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Der neue Leapmotor C10 REEV

Tschüss, Reichweitenangst

Der Leapmotor C10 REEV hat einen rein elektrischen Antrieb, unterstützt von einem Vierzylinder-Generator. So soll er bis zu 970 Kilometer Reichweite bieten. Ob das stimmt und was der in China entwickelte SUV sonst zu bieten hat, haben wir getestet.

Elektrisch fahren mit der Sicherheit, nicht im Einsatz wegen eines leeren HV-Akkus liegen zu bleiben. Das verspricht der neue, in China entwickelte und in Europa über den Stellantis-Konzern vertriebene Leapmotor C10 Range-Extended EV (REEV). Möglich machen soll den Spagat eine in China bereits weitverbreitete Technologie: die Kombination eines 158 kW (218 PS) starken Elektromotors im Heck mit einem vergleichsweise kleinen 28-kWh-Akku und einem 1,5-LiterBenzin-Reihenvierzylindermotor, der als 50-kW-Generator dient. Letzterer ist nicht – wie bei normalen Plug-inHybriden – mit dem Antriebsstrang verbunden, sondern dient einzig als Stromgenerator, der die HV-Batterie lädt respektive auf einem definierten Ladezustand hält.

Vorteile dieses Range-Extended-EV-Prinzips: Da weder Getriebe noch Antriebswellen, Schwungräder oder Torsionsdämpfer nötig sind, baut der Benzingenerator sehr leicht. Zudem kann er immer im optimalen Effizienzbereich laufen, ist also sparsam. Und da er nicht an den Antrieb gekoppelt ist, hält er sich sowohl akustisch als auch hinsichtlich Vibrationen vornehm zurück. Selbst an starken Steigungen und beim Beschleunigen ist kaum mehr als ein dezentes Brummen zu hören. Daher fährt der C10 REEV nahezu so leise wie ein reines E-Auto.

Gipfelstürmer: Der Leapmotor C10 REEV hat uns auf dem Weg ins Wallis begleitet – und in vielerlei Hinsicht sehr positiv überrascht.
© Hersteller

Bis zu 970 Kilometer Reichweite pro Tankund Akkufüllung

Leapmotor gibt für den C10 REEV bei vollem Akku und 50-Liter-Benzintank eine maximale Reichweite nach WLTP von 970 Kilometern an. Die rein akkugestützte Reichweite beträgt 145 Kilometer – den Rest an elektrischer Antriebsenergie steuert der Generator bei. Den kombinierten Kraftstoffverbrauch gibt Leapmotor mit 0,4 l/100 km an, was einem CO 2-Ausstoss von 10 g/km entspricht.

Leapmotor gibt für den C10 REEV bei vollem Akku und 50-Liter-Benzintank eine maximale Reichweite nach WLTP von 970 Kilometern an. Die rein akkugestützte Reichweite beträgt 145 Kilometer – den Rest an elektrischer Antriebsenergie steuert der Generator bei. Den kombinierten Kraftstoffverbrauch gibt Leapmotor mit 0,4 l/100 km an, was einem CO 2-Ausstoss von 10 g/km entspricht.

Damit die Anwender passend zu Streckenprofil, Einsatzraum und zu absolvierender Strecke stets die optimale Antriebsart wählen können, bietet der C10 REEV vier Fahrmodi. Im Modus «EV+» stromert er rein elektrisch, bis der Akkuladestand unter 9 Prozent fällt. Dann schaltet der Generator zu. Im Modus «EV» erfolgt die Zuschaltung bereits bei 25 Prozent. Im für Langstreckeneinsätze angedachten Modus «Fuel» wird der Generator bei 80 Prozent Akkuladestand –oder einem vom Anwender individuell definierten Ladezustand – aktiviert. Im Modus «Power+» letztlich arbeitet der Generator dauerhaft – und kann die HV-Batterie während der Fahrt auf bis zu 100 Prozent laden.

Betankt wird der Leapmotor C10 REEV an der Tankstelle, sein HV-Akku kann mit bis zu 6,6 kW beim AC-Laden an der Wallbox oder mit bis zu 65 kW am DC-Schnelllader (30–80 %: 18 Min.) geladen werden.

Das Cockpit ist minimalistisch designt. Selbst die Lüftungsdüsen (im Spalt der Armaturenträger) sind versteckt.
© Hersteller

Von Oerlikon nach Brig und zurück

Wir hatten die Möglichkeit, die Reise ans Rescue Forum Wallis in Brig mit einem Leapmotor C10 REEV zu absolvieren –wobei wir die Route von Zürich-Oerlikon über den Furkapass und retour wählten. Diese bot uns die Gelegenheit, sowohl die City- als auch die Autobahntauglichkeit und natürlich auch die «Berg-Gängigkeit» des C10 REEV zu erproben – mit positiven Resultaten: Am Ende der 407 Kilometer langen Reise zeigte der Bordcomputer 547 Kilometer Restreichweite an. Macht in Summe 954 Kilometer. Das ist beeindruckend –umso mehr, als beide Passüberquerungen (an Tag 1 bei bis zu 34 Grad in praller Sonne, an Tag 2 bei Gewitterregen und 13 Grad) mit zügigem Fahrstil im Rahmen der Legalität erfolgten. Am Ende zeigte der Bordcomputer einen Verbrauch von 6,2 l/100 km Benzin und 11,7 kWh elektrischer Energie an – was innerhalb der Werksangaben (20,5 kWh und 0,4 l/100 km im gemischten Betrieb; 6,4 l/100 km bei entladener Batterie) lag.

So erfreulich wie die Ehrlichkeit der Chinesen bei den publizierten Verbrauchs- und Reichweitewerten war auch der Komfort. Das beim Testfahrzeug in Orange gehaltenes Interieur ist gut verarbeitet, alle Oberflächen sind weich gepolstert, nichts klappert, nichts wackelt, nichts zittert. Die Spaltmasse sind vergleichbar gut wie bei Toyota, Ŝkoda, VW und Co. – und die Lackierung in Perlmuttweiss tadellos. Zudem bietet der C10 REEV Platz im Überfluss.

Gutes Raumgefühl, viel Platz und Komfort

In der ersten Reihe geniesst man viel Ellbogen- und Beinfreiheit, gute Rundumsicht – und sitzt entspannt auf zwar etwas weich gepolsterten, aber ausreichend Seitenhalt bietenden Kunstledersitzen. Diese sind beheiz- oder belüftbar, bieten eine genügend lange Oberschenkelauflage und eine gelungene Konturierung.

Ebenfalls viel Platz geniessen Passagiere in der zweiten Reihe des 4,74 Meter langen, 1,90 Meter breiten sowie 1,68 Meter hohen SUV. Und auch der Zu- und Ausstieg vorne wie hinten gelingt dank weit öffnender Türen einfach und bequem.

Nicht ganz so gross ist das mit elektrisch aufschwingender Klappe ausgerüstete Gepäckabteil. Dieses fasst bis zu 400 Liter Gepäck oder Ausrüstung, bei eben umgeklappten Rückenlehnen sogar bis zu 1’375 Liter.

Umfassende Ausstattung ab Werk

Minimalistisch präsentiert sich das Cockpit: Im Blickfeld des Fahrers informiert ein 10,25-Zoll-Display über Tempo, Reichweite, Verbrauch, gewählten Fahrmodus sowie –anwählbar – Medienwiedergabe oder Navigationshinweise. Auch über alle rund um das eigene Fahrzeug befindlichen Verkehrsteilnehmer, die vom Kamerasystem erfasst werden, wird der Fahrer informiert – dezent animiert und nicht zu aufdringlich.

Das Lenkrad zieren nur einige wenige Tasten für die Bedienung des Mediasystems und des adaptiven Tempomaten. Dieser wird etwas unkonventionell aktiviert: Man muss den rechten Lenkradstock, an dem auch die Fahrtrichtung ausgewählt sowie die Parkstellung aktiviert wird, ganz nach unten drücken. Einmal aktiviert wird der Tempomat dann über die linksseitigen Lenkradtasten reguliert. Das ist ungewohnt – aber rasch intuitiv bedienbar.

Am linken Lenkradstock bedient man die Scheibenwischer (laufen fein regulierbar und geräuscharm) sowie die Scheinwerfer. Letzteres ist aber unnötig – dank Lichtautomatikfunktion.

Alle anderen Einstellungen – von der Klimatisierung bis zur Stellung der Rückspiegelgläser und der Regelstärke der Fahrassistenzsysteme – werden über das mittig platzierte 14,6-Zoll-Display angewählt und bedient. Das mag man oder auch nicht, wobei es so einfach funktioniert wie beim Smartphone. Allerdings sollte man das Fahrzeug dazu stoppen, denn eine gewisse Ablenkung von Strasse und Verkehr ist angesichts der teils komplexen Menüführung nicht zu leugnen.

Entspanntes Fahren auch über lange Strecken

In Fahrt entpuppt sich der C10 REEV eher als Gleiter denn als Sportler. 215 PS reissen zwei Tonnen nun mal nicht mit überbordendem Elan nach vorne. 8,5 Sekunden dauert der Standardsprint aus dem Stand auf 100 km/h Tempo, die Höchstgeschwindigkeit beträgt laut Werk 170 km/h. Für Schweizer Verhältnisse reicht beides locker. Die Fahrwerkabstimmung ist – dank Schützenhilfe des StellantisKonzerns – sehr ordentlich. Die Federung agiert straff, ohne je unkomfortabel zu sein. Nur schnell aufeinanderfolgende, grössere Asphaltverwerfungen zwingen die Dämpfer bisweilen etwas stark in die Progression. Dann beginnt der C10 REEV zu stossen und zu hüpfen. Andererseits neigt er beim Überfahren langer Asphaltwellen auf der Autobahn zum leichten Nachwippen. Beim deftigen Beschleunigen aus engen Serpentinen heraus scharrt er überdies schon mal leise pfeifend mit den Hinterrädern. All dies aber provoziert nur, wer Volant und Gaspedal getreu dem Motto «Wenn wir testen, dann testen wir» bedient, sich also dem Grenzbereich der Physik annähert. Bei «normaler» Fahrt passt alles sehr gut. Einzig die etwas synthetische Lenkung dürfte mehr Rückmeldung über den Verzahnungszustand der 20-ZollDunlop-Pneus mit dem Untergrund bieten.

Unter der Motorhaube versteckt sich der dezent agierende, kompakte und 50 kW starke Onboard-Vierzylinder-Stromgenerator.
© Hersteller

Wermutstropfen Assistenzsysteme – mit Lösung in Sicht

Wie alle neuen Fahrzeuge ist der Leapmotor C10 REEV vollgestopft mit an Sensoren und Kameras gekoppelten Fahrassistenzsystemen. Und wie bei vielen anderen Fahrzeugen auch agieren diese bisweilen hypersensibel – weil die schmalen, ja teils regelrecht beengten Schweizer Strassen und Strässchen sie ans Limit treiben. Abseits der Autobahn gongt, bimmelt und piept der C10 REEV deshalb gefühlt ohne Unterlass. Zudem aktiviert er selbst bei abgeschaltetem Spurhalteassistent immer wieder den Notspurhalteassistenten. Ebenso ein Sensibelchen ist die Müdigkeitserkennung – weshalb wir sie abgeschaltet haben.

Aber: Wer im NCAP-Test fünf Sterne will – wie der Leapmotor C10 REEV –, muss heutzutage die Kunden über Gebühr reglementieren, warnen und zu steter Vorsicht mahnen. Das ergeht allen Herstellern gleich – EU-Regularien sei Dank. Doch laut Christof Grütter, Marketing- und Produktverantwortlicher bei Leapmotor Switzerland, arbeiten die Chinesen bereits mit Hochdruck an der Erziehung der Assistenten zu mehr Rücksicht auf die Schweizer Infrastrukturverhältnisse. «Zeitnah wird ein Over-the-Air-Update für mehr Gelassenheit während der Fahrt sorgen», verspricht er.

Schön wäre es, wenn die Sprachassistentin dabei auch etwas besser Deutsch lernen könnte. Damit aus der «Eff-UrkaStrasse» oder der «Ess-Cee-Hah-Wammendigerstrasse» die «Furka- respektive Schwammendingerstrasse» werden – und uns die Dame ganz generell besser versteht, wenn wir sie um Unterstützung bitten.

Weitere Kritikpunkte: Bei Kriech- und Langsamfahrt dürften die Bremsen, deren Bissigkeit bei hohen Tempi erfreulich ist, etwas feiner dosierbar sein. Zudem wäre ein nicht leicht nach links verdreht montiertes Lenkrad fein. Nicht missen indes wollen wir die leistungsstarke und doch leise Klimaanlage, das grosse Staufach in der Mittelkonsole und das riesige Glasdach.

Fazit: preiswert, komfortabel, sparsam und einsatztauglich

Alle monierten Punkte relativieren sich stark, wenn man weiss, wie preiswert der C10 REEV ist. Gerade einmal 35’900 Franken (Modell «Style»; Testwagen «C10 REEV Design» ab 37’900 Franken) muss auf den Tisch legen, wer einen besitzen will. Für so kleines Geld gibt es ein grosses Familienfahrzeug, das sparsam und sicher ist, komfortables Langstreckenreisen ebenso ermöglicht wie umweltschonendes Stromern im Ballungsgebiet, serienmässig enorm viel Ausstattung an Bord hat und gefälliges Understatement beim Design bietet. All dies macht den Leapmotor C10 REEV auch als Einsatzfahrzeug für Blaulichtkräfte attraktiv –zumal Leapmotor Switzerland über ein landesweites Netz von 23 Händlern verfügt und das Fahrzeug mit 60 Monaten/ 200’000 km Garantie ausstattet. Zudem – wichtig für BORS –soll ergänzend zum aktuellen Hecktriebler schon ab Oktober 2025 ein vollelektrisches 4x4-Modell lanciert werden.

Mehr Informationen gibt’s bei Leapmotor Switzerland unter: www.leapmotor.net/ch-de

«Info»

Wer ist Leapmotor?

Leapmotor wurde 2015 vom chinesischen ElektronikIngenieur Zhu Jiangming gegründet. Im Heimatmarkt ist Leapmotor seither sehr erfolgreich – und wagte 2024 in einem Joint Venture mit Stellantis den Sprung nach Europa. Stellantis sorgt mit seiner Konzernlogistik für Marketing und Vertrieb und unterstützt Leapmotor bei der technischen Adaption der Fahrzeuge für den EUMarkt. Neben dem C10 REEV sind aktuell der rein batterieelektrische C10 BEV (ab CHF 35’900,–; WLTP­Reichweite: 420 km; Akku: 69,9 kWh) und der Kleinwagen T03 BEV (ab CHF 16’990,–; WLTP­Reichweite: 265–395 km; Akku: 37,3 kWh) im Programm. Weitere Modelle wie der C10 4x4 sind in der Pipeline.

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