht Andreas Schnürr keinen Grund, den vom Riesling dominierten Rebsortenspiegel zugunstes des „Exoten” maßgeblich zu verändern. „Aber der Frühe Rote Malvasier findet in den Spitzenlagen Morstein und Höllenbrand mit dem Muschelkalkuntergrund hervorragende Terroirbedingungen”, ergänzt der 51-Jährige. Mehrere Kammerpreismünzen dokumentieren die Qualität der MalvasierKreszenzen dieses Weingutes. Und die Nachfrage nach dem „Luther-Wein” im letzten Jahr brachte dem Weingut Wohlgemuth-Schnürr ein erfreuliches Umsatzplus. Da gibt es nichts zu dementieren – oder wie Luther sagte: „Hier stehe ich und kann nicht anders!” ■

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DER REIZ DER REIFEN ROTEN

Tochter Franziska Fischer-Urban und und Vater Christian Fischer. Seit 2012 ist Christian Fischers älteste Tocher Franziska (eine seiner vier Töchter und Jahrgang 1985 wie auch die „Geheimaktion Barrique”) fixer Bestandteil des Weinguts. (© Weingut Christian Fischer)

RUDOLF KNOLL

Bordeauxweine und feine Burgunder können im Alter für viel Genuss sorgen. Aber ist das auch bei deutschen und österreichischen Weinen der Fall? Sehr wohl, wenn die Quellen gut oder sehr gut waren. Beispiele dafür gibt es genug. So entkorkte der Pfälzer Friedrich Becker, der in Weinführern für seine jungen Burgunder seit etlichen Jahren hohe Noten einheimst, anlässlich seines 70. Geburtstages einige Gewächse aus den 1990er-Jahren, die alle noch in sehr guter, frischer Verfassung waren und sich neben sündteuren „Piraten”

aus der Bourgogne bestens behaupten konnten. Ein 2008er des Schweigener Rotwein-Stars belegte kürzlich bei einer hochkarätigen Probe dieses Jahrgangs mit Weinen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich den zweiten Platz, knapp hinter einem Burgunder des Franken Fürst. Unter den knapp 30 Weinen, die aufgeboten wurden (alle aus 2008), war lediglich ein Wein dem Alter zum Opfer gefallen; er duftete nach Rasierwasser. Bei zwei weiteren, die schwächelten, war der Kork der Grund …

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uf der ProWein 2018 war „reifes Österreich ab 2011 rückwärts” ein Thema. Die jüngeren Weine dieser Verkostung brillierten. Spannend wurde es beim Verlassen des neuen Jahr tausends. Ein 1997er Zweigelt „Olivin” von Winkler-Hermaden aus der Südoststeiermark (inzwischen Vulkanland genannt) war noch beachtlich gut. Und selbst ein St. Laurent aus dem Burgenland vom Golser Weingut Juris, gewachsen 1993, präsentierte sich zwar mit sanfter Reife, doch noch sehr delikat und stand im Widerspruch zur Einschätzung der Macher Georg und Axel Stiegelmar, die diesem Wein einst eine Lebensdauer von zehn bis 15 Jahren zugetraut hatten. Eine besonders denkwürdige Verkostung fand im Dezember 2017 in Sooß in der österreichischen Thermenregion statt. Ort des Geschehens war das Weingut von Christian Fischer, der schon seit vielen Jahren zur Spitze in der österreichischen Rotweinszene gehört und gern über seine reifen Burgunder behauptet: „Da fährt die Eisenbahn drüber.” Mit anderen Worten: Sie sind fast unzerstörbar. Nur 1984, 1987, 1992 und 1993 fehlten in dem langen Flaschenreigen auf den Tischen. Meist waren es Magnum flaschen, in denen eine Sorte reifen durfte, die dem Winzer besonders am Herzen lag und immer noch liegt: Pinot Noir. Die Thermenregion in unmittelbarer Nachbarschaft von Wien hat besonders günstige klimatische Verhältnisse für diese Sorte;

deshalb wurde sie früher schon „Burgund Österreichs” genannt. Aber als Fischer, Jahrgang 1959, Anfang der 1980er-Jahre begann, in den schon 1662 gegründeten Familienbetrieb von Vater Engelbert hineinzuschnuppern, fand er nur wenig Pinot Noir vor. Und da der Wein, typisch für die Sorte, meist recht hell ausfiel, machte der Senior daraus lieber gleich Rosé. Ansonsten widmete er sich vor allem dem damals weit verbreiteten Portugieser. Vom Jahrgang 1983 gab es dann, schon unter Regie des damals 24-Jährigen, den ersten richtigen Rotwein vom Burgunder. Mutig stellte Christian Fischer 34 Jahre nach der Ernte zwei Restflaschen dieses Weines auf den Tisch und zeigte damit auf, dass er schon als Jungwinzer ein gutes Händchen für Rotwein hatte. Der Wein war zwar kein Hochgenuss, aber immer noch gut trinkbar und ohne deutliche Alterse rscheinungen. Blind hätte wohl niemand der Gäste auf den Jahrgang getippt. Richtig durchgestartet ist er allerdings erst mit dem Jahrgang 1985, für den er sich – spätes Geständnis – an Vaters Konto vergriff, um zwei Barriques zu kaufen. Der Senior verzieh ihm später, obwohl die ersten Kostproben einen arg holzigen Wein ergaben und Christian Fischer schon befürchtete, er müsse den Inhalt der beiden Fässer entsorgen. Durch einen Rückverschnitt mit dem gleichen Aus gangs produkt, aber ohne massive Eichennote, kam doch ein stattlicher Wein zustande, der bei einem RotweinWettbewerb in Österreich gleich ganz vorn dabei war.

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Für seine ungewöhnliche Verkostung stellte Fischer die Jahrgänge von „Lehrjahr” 1983 bis 2015 (aus dem Fass) vor. Einige wenige Reserven waren nicht mehr im Keller zu finden oder auch nicht mehr genussfähig. Der große Rest jedoch verdeutlichte das ausgezeichnete Lagerpotenzial der Sorte. Von den Wein-Senioren waren neben dem nach wie vor achtbaren 1985er die Jahrgänge 1988 (klare Frucht, würzig, straff), 1990 (geschmeidig, angenehme Säure, feurig), 1994 (temperamentvoll, Trinkfluss) und 1995 (recht frisch, feste Struktur, lang im Abgang) noch in guter Verfassung. Ab 2000 folgte eine nahtlose Top-Serie bis 2005, die auch signalisierte, dass sich der Weinmacher in seiner Arbeit weiterentwickelt hatte. Die jüngeren Weine verdienen etwas Wartezeit, auch der feinmaschige 2011er kann noch zulegen. Der bislang nicht abgefüllte 2015er lässt einen bedeutenden Wein erwarten. Insgesamt ist festzuhalten, dass in der ganzen Reihe nur wenige Weine dabei waren, die schon welk wirkten. Man merkte, dass Christian Fischer bereits als junger Mann mit Bedacht an die Sorte, die weinbaulich und in der Kellerwirtschaft gern als „Diva” bezeichnet wird, heranging. Exkursionen in die Bourgogne hatten dazu beigetragen. Zielsetzung war von Anfang an eine kühle, filigrane Note mit zartem Fruchtspiel. Geändert hat sich in den letzten Jahren etwas Wesentliches im Weinberg: Seit 2013 ist das Weingut offiziell biozertifiziert. Damit folgt Fischer einem Trend in Austria; inzwischen sind rund 13 Prozent der Weingärten zertifiziert. ■

Nicht nur die Roten, sondern auch die Weißen kommen in besonders guten Jahren ins Holzfass. (© Weingut Fischer) COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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Sohn Robin und Vater Josef Michel (© Weingut Michel, Achkarren)

WEINMACHEN MIT FINGERSPITZENGEFÜHL UND HERZBLUT Wenn man sich mit Josef Michel unterhält, hat man das Gefühl, seine Weinberge und seine Weine schon ein klein wenig zu kennen. Bodenständigkeit und Authentizität strahlt der 54-Jährige aus. Man merkt seine Leidenschaft und Liebe zum Beruf. Gleichzeitig geht von ihm eine wohltuende Ruhe und Gelassenheit aus. Vielleicht ist dies das Geheimnis, das auch in seinen

HORST KRÖBER

Weinen schlummert. Deren Qualität zeichnete Eichelmann 2017 mit fünf Trauben aus – also „Weltklasse” – und ließ ihn jetzt auch in den erlauchten Kreis der badischen VDPGüter aufsteigen. „Wir freuen uns riesig über diesen Ritterschlag, ist er doch Belohnung für unsere jahrelange Arbeit, aber auch Chance und Herausforderung zugleich”, ist sich Michel dieser Ehre bewusst.

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lles begann in den 1960erJahren, als die Eltern von Josef Michel in Achkarren auf knapp einem Hektar Wein anbauten und die Trauben an die Genossenschaft ablieferten. 1983 trat Josef Michel als gelernter Weinküfer und Kellermeister in den elterlichen Betrieb ein. Ihn juckte, wie er sagt, das „Weinmachen” in den Fingern. So fing er an, Weine selbst auszubauen, mit Fingerspitzengefühl und Herzblut. Heute bewirtschaftet das Weingut 13 Hektar Reben in den besten Lagen am Kaiserstuhl. 95 % der Fläche sind mit Burgundersorten bestockt. Ihnen gehört Michels ganze Liebe und Leidenschaft, verkörpern sie doch am besten das einzigartige Terroir.

Um qualitativ hochwertige Weine zu erzeugen, müsse man seine Weinberge lesen können, ist er überzeugt. Den Boden genauso berücksichtigen wie die Hangausrichtung und die Höhe, auf der der Weinberg steht. 70 einzelne Parzellen umfasst der Betrieb, jede ist ein Stückchen anders, somit auch die Weine, die daraus entstehen. Beim Weinbau versuchen die Michels, möglichst im Einklang mit der Natur zu arbeiten. Die „Kellerphilosophie” besteht im Großen und Ganzen aus einem „kontrollierten Nichtstun”. Dem Wein Zeit zur Reife lassen und ihn nur begleitend unterstützen. Das Ziel von Josef Michel ist es, reintönige Weine zu erzeugen, die Frucht, Spiel und Frische aufweisen. Lange Maischestandzeiten sind nicht sein Ding. Dafür lässt er

(© Weingut Michel Achkarren)

2016er Grauburgunder Spätlese trocken

Der Wein ist Entschleunigung pur. Schon der Duft, still, mit innerer Ruhe und wunderbarer Gelassenheit. Etwas Nuss und Mandel, frisches Getreide, reife Birne und Quitte, eine leichte Krokantnote, erdig und bodenständig. Es ist wie Heimkommen. Dieser Wein spielt in der ChampionsLeague. Kraftvolles Auftreten in Kombination mit einer wundervollen Verspieltheit, Eleganz und Geschmeidigkeit lassen ihn rund und cremig schmecken. Seine mineralische Ausprägung und seine schöne Säurestruktur halten ihn stets lebendig. Rund, saftig und gehaltvoll mit viel Druck am Gaumen macht er Lust auf mehr als nur ein Glas. Trotz seiner Dichte verfügt er über ein ausreichendes Aromenspiel. Der Wein vereint fruchtige Nuancen mit nussig-erdigen Komponenten und überrascht mit einer Note nach frischem Getreide. Kein Sattmacher, sondern ein Lustmacher. Tolles Trinkvergnügen.

2014er Spätburgunder trocken

Der Wein hat alles, was man von einem schönen Spätburgunder erwartet. Der Duft nach Schwarzkirsche, Cassis, Rosmarin und Schattenmorellen macht neugierig auf den Geschmack. Dieser lässt keine Wünsche offen. Erstaunlich leicht kommt er daher, frisch und lebendig präsentiert er sich. Transparent und gradlinig. Ein Animierer, Macher und Zupacker mit viel Biss und Grip. Mit ihm wird es nie langweilig. Nichts für Braten mit dicker Soße, sondern eher für die Pastaküche oder eine deftige Vesper. Der Wein weiß, was er zu bieten hat. Aber er tut es nicht überheblich, sondern mit einem verschmitzten, wohlwollenden Lachen. Ehrlich, authentisch, schnörkellos. Mit ihm möchte man mehr als einen Abend verbringen. Hier wird der anfängliche Flirt zur intensiven Dauerbeziehung.

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seine Weißweine lange auf der Feinhefe liegen, was ihnen neben einer tollen Aromatik auch Fülle und Aussagekraft verleiht. Bei all seinen Weinen legt er mehr Wert auf physiologische Reife als auf hohe Öchslegrade. Frucht und Feingliedrigkeit sollen im Vordergrund stehen. 95 % seiner Weine baut er trocken aus. In Zukunft will er den Holzfassausbau weiter verstärken. Daher habe man sich entsprechend eingerichtet. 13 Hektar wollen bewirtschaftet und 80.000 bis 90.000 Flaschen Wein vermarktet werden. Bei der Vermarktung hilft ihm sein Vater und Sohn Robin steht in den Startlöchern. Der 21-jährige Abiturient macht zurzeit eine Lehre beim namhaften Weingut Huber in Malterdingen. Danach ist ein Studium in Geisenheim geplant. Drei Generationen, die ihre Erfahrung und Werte untereinander austauschen, sodass die Zukunft des Weinguts Michel in Achkarren gesichert scheint und der Betrieb weiterhin zu einem der besten Weingüter in Baden zählen wird. Diese Zukunft sieht Michel nicht in steigenden Hektargrößen, sondern in weiterer Perfektion. „Mit der Mitgliedschaft im VDP kommen neue Aufgaben und somit neue Termine und Mehrarbeit auf uns zu. Dies gilt es zu bewältigen”, meint er. Wenn dazu noch die hauseigene Straußwirtschaft weiter betrieben werden soll, wird man sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen können. ■

2016er Weißburgunder Kabinett trocken

Im Duft zeigt er sich am Anfang eher etwas zurückhaltend. Unaufdringlich nimmt man Aromen von Melone, Birne und Walnuss wahr, untermalt von einer feinen Mineralik. Geschmacklich geht er dann in die Vollen. Mit viel Frische und Lebendigkeit. Seine Duft- und die Kombination von feinen Mineralnoten, fruchtiger Frische nach Mirabellen, grünem Apfel, Birne, frischem Laub und Hagebutte sowie seine freche Säure fordern uns heraus. Er provoziert wie ein 17- oder 18-Jähriger. Aber seine Argumente sind stichhaltig. Er ist fest in seiner Struktur, geradlinig und geradeaus. Es macht Spaß, mit ihm zu diskutieren. Dazu braucht es meist mehr als nur ein Glas. Nach dem zweiten und dritten Schluck wird er runder, dichter und fülliger, ohne seine Lebendigkeit zu verlieren. Ein nicht enden wollendes Zwiegespräch beginnt.

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Neuer „Weintempel” im historischen Ambiente der um 1850 erbauten Kupferbergterrassen: die wineBANK Mainz. (@ wineBANK Heike Rost)

MAINZ NEUES WINEBANK- FLAGGSCHIFF EINEN „OSCAR” GIBT’S BEREITS HERMANN-JOSEF BERG

Die Idee wurde nur knapp 30 Kilometer rheinabwärts geboren. Der Hattenheimer Winzer Christian Ress errichtete 2009 im Rheingau die erste „wineBANK”. Inzwischen kann die wineBANK Franchise GmbH & Co. KG auf acht weitere Depen dancen verweisen. Und in Mainz, sprich: etwas weiter östlich auf dem 50. Breitengrad nördlicher

Breite, wurde 2017 ein neues Flaggschiff dieser Wein-Clubidee eröffnet. Dies passt natürlich ins „Portfolio” der einzigen deutschen Stadt im „Great Wine Capitals Global Network”. Weil mit diesem Projekt auch ein Mainzer Kulturdenkmal, die Kupferbergterrassen, wiederbelebt wurde, gab’s inzwischen schon eine Art „Immobilien-Oscar”.

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Mit einer „Members Card” kommen Mitglieder in alle wineBANKs weltweit. Am dortigen Tresen können sie sich selbst die verfügbaren Weine rund um die Uhr in unterschiedlichen Mengen zapfen und online abrechnen lassen. (@ wineBANK Heike Rost)

uf den „Prix d’Excellence Germany 2017” (verliehen vom FIABCI, einem internationalen Verband für Immobilienberufe) ist Projektentwickler Harald C. Jaeger mächtig stolz. Denn diese Auszeichnung würdigt das umgesetzte Gesamtkonzept aus Architektur, Nutzung, Wirtschaftlichkeit, urbaner Integration, Nachhaltigkeit und Innovation. Die seit der Auflösung des Unternehmens Kupferberg leer stehenden, bis auf die Rheinsohle reichenden Keller sind so etwas wie ein Symbol der über 2.000-jährigen Weingeschichte Moguntias. Gepaart mit dem Image einer lebensfrohen Stadt, sei deshalb die StandortEntscheidung für das zentral gelegene Mainz gefallen. Jaeger: „In Hattenheim ist die Keimzelle, hier jetzt das Mutterschiff.”

Baukosten für die wineBANK Mainz beziffern sich auf rund zwei Millionen Euro.

Rund ein Viertel der weltweiten Lagerkapazität

Vom Lagerkonzept zum Management-Tool

In der Tat gilt die wineBANK Mainz jetzt als Top-Referenzprojekt innerhalb der sogenannten wineBANK Business DevelopmentGruppe. Das Objekt mit seinen elf begehbaren Kellern beeindruckt durch sein Zusammenspiel von Architektur, Wein und Kunst – wahrlich eine exklusive Atmosphäre. Hier haben die momentan 70 Mitglieder (in zwei Jahren sollen es schon 150 sein) zirka 15.000 Flaschen gelagert; die maximale Kapazität liegt bei 65.000 Flaschen in 300 Fächern. Dies entspricht etwa einem Viertel des weltweit aktuellen wineBANK-Lagervolumens von 250.000 Flaschen. Die

Potenziellen internationalen Geschäftspartnern, die sich für eine wineBANK in ihrem Land interessieren, zeigt Jaeger gerne das neue Flaggschiff. Die wineBANK-Investoren seien „weinaffin”, aber keine Weinprofis, oftmals erfolgreiche Unternehmer oder Firmenvorstände. Das auffälligste Interieur der wineBanks ist weltweit immer gleich: kubische, mit Stahlgittern geschlossene Wein-Tresore, ein Tresen mit einer automatischen Wein„Zapfstelle” und die von „artBANK” bereitgestellten Kunstwerke. Ansonsten orientiert sich die bauliche Ausführung an den landestypischen Merkmalen. Rund um den Globus (siehe Box) etablieren sich die wineBANKs – zur Freude von Investoren, Weinfreunden und Winzern. Es ist schon bemerkenswert, wie ein originäres Lagerkonzept reüssiert. Harald Jaeger: „Das war wineBANK 1.0. Heute beschäftigen wir uns schon mit der wineBANK 5.0. Dabei geht es um ein Online-gestütztes WeindepotManagement für unsere Mitglieder.” Damit wird klar, warum diese multinationale Aktivität schon längst das Stadium eines auf den ersten Blick snobistisch wirkenden Weingenusses im Business Club-Stil verlassen hat. Über die wineBANKs findet neben der

Kommunikation insbesondere Handel mit Wein über Ländergrenzen hinweg statt. Insofern könnte man auch von Weinbörsen sprechen. Dabei dient das subtile Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage letztlich der stärkeren Positionierung der Marke „wineBANK”. Man darf gespannt sein, in welchen Metropolen oder an welchen „touristischen Hotspots” (O-Ton Jaeger) sie noch aus dem Boden schießen werden. Und welcher Global Player sich dieses Franchise-Unternehmen letztlich unter den Nagel reißen wird. Dass dies durchaus Ziel sein kann, dementiert Harald Jaeger als geschäftsführender Partner der wineBANK Mainz nicht. Es wäre der logische „return on invest” (Rendite der Investition). In das Franchising-Modell wurden seit 2009 insgesamt rund zehn Millionen Euro investiert. 70 Prozent aus Eigenkapital, der Rest fremdfinanziert. ■ wineBANKs rund um den Globus

Europa: Basel, Frankfurt am Main, Hamburg, Hattenheim/Rheingau, Kitzbühel (in Planung), Köln (2018), London (ab Sommer 2018), Mainz, Moskau (in Planung), Palma de Mallorca, Wachenheim, Wien, Zermatt, Zürich (in Planung) Amerika: Boston (in Planung), Austin/ Texas (in Planung) Asien: Tokio und Singapur (im Gespräch)

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RISTORANTE ORNELLAIA IN DER ZÜRCHER BAHNHOFSTRASSE 53

Modernes Nasenschild des Ristorante Ornellaia an der Fassade einer der exklusivsten Adressen weltweit. (© Ornellaia)

ARTHUR WIRTZFELD

Am 9. April 2018 öffnete das weltweit erste Ristorante Ornellaia – in unmittelbarer Nähe zur Zürcher Bahnhofstrasse, international eine der wohl exklusivsten Adressen. Das Ristorante ist ein Gemeinschaftswerk des toskanischen Spitzenweinguts und der Zürcher Familie Bindella. Ornellaia wurde 1981 im berühmten Weindorf Bolgheri gegründet. Bindella importierte die Kreszenzen der renommierten Tenuta seit der ersten Stunde in die Schweiz – und pflegt als Gastronomieunternehmen und Weinhandlung seit mehreren Generationen die gehobene Italianità. COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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Geschäftsführer Joao Jordao und Küchenchef Giuseppe d'Errico im weltweit einzigartigen Ristorante Ornellaia. (© Ornellaia)

ür die Innenarchitektur wurde die renommierte Schweizer Architektin Tilla Theus engagiert. Und in der Küche amtet der Italiener Giuseppe D’Errico. Der Küchenvirtuose wirkte zuvor mit „Maestro” Gualtiero Marchesi an der bekannten Kochschule Alma und entwickelte sein außergewöhnliches Talent im Laufe von fünf Jahren an der Seite von Michel Troisgros im Dreisternerestaurant Troisgros im französischen Roanne. Wir sprachen mit den Beteiligten an der Front und wollten zuerst von Giuseppe D’Errico wissen: Was für eine Küche erwartet die Gäste?

Giuseppe D’Errico: „Meine Küche ist der Einfachheit, dem Geschmack und der Tradition verbunden. Michel Troisgros hat mir die Werte von Speisen eingeprägt, indem er sagte: 'Das Schöne, das Gute und das Einfache.' Um das zu erreichen, greife ich auf verschiedene Inspirationsquellen zurück: die Menschen, denen ich begegne, den Respekt vor den Zutaten, den mit meiner Herkunft verbundenen Traditionen und den Geschmack der Früchte dieser Erde.

Ich nähere mich dem Essen wie dem Wein mit großem Respekt und Interesse.” Was verbindet Ihre Küche mit Ornellaia?

Giuseppe D’Errico: „Ornellaia hat eine sehr enge Bindung an das Terroir, auf dem die Trauben wachsen. Und das ist auch der Ausgangspunkt meiner Gerichte. Das Ristorante Ornellaia ist ein Stück Bolgheri in der Schweiz – mit dem Wein als Protagonisten. Zusammen mit der Persönlichkeit jedes einzelnen Mitglieds meiner Küchenbrigade möchte ich die Geschmacksvielfalt einer für den Weinbau prädestinierten Gegend mit Sensibilität auf den Teller bringen.”

Herr Bindella, was soll mit dem ambitionierten Gastronomieprojekt erreicht werden?

Rudi Bindella: „Wir möchten eine Bühne schaffen, die den exzellenten Weinen von Ornellaia gerecht wird, deren Botschafter wir in der Schweiz seit dem ersten Jahrgang 1985 sind.” Auf welche feinen Tropfen darf der Gast sich freuen?

Rudi Bindella: „Das Ristorante spiegelt Ornellaias dynamischen Geist wider: Die Weinkarte umfasst sowohl Raritäten und ältere Jahrgänge aus dem 'Ornellaia Archivio Storico' als auch großformatige Flaschen, die für gewöhnlich nur bei internationalen Auktionen ersteigert werden können. Komplettiert wird das Angebot mit einer exklusiven Weinauswahl von unserer eigenen Tenuta Vallocaia in Montepulciano.” Frau Theus, Sie zeichnen für Stil, Materialien und letztlich für das Ambiente verantwortlich. Worauf haben Sie sich konzentriert?

Tilla Theus: „Es war das gemeinsame Bestreben, einen Ornellaia-Stil und die unverwechselbare Atmosphäre der Toskana zu kreieren. Dabei wird die Qualität der toskanischen Materialien in den Vordergrund gestellt, wie etwa der Travertin, der für seine Verwendung beim Bau von Kirchen und historischen Palästen berühmt ist.” Woher hatten Sie Ihre Inspiration?

Tilla Theus: „Mein Besuch auf Ornellaia hat meine Erinnerungen an die Toskana sehr

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Überall fühlt, riecht und schmeckt man im Ristorante Ornellaia die Toskana. (© Ornellaia)

positiv wiederbelebt. Die Landschaft ist wunderschön und die Gastfreundschaft herausragend – unvergesslich. Diese Atmosphäre zusammen mit der Landschaft, den Menschen, dem Essen und dem Wein wollte ich einfangen und im Ristorante Ornellaia aufleben lassen.” Die Toskana in Zürich also. Wie haben Sie das Interieur umgesetzt?

Tilla Theus: „Zuerst einmal habe ich Travertin verarbeitet, der aus der Toskana stammt. Man könnte sagen, dass ich die graue Granitfassade des Gebäudes an der Bahnhofstrasse 53 im Innern des Restaurants mit Travertingestein in warmen Farben restrukturiert habe, zusammen mit einer typisch toskanischen Holzdecke. Die mehr als 100 Lampen wirken wie einzelne Punkte und erinnern an den Sternenhimmel, außerdem unterstreichen sie die beeindruckende Deckenhöhe. Eine stilvolle Atmosphäre, abgerundet durch die an der Decke befestigte Replik in bronzierter Eiche in Erinnerung an die majestätische Eiche, die in der Nähe des Ornellaia-Kellers im Weinberg Bellaria steht. Das Innendesign wird komplettiert durch markante Bronzeskulpturen von

Hans Josephsohn und den Kunstwerken von Cuno Amiet in den typischen Farben der Toskana.”

Herr Geddes da Filicaja, nun hat Ornallaia eine Residenz in Zürich. Sie als CEO des Kultgutes mussten eine Entscheidung treffen. Wie kam es dazu?

Giovanni Geddes da Filicaja: „Das Ristorante Ornellaia entstand aus dem Wunsch heraus, herausragende Weine mit italienischer Spitzenküche zu kombinieren. Um sich so – wenn auch weit entfernt – wie auf dem Weingut in Bolgheri zu fühlen. Und um sich die Philosophie derjenigen zu eigen zu machen, die tagtäglich dem Ausdruck einer Gegend Respekt entgegenbringen wollen, um daraus die bestmögliche Interpretation zu erzeugen.”

Will Ornellaia im Zürcher Ristorante nur seine Weine kredenzen oder weiterhin aktiv bleiben?

Giovanni Geddes da Filicaja: „Erst einmal ist das Motiv für die Eröffnung des Ristorante Ornellaia das Eintreten in unsere Welt und das Erlebnis der Passion und der Exzellenz, die aus der Gegend von Bolgheri kommen.

Dieses Jahr können wir unseren 30. Jahrgang auf Ornellaia feiern und die 10. Edition des Projektes Vendemmia d'artista, und es ist gleichzeitig der 30. Jahrestag der Zusammenarbeit und Freundschaft mit Bindella. Eine perfekte Verbindung, die in der Schaffung eines Ristorante kulminiert, das wir nie mit einem anderen Partner hätten eröffnen wollen. Und ja, wir werden im Ristorante aktiv sein, denn die Gäste sollen Ornallaia, Bolgheri und unsere Passion lebendig spüren. Jeder neue Jahrgang, der hier angeboten wird, erneuert dieses einzigartige Vergnügen.” Dass im Ristorante Ornellaia Profis am Werk sind, ist überall zu spüren. Hier zelebrieren Ornellaia und Bindella gemeinsam ihre Fachkompetenz in Sachen Wein und Gastfreundschaft, umrahmt von Impressionen der atemberaubend schönen Landschaften rund um Bolgheri. Die Kunst ist im Ristorante mit den Werken zweier Meister vertreten: Cuno Amiet, ein renommierter Schweizer Maler, und Hans Josephsohn, einer der bedeutendsten figürlichen Bildhauer der Moderne. Wer sich also höchsten Genüssen hingeben möchte, der dürfte weinkulinarische Befriedigung im Ristorante Ornellaia erfahren. Wir sind gespannt auf erste Eindrücke unserer Leser. ■

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Schlanke Flasche, klare Weine! Weingutsleiter Robert Hallers Team mit Verkaufsleiter Thomas Hammerich, Marketingleiterin Nicole Eisert und der Grafikerin Tina Westendorf von den Frankfurter Fünf war ein Jahr mit dem neuen Auftritt beschäftigt. (© Weingut Bürgerspital)

MÖGE DER HEILIGE GEIST MIT IHR SEIN – DAS ERWACHEN DER SCHLEGELFLASCHE

G

DR. MARTIN SACHSE-WEINERT

Manche Ereignisse, die von besonderer Bedeutung sind, lassen sich auch von einem Traditionsunternehmen, das exzellent geführt wird, nicht beeinflussen: So war das 700-jährige Jubiläum des Weinguts Bürgerspital in Würzburg 2016 eine chronologische Zwangsläufigkeit, die man sich freilich durch diverse Veranstaltungen zunutze machen konnte.

anz anders dagegen verhält es sich mit einer aktuellen Entwicklung, der allerdings ebenfalls eine längere Abstimmungsphase vorausging und die am 1. März 2018 der Öffentlichkeit präsentiert wurde: Das Weingut stellt den Verkauf seiner Gutsweine vollständig auf die Schlegelflasche um, der Bocksbeutel bleibt ab sofort den VDP-Klassifikationsstufen „Ortswein”, „Erste Lage” und „Große Lage” vorbehalten. Mit „Gutswein” werden Weine bezeichnet, die den Einstieg in das jeweilige Portfolio erleichtern und auf gutseigenem Terroir angebaut werden – quasi als

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„Amuse gueule”, um Lust zu machen auf mehr aus diesem Weingut. Dass bereits dieses „Einstiegsmodell” keineswegs als Produkt minderer Qualität zu bezeichnen ist, das dokumentierte die Vorstellung und Verkostung der neuen Linie in der Kelterhalle des Weinguts in einem exklusiven Kreis von Pressevertretern. Weingutsdirektor Robert Haller hatte eingeladen, um seinen VDP-Gutswein-Jahrgang 2017 in einem „völlig neuen Look” zu präsentieren. Dabei konstatierte er zunächst, dass heutzutage eine helle, glasklare Flasche nicht mehr als hochwertig angesehen werde. Eine Ausnahme sei die Abfüllung von Rosé, bei dem man weiterhin auf durchsichtige Flaschen zurückgreifen werde: Daran sei der Käufer gewöhnt, hier vertraue er auf gute Qualität aus der weißen Flasche. Die Einführung der Schlegelflasche biete nun die Möglichkeit, den Bocksbeutel erst in einem höheren Preissegment ab € 8 zu platzieren, während die Gutsweine schon allein durch die Flaschenform als preisgünstigeres Produkt gekennzeichnet seien. Diesem Schritt seien umfangreiche Überlegungen und Diskussionen vorangegangen, handle es sich doch um eine einschneidende Maßnahme mit umfassenden Folgen für das Weingut: So werde man beispielsweise zukünftig auch bei Weinfesten den Schoppen nur noch aus der Schlegelflasche ausschenken. Das Weinverständnis – „brillante, tolle Einstiegsweine” – werde ab sofort auch durch die eigene Flasche gekennzeichnet. Ein Jahr lang habe das Team des Bürgerspitals mit Nicole Eisert (zuständig für Öffentlichkeitsarbeit), Thomas Hammerich (Verkaufsleiter) und Tina Westendorf von der Werbeagentur „FRANKFURTER FUENF” mit den Vorbereitungen verbracht. Diesen Schritt habe man unternommen, so

Hammerich, weil – bei gleichzeitiger guter Entwicklung der weiteren Klassifikationsstufen – der Gutswein seit etwa drei Jahren als eher stagnierend wahrgenommen worden sei, sowohl vom Absatz her als auch vom Image. Das Bürgerspital entschloss sich deshalb, ein neues Gesamtkonzept für die Gutsweine zu entwickeln, das sogar eigens kreierte Kartons und Ausstellungsständer umfasst. Man will nicht nur die überzeugte und treue Kundschaft nachhaltig an sich binden, sondern auch neue Käuferschichten gewinnen. Dafür entschied man sich für die antikgrüne, filigrane Schlegelflasche, die mit Qualität und Ästhetik in Verbindung gebracht wird. Erst, als nach Befragungen auch mit Handelspartnern feststand, dass dies auch gelingen würde, wagte man den Schritt weg vom frankentypischen Bocksbeutel. Die Entscheidung, nunmehr auch die Schlegelflasche im Sortiment anzubieten, erleichtere es dem Kunden, von der Form auf den Geschmack zu schließen. Abgefüllt werden nun Silvaner, Riesling, Müller-Thurgau, Bacchus sowie Scheurebe, aber auch die mit „Steren” bezeichneten Cuvées aus dem Weingut. Dabei machen die Gutsweine etwas mehr als 15 % des Gesamtsortiments aus – eine Ausgangslage, die die Bedeutung dieser Klassifikation für das Weingut unterstreicht. Ab sofort sind damit alle Bocksbeutel des Bürgerspitals mit dem bekannten und renommierten Siegel auf der „Schulter” versehen, während die Etiketten der Schlegelflasche sowie die Kartons das eigens neu gestaltete Symbol der Taube zeigen. Hier leistete Tina Westendorf grandiose Arbeit: Das klar strukturierte, zugleich durch die blassblau-weiße Farbkomposition „weich” anmutende Symbol des Heiligen Geistes (und damit Markenmerkmal des Bürgerspitals) ist ein für die

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Werbebranche wichtiger Eyecatcher, der Anspruch und Stilistik der Gutsweine treffend widerspiegelt. Wir wollen hier Robert Haller deshalb widersprechen, wenn er von einem „peppigen, fetzigen, etwas frechen” Motiv spricht: Für uns stellt die Grafik die logische Konsequenz aus Aufbruch und Tradition, aus Innovation und Qualität dar und damit die perfekte Symbiose mit dem Inhalt der Flaschen. Natürlich werden sich – wie bei jeder Änderung – auch im Fall dieser Entscheidung Puristen finden, die die Verant wortung gerade auch des Bürgerspitals für den Bocksbeutel hervorheben, war es doch dieses Weingut, das 1726 dem Magistrats beschluss zum Schutz des Steinweins – nämlich seine Abfüllung in petschierten Bocksbeuteln – als erstes folgte und seinen 1718er-Jahrgang solcherart abfüllte. Doch kommt auch Artur Steinmann, Präsident des Fränkischen Weinbauverbands und einer der Wegbereiter des neuen Bocksbeutels PS, nicht umhin, festzustellen: „Nicht jeder Wein gehört in einen Bocksbeutel.” Unterstrichen wird der Aufbruch in die neue Ära auch durch einen Imagefilm, der gerade neue, junge Käuferschichten ansprechen will: Der Bezug zur Star WarsReihe ist implizit (und erklärt damit auch die Überschrift dieses Artikels): Der Interessierte möge auf YouTube die Suchbegriffe „Bürgerspital” eingeben, um beobachten zu können, dass es nicht die dunkle Macht ist, die das Universum dominieren wird: Wenn es nach uns geht, die wir im Anschluss an die Vorstellung beispielsweise den 2017er Silvaner verkosteten, so können wir getrost festhalten: Das Erwachen der Macht – nein, des Heiligen Geistes beginnt gerade erst, die Gutsweine werden ihren Siegeszug durch die Galaxis erfolgreich antreten. Das Zeug dazu – und die Flasche – haben sie jetzt. ■

In 2016 wurde das Weingut Bürgerspital zum Hl. Geist 700 Jahre. (© Weingut Bürgerspital) COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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DIE DEUTSCHE WEINELF WILL EUROPAMEISER WERDEN Wie in der Bundesliga: Hohe Anspannung der Weinelf vor einem wichtigen Match. (© Weinelf)

RUDOLF KNOLL

Die Bezeichnung „Weinelf” sorgt immer wieder für Irritationen. Klar, Elf steht für Fußball. Aber Wein und der von Kondition und Ballgefühl bestimmte Sport, wie passt das zusammen? Durchaus, wenn man sich im Profilager umsieht, wo nicht nur Abstinenz gepflegt wird. Ein Paul Breitner weiß zu berichten, dass er sich einst bei Real Madrid dem Genuss von Rioja nicht entziehen konnte – wie auch Weltmeister-Trainer Jogi Löw, der dieses Wein-Hobby mit seinem Kollegen Louis van Gaal teilt, während der vormalige DFB-Sportdirektor Hansi Flick

lieber rote Cuvées aus dem Badischen trinkt (was Winzer Thomas Seeger aus Leimen freut). Franz Beckenbauer bekannte sich vor Jahren beim „Ball des Weines”, ausgerichtet vom Verband der Prädikatsweingüter (VDP), keck zum österreichischen Grünen Veltliner als Lieblingswein. Inzwischen ist der 72-Jährige in Südafrika zum Weingutsbesitzer (Lammershoek in Swartland) geworden.

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ie Verbindung Wein und Fußball ist also durchaus existent. Und es muss sie nicht nur in den obersten Etagen in der Nationalmannschaft und Bundesliga geben. Viele, die beruflich mit Wein zu tun haben, nicht nur als Winzer, sondern auch in anderen Sparten, wie dem Kellerbau, den Medien, der Politik, der Weinwissenschaft, dem Marketing, sind oft zugleich Fußballfans. Manche gehen aktiv in unteren Klassen auf Torjagd oder bemühen sich, Gegentreffer zu verhindern. Andere kicken bei „Alten Herren” oder halten sich auf andere Art fit und lassen dann, wenn sie auf echtem oder Kunstrasen antreten, durchaus erkennen, dass das runde Leder für sie kein Fremdkörper ist.

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Eine solche Mannschaft legte im Mai 2005 gewissermaßen den Grundstein für die Weinelf Deutschland, als sie mit einem 3:2-Sieg auf dem heiligen Rasen des Münchner Olympiastadions gegen die Deutsche Fußballmannschaft der Spitzenköche und Restaurateure (auch so etwas gibt es!) startete. Damals schon war echter Teamgeist zu bemerken. Dieser besondere „Spirit” sorgte für eine konsequente Weiterentwicklung mit offizieller Vereinsgründung und den Aufbau zumindest halb professioneller Strukturen inklusive einer tatkräftigen ehrenamtlichen Event-Managerin (Erica Fischbach). Schnell wurde erkannt, dass auch andere Berufsgruppen ähnlich dachten und aktiv waren. Mediziner, Autoren, Priester haben eigene Nationalmannschaften. Landtage, Ministerien und der Deutsche Bundestag bilden immer wieder mal über mehrere Parteien hinweg ein Team (nach bislang zwei Spielen gegen den Bundestag steht es 1:1). Der Ruf der fußballspielenden Weinfans aus deutschen Landen drang bald über die Grenzen hinaus. Die Österreicher ließen sich anregen – und wurden zum Einstand mit einem 2:1Sieg wieder im Olympiastadion gegen die Weinelf Deutschland belohnt. Dieser Erfolg wurde in Austria sogar in den Hauptnachrichten im ORF gewürdigt … Mittlerweile gab es auch schon einige Europameisterschaften der Wein-Berufsstände aus verschiedenen Ländern. Neben Deutschland und Österreich hat man in der Schweiz, Italien, Slowenien und Ungarn viel fußballerischen Ehrgeiz in der Weinszene entwickelt. Ein Highlight für die deutsche Weinelf war dabei zweifellos der Gewinn der Europameisterschaft im Jahr 2014 in der Schweiz mit einem 3:2 gegen Ungarn, exakt 60 Jahre nach dem sensationellen Weltmeisterschafts-Triumph der „richtigen Nationalmannschaft” in Bern gegen das gleiche Land. Für die positive fußballerische Entwicklung sorgten mehrere Trainer. Zunächst war das Lothar Böhm, früher bei Werder Bremen aktiv. Er brachte den Weinelfern vor allem taktische Disziplin bei. Als er aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste, fand sich in DFBTrainer Erich Rutemöller ein Nachfolger, der sich für das Weinelf-Prinzip begeistern konnte. Wenn Rutemöller durch seine Tätigkeit beim DFB verhindert ist, übernimmt Verbands- und Vereinstrainer Friedel Müller aus Hessen die Regie. Im Team haben die Coachs sich der Rekrutierung von Nachwuchs angenommen, sodass eine Reihe jüngerer Talente aufgenommen werden konnte, mit denen die Weinelf deutlich spielstärker und variabler wurde. Die stimmkräftige Anfeuerung durch die „Weinelfen” (die besseren Hälften der Aktiven) hatte auch Anteil an manchen Erfolgen.

Was die Weinelf organisatorisch voranbrachte, waren aktive, ideenreiche, verbindende Präsidenten, zunächst Gründer Norbert Heine und dann sein Nachfolger Robert Lönarz. Sie fanden in der Vorstandschaft Mitstreiter für eine gesunde Arbeitsteilung und dazu Sponsoren (zuletzt die Messe Stuttgart), die sich gern in die Aktivitäten einbinden lassen und dazu beitragen, dass die Weinelf Deutschland als positiver Repräsentant der deutschen Weinwirtschaft wahrgenommen wird. Auch deshalb, weil sich der Verein gemeinnützig engagiert und schon in einigen Fällen Geld für Stiftungen einsammeln konnte, bis hin zur Giovane Elber-Kinderhilfe (was den Ex-Profi des VfB Stuttgart und Bayern München dazu brachte, Ehrenmitglied der Weinelf zu werden). Die Weinelf fand sogar Akzeptanz in der hohen Politik: Im Juni 2017 besuchten drei Dutzend Mitglieder, ordentlich ausstaffiert mit den Vereinssakkos, im Bundestag Kanzlerin Angela Merkel, überreichten ihr eine Magnum Riesling, ein Trikot sowie einen Wimpel und konnten kurz mit der Regierungschefin plaudern. Die Visite ermöglichten zwei Abgeordnete der CDU aus dem Rheingau und einer aus Rheinhessen. Heute ist die Weinelf Deutschland mit ihrem augenzwinkernd formulierten Motto „Elf Flaschen müsst ihr sein” eine starke Gemeinschaft mit zahlreichen Aktiven in unterschiedlichsten Altersklassen (die reiferen Ballartisten bilden das „Team Spätlese”), die sich freundschaftlich verstehen, auch mal beim Training einen Bodycheck verzeihen und in der dritten Halbzeit immer noch Kondition haben.

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Zuletzt wurde in der Sportschule Edenkoben hart für ein großes Ziel gearbeitet: die nächste Europameisterschaft Ende Mai/Anfang Juni in Slowenien. 2016 in Mainz unterlag die deutsche Weinelf im Endspiel in der Bundesliga-Arena vor rund 3.000 Zuschauern knapp mit 2:3 gegen Slowenien (das entscheidende Tor fiel in der letzten Minute). „Den Titel wollen wir uns zurückholen”, kündigte Präsident Robert Lönarz (hauptberuflich in leitender Funktion an der Hochschule Geisenheim) an. Diesmal sind allerdings nicht sechs Nationen am Start, sondern acht. Erstmals greifen Portugal und Tschechien ins Geschehen ein. Zum Kader der Weinelf gehören auch prominente Winzer wie die Rheinhessen Philipp Wittmann, Stefan Winter, Marc Weinreich, die Rheingauer Pascal Sohns, Alexander Jung und der Badener Maxi Stigler. Anmerkung der Redaktion: Ob es mit dem Titel geklappt hat, war bei Fertigstellung dieses Weinfeder-Journals noch nicht absehbar. Das Ergebnis wird in der nächsten Ausgabe nachgeliefert.

Einige der Spieler offerieren jetzt sogar ein spezielles WM-Paket, das zwar in Verbindung mit der WM in Russland steht, aber eigentlich auch die EM der Weinelfer begleitet. Pascal Sohns aus dem Rheingau liefert dafür einen Riesling, Fritz Steitz aus Rheinhessen ist mit einem Silvaner dabei, Konstantin Gänz von der Nahe präsentiert einen Weißburgunder. Auf den Etiketten sind die Funktionen nachzulesen: „Capitano” für Sohns, „Sturmspitze” für Steitz und „Abwehrchef” für Gänz. Sohns wird als Spielführer auf jedem Fall seinem Titel gerecht. Steitz und Gänz werden sich in Slowenien beweisen müssen. ■

Die drei Weine gibt es im 6er-Paket für 59,90 Euro plus 4,90 Euro Versandkosten via Zeitungsverlag VRM (u. a. AZ Mainz, Darmstädter Echo) und www.meine-vrm.de/wein. (© Weinelf)

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DOSSIER: WEIN & GESUNDHEIT

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DREI KARDINALFRAGEN ZU WEIN UND GESUNDHEIT ARTHUR WIRTZFELD

Fakt ist: Es gibt keine dummen Fragen, auch wenn es um Wein geht. Bei Fragen zu Wein und Gesundheit ist es allerdings nicht leicht, adäquate und verständliche Antworten zu finden. Das breite Spektrum der Besorgnis wird in Fragen spürbar, ob ein Wein im Alterungsprozess giftig werden kann oder welche Medika-

mente oder Arzneien sich nicht mit dem Genuss von Wein vertragen. Drei spezifische Fragen kamen mir immer wieder in Gesprächen zu Ohr und scheinen mir von besonderem Interesse zu sein. In der Folge behandle ich diese Themen pointiert und versuche mich dabei in möglichst allgemein verständlichen Antworten.

WEIN UND DIABETES

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„Können Sie uns Weine mit wenig Zucker für Diabetiker empfehlen?” un, ich kann und möchte keinen Wein namentlich erwähnen, aber sprechen wir über das Wesentliche: Was kann Alkoholgenuss bei Diabetes bewirken?

Laut wissenschaftlichen Studien haben die meisten Tafelweine oder die als trocken bezeichneten Weine wenig bis keinen Restzucker und somit kaum oder auch keine sofortige Wirkung auf den Blutzuckerspiegel. Doch Süßweine oder Dessertweine enthalten Restzucker und sollten von Diabetikern vermieden werden. Für einen Diabetiker ist es darüber hinaus nicht genug, zu wissen, wie viel Zucker der Wein enthält, er muss auch wissen, wie der Alkohol seinen Blutzuckerspiegel beeinflusst. Gerade bei Diabetikern produziert die Leber zusätzlich Zucker. Alkohol reduziert aber diese Menge an Zucker, sodass vorübergehend der Zuckerspiegel sinken kann. Paradoxerweise wäre dies ein Vorteil für Diabetiker. Nehmen nun Patienten Insulin ein, dann ist besondere Vorsicht bei Alkoholgenuss geboten, da Insulin ebenfalls den Blutzuckerspiegel senkt. Dazu sagt die Wissenschaft: „Die Menge an Alkohol in einem Glas Wein ist ausreichend, um vorübergehend die Leber an der Zuckerproduktion zu hindern, was das Risiko einer unbedingt zu vermeidenden negativen Blutzuckerreaktion (Unterzuckerung) in Kombination mit der Insulintherapie erhöht.” Der Genuss von über-

Vorsicht bei Zuführung von Insulin. Ansonsten betrachtet die Ärzteschaft moderaten und vernünftigen Alkoholgenuss bei Diabetes längst nicht mehr so streng. (© Fotolia)

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DOSSIER: WEIN & GESUNDHEIT mäßig viel Alkohol kann auch die Fähigkeit eines Menschen beeinträchtigen, die Symptome von niedrigem Blutzucker zu erkennen. Also seien Sie wachsam um Umgang mit Alkohol und behalten Sie Ihren Blutzuckerspiegel im Auge. Wein mag wohltuend wirken, sollte aber stets in Maßen konsumiert werden. Ich möchte Diabetiker nicht entmutigen, ein Glas Wein zu

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genießen, besonders wäre hier Rotwein wegen seiner pflanzlichen Inhaltsstoffe zu empfehlen, doch bleiben Sie auf jeden Fall verantwortungsvoll gegenüber ihrem Körper. Sprechen Sie darüber mit Ihrem Arzt, wenn Alkohol zu ihrem Genussbereich gehören soll. Längst ist die Ärzteschaft vom generellen Alkoholverbot für Diabetiker abgerückt und es gibt auch für Diabetiker Wege, ab und an Wein gefahrlos zu genießen. ■

ALKOHOL UND ADH

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„Vertrage ich Alkoholika besser, wenn ich vor dem Genuss fette Speisen zu mir nehme?” ir alle wissen: Es gehört zu den „Jugendsünden”, Alkohol auf nüchternen Magen zu trinken. Und (fast) jeder weiß, dass dadurch die Wirkung des Alkohols zumindest beschleunigt wird. Bei der Beantwortung dieser Frage bediene ich mich erneut der Wissenschaft, die konstatiert: „Wie der Mensch Alkohol verstoffwechselt, hängt mit einer bestimmten Gruppe von Enzymen zusammen – es sind die Alkohol-Dehydrogenasen – ADH genannt.” Diese Enzyme bauen Alkohol in seine Bestandteile ab, die der Körper teilweise ausscheidet. Der intensivste Abbau findet in der Leber statt, etwa 15 Prozent werden vorab durch die Magenschleimhaut abgebaut. Das bringt der Leber zwar eine kleine Entlastung, aber nur dann, wenn Sie es zulassen, also wenn der Magen mit der Verdauung von Speisen beschäftigt ist. Ist der Magen leer, wird der

Alkohol zum Darm „durchgewinkt”, der diesen recht schnell in den Blutkreislauf weiterleitet. Ist jedoch Nahrung im Magen vorhanden, wird die Entleerung durch die Verdauung verlangsamt, was wiederum den Enzymen Zeit gibt, ihre Arbeit zu verrichten. Hieraus folgt, dass Lebensmittel, die längere Zeit verdaut werden müssen, auch den Abbau von Alkohol unterstützen. Schwerer zu verdauende Speisen sind nicht zu empfehlen, denn sie belasten den Körper und wirken sich auf das Gewicht aus – meist in negativer Art. Wie stets beim Konsum von Alkohol sollten Sie maßvoll sein. Stellen Sie den Genuss in den Vordergrund und hören Sie auf Ihren Körper. Dann können Sie eine „Freundschaft” pflegen – und ein oder zwei Gläser Wein werden Ihrer persönlichen Gemeinschaft aus Körper und Seele wohl gefallen. ■

Okay, fettiges Essen – gleich voller Magen – verhindert zum Teil, dass Alkohol besser verträglich ist, meistens jedenfalls. (© Fotolia rawpixel.com)

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DOSSIER: WEIN & GESUNDHEIT

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WEIN UND HAUTRÖTUNGEN

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„Wenn ich Wein trinke, errötet oftmals mein Hals oder Gesicht. Woran liegt das?” ine Gesichtsröte hat meist den Hintergrund einer „Alkohol-Flush-Reaktion”, das betrifft Menschen, die meist nicht genug von den Enzymen haben, die Alkohol im Körper verstoffwechseln. Ist das der Fall, dann handelt es sich um eine übermäßige Ansammlung von Acetaldehyd, einem Bestandteil von Alkohol, der die Haut erröten lässt, sogar Juckreiz auslösen und auch Kopfschmerz und Benommenheit verursachen kann. Medikamente, die bei Sodbrennen helfen, können auch die „Alkohol-Flush-Reaktion” lindern oder verhindern. Bitte Obacht – bevor Sie Medikamente in Verbindung mit Alkohol einnehmen, befragen Sie unbedingt Ihren Arzt. Anders verhält es sich, wenn Sie an einer Rosacea (gestörte Gefäßversorgung der Gesichtshaut) leiden. Diese Hautrötungen, meist im Bereich des Gesichts, entlang des Halses oder flächig am Brustansatz, können sich bei Alkoholgenuss verschlimmern. Abgesehen von einer Rötung, ist eine vorübergehende auffällige Erweiterung der Gefäße normalerweise harmlos. Konsultieren Sie in jedem Fall ihren Hausarzt oder Dermatologen, um die wahrscheinliche Ursache zu ergründen. Sulfite, die bei der Weinherstellung Verwendung finden, sind eine weitere Ursache für Rötungen des Gesichts oder des Halses, obwohl ihre Wirkung meist überschätzt wird. Sulfite sind in vielen Lebensmitteln, darunter auch in Wein, auf natürliche Art enthalten. Bei der Weinbereitung werden dem Wein zusätzlich Sulfite zum Schutz gegen Oxidation und bakteriellen Verderb zugegeben. Bei Menschen, die allergisch auf Sulfite reagieren, können Hautreizungen und Kopfschmerzen auftreten.

FAZIT: Wie bei vielen Lebens- und Genussmitteln

sind auch beim Weingenuss positive und negative Wirkungen möglich – es nützt also nichts,

wenn Alkohol womöglich das „gute” HDLCholesterin erhöht, dabei aber die Leber oder

der Magen leidet. Es ist dennoch festzustellen,

dass es eine Reihe von „Indizien” dafür gibt, dem

Wein positive Einflüsse auf die Gesundheit zu bescheinigen. Letztlich bleibt es jedem von uns

überlassen, wie er oder sie mit dem Alkoholkonsum umgeht. Mein Tipp: Wein ist ein stilvolles

Genussmittel, gehen Sie also auch stilvoll damit

um. Und achten Sie auf Ihren wahren „Freund”, den Körper, er ist das Wichtigste, was Sie haben.

Schon in der Antike wurde Schwefeldioxid (SO2) eingesetzt, um Wein haltbarer zu machen, ihn zu schützen und möglichst lange zu konservieren. Im Jahr 2005 wurde mit der EU-Kennzeichnungsrichtlinie für Lebensmittel ein Gesetz erlassen, das die Angabe möglicher allergieauslösender Zutaten in Speisen und Getränken regelte. Seitdem müssen alle Weine, die mehr als 10 mg/l Schwefeldioxid enthalten, den Hinweis „Enthält Sulfite” oder „Enthält Schwefeldioxid” auf dem Etikett tragen. In der Regel betrifft dies alle konventionell erzeugten Weine, egal, ob diese aus dem Inland oder Ausland stammen. Einige organisch bzw. biodynamisch erzeugte Weine weisen niedrigere Sulfitwerte auf – ein Blick auf das Etikett lohnt sich auf jeden Fall. ■

Beim Weingenuss können Hautrötungen entstehen. Sollte sich dies wiederholen oder verstärkt auftreten, sollte der Hausarzt konsultiert werden. (© Fotolia/contrastwerkstatt)

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BEACHTLICHE VERTIKALE IN NORDHEIM AM MAIN

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Bemerkenswerter Event der kleinen fränkischen Weingemeinde Nordheim: „Größte Weinprobe der Welt”, bei der entsprechend den „Jubiläums-Jahren” insgesamt 1.100 Weine verkostet werden konnten. (© DWI)

DR. STEFAN KRIMM

Nordheim am Main, das in diesem Jahr sein 1.100jähriges Jubiläum begeht, ist trotz seines stattlichen Zehnthofs und seiner hübschen „Langen Gasse” kein Weinort, der Glamour ausstrahlt – und das ist gut so! Man tut intensiv seine Arbeit, schätzt durchaus auch Fremdenverkehr, aber nirgends wird das Gefühl vermittelt, dass der Tourismus das Kommando übernommen hätte. Die „Rüdesheimer Drosselgass” mit ihren „144 Metern Lebensfreude”, wie der Slogan lautet, ist hier kein Vorbild.

ehr als 50 Winzer bewirtschaften im „Nordheimer Vögelein” und im „Nordheimer Kreuzberg” rund 250 Hektar Rebfläche, überregional bekannt sind jedoch nur das Weingut Glaser-Himmelstoss, das auch Lagen in Dettelbach bewirtschaftet, und das Weingut Graf von Schönborn Schloss Hallburg. Dessen Ruf wurde allerdings vor einigen Jahren durch seine Verwicklung in die „Aufbesserung” Rheingauer Weine erschüttert, sodass die Besitzer ihre Mitgliedschaft im renommierten VDP aufgaben. Im Nordheimer Weingeschäft herrscht ständige Bewegung: In den letzten Jahren haben die kleineren Güter Waldemar Braun und Peter Rudloff zunehmend auf sich aufmerksam gemacht und die Genossenschaft Divino, die aus einer Vereinigung von Traubenerzeugern aus Thüngersheim und Nordheim hervorging, gilt als eine der ehrgeizigsten in Franken.

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WEINFEDER JOURNAL | EDITION # 53 | JUNI 2018 Einen gewissen „Stachel im Fleisch” bildet das überragende Renommee des unmittelbar jenseits des Mains liegenden malerischen Escherndorf – mit großen Namen wie Horst und Rainer Sauer, Michael und Clemens Fröhlich sowie Edgar Schäffer. Dem Nachbarort und seinen vielen Besuchern, die insbesondere auch den nur einen Steinwurf weit entfernten Campingplatz bevölkern, zeigt Nordheim seine „Schokoladenseite” mit einem künstlich aufgeschütteten, mit Strandkörben besetzten Sandstrand. Dieser ist, wie in alten Zeiten, ohne großen Umweg über Volkach mit einer betulich tuckernden Fähre leicht erreichbar, und wer eine Fahrt auslässt, bringt sich um einen außerordentlichen Genuss. Darüber hinaus hat man vom „Strand” einen vorzüglichen Blick auf die Lage „Lump”, die zweifellos zu den besten in Franken gehört und deren Weine schon von Goethe geschätzt wurden, der sie in großen Mengen bezog.

Georg Hünnerkopf, Schloss Hallburg

Aber das ist eine andere Geschichte, denn weder das „Vögelein” noch der qualitativ bemerkenswertere „Kreuzberg” können sich mit dem „Lump” wirklich messen. Umgekehrt hat gerade das „Vögelein” mit seinen von den Winzern zu lange beibehaltenen überladenen Etiketten mit fränkischem Fachwerk und bunten Vögelchen das verstaubte Image einer unbeweglich gewordenen Weinregion mitgeprägt, die ein wenig den Muff der Adenauer-Zeit repräsentierte.

Patrick Braun, Weingut Waldemar Braun

Peter Rudloff, Weingut Rudloff

Und während in Escherndorf, Iphofen und Randersacker schon die Moderne begonnen hatte, musste sich Nordheim mit einem massiven Weinskandal herumschlagen, der durch einen seiner prominentesten Erzeuger ausgelöst worden war. Er hatte etwa 90.000 Liter seiner teilweise preisgekrönten (!) Weine mit bis zu 16 % Wasser aus seinem nitratverseuchten Hausbrunnen gestreckt. Das ist nun wirklich schon sehr lange her und mittlerweile steht Nordheim mit seinen rührigen Winzern, zu denen mit Helmut Christ einer der bedeutendsten fränkischen Biodynamiker gehört und bei denen vor allem die nachkommende Generation eine gewichtige Rolle spielt, für ganz andere, ihrer fränkischen Heimat wahrhaftig besser entsprechenden Werte. Ähnlich wie in Österreich, wo die Winzer den „Glykol-Skandal” genutzt hatten, um eine bis heute anhaltende Qualitätsoffensive zu starten, hat man auch hier die richtigen Schlüsse gezogen und gehört mittlerweile in der Region zwischen Aschaffenburg und Bamberg zur erweiterten Spitze. Gemeinsame Verkostungen und Diskussionen über geeignete Schritte zur Verbesserung der Qualität sind keine Selten-

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heit mehr. Ein Übriges getan haben die Auftritte unter der sympathischen Marke „Inselwinzer” – bedingt durch die Lage zwischen der alten Mainschleife und dem sie abkürzenden Kanal. Unterstrichen wurden die positiven Nachrichten durch die „größte Weinprobe der Welt”, bei der entsprechend den „Jubiläums-Jahren” insgesamt 1.100 Weine verkostet werden konnten. In den Rahmen der Nordheimer Qualitätsoffensive gehörte auch eine bis 1979 zurückführende Vertikalprobe für Jury-Mitglieder des renommierten, vom fränkischen Weinbauverband am 7. Mai in Würzburg durchgeführten Wettbewerbs „Best of Gold”, die am Tag darauf im Keller des Weinguts Waldemar Braun stattfand. Sie dokumentierte, wie die Verkostungsnotizen zeigen, einen bemerkenswerten Qualitätsstandard sowie das Alterungspotenzial der Weine. Die Weine: 2017 „Krönungswein” – Weißburgunder & Scheurebe Kabinett feinherb – Wischer – 15/20 Im Duft frisch und fruchtig mit Aromen von Stachelbeeren und grünen Paprika; am Gaumen Biss und Spannung mit feiner Süße, leichte Kohlensäure, feinbitter mit angenehmer Mineralität und recht langem Nachhall 2017 Dettelbach Scheurebe VDP.Ortswein – Glaser-Himmelstoss – 15,5/20 Im Duft frisch und nesselig mit Anklängen an Stachelbeeren und grünen Paprika; am Gaumen verhalten und relativ dicht mit einem kleinen Hauch von grünen Kräutern, feinbitterer Nachhall 2004 Nordheimer Vögelein Weißer Burgunder Spätlese – Rainer Zang – 16/20 Kräftiges Goldgelb; im Duft süß und aromatisch mit Aromen von Ananas und etwas Butter; am Gaumen recht eigenständig mit schönem Relief und gutem Nachhall 2015 Weißer Burgunder Großes Gewächs QbA trocken – Divino – 15,5/20 Aromen von Bittermandeln und Quitte mit deutlichem Holz; im Mund reif, füllig und buttrig mit ziemlicher Wucht (14,5 %) und recht schöner Verbindung von Cremigkeit und Schmelz; Spannung fehlt etwas, macht satt 2015 Weißer Burgunder Spätlese trocken „Edle Rebe” – Peter Rudloff – 17,5/20 Recht frischer Duft nach Äpfeln, Mirabellen, Mandeln und Zitrus; auf der Zunge mit feinem Biss, leicht nussig, Holz bestens eingebunden, transparent und elegant mit gut integrierter Säure, die für Spannung sorgt, langer Nachhall

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2016 Nordheimer Vögelein Chardonnay „Quintessenz” – Waldemar Braun – 15,5/20 Nase geprägt von überreifen gelben Früchten und feinsüßen karamelligen Noten; im Mund opulent und süß mit viel Schmelz, Holz noch nicht ganz eingebunden; ehrgeizig gemachter Essensbegleiter, Biss und Spannung eher begrenzt 2009 Nordheimer Vögelein Silvaner Spätlese – Reichert – 15/20 In der Nase Mischung von balsamischen und leicht hefig-sulfitischen Noten; am Gaumen reife aromatische Äpfel und gelbe Birnen, rund und opulent mit fülligem Schmelz 2011 Silvaner Spätlese trocken „Edle Rebe” – Peter Rudloff – 16,5/20 Duft geprägt von Birnen und tropischen Früchten, reif und voll mit einer Spur Vanille; am Gaumen recht differenziert, schönes Relief, Holz spürbar, aber gut eingebunden, sehr langer Nachhall 2015 Dettelbacher Berg-Rondell Silvaner VDP. Erste Lage – Glaser-Himmelstoss – 17/20 Nuancierte Aromen von Äpfeln und Mandeln; am Gaumen viel gebundene Frucht, ausgewogen und elegant mit beeindrucckender Abstimmung aller Komponenten und kühlem, langem Nachhall 2017 „Muschelkalk & Keuper Silvaner Liaison” trocken – Bunzelt – 15,5/20 Feiner Duft von Holunderblüten, unterlegt mit einer Spur Honig; auf der Zunge junge Frucht, Mirabellen und Birnen, sehr lebendig mit gutem Relief, aber ein klein wenig laut 1979 Traminer Kabinett – Divino – 16,5/20 Duft geprägt von Karamell und Honig; am Gaumen erstaunlich lebendig und fein mit

ganz leichter Süße, geschmeidig und mit schönem Schmelz, langer Nachhall. So gut kann Traminer reifen! 2016 „TNT – vinologischer Sprengstoff” Silvaner Spätlese trocken – Wischer – 15,5/20 Verhaltene, leicht rauchige Aromen von reifen Äpfeln; im Mund leicht süß, etwas Kohlensäure, an den Zungenrändern angenehme salzige Anklänge, insgesamt ausgewogen und harmonisch, mittlerer Nachhall 2015 Müller-Thurgau „Gegenstrom” Kabinett trocken – Rainer Zang – 13,5/20 Im Duft Nusspralinen und reife Stachelbeeren; auch am Gaumen Nüsse und etwas Schokolade, recht süß, nicht ganz ausgewogen 1990 Hallburger Schlossberg Riesling Spätlese – Schloss Hallburg – 18,5/20 (Klon von 1896, wohl aus dem Rheingau) In der Nase sehr duftig und fein mit Anklängen an Holunderblüten und Honig; am Gaumen beeindruckende Spannung zwischen feiner Süße und bestens eingebundener filigraner Säure, sehr komplex, differenziert und ausdrucksvoll, große Eleganz, bemerkenswerte Tiefe und langer Nachhall. Ein großer Wein! 2000 Nordheimer Vögelein Riesling Spätlese – Waldemar Braun – 16,5/20 Im Duft erstaunliche Frische mit Anklängen an Honig und Mandarinen, Charakter einer nicht zu schweren Beerenauslese; am Gaumen fein und differenziert, elegant und mit guter Spannung, langer Nachhall 2012 Nordheimer Vögelein Riesling Spätlese – Reichert – 15/20 Im anfangs leicht sulfitischen Duft feine Süße, ganz leichter Petrolton; auch am Gaumen ein klein wenig süß, nicht ganz ausgewogen

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2015 Hallburger Schlossberg Riesling QbA trocken – Schloss Hallburg – 17/20 In der Nase anfangs ganz leicht sulfitisch, dann feiner Duft von Holunderblüten und Äpfeln; am Gaumen differenziert mit vielen Nuancen, sehr elegant mit angenehmer Salzigkeit, Schliff, Spannung und langem Nachhall 2016 Nordheimer Vögelein Silvaner Auslese – Reichert – 15/20 Im leicht süßen Duft Anklänge an Karamell, Äpfel und reife Pfirsiche; am Gaumen schmelzig und geschliffen mit Noten von reifen Pfirsichen und Mirabellen, recht süß und insgesamt ein klein wenig eindimensional 2004 Spätburgunder – Glaser-Himmelstoss – 16,5/20 Helles, leicht bräunliches Rot; im Duft fein, nuanciert und filigran; am Gaumen viel Saft und beeindruckende Eleganz, edle Kirschnoten, eine Spur gut integrierter, unaufdringlicher Vanille, langer Nachhall 2009 (W)Einzigartig, Rotwein-Cuvée – Bunzelt – 15,5/20 Tiefdunkles Purpurrubin; im intensiven Duft feine jodige Aromen; im Mund dicht und stoffig mit gutem Schliff, viel reifer Brombeer-Frucht und recht langem, kühlem Nachhall 1986 Retzbacher Benediktusberg Müller-Thurgau Trockenbeerenauslese – Divino – 16/20 Im Glas dunkelbraun mit Aromen von Karamell, Kandis und Lakritz, unterlegt mit feinen trockenen Kräutern; am Gaumen nicht nur sehr dicht und intensiv, sondern auch erstaunlich lebendig mit sehr langem Nachhall. Auch Müller-Thurgau kann – richtig behandelt – im edelsüßen Bereich ziemlich viel! ■

Große Weine vergangener Jahrgänge (© Dr. Stefan Krimm) COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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Verkoster Michael Hornickel (© Ad Lumina)

DIE KUNST DER WEINBEWERTUNG FRÜHJAHRSVERKOSTUNG MUNDUS VINI WOLFGANG JUNGLAS

Michael Hornickel ist zweifellos einer der anerkanntesten Weinverkoster in Deutsch land – er hat Pionierarbeit ge leistet: In den 1980er-Jahren besuchte er in Frankreich eine Weinbauschule und

lernte dort das systematische Weinverkosten. Diese Technik gab es in Deutschland zu dieser Zeit noch gar nicht. Auch an den Weinbauschulen wurde damals Sensorik noch nicht gelehrt.

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ls der Weinjournalist 1987 mit professionellen Verkostungen begann, betrat er Neuland in Wein-Deutschland: „Die ersten Verkostungsgläser habe ich noch selbst bei REWE gekauft!”, erinnert er sich heute. Auf die erste Verkostung reagierte der Handel abweisend: ALDI SÜD drohte mit einem Anwalt. Aber transparente Weinverkostungen als probates Tool, um journalistisch über Wein zu berichten, waren nicht mehr aufzuhalten: Michael Hornickels jährliche Verkostungen schärften seine Kompetenz über Wein und kamen beim Leser sehr gut an. Auf der ProWein Düsseldorf richtete der Chefverkoster für den Meininger Verlag die weltweit erste Verkostungszone auf einer Weinmesse ein. Das Thema hieß: Leichte Sommerweine. Die Idee MUNDUS VINI war geboren: 2001 fand der Wettbewerb zum ersten Mal statt. Zuerst jährlich – seit 2014 sogar zweimal jährlich. Bei der Frühjahrsverkostung im Februar 2018 konnte ich mir als Juror selbst ein Bild über den Wettbewerb verschaffen. Die schiere Zahl ist beeindruckend: 6.770 Weine aus 44 Ländern wurden an sechs Tagen verkostet – 270 Weinexperten aus ebenfalls 44 Ländern bewerteten die Weine.

Der renommierte Professor für Oenologie und Sensorik Dr. Ulrich Fischer vom Vorstand des 22. Großen Internationalen Weinpreises MUNDUS VINI hielt die Eröffnungsrede und war immer präsent. Die Organisation im Saalbau in Neustadt an der Weinstraße war perfekt: In Jurygruppen à fünf Personen probierten wir blind rund 50 Weine pro Tag nach dem 100-PunkteSchema. In meiner Gruppe verkosteten wir die Rebsorten Riesling, Müller-Thurgau, Grenache, Syrah, Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Pinot Noir, Schaumweine, Grüner Veltliner, Grauburgunder, Chardonnay, Chenin Blanc und Tempranillo – also alles, was das Weinjournalistenherz begehrt. Manchmal lagen unsere Bewertungen deutlich auseinander: Professor Gérard Devos aus Belgien, Harry de Schepper von der Mosel, Marei Lange aus der Schweiz, Peter Pitsch aus Südfrankreich und ich brachten unterschiedliche Geschmackserfahrungen in die Verkostung mit ein. Ein Effekt, der durchaus erwünscht war. Bei der Mehrzahl der angestellten Weine lagen unsere Bewertungen auch gar nicht so weit auseinander. Maximal 40 % der eingereichten Weine erhalten eine Medaille – bis 2012 war es noch ein Drittel. Bei der

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Frühjahrsverkostung gab es insgesamt 33 Großes Gold, 1.102 Gold und 1.575 Silber. Im inoffiziellen Länderwettbewerb um die besten Weinqualitäten zog in diesem Jahr Italien wieder an Spanien vorbei und holte mit 647 Auszeichnungen die meisten Medaillen. Spaniens Weingüter konnten sich mit 590 Auszeichnungen Rang zwei sichern – gefolgt von Portugal, Deutschland und Frankreich. Die Sieger bekommen Publicity: Rund 600 Siegerweine der MUNDUS VINI Frühjahrsverkostung wurden auf der weltgrößten Weinfachmesse, der ProWein in Düsseldorf, dem Fachpublikum präsentiert. Zudem berichtete der Meininger Verlag in einem Sonderheft mit über 100.000 Exemplaren über die Ergebnisse des Wettbewerbs. Chefverkoster Michael Hornickel freut sich über die Win-win-Situation: Die Gewinnerweine werden beachtet, der Meininger Verlag kann seine Kompetenz unter Beweis stellen und der Weinwettbewerb selbst arbeitet profitabel. Und der Verbraucher? Freut sich über einen weiteren bunten Qualitätsaufkleber auf der Weinflasche. ■

Mundus Vini Impressionen (© Ad Lumina) COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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VINOPHILE ENTDECKUNGEN WÄHREND DER PROWEIN 2018

Imagefoto (© ProWein) COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN

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ENDLICH PROBIERT UND GLEICH VERLIEBT! ARTHUR WIRTZFELD

Es ist heuer schon rund sieben Jahre her, da stellte Weinjournalist und Weinbuchautor Rudolf Knoll einen (damals) noch unbekannten Jungwinzer im Weinmagazin YOOPRESS vor. Knoll notierte im Artikel vom November des Jahres 2011 (Zitat):

„Grauburgunder, Auxerrois, Riesling in den Versionen als Gutswein und mit Goldkapsel sowie Chardonnay aus dem Jahrgang 2010 machen Spaß, eine rote Cuvée zeigt viel Tiefgang und lässt ein gutes Händchen für Rotwein erkennen. Spätburgunder und St. Laurent präsentieren sich als gute Ergänzung im Basis-Sortiment …”

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Zwei Rote von Frank Spiegel mit Format. (Foto © A. Wirtzfeld)

as machte mich neugierig und seither wollte ich Frank Spiegel kennenlernen, aber wie das so ist, verstrich eine Gelegenheit nach der anderen. Vor der diesjährigen ProWein forderte mich mein Facebook-Freund Dieter J. Ettinger auf, seinen Winzerfreund Frank Spiegel auf der Messe zu besuchen. Also dann, versprochen, getan.

Die aktuellen Weißen von Frank Spiegel präsentieren sich durch die Bank spritzig, frisch und aromatisch. Der Weißburgunder mit geballten Aromen reifer gelber Früchte gefiel mir besonders, weil füllig, cremig, kraftvoll – dieser Pinot Blanc geht locker als feiner Genusswein durch. Der Sauvignon Blanc gefiel mir ebenfalls sehr gut, seine Aromen zwar typisch, dennoch elegant in der Nase. Am Gaumen angenehm zurückhaltend, also nicht „laut” und „rebellisch”, sondern dezent, doch mit ordentlich Druck. Solche Adjektive steigern meinen Genuss ungemein. Meine Neugierde konzentrierte sich trotzdem mehr auf die Roten. Und zwei davon wollte ich unbedingt gemeinsam mit Frank Spiegel probieren und besprechen. Vorab: Die Leidenschaft meines Freundes Dieter für die Weine von Frank Spiegel war mir nach der Probe mehr als verständlich. Ich bin normalerweise nicht so schnell zu begeistern, aber gerade die zwei Roten haben es mir angetan.

So wie Frank Spiegel selbst, der mir neben seinem Können als Weinmacher dann auch im Gespräch als sehr angenehmer Zeitgenosse begegnete. Aber nun zu meinem Lieblingspaar von Frank Spiegel, Weingut Ellermann-Spiegel: 2015 Spätburgunder Klassische, angenehme Aromen roter Beeren, leicht rauchig und ein Hauch zermahlener Mandeln in der Nase. Am Gaumen dicht, druckvoll, fruchtig, würzig – übergehend in eine schöne Eleganz. Sanfte Tannine, tolles Rückgrat und ein umschmeichelndes Finale zeichnen diesen Pinot Noir aus. 2015 Cuvée Anno XV Ein Potpourri an Aromen mit Bitterschokolade, Nougat, Cassis, Nelken, Zimt, Veilchen. Was für ein Genuss an Düften. Am Gaumen fleischig, saftig, vielschichtig, feinkörnige Tannine, angenehm eingebundenes Holz und sehr, sehr lang. Die Kombi aus den Rebsorten Cabernet Sauvignon, Spätburgunder, Merlot und Regent ist Frank Spiegel besonders gelungen. Mein Fazit: Die Weine von Frank Spiegel sind keine Unbekannten mehr. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist überraschend – die Qualitäten der Weine in Bezug zu ihrem Preis kann man nur als unbedingt zu ergreifende Gelegenheiten bezeichnen. ■

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ROTER VELTLINER MEINE ( WIEDER -) ENTDECKUNG AUF DER PROWEIN 2018

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BRITTA BINZER

Zwar wird diese autochthone Rebsorte schon seit vielen Jahren in Österreich angebaut, aber für mich ist sie eine echte Wiederentdeckung! Lange Zeit schenkten ihr die Winzer wenig Beachtung, auch weil „die Diva”, wie sie liebevoll genannt wird, eine höchst anspruchsvolle, arbeitsintensive Rebsorte ist. Die Anbaufläche für den Roten Veltliner in Österreich beträgt nur noch knapp 200 Hektar, überwiegend am Wagram. Nach Rückläufigkeit in den letzten 50 Jahren ist die Anbaufläche seit ein paar Jahren wieder leicht steigend.

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wei Winzer aus diesem Weinbaugebiet, bei denen ich die geschmackliche Bandbreite der weißen „Renaissance”-Weine verkostet habe, stelle ich kurz vor:

Josef Fritz mit Ehefrau Irene (Foto © B.Binzer)

Josef Fritz aus Zaussenberg am Wagram bietet 4 klassische Rote Veltliner von 7 bis 21 Euro, in Stahltanks oder Eichenfässern ausgebaut. Allesamt hervorragende Speisenbegleiter, zu Spargel ebenso wie zu Kalbsragout, Forelle, Wels oder Wildschwein. Sein „Gondwana” für 33 Euro, 184 Tage auf der Maische im Holzfass gelegen, könnte wunderbar zu Spanferkel oder gegrilltem Thunfisch mit Sesamkruste passen. Alle Weine überzeugen durch Raffinesse und Kraft – eine beeindruckende Kollektion! Franz und Franz Leth aus Fels am Wagram haben 3 Rote Veltliner im Programm (8 bis 22 Euro), die mich allesamt begeistert haben. Cremig-füllige Textur, vollreifes Steinobst, nussige Akzente, Kraft im Abgang – und in der Küche universell einsetzbar: zu Wiener Schnitzel, Makrele, Huhn, gefüllter Kalbsbrust oder Asia-Küche. ■

Vater und Sohn: Franz und Franz Leth (Foto © B.Binzer)

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DAS BERÜHRENDE TRIO

Bei der Präsentation der neuen Bordeaux ist mein erster Gang stets zu Château Smith Haut Lafitte. Seit Jahren die Messlatte, großartiger Wein, Weltklasse, aber vorhersehbar und deshalb schon fast langweilig.

JOACHIM A. J. KAISER

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Links: Carmen Nell-Breuning // Rechts: Weißwein von Joachim Brand // Darunter: Rotwein von Marco Giovanni Zanetti. (Fotos © Joachim A. J. Kaiser)

ein bisschen langweilig ist dagegen Joachim Brands 2016er „100 % old style Weißwein von einer einzigen Rebsorte” – ein maischevergorener, holzfassgereifter Silvaner von Fürst Hohenlohe Oehringen. Ein Orange, der mich echt geflasht hat, einer der besten, den ich je im Glas hatte. Frisch geöffnet mit feinen, herben Gewürznoten und nur dezent Apfel, weniger Maische als viel mehr reifer, frisch angeschnittener Apfel, auch jodig-algige Noten, wie die Meeres-

brise an einem kühlen Herbstmorgen. Im Mund eher mittelgewichtig, trägt nicht auf, bleibt aber lange am Gaumen und im Abgang präsent. Über Tage hinweg getrunken, wird der Wein immer gelb- und rotfruchtiger, tiefer und substanzieller. Ein Wein, der mich berührt hat. Berührt hat mich auch der 2015er „Zanzara” (Fassprobe) von Marco Giovanni Zanetti, Ca’ Del Porco, dem Winepunk. Eine Cuvée aus Nebbiolo, Merlot, Albarossa und

Cabernet Sauvignon. Hervorragend, tief, lang, elegant und jetzt schon sensationell trinkig, obwohl der Wein sicher noch einige Jahre Reife braucht, um auf seinem Höhepunkt anzukommen. Begeistert hat mich darüber hinaus die gesamte Kollektion von Carmen von NellBreuning, Dominikaner Weingut. Einfach großartig, wie die Quereinsteigerin, die das Familienweingut 2013 übernommen hat, die Jahrgänge herausarbeitet. ■

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ROTWEINE LANG STEFANS RINGEN MIT DER NATUR – HARMONISCHE SYMBIOSE ODER UNERWIDERTE LIEBE? DR. MARTIN SACHSE-WEINERT

Das Burgenland verfügt über optimale Produktionsbedingungen, die in erster Linie natürlichen Ursprungs sind, seien es die besonders günstigen klimatischen Voraussetzungen oder das hervorragend geeignete Terroir.

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urgenländische Winzer jedenfalls haben keinen Grund zur Klage, zählen sie doch anerkanntermaßen zu den Renommierten ihrer Zunft. Spricht man jedoch mit Stefan Lang, dem Besitzer des gleichnamigen Weinguts („Rotweine Lang”) in Neckenmarkt (ca. 20 Kilometer südwestlich des Neusiedler Sees), so hört man auch anderes: „Als Winzer steckt man all sein Können, seine Professionalität sowie sein Engagement in die Rebstöcke und den Wein. Aber nicht immer ist dies von Erfolg gekrönt: Häufig sind es die Launen der Natur, die uns den Lohn unserer Arbeit verweigern oder doch zumindest schmälern. Ich stecke alles hinein – und bekomme nur einen Teil wieder zurück. So ist es manchmal eine unerwiderte, eine raue Liebe, die wir zur Natur hegen.”

Stefan Lang: Stolz auf seine „Raue Liebe”. (Foto © Martin Sachse-Weinert)

Was zeichnet einen Optimisten, einen hervorragenden Könner seines Fachs jedoch aus? Er lässt sich nicht unterkriegen und unternimmt alles, um im „Blaufränkischland” in seinem 300 Jahre alten Streckhof

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RÜCKBLICK PROWEIN große Rotweine zu erzeugen. An den Südosthängen des Ödenburger Berglands gewachsen, verfügen die Trauben auf den tiefgründigen Lehmböden über optimale Reifebedingungen, unterstützt durch die zahlreichen pannonischen Sonnenstunden. So gelingt es den Langs, diverse regionstypische Rebsorten (vor allem Blaufränkisch, Zweigelt, St. Laurent) zu kultivieren und zu hervorragenden Weinen zu verarbeiten. Wir starteten unsere kleine Verkostungstour des Weinguts auf der ProWein 2018 mit der „Cuvée Fusion One 2016”, zehn Monate im Barriquefass gereift. Sie bleibt in Erinnerung als sehr samtig-fruchtiger Wein, assembliert aus 85 % Merlot und 15 % Blaufränkisch. Nicht zuletzt durch sein elegantes Säurespiel wirkt er äußerst anregend und hält, was bereits die interessante Nase verspricht. Lange, intensive Schlieren im Glas sind Vorboten des langen Abgangs, der Lust macht auf mehr – was denn auch mit der 2015er „Cuvée Excelsior” folgte. Auch diese Assemblage ist im Barrique ausgebaut, allerdings in einem neuen Fass, was die Eichentöne deutlich unterstützt. Wir empfanden die Kombination der Sorten Blaufränkisch, Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah als wunderbar ausdrucksstark

WEINFEDER JOURNAL | EDITION # 53 | JUNI 2018 und geeignet, manch südländischem Konkurrenten aus Italien und Frankreich die Pole-Position streitig zu machen. Ein sehr charaktervoller Wein, der jedoch den Genießer mit seiner Kraft nicht erschlägt, sondern zur Würdigung des menschlichen Vermögens und der natürlichen Ausgangsbedingungen beiträgt. Hat sich Stefan Lang also getäuscht? Ist die Natur doch gütiger, als er mutmaßt? Mit seinem High-End-Produkt, der „Rauen Liebe”, verkosteten wir eine Empfehlung auch des preisgekrönten Sommeliers Rakhshan Zhouleh, der uns den Stand – und eben diesen Wein besonders – ans Herz gelegt hatte. Bereits die Vorstellung des Weins in einer eigenen, aufwendigen Hochglanzbroschüre belegt den Anspruch der Langs, hier einen herausragenden Rotwein zu platzieren, der ihrem Versprechen gerecht wird: „Ein einzigartiger Wein aus den edelsten und ältesten Rebsorten [= Blaufränkisch, Zweigelt, St. Laurent, Merlot und Cabernet Sauvignon], aus unseren besten Lagen, mit viel Kraft, Eleganz und Raffinesse.” Pro Jahr werden nur drei Fässer dieses – auch deshalb – einzigartigen Weins hergestellt, dessen Alleinstellungsmerkmal es ist, vergraben in der Erde (und damit ohne Sauerstoffzufuhr)

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zu reifen. Dieser Prozess hat einen historischen Hintergrund: Während der Besatzungszeit durch sowjetische Truppen nach dem Zweiten Weltkrieg hatte man die wertvollsten Reben und Weine unterirdisch vor den Augen der Soldaten verborgen und erst nach deren Abzug wieder ans Tageslicht geholt – mit überraschend qualitätsvollem Ergebnis. So vermag auch die „Raue Liebe” über Wochen hinweg in der geöffneten Flasche ihr Aroma zu bewahren. Leider ist die 0,75er-Flasche des Jahrgangs 2012 (€ 99) bereits ausverkauft, lediglich einige wenige Magnums (€ 205) sind noch zu erwerben. Der 2013er-Jahrgang wird ab September 2018 lieferbar sein – wir sind gespannt, ob auch er die höchsten Erwartungen, die an ihn gestellt werden, erfüllen kann. Unser Fazit: Unzweifelhaft ist die „Raue Liebe” ein besonderer Wein. Ob man allerdings bereit ist, den ebenso unzweifelhaft sehr hohen Preis für ihn zu zahlen, muss jeder für sich entscheiden – vor allem vor dem Hintergrund, dass mit der „Cuvée Excelsior” bereits ein sehr wohlschmeckender und deutlich preisgünstigerer Kon kurrent aus dem gleichen Weingut vorliegt. ■

Winzer Stefan Lang (rechts) und Sommelier Rakhshan Zhouleh: „Also dieser Wein …” (Foto © Martin Sachse-Weinert) COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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SILVANER EXTREME RUDOLF KNOLL

er eine ist ein ziemlich normaler, aber verdammt guter Silvaner aus dem Zellertal. Er ist komplex, würzig, druckvoll und kompromisslos herb. Von ihm wurden nur 40 hl/ha geerntet. Ein Drittel der Menge machte den biologischen Säureåabbbau durch. Vinifiziert hat ihn eines der jungen Pfälzer Talente, Stephan Schwedhelm, der ansonsten vor allem mit Riesling reüssiert Silvaner Schwedhelm (Bezug für 9 Euro, www.schwedhelm-zellertal.de).

Silvaner Schwedhelm und Silvaner Ab Ovo (Fotos © Schwedhelm, Sauer)

Der andere Jüngling ist in Frankens Escherndorf zuhause, in einem Weingut, dessen Senior Rainer Sauer gern als Silvaner-Großmeister bezeichnet wird. Sein Sohn Daniel steht ihm schon seit einigen Jahren zur Seite. Er nutzte mit 2015

ein schon seit einigen Jahren im Keller befindliches Betonei für ein Experiment und ließ einen Silvaner 22 Monate (!) auf der Maische im Ei. Danach wurde die klare Menge über ein Sieb abgezogen und ohne Zugabe von schwefeliger Säure abgefüllt. Von ursprünglich 900 Litern blieben rund 400 Liter (500 Flaschen) übrig. Wer extreme Gerbstoffe erwartet, sieht sich getäuscht. Der Wein ist füllig, stimmig, ausgewogen, ohne bittere Elemente. Hier wurde ein Naturgesetz ausgehebelt. Der Landwein Silvaner „Ab Ovo” von Sauer hat seinen Preis: „Um 50 Euro” gibt Sauer Junior an (www.weingut-rainer-sauer.de). ■

FLAMMEN – SO WEIT DAS AUGE REICHT

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MARCEL FRIEDERICH

as sich im Oktober 2017 in Kalifornien abgespielt hat, war einfach nur schockierend. Besonders heftig, so war es in den TV-Nachrichten zu sehen, hatte es Napa Valley und Sonoma getroffen. Mehr als 2.000 Häuser wurden von der Feuersbrunst zerstört. Umso ermutigender empfand ich es, als mir die Winzer, die zur ProWein gekommen waren, bestätigten: Die Aufbau arbeiten gehen sehr gut voran! Die Amerikaner lassen sich eben nie unterkriegen. Und machen in Kalifornien weiter klasse Weine.

Ganz besonders gefiel mir der 2014er Cabernet Sauvignon von Grgich Hills Estate – so sanft auf der Zunge, trotzdem so langlebig am Gaumen, schon ein winziger Schluck ist ein Gedicht. Ich probiere mit einer großen Portion Demut, da ich die Flammen aus den TV-Nachrichten noch vor Augen habe. ■

Cabernet Sauvignon Napa Valley (Foto © Grgich Hills Estate)

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VINUM PROMINENTEN -TALK ARTHUR WIRTZFELD

Das ProWein-Forum der VINUM, geführt von Redakteur Rudolf Knoll, war so spannend wie informativ und hatte hohe Aufmerksamkeit. Fassen wir zusammen:

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ON OTHEGRAVEN: Günther Jauch hat sich, wie nicht anders zu erwarten, mittlerweile in das Weinthema eingearbeitet. Er kann locker über Weinbau sprechen, obwohl er ab und an gerne mit seinem „eingeschränkten” Weinwissen kokettiert. Dass er einen Wein kreiert hat, der nun bei Aldi steht, wird in den sozialen Netzwerken sehr kontrovers diskutiert. Jauch sagt dazu: „Warum nicht? Es ist ein ganz normaler Wein und die Leute trinken gerne normale Weine.” Gerade bei den deutschen Discountern werden die meisten hierzulande produzierten Weine abgesetzt und genau diesen Kanal nutzt auch Jauch. „Der Durchschnittspreis für Weine bei den Discountern liegt bei 2,92 Euro, unser Wein steht dort für knapp sechs Euro zum Verkauf, also in einer gehobenen Preisklasse. Mal sehen, wie sich das entwickelt”, sagt Jauch.

hatte die wichtigsten Details parat, die eigenen Weine, das Weingut und die Ziele vor versammelter Presse und Weinliebhabern zu erläutern. „Wir sind erst am Anfang. Die ersten Auszeichnungen für unseren 2015erJahrgang mit durchschnittlich 90/100 Punkten belegen, dass wir auf einem guten Weg sind, dennoch längst nicht am Ziel”, resümiert Abold.

DER WEIN: Rasse von der Saar – „Ein typischer Sponti”, urteilt Günther Jauch über das Aroma seines Leichtweines und lässt damit erkennen, dass er doch schon einiges in Sachen Weinwissen intus hat. Der beim VINUM-Talk ausgeschenkte Riesling aus dem Weingut Jauchs brillierte mit würziger, aber zarter Frucht im Aroma, tänzelte förmlich auf der Zunge und hatte trotz nur 8,5 „Volt” viel Geschmack und pikante Rasse.

DER WEIN: Für den Terravinum hat der „Kaiser” kein Auge, er liebt nur seinen „Libero” – ach Quatsch. Der beim VINUMTalk eingeschenkte Chenin Blanc kitzelte die Nase mit Apfel- und Quittenaromen sowie leicht floralen Noten. Feinwürzig am Gaumen, übergehend in eine schöne Eleganz, saftig und lang im Finale. Die 12,4 „Volt” sind moderat und machen höchst beschwingt.

LAMMERSHOEK: Franz Beckenbauer (per Videobotschaft zugeschaltet – der „Kaiser” erholt sich gerade von einer Hüftoperation), liebt seinen eigenen „Libero”. Prinzipiell ist das Weingeschäft für ihn ein Investment. Der Direktor des Gutes Lammershoek und Partner von Beckenbauer, Andreas Abold,

Die Protagonisten der Promi-Winzer: der Riesling von Othegraven, der Chenin Blanc Tarrevinum von Lammershoek und der Loto von Villa Santo Stefano. (Foto © A. Wirtzfeld)

VILLA SANTO STEFANO: Wolfgang Reitzle, leider ohne Begleitung der sympathischen Nina Ruge, die es liebt, auf ihrem gemeinsamen Gut zu leben und zu wirken und wegen eines Fernsehauftritts verhindert war, erscheint auf den ersten Blick als honoriger „Frühstücksdirektor” in Sachen Wein, aber

weit gefehlt. Reitzle ist leidenschaftlich bei der Sache und sein Weingut und die Weine liegen ihm sehr am Herzen. Als erfahrener Manager weiß er die Geschicke seines Gutes in der Toskana positiv zu begleiten. Sein Credo trifft es auf den Punkt: „Für die eigene Weinproduktion gilt: Nur die ersten hundert Jahre sind schwierig.” DER WEIN: Das sehr dunkle Rot in der Nase lässt einen „schweren” Kandidaten vermuten. In der Nase „raucht” es, dazu gesellen sich Aromen von reifen Waldfrüchten. Am Gaumen fließt der Rote mundfüllend, gibt sich konzentriert mit überwiegend reifen Kirschen. Weiche Tannine und perfekte Länge verzaubern und machen Lust auf mehr. FAZIT: Der Vinum-Talk war kurzweilig, zuweilen amüsant und auch aufschlussreich, wie Prominente aus Wirtschaft und Fernsehen das eigene Weingeschäft betrachten und bewerten. Alle tun sie dies mit Leidenschaft und wirtschaftlichem Weitblick. Wenn Sie denn das vermeintlich Außergewöhnliche tun, dann stehen Sie schnell im Fokus und natürlich auch in der Kritik. ■

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AUSZEICHNUNGEN

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WÜRZBURGER WINZER ERHÄLT BUNDESPREIS ÖKOLOGISCHER LANDBAU BLE

Das Würzburger Naturland-Weingut „Am Stein” ist in diesem Jahr unter den Siegern des Bundeswettbewerbs Ökologischer Landbau. Ludwig und Sandra Knoll werden für ihr Engagement im Bereich Nachhaltigkeit und ihre starke Innovationskraft im ökologischen Weinbau geehrt. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt überreichte die mit 7.500 Euro dotierte Auszeichnung am Tag des Ökologischen Landbaus auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin.

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as Würzburger NaturlandWeingut „Am Stein” ist in diesem Jahr unter den Siegern des Bundeswettbewerbs Ökologischer Landbau. Ludwig und Sandra Knoll werden für ihr Engagement im Bereich Nachhaltigkeit und ihre starke Innovationskraft im ökologischen Weinbau geehrt. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hob bei der Preisverleihung

Ludwig und Sandra Knol. (© Weingut am Stein)

das erfolgreiche gesamtbetriebliche Konzept der Öko-Winzer hervor: „Auf dem Weingut von Familie Knoll wird besonders deutlich, dass ökologisches Verständnis und Handeln sehr gut mit erfolgreichem Marketing und Genuss auf höchstem Niveau zu verbinden sind”, sagte der Minister. Die starke Ausrichtung auf eine ständige Qualitätssteigerung im Weinberg und im Keller, die konsequente Orientierung am Prinzip der Nachhaltigkeit

im gesamten Betriebsablauf sowie die breite Öffentlichkeitsarbeit durch zahlreiche Großveranstaltungen habe die Jury in besonderem Maße beeindruckt. Bereits seit zwölf Jahren wird das Weingut am Stein ökologisch betrieben, seit 2013 auch nach den Richtlinien von Naturland. Durch die Schaffung eines Steinkellers mit Tonamphoren und Betoneiern wurde die Qualität des Weinausbaus weiter gesteigert. „Der Wein reift dadurch länger und harmonischer, weil er jederzeit in Verbindung mit kleinen Sauerstoffmengen kommt”, erklärte Öko-Winzer Ludwig Knoll. Die Form der Betoneier erhöhe die Fluktuation der Hefe und mache eine Filterung des Weins überflüssig. Das Ergebnis sind hochwertige Weine gemäß der VDP-Lagenklassifikation des Verbands für Prädikatsweingüter. Im Weinberg ist das Winzerpaar ebenfalls sehr engagiert, um eine nachhaltige Bewirtschaftung von alten Steillagen zu sichern. So werden Weinberge schrittweise restauriert und alte Rebbestände aus gebietstypischen Klonen erhalten. Durch die Nutzung von Komposten werden das Bodenleben und die Widerstandsfähigkeit der Rebe gestärkt. Ergänzend haben die Knolls auch in die Öffentlichkeitsarbeit im Weinberg investiert, zum Beispiel durch die Schaffung eines Wein-Erlebnis-Pfades und eines Wein-Wanderweges. Die Einbindung von Menschen ist im Konzept von Familie Knoll ein zentraler Bestandteil des Arbeitsalltags. Das junge, internationale Team aus bis zu 28 Arbeitskräften wird durch Aktivitäten wie Weiterbildung, Ausflüge oder gemeinsames Mittagessen gefördert. Durch regelmäßige Veranstaltungen, ein Gästehaus, ein gutseigenes Restaurant sowie das überregional bekannte Musikfestival „Wein am Stein” kommen jährlich rund 40.000 Menschen in Kontakt mit dem Öko-Weingut. Mit dem Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau zeichnet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft seit 2001 drei praxisbewährte innovative Leistungen oder besonders nachhaltige gesamtbetriebliche Konzeptionen im ökologischen Landbau aus. Der Bundeswettbewerb wird organisiert und ausgerichtet von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. ■

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REZENSION

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GUIDE ZUR „MAGIE DER 1.000 HÜGEL” HERMANN-JOSEF BERG

Wer Rheinhessen entdecken will, dem sei die Broschüre „Rheinhessen schmeckt gut” empfohlen. 2018 umfasst die bereits zwölfte Ausgabe über 90 Seiten im Taschenformat. Herausgeber Rheinhessenwein e.V. hat erneut ein beeindruckendes und vielseitiges „Programm der 1.000 Möglichkeiten” zusammengestellt; finanziell unterstützt durch die Wirtschaftsförderungs ge sell schaften der Landkreise MainzBingen und Alzey-Worms.

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ie der Titel schon sagt, spielt das kulinarische Spektrum in der Region zwischen Mainz, Bingen, Alzey und Worms eine große Rolle. 135 Betriebe mit gastronomischen Dienstleistungen sind aufgelistet – von Straußwirtschaften über Weinstuben und Szene-Restaurants bis hin zu den „Tempeln” der Sterneküche. Es sind wirklich aktuelle Adressen im „Land der 1.000 Hügel”. Weil inzwischen auch von der „Magie der 1.000 Hügel” gesprochen wird, dürfen wertvolle Zusatzinfor mationen nicht fehlen. Über die an Wissen reichen Kräuterhöfe, -schulen und -hexen sowie Naturpädagogen. Über die Faszination besonders schön angelegter Gärten oder der für Rheinhessen typischen Hohlwege, die wie viele andere Routen zu Fuß- und Radwanderungen einladen. Über die geschichtsträchtigen Weingewölbe und den Urlaub bei Winzern. ■

(Cover © Rheinhessenwein e.V.)

Das Vademecum kann kostenfrei bei Rheinhessenwein bestellt werden. Telefon: 06731-9510740. Mail: info@ rheinhessenwein.de – Web: www.rheinhessen.de. COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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