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Threema Work bei der Alpinen Rettung Schweiz

Die ARS optimiert die Rettungskette mit einer immer besseren IT-Infrastruktur

Sinnstiftende Digitalisierung hilft Leben retten. Daher entwickelt die Alpine Rettung Schweiz ihre IT-Infrastruktur und ihre Einsatzkommunikation stetig weiter. Jüngst wurde der Messenger Threema Work, vom Hersteller gezielt für die ARS optimiert, ins System integriert.

Seit 20 Jahren sorgt die Stiftung Alpine Rettung Schweiz (ARS) in den Bergregionen der Schweiz für Sicherheit – mit rund 3’400 Rettungskräften in 84 Rettungsstationen, die in sieben Regionalvereinen zusammengeschlossen sind. Einst ins Leben gerufen vom Schweizer Alpen-Club SAC und der Schweizerischen Rettungsflugwacht Rega, über deren Alarmnummer 1414 die ARS-Kräfte aufgeboten werden, ist die ARS heute landesweit aktiv. Einzig im Kanton Wallis wird das Rettungswesen durch die Kantonale Walliser Rettungsorganisation KWRO organisiert.

Naturereignisse stellen Retter vor neue Herausforderungen

In den zwei Jahrzehnten seit Gründung der ARS hat sich technologisch viel verändert. Allem voran hat die Digitalisierung zu grossen – und wertvollen – Veränderungen geführt. Parallel hierzu haben sich aber auch die Risiken, insbesondere durch grosse Naturkatastrophen, verändert. Das zeigte sich vergangenes Jahr bei den heftigen Naturereignissen im Maggiatal, im Misox und im Berner Oberland sowie – man denke nur an den Felssturz von Blatten vor einigen Wochen – auch im Wallis.

Derartige Grossereignisse stellen die Rettungskräfte vor enorme Herausforderungen – weil sie deren Kommunikationsinfrastruktur lahmlegen können. Das zeigte sich eindrücklich, als am 29. Juni 2024 nach heftigen Regenfällen im Val Bavona und im Val Lavizzara die Flüsse über die Ufer traten, Erdrutsche und Schlammlawinen niedergingen, Häuser beschädigt, Autos weggeschwemmt und das Maggiatal von der Aussenwelt abgeschnitten wurde. Dabei wurde auch die südlich von Cevio gelegene Visletto-Brücke weggespült – und mit ihr die in der Brückenkonstruktion geführten Strom-, Telefon- und Glasfaserkabel.

Zwar konnte am Morgen danach in Aurigeno ein Front-Kommandoposten eingerichtet werden, aus dem ein Einsatzleiter die Rettungsteams koordinierte. Allerdings musste ein zweiter Einsatzleiter nördlich der Visletto-Brücke die Kommunikation zwischen den Teams und dem Kommandoposten sicherstellen – und Kantonspolizisten die Sucheinsätze begleiten. Nur über deren Polycom-Funkgeräte war anfangs die Kommunikation mit dem Kommandoposten in Aurigeno möglich. Zudem war der Helikopterkanal auf den ARS-Funkgeräten überlastet.

Ab 2. Juli funktionierte das Telefonnetz wieder, am 4. Juli wurde in Visletto eine provisorische Brücke über die Maggia eröffnet. Erst nachdem diese erstellt worden war, konnte die ARS am Freitag, 5. Juli, auf dem Pizzo Castello nördlich von Cevio eines ihrer schweren Funkrelais installieren, das dann die Funkverbindung vom Kommandoposten in Aurigeno bis weit in die Täler hinauf ermöglichte.

Das Aufgebotsund Lagebildsystem ARMC (Alpine Rescue Mission Control) der Alpinen Rettung Schweiz basiert auf dem Softwareas-a-Service-Produkt «Momentum PRO» der sureVIVE AG.
© SureVIVE AG

Neue Ansätze für die Kommunikation sind nötig

Angesichts dieses Ereignisses sowie weiterer Naturkatastrophen im Jahr 2024 in Misox, Brienz und im Wallis muss die ARS (und generell jede Rettungsorganisation im Land) ihre Notfallszenarien hinsichtlich der Einsatzkommunikation neu denken. Andrea Dotta, Leiter Einsatz der ARS, erklärt: «2024 hat sich die Risikorangliste der ARS geändert. Wir mussten erkennen, dass es nicht ausreicht, Notfallszenarien bezüglich der Einsatzkommunikation nur mit Fokus auf grossflächige Strommangellagen respektive einen Black-out zu betrachten. Wir müssen uns auch auf eine funktionierende Krisenkommunikation bei kleinflächigeren Ereignis sen, insbesondere durch Unwetterschäden, ein stellen.»

Satellitentelefonie, Funk und Polycom

Dabei stossen im vorwiegend bergigen Einsatzgebiet der ARS mit vielen langen, schmalen, tiefen und verwinkelten Tälern sowohl Satellitentelefonie als auch Funk an ihre Grenzen, wie Dotta erläutert. «Hinsichtlich Satellitenkommunikation sind die oftmals grossflächigen Funkschatten in den Tälern ein Problem. Und die Einrichtung eines zusätzlichen Funkkanals auf den ARS-Funkgeräten für die Kommunikation mit den Helikoptern würde einen enormen Aufwand bedeuten. Wir müssten alle 1’400 Funkgeräte der ARS einziehen und umstellen.» Hinzu kommt, dass die bei der ARS aktuell vorhandenen Funkrelais bereits etliche Jahre auf dem Buckel haben – und sehr schwer und gross sind. «Die mangelhafte Mobilität der sechs im Bestand befindlichen Funkrelais ist eine Herausforderung. Daher haben wir bereits mit der Evaluation von kleineren, leichteren und entsprechend mobileren Funkrelais begonnen», betont Andrea Dotta.

Diese Beschaffung würde dazu beitragen, dass die ARS das Funknetz besser für das Aufgebot der Rettungskräfte in einem abgeschnittenen Gebiet nutzen könnte. Denn schnell transportable mobile Funkrelais könnten die grundsätzlich limitierte Reichweite des Funknetzes sehr zeitnah massiv erhöhen. «So wäre eine direkte Kommunikation über den ARS-Direktkanal, der in allen 1’400 Handfunkgeräten programmiert ist, auch über weitere Distanzen und ganze Talkessel hinweg möglich», sagt Andrea Dotta.

Ein weiteres Ziel der ARS ist es, alle Rettungsstationen der ARS mit Polycom-Geräten auszurüsten. «Das Polycom-System ist sehr resilient, funktioniert auch dann noch, wenn alles andere stillsteht», weiss Andrea Dotta. «Leider steht uns in einigen Regionen der Schweiz der Föderalismus etwas im Weg. Bisher ist es nämlich nicht in allen Kantonen gelungen, die Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass die ARS-Rettungsstationen als wichtiger Teil der Rettungskette zwingend solche Geräte brauchen.» Die ARS spreche das Thema aber immer wieder an, spätestens dann, wenn die Leistungsvereinbarungen mit einem Kanton neu verhandelt werden.

Parallel zum Aufgebot via ARMC werden die ARS-Rettungskräfte seit einem Jahr auch via Threema Work aufgeboten.
© ARS/Redefine GmbH

Threema Work als Pager-Ersatz

Einen Quantensprung hat das digitale Ökosystem der ARS Ende 2023 mit der Einführung der Threema-Work-App gemacht, wie Andrea Dotta ausführt. «Mit Threema konnten wir den zuvor herrschenden Wildwuchs im Messenger-Bereich eindämmen und eine datenschutzkonforme sowie betont sichere Lösung etablieren. Ende 2023 wurden alle Rettungskräfte eingeladen, Threema Work auf ihren Mobiltelefonen zu installieren. Dabei wurden ihre Daten aus der Personalverwaltung synchronisiert und alle wurden automatisch definierten Gruppen zugewiesen. Zuallererst natürlich ihrer jeweiligen Rettungsstation sowie, abhängig von ihrer jeweiligen Funktion, individuellen Fach- oder Führungsgruppen.» Das Angebot, bei dem die ARS die Kosten für die App übernimmt, stiess auf enorme Akzeptanz. «Mitglieder einer Gruppe können chatten, telefonieren, Fotos und Dokumente austauschen sowie Konferenzgespräche führen. Der Rettungschef kann Übungen ansetzen, Einladungen verschicken und Gruppen bilden, der Einsatzleiter Dienste einteilen und vieles mehr. Zudem können alle auf Threema auch privat chatten, wobei niemand in die privaten Chats Einblick hat – weder der Rettungschef noch der Regionalvereinspräsident oder die Zentrale am Flughafen Zürich», betont Andrea Dotta.

Seit Anfang 2024, nach den üblichen Tests und kleineren Optimierungen, nutzt die ARS Threema Work für den Informationsaustausch – und für die Einsatzkommunikation. «Threema dient seither als Back-up für das Aufgebot von Rettungskräften über die ARMC-App (Alpine Rescue Mission Control) – und ersetzt die bisher verwendeten Pager», sagt Andrea Dotta. «So stellen wir sicher, dass im Fall technischer Probleme in der regulären Aufgebotkette via ARMC alle angeforderten Kräfte garantiert erreicht werden können.»

Threema Work ist ans Einsatzleitsystem (ELS) der Rega angebunden – und jedes Aufgebot via ARMC wird zeitgleich auch an die entsprechende Threema-Gruppe geschickt. Dabei bilden die Einsatzinformationen den Einstiegspunkt für die Einsatzkommunikation. «Mit Einführung von Threema haben wir zudem den Kreis der Personen, welche die Einsatzinformation erhalten, ausgedehnt», erklärt Andrea Dotta. «Parallel zum Aufgebot an die benötigten Fachkräfte, etwa eine RSHGruppe, erhält auch die Einsatzleitung des betreffenden Gebiets eine Meldung. So ist diese vorinformiert und kann Vorbereitungen treffen für den Fall, dass sich ein terrestrischer Einsatz für die Station ergibt.»

Mitgeteilt via Threema werden Zeit, Datum, Einsatzart (beispielsweise Lawinenabgang, Vermisstensuche, Bergunfall), Einsatzort und Name/Art der aufgebotenen Gruppe(n). Anders als in der Aufgebots-App ARMC wird auf Threema aber kein Lagebild mit Positionsdaten angezeigt.

Im Einsatz können die Gruppenmitglieder dann direkt via Threema kommunizieren, Absprachen treffen sowie Bilder und Daten austauschen.

Andrea Dotta, Leiter Einsatz der ARS, ist nach einem Jahr praktischer Erfahrung sehr überzeugt von Threema Work –und hat bereits Ideen für weitere Funktionalitäten der App.
© ARS/Redefine GmbH

Dynamische Threema-Gruppen für jeden Einsatz

Seit April 2025 neu hinzugekommen ist eine von der ARS bei Threema initiierte «Dynamische Gruppenlösung». «Kommt es zu einem Einsatz, werden sämtliche involvierten Kräfte automatisch in die entsprechende Gruppe aufgenommen», erklärt Andrea Dotta. «So erhalten alle, auch wenn sie verschiedenen ARMC-Gruppen angehören, jederzeit dieselben Informationen – ohne selbst irgendetwas machen zu müssen. Alle sind miteinander vernetzt. Auch dann, wenn sich die Gruppenzusammensetzung während des Einsatzes ändert.»

Selektiert werden die Gruppenmitglieder von der Einsatzleitung – wobei diese noch nicht einmal deren Handynummern kennen muss. Der Threema-Code genügt. «Ich kann mit dem neuen Tool jederzeit mit jedem ARS-Mitglied in Verbindung treten, ohne irgendwelche Daten kennen oder speichern zu müssen», freut sich Andrea Dotta. «Mit Threema haben wir eine seriöse, sehr sichere und maximal datenschutzkonforme Lösung, die obendrein eine hohe Resilienz bietet. Denn der allergrösste Teil der Mobilfunkantennen in der Schweiz verfügt über Akkus und somit über einige Stunden Stromausfallsicherheit. Das genügt uns, um die Rettungskräfte in einer betroffenen Region darüber zu informieren, dass sich potenziell eine schwierige Lage entwickelt. So haben diese Zeit, um sich vorzubereiten und ihre Kommunikation auf Funk und/oder Polycom umzustellen.»

Damit dies funktioniert, bietet Threema Work für die ARSGeschäftsstelle und die Regionalvereine auch die Möglichkeit zur Einwegkommunikation. Via Verteilerlisten lassen sich so Infos aller Art schnell an grosse Gruppen verteilen. Dabei bietet Threema im Gegensatz zu den bisherigen Pagern die Möglichkeit, deutlich mehr Zeichen zu versenden. «Waren bisher nur rudimentäre Informationen möglich, können wir jetzt alle nötigen Informationen und passende Handlungsanweisungen übermitteln», erklärt Andrea Dotta.

Der aktuelle Notfallplan für Einsatzkommunikation der ARS.
© ARS/Redefine GmbH

Aktuelle Weiterentwicklungen und Zukunftsideen

Natürlich erwachsen auch bei der ARS aus Neuerungen, die sich wie Threema Work im Einsatz bewähren, zusätzliche Ideen und Begehrlichkeiten. So wurde erst kürzlich eine Erweiterung der dynamischen Gruppenfunktion entwickelt: Über einen QR-Code, der als Gruppenbild verwendet wird, können ARS-Kräfte künftig in einen Einsatz involvierte ­Angehörige anderer Organisationen, etwa der Polizei, der Feuerwehr, der Armee oder des Zivilschutzes, in die ­Threema-Gruppe einladen. «Scannen die Drittkräfte den QR-Code, werden sie automatisch Mitglied der dynamischen Gruppe – und damit in die Einsatzkommunikation einge­bunden», erläutert Andrea Dotta.

Dem Datenschutz tut diese Erweiterung keinen Abbruch: Ist ein Einsatz beendet, bleibt die entsprechende Threema-Gruppe noch 30 Tage lang aktiv – und wird danach automatisch gelöscht. «So ist sichergestellt, dass relevante Einsatzdaten, namentlich Zeitstempel, lange genug zur Verfügung stehen, um den Einsatz sauber zu rapportieren und zu dokumentieren – ohne dass dadurch datenschutzrechtliche Probleme entstehen.»

Für die absehbare Zukunft im Raum stehen Bestrebungen, Threema Work um eine Push-to-talk-Lösung zu erweitern – und ergänzend zu leichteren Funkrelais auch WiFi-Relais anzuschaffen. Unabhängig davon, ob diese Pläne Realität werden, ist Andrea Dotta bereits heute hochzufrieden mit dem, was die ARS in den letzten Monaten erreicht hat. «Die Threema-App erweist sich als stabile, sichere und im Einsatz effiziente Lösung, die sich hoher Akzeptanz erfreut und ­etliche Probleme löst», sagt er. Anderen Organisationen, die auf eine krisenresistente Kommunikationslösung ange­wiesen sind, gibt er die klare Empfehlung, sich die Threema- Work-App genauer anzuschauen – und bei spezifischen Fragen einfach direkt auf Threema oder die ARS zuzugehen.

«Hintergrund»

Das digitale Ökosystem der ARS

Die Alpine Rettung Schweiz bietet auf ihrer IT­Infrastruktur mehrere Dienste an, welche die Mitglieder der Organisation mit nur einem einzigen Log­in nutzen können.

© ARS/ Redefine GmbH
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