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Polizeiliche Kriminalstatistik 2024

Die Gewalt im Land steigt weiter

Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2024 belegt: Die Zahl der Gewaltdelikte steigt weiter – auch gegen Blaulichtkräfte.

Alle Jahre wieder: Die vom Bundesamt für Statistik BFS erstellte Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2024 weist erneut eine höhere Zahl von Übergriffen auf Blaulichtkräfte aus.

Doppelt so hohe Zahlen wie noch 2009

14’763 Straftaten gegen die öffentliche Gewalt wurden gezählt – fast doppelt so viele wie noch vor 16 Jahren (7’490 Fälle) und erneut zehn Prozent mehr als 2023, als noch 13’410 Fälle gezählt wurden. 3’305 Mal richteten sich Angriffe und Drohungen gegen Einsatzkräfte, meist die Polizei. Das sind acht Prozent mehr als im Vorjahr, knapp 41 Prozent mehr als noch im Jahr 2009 (2’350) und nahezu so viele wie zu Zeiten der Corona-Krise (2020 und 2021), als mit 3’514 und 3’557 Fällen die bisherigen Rekordzahlen erfasst wurden.

Anders ausgedrückt heisst das: Jeden Tag ereignen sich in der Schweiz rund 40 Straftaten gegen die öffentliche Gewalt, neun davon betreffen Gewalt und Drohung gegen Angehörige der Behörden, Sicherheits- und Rettungskräfte. Legt man die 24/7-Einsatzbereitschaft der Blaulichtkräfte zugrunde, wird somit alle 160 Minuten eine Einsatzkraft Opfer von Gewalttätigkeiten oder Drohungen. Nicht berücksichtigt ist dabei die Dunkelziffer. Denn nicht selten machen Betroffene « die Faust im Sack» und haken negative Erlebnisse im Einsatz einfach ab – anstatt diese konsequent anzuzeigen.

Diese Zurückhaltung hat gute Gründe: Längst nicht alle Vorgesetzten, Korps und Verbände bieten betroffenen Mitarbeitern wirkungsvollen juristischen Beistand, um Ansprüche durchsetzen und Täter bestrafen zu können. Hinzu kommt – das ist in persönlichen Gesprächen mit Einsatzkräften immer wieder spürbar – eine gewisse Resignation der Betroffenen. «Verbale Ausfälligkeiten, Übergriffe wie Anspucken, aber auch leichtes Schubsen sowie gezielte Beleidigungen gehören zu unserem Alltag wie der Schichtdienst und die unregelmässigen Arbeitszeiten. Wer das nicht aushält, ist vermutlich fehl am Platz. Man benötigt einfach ein dickes Fell», lautet das Zitat eines Polizisten, der namentlich nicht genannt werden möchte – aber sicherlich vielen Kolleginnen und Kollegen aus der Seele spricht.

Die Gesellschaft verroht kontinuierlich: Auch 2024 hatten Gewalttaten wieder Hochkonjunktur.
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Nahezu ein Fünftel mehr Gewalttaten

Betrachtet man die Gesamtzahl der 2024 polizeilich registrierten Gewaltstraftaten, zeichnet sich ein ähnliches Bild: 48’943 Fälle entsprechen einer Steigerung um drei Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr (47’381). Besonders stark gestiegen ist dabei die Anzahl schwerer Gewaltdelikte. 2’456 schwere Gewaltstraftaten entsprechen einem Plus von nahezu 20 Prozent – und einem neuen Rekordwert. Besonders gestiegen sind die Fallzahlen in den Bereichen schwere Körperverletzung (+16,9 %), Vergewaltigungen (+29,4 %) und schwerer Raub (+21,6 %). Die Mehrheit aller Gewaltstraftaten wurde dabei im öffentlichen Raum (55,3 %) verzeichnet.

Basel bleibt das gefährlichste Pflaster

Die Frage, was die gefährlichsten Pflaster der Schweiz sind, beantwortet die PKS auch. Vor sechs Jahren, als wir die PKS 2015 bis 2018 detailliert analysierten, lag der Kanton Basel-Stadt einsam an der Front. Damals betrug dort die Häufigkeitsquote von Gewaltstraftaten respektive von Drohung und Gewalt gegen Beamte 12,5 respektive 1,6 Promille (‰). Damit lag Basel markant über dem Landesdurchschnitt (5,2 und 0,4 ‰), ebenso wie die Kantone Genf (8,1/0,5 ‰), Waadt (7,4/0,3 ‰), Zürich (6,4/0,4 ‰) und Schaffhausen (6,6/0,4 ‰).

Heute, sechs Jahre später, hat sich daran wenig geändert. Basel-Stadt ist mit 12,9 und 1,6 ‰ weiter einsame Spitze, gefolgt von Waadt (8,3/0,4 ‰), Schaffhausen (8,1/0,3 ‰), Genf (7,4/0,4 ‰) und Zürich (6,7/0,4 ‰). Die Landesdurchschnittswerte stiegen seit 2018 leicht auf 5,5 und 0,4 ‰.

Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik nahmen verbale und physische Übergriffe sowie Drohungen und Pöbeleien gegen Einsatzkräfte auch im Jahr 2024 wieder massiv zu.
Quelle: BFS

Die Schweiz ist nicht allein

Ein Blick in die Nachbarländer offenbart: Auch dort steigt die Gewaltbereitschaft – sowohl generell als auch gegenüber den Blaulichtkräften. So kletterte die Zahl der polizeilich erfassten Gewalttaten in Deutschland im Jahr 2024 um 1,5 Prozent auf 217’277 Fälle – der höchste Stand seit 2007. Besonders auffällig ist der Anstieg von Gewaltkriminalität bei tatverdächtigen Kindern (13’755 Fälle; +11,3 %) sowie Jugendlichen (31’383; +3,8 %). Ebenfalls gestiegen ist die Gewaltkriminalität durch nichtdeutsche Tatverdächtige (85’012 Personen; +7,5 %).

Zugenommen haben überdies Übergriffe gegen Polizeikräfte. Das im Oktober 2024 publizierte «Bundeslagebild Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte (PVB)» weist für 2023 deutschlandweit 46’218 Fälle aus. Das entspricht einem Plus von acht Prozent gegenüber 2022 – und der Fortsetzung eines langjährigen Trends.

Widerstandshandlungen und tätliche Angriffe sowie Drohungen machen den Löwenanteil aller Gewalttaten gegen PVB aus. 2023 stieg die Zahl der Tätlichkeiten um 8,5 Prozent auf 39’046 Fälle, jene der Drohungen um 5,1 Prozent auf 3’851. Leicht gesunken – von 1’449 auf 1’260 Fälle – ist die Zahl gefährlicher und schwerer Körperverletzungen. Andererseits nahm die Zahl versuchter Tötungsdelikte um vier auf 40 Fälle zu. Immerhin aber waren 2023 keine vollendeten Tötungsfälle zu beklagen – im Gegensatz zum Jahr 2022, als eine Polizistin und ein Polizist in Deutschland bei einer Verkehrskontrolle getötet wurden.

Sechs verletzte Polizeikräfte – pro Tag!

Insgesamt hatte Deutschland im Jahr 2023 enorme 105’708 Opfer zu beklagen – fast zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. Tag für Tag werden in Deutschland also durchschnittlich 300 Polizeieinsatzkräfte tätlich attackiert – und sechs von ihnen schwer verletzt! 2’404 Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung wurden gezählt.

Die Politik – dort wie auch bei uns – ist angesichts dieser Zahlen und des steten Anstiegs der Gewaltbereitschaft gut beraten, endlich Gegensteuer zu geben. Zweistellige Zuwachsraten bei Straftaten gegen Blaulichtkräfte sind absolut inakzeptabel, die Verweigerungshaltung unserer Politik nicht weniger als eine wahre Schande.

Mehr Straftaten im digitalen Raum

2024 stieg die Anzahl digital begangener Straftaten in der Schweiz um etwa 35 Prozent auf rund 59’000 Fälle. Das sind doppelt so viele wie noch im Jahr 2020.

Mehr als 90 Prozent aller digitalen Straftaten entfallen auf den Bereich der Cyber-Wirtschaftskriminalität, erklärt das BFS. Auffällig sind die Zuwächse bei Phishing-Angriffen (+56 %) und beim Missbrauch von Online-Zahlungssystemen, Wertkarten oder einer fremden Identität (+105 %). Auch bei 80 Prozent der insgesamt 34’000 Betrugsstraftaten wurde ein digitales Tatvorgehen erfasst.

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