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Fahrbericht BMW R 1300 RT-P
from Blaulicht 5/2025
by IV Group
Bayerische Wuchtbrumme
Seit 1979 ist der Boxer-Sporttourer «RT» eine feste Grösse im BMW-Modellprogramm –und in den Fuhrparks vieler Polizeikorps in aller Welt. Nun gibt es mit der R 1300 RT eine ganz neue Generation. Wir haben das Behördenmodell mit dem Namenszusatz «P» getestet.
Seit ihrer Lancierung vor viereinhalb Jahrzehnten haben BMWs «RT» Modelle mit Boxermotor nicht nur bei Tourenfahrern auf dem ganzen Globus viele Fans. Auch Polizeikorps aus aller Herren Länder vertrauen auf sie. Denn eine «RT» bietet alles, was es für den Dienstalltag auf zwei Rädern braucht: exzellenten Komfort auch nach vielen Stunden im Sattel, ein betont sicheres und zugleich sehr agiles Fahrverhalten sowie den bekannt durchzugstarken Boxermotor. Hinzu kommen modernste Technik sowie hohe Reichweite, Zuladung und Zuverlässigkeit.
Nun kommt mit der in Berlin gefertigten R 1300 RT die bisher stärkste «RT» aller Zeiten auf den Markt. Ein Motorrad, dessen Linienführung laut Designabteilung an einen «angriffslustigen Stier» erinnern soll – und das sowohl beim Blick auf die technischen Daten als auch vor einem auf dem Seitenständer stehend an nichts anderes als einen mächtigen Bullen erinnert.
2,23 Meter lang, knapp 1,40 Meter hoch und nahezu einen Meter breit ist die R 1300 RT. Links und rechts begrenzen die tief liegenden Spiegel und die von massiven Schutzbügeln bewehrten Zylinder die Silhouette. Am Heck drängen, Muskeln gleich, die Koffer in die Breite. Die höhenverstellbaren Seitenteile der üppigen Verkleidung wirken wie Schulterblätter und der Tank wölbt sich einem Stiernacken gleich nach oben und zu beiden Flanken. Kurzum: Die R 1300 RT ist ein richtiger Brocken.
Passend dazu ist der 1300 ccmVierventilBoxermotor ein echter Kraftprotz. Er leistet 145 PS und entwickelt ein maximales Drehmoment von 149 Nm. Dennoch baut er überaus kompakt. Denn das Getriebe liegt neu unter dem Motor statt dahinter. Kombiniert wird das Triebwerk mit dem bewährten Kardanantrieb und neuer EVO ParaleverSchwinge. Allerdings ist die darin verbaute, superleichte Kardanwelle nun ein Verschleissteil. Sie muss bei 80’000 Kilometer Laufleistung gewechselt werden.
Ebenfalls neu konstruiert wurden die EVO TeleleverVorderradaufhängung, das Chassis und die grosszügige Verkleidung. Zudem legten die Entwickler Hand an die Elektronik und die Fahrassistenzsysteme, das Gepäcksystem und die Komfortausstattung.

Jede Menge Extras – fast wie im Auto
Heraus kam, das kann man getrost sagen, die luxuriöseste Boxer Reisemaschine der Welt. Blickt man auf die Features, die man sonst nur vom Auto kennt, könnte man schon fast von einem zweirädrigen Cabriolet sprechen: Lenkergriffe, Fahrer und Beifahrersitz sowie optional die Rückenlehne am Topcase und die SoziusHaltegriffe sind beheizbar. Der adaptive Tempomat hat Radarunterstützung und Bremsfunktion. Auf Wunsch gibt es Front und HeckKollisionssowie Spurwechselwarnung. Ein Keyless Go System mit Zentralverriegelung ist ebenfalls verfügbar und auf dem Tank befindet sich ein Fach fürs Smartphone, Induktionslader inklusive. Je nach gewähltem Lichtpaket leuchten an der Front zwischen 17 und maximal 47 LEDs die Fahrbahn dynamisch aus, Kurvenlicht inklusive. Am Heck gibt es eine Nebelschlussleuchte. Via «DSA» (Dynamic Suspension Adjustment) werden Dämpfung und Federrate dynamisch an den Fahrmodus (Eco, Rain, Road; optional Dynamic und Dynamic Pro) und die Fahrsituation angepasst. Und erstmals gibt es – neben einem Schaltgetriebe (optional mit Schaltautomat) – das automatisierte Schaltgetriebe «ASA» mit elektronisch gesteuerter Kupplung. Weitere Extras sind ein Audiosystem, der Connectivity Hub zur Steuerung von BMWMotorradZubehörteilen (z. B. Headup Display Brille oder beheizte Jacke) sowie breitenverstellbare Touren Variokoffer (bis zu 87 Liter Stauraum) mit Innenbeleuchtung und USBSteckdose.
Ein wahres Technikschmankerl ist das «DCAFahrwerk» (Dynamic Chassis Adaption). Dieses ermöglicht es, das Fahrzeugheck anzuheben, wodurch sich der Nachlauf am Vorderrad verringert. So eingestellt agiert das Motorrad handlicher und agiler. Wird das Heck indes abgesenkt, verbessern sich Geradeauslauf und HighspeedStabilität.
So leicht können sich knapp 300 Kilogramm anfühlen
So mächtig, wie die R 1300 RT aussieht, ist sie tatsächlich. Fahrfertig wiegt der bayerische Bulle mindestens 281 Kilogramm – ohne die zusätzliche Behördenausstattung, die unsere Testmaschine mit sich schleppt. Der Fahrersitz thront auf mindestens 78 Zentimeter Höhe, weshalb ich immerhin beidseitig mit den Zehenspitzen «füsseln» kann. Im Stand ist das ein Kraftakt – doch sobald die Fuhre einmal rollt, wird alles plötzlich federleicht! Willig folgt der Bulle jedem Impuls am Lenker – und schleicht entweder leichtfüssig wie eine Katze um die Ecken oder schnellt beim Dreh am Gasgriff nach vorne wie ein spanischer Kampfstier beim Anblick eines roten Tuches.
Dabei wird spürbar, dass die Entwickler durchaus wirkungsvoll an der Ergonomie geschliffen haben. Der Lenker ist näher zum Fahrer gerückt und etwas breiter, der Schrittbogen schlanker, der Knieschluss satter. Der Abstand zwischen Sitzbank und Fussrasten blieb aber unverändert. So geniesst man weiterhin einen entspannten Kniewinkel, ist aber dynamischer und vorderradorientierter gebettet. Resultat: Man fährt lockerer, aktiver, leichter – und damit nochmals besser. Einzig die vorne sehr schmale Sitzbank macht sich negativ bemerkbar, denn sie strapaziert das Sitzleder kleinerer Piloten.
Ansonsten herrscht sanfte Harmonie. Alle Systeme spielen zusammen wie ein gut einstudiertes Orchester und der Motor, das stärkste und kultivierteste Triebwerk, das je in einer RT seinen Dienst versah, ist schlichtweg die «Wucht in Tüten». Ab 2’500 U/min zieht der FlatTwin ruckfrei durch, ab 3’500 U/min dreht er begeisternd locker hoch bis 9’000 Umdrehungen. Dabei hält er sich mit Vibrationen stets vornehm zurück – und grummelt beim Dreh am Gasgriff zwar erfreulich knurrig, aber nicht mehr so laut wie der R 1250 RT aus dem Auspuff. Das ist top.

Komfort auf hohem Niveau
Über jeden Zweifel erhaben sind auch Bremsen und Fahrwerk. Zwar nicht ganz so agil wie die R 1300 GS, aber für ihre Grösse doch enorm behände wedelt die R 1300 RT um Radien jeder Art, bügelt kurze Schläge wie auch lange Wellen einfach weg, vernichtet überschüssigen Vortrieb im Handumdrehen. So schenkt der Bulle dem Piloten jederzeit ein erhabenes Gefühl von Sicherheit und Kontrolle. Jede Strecke, egal ob kurvengespickt und ruppig asphaltiert oder schnurgerade und glatt wie ein Babypopo, wird ebenso zügig wie stressfrei absolviert – und das erfreulich sparsam. Bei der durchaus «engagiert» absolvierten Testfahrt betrug der Durchschnittsverbrauch 5,3 l/100 km (Normverbrauch: 4,9 l/100 km) und selbst unter Einbezug einer mit sehr hohen Tempi (180 km/h plus) absolvierten längeren Nachtetappe auf der deutschen Autobahn gönnte sich die RT nur 6,2 l/ 100 km. Dabei zeigte sich übrigens auch das einzig echte Manko der neuen Maschine: die spürbare Seitenwindempfindlichkeit bei sehr hohen Tempi. Insbesondere in der Schleppfahne vorauseilender Fahrzeuge, aber auch in rasant durcheilten lang gezogenen Kurven, beim Queren langer Bodenwellen sowie beim Vorbeiflitzen an grossen Lkw «rührt» die R 1300 RT bisweilen leicht mit der Front. Niemals dramatisch oder gar kritisch – aber auch nicht wirklich angenehm.
Vorzüglich indes ist der Wind und Wetterschutz. Dieser kann dank elektrisch höhenverstellbarer Frontscheibe und manuell verstellbaren Verkleidungsseitenteilen individuell adaptiert werden – zugunsten von mehr Kühlung durch den Fahrtwind oder maximalem Wetterschutz. Letzterer ist dank Deflektoren an den Spiegeln und auf Höhe der Zylinder so umfassend, dass selbst im Gewitterregen weder Handschuhe noch Stiefel feucht werden.
Beim von uns gefahrenen PModell «verhunzen» allerdings leider die Blitzleuchten und die vordere Matrix die sorgsam im Windkanal ausgefeilte Aerodynamik der Verkleidung etwas. Das ergab eine Vergleichsfahrt mit einem Zivilmodell. Die Folgen sind etwas mehr Lärm sowie spürbare Luftverwirbelungen im Helmbereich, vor allem bei Geschwindigkeiten über 80 km/h.

Apropos Behördenausstattung …
Wenn wir gerade dabei sind: Zur Behördenausstattung, welche die von uns gefahrene R 1300 RTP auszeichnet, gehören LED Blitz und Rundumleuchten (am Heck manuell ausfahrbar), zwei Martinshörner, Matrixanzeigen an Front und Heck, Motorschutzbügel und Wetterschutzpaket. Hinzu kommen spezielle Lenkergriffe mit beleuchteten Zusatzschaltern und SOS Einheit, ein flexibles Kommunikationssystem (im Topcase), schlanke Seitenkoffer, Feuerlöscher und ein verstellbarer Windschild. Zudem gibt’s eine Halterung hinter der Frontscheibe für das individuelle Navi Gerät. Mehr Informationen finden Interessierte auf: www.authorities.bmw motorrad.com
Damit wird deutlich: Die neue R 1300 RT setzt Massstäbe bei Technologie, Antrieb, Dynamik, Sicherheit, Komfort – und beim Anspruch, ein exzellentes Behördenmotorrad zu sein. Ernsthafte Konkurrenz ist aktuell nicht in Sicht, mit Ausnahme der in Kooperation mit BMW Motorrad Niederlande realisierten R 1300 GS P, die im Oktober 2024 auf der Messe Milipol 2024 in Katar vorgestellt wurde.











