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Blüten mit dem Smartphone entlarven

Seit der Zeit von Kublai Khan nutzen Menschen Banknoten als Zahlungsmittel. Ebenso lange betreiben Geldfälscher ihr kriminelles Handwerk. Die Digitalisierung erleichtert ihnen die Arbeit. Zugleich aber ermöglicht sie die Produktion ultrasicherer Banknoten – und künftig sollen selbst Laien mithilfe des Smartphones Blüten erkennen können.

Der älteste erhaltene Geldschein der Welt, die 1-GuanNote aus der Ming-Dynastie, belegt, wie innovativ die Chinesen schon vor Jahrhunderten agierten. Das Museumsstück beweist aber auch: Papiergeld animierte ab dem Tag seiner Erfindung Kriminelle dazu, Banknoten zu fälschen: Die beiden rechten Textzeilen auf der Note besagen nämlich, dass «Fälscher enthauptet werden» und dass «Personen, deren Informationen zur Verhaftung der Fälscher führen, mit 250 Taels Silber belohnt werden – und obendrein das Vermögen der Fälscher erhalten».

Auch wenn die Strafen heute bei Weitem weniger drakonisch ausfallen: Das Problem bleibt. Geldscheine und Münzen werden gefälscht – in aller Welt, egal um welche Währung es sich handelt. Opfer der Fälschungen können wir alle werden. Denn wir alle benutzen, ungeachtet elektronischer Zahlmethoden, nahezu täglich Bargeld. Dabei – Hand aufs Herz – legen wir pures Gottvertrauen an den Tag. Kaum jemand überprüft jeden Geldschein, den er erhält, anhand der Sicherheitsmerkmale (siehe separate Geschichte in diesem Heft) auf seine Echtheit.

Während unser Gottvertrauen in der Schweiz selten bestraft wird – jährlich finden die Blaulichtkräfte unter 514 Millionen Scheinen nur rund 2’750 Fälschungen, die zudem meist sehr leicht identifiziert werden können, da es sich um Farbkopien, Faksimiles oder Tintenstrahldrucke handelt, sieht es bei ausländischen Währungen anders aus.

Seit der Zeit der ältesten Banknote, des chinesischen Guan aus der Ming-Dynastie, existieren auch Blüten.
Quelle: Museum August Kestner, Hannover, Foto: C. Rose

Zehnte Schweizer Banknotenserie wird aktuell entwickelt

Aktuell arbeitet die Schweizerische Nationalbank SNB an der Entwicklung der zehnten Banknotenserie. Diese hat die Schweiz und ihre Höhenlagen zum Thema und widmet sich dem Leben innerhalb der einzigartigen Topografie der Schweiz. Ende Oktober 2024 lancierte die SNB den zugehörigen Gestaltungswettbewerb und im Februar 2025 wurden aus allen Bewerbungen zwölf Teilnehmer ausgewählt. Diese erarbeiten seither Entwürfe für eine neue Banknotenserie bestehend aus den Notenstückelungen 10, 20, 50, 100, 200 und 1’000 Franken. Im Sommer 2025 werden die Entwürfe der Öffentlichkeit vorgestellt. Ihre Bewertung erfolgt durch einen Beirat mit ausgewiesenen Fachpersonen aus den Bereichen Kunst, Gestaltung und Banknotenentwicklung. Zudem kann sich die Schweizer Bevölkerung in einer Online-Umfrage dazu äussern. Anfang 2026 werden die finalen Ergebnisse publiziert – und Anfang der 2030erJahre sollen die neuen Banknoten dann lanciert werden.

Immer mehr falsche Euro-Noten im Umlauf

Bei den Euro-Noten steigt die Zahl der Fälschungen seit Jahren. Laut einer Mitteilung der Deutschen Bundesbank vom 21. Februar 2025 wurden 2024 in Deutschland rund 72’400 gefälschte Banknoten im Nennwert von 4,5 Millionen Euro registriert. Das waren 28 Prozent mehr als 2023.

Zwar verweist Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank und unter anderem zuständig für Bargeld, darauf, dass rein rechnerisch nur neun falsche Banknoten auf 10’000 Einwohner entfielen. Dennoch ist die Zahl der kursierenden Euro-Blüten so hoch ist wie lange nicht. Das belegen auch Zahlen der Europäischen Zentralbank. Laut dieser wurden 2024 im Euro-Raum 554’000 Blüten gezählt. 19 Prozent mehr als noch 2023.

Am häufigsten gefälscht werden die Euro-Stückelungen 50er (40 %), 20er (28 %) und 100er (14 %), gefolgt von 200ern (8 %) und 10er-Noten (7 %). Jeweils 1 Prozent der Fälschungen entfielen auf 5-Euro-Noten und 500-Euro-Scheine. Bei Ersteren lohnt der Aufwand nicht, Letztere werden im Detailhandel kaum noch irgendwo akzeptiert.

Vorsicht bei 50- und 20-Euro-Noten

Da europaweit gefälschte 20- und 50-Euro-Banknoten mehr als 75 % aller Blüten ausmachen, lohnt sich genaues Hinschauen. Man kann die Echtheit einer Euro-Note nach dem Prinzip «Fühlen – Sehen – Kippen» prüfen – vorzugsweise im Vergleich mit einer zweifelsfrei echten Banknote. Denn anders als beim Franken sind beim Euro diverse Serien mit unterschiedlicher Gestaltung im Umlauf, die zudem teils lackiert, teils unlackiert sind. Das macht es Laien besonders schwer, Blüten auf Anhieb zu erkennen.

Vorsicht bei der Annahme von 20- und 50-Euro-Banknoten. Diese werden besonders häufig gefälscht.
© shutterstock.com

Euro-Scheine mit KI und Smartphone prüfen

Die Problematik ist auch der Schweizer Banknotenschmiede Orell Füssli Security Printing bekannt. Im Jahr 2021 wurde mit der Zürcher Supercomputing Systems AG ein Projekt zur Entwicklung einer KI-basierten Smartphone-App, mit der auch Laien 20- und 50-Euro-Banknoten schnell, einfach und sicher prüfen können, gestartet. Das Resultat der rund mehrjährigen Entwicklungsarbeit wurde auf dem Schweizer Polizei Informatik Kongress SPIK 2025 vorgestellt.

Am SPIK 2025 stellte Christof Bühler von der SCS AG den im Auftrag von Orell Füssli Security Printing entwickelten Prototyp einer Smartphone-App vor, die 20- und 50-Euro-Blüten erkennen kann.
© zVg

Referent Dr. Christof Bühler von der SCS AG: «Anders als beispielsweise bei der Entwicklung des KI-Algorithmus zur Erkennung menschlicher Körper in Landschaften für die Rega-Drohne, über die BLAULICHT in Ausgabe 02/2022 berichtete, beschritten wir hier den umgekehrten Weg, folgten dem Prinzip des Anomalie-Ansatzes. Dazu wurde das neuronale Netzwerk mit echten Banknoten trainiert, um zu lernen, in welchem Spektrum sich diese bewegen. Fälschungen werden anhand ihrer Anomalien detektiert.»

Dazu mussten Tausende Fotos echter Euro-Noten jedweden Zustands angefertigt werden. Mit Smartphones von vier Herstellern (individuelle Kamera und Bildqualität), bei verschiedenen Lichtverhältnissen und aus diversen Winkeln. «Wir reisten in die Nationalbanken in Wien, Mainz und Bern und fotografierten uns die Finger wund», erinnert sich Christof Bühler.

Mit den erstellten Fotos wurde das neuronale Netzwerk gefüttert – und wie erhofft gelang es sodann, gefälschte Banknoten mit hoher Sensitivität und Spezifität zu detektieren. «Bei Tests mit zur Verfügung gestellten Blüten erkannte die Applikation alle Fälschungen – und zwar nur anhand von Aussehen und Druckqualität. Denn die für den Bürger gängigen Sicherheitsmerkmale wie die fühlbare Erhabenheit des Drucks, das im Durchlicht erscheinende Wasserzeichen oder der Farbwechsel der Wertzahl beim Kippen der Noten kann ein Smartphone mit dieser App nicht verifizieren.»

Ob und wann die Applikation als Smartphone-App für jedermann verfügbar sein wird, ist noch unklar. Christof Bühler: «Wir haben aktuell einen funktionstüchtigen Prototyp, der auf jeder erdenklichen Plattform läuft – on premise, in der sicheren Cloud oder auf einem dedizierten Server. Besitzer der Entwicklung ist Orell Füssli Security Printing. Dort wird entschieden, ob die weiteren Entwicklungsschritte zur öffentlich nutzbaren App realisiert werden.»

Scan einer gefälschten 50-Euro-Note mit der von SCS entwickelten App: Die roten Balken zeigen an, dass es sich um eine Blüte handelt.
© SCS AG

JAGUAR macht Digitalisierung auf Banknoten der Zukunft «greifbar»

Während der von SCS entwickelte Prototyp auf bereits in Umlauf befindliche Banknoten fokussiert, denkt man bei Orell Füssli Security Printing bereits in die Zukunft. Im März 2025 wurde die in Kooperation mit Koenig & Bauer Vision and Protection realisierte «Cypher Evo»-Hausnote vorgestellt. Diese kombiniert erstmalig traditionelle Sicherheitselemente mit einer Reihe digitaler Sicherheitsmerkmale, die mithilfe der zugehörigen Smartphone-Apps verifiziert werden können.

«Dazu sind jedoch keine Änderungen am physischen Herstellungsprozess erforderlich», betont Christian Sailer von OFS. «Die digitalen Sicherheitsmerkmale sind lückenlos in die bestehende Produktionsinfrastruktur integrierbar, werden mit Standardsicherheitsfarben und vorhandenen Drucktechnologien implementiert – ohne Neu- investitionen in Plattenherstellungsapparaturen oder Druckmaschinen – und damit betont kostengünstig.» «Zudem», ergänzt er, «bieten sie mehr Flexibilität als die bekannten Sicherheitsmerkmale, die nach Ausgabe einer Banknote unveränderbar sind. Beispielsweise können Authentifizierungskriterien bei neu auftretenden Bedrohungslagen dynamisch angepasst werden. Und natürlich können digitale Merkmale zunächst auch deaktiviert bleiben – und erst bei Bedarf aktiviert werden. So gelangen wir zu einer langfristigen Anpassungsfähigkeit.»

Mit der Hausnote «Cypher Evo» stellte OFS das neuartige, mit einer Smartphonekamera plus zugehöriger App analysierbare Sicherheitsmerkmal JAGUAR vor (siehe Detailvergrösserung).
© OFS

So funktioniert das digitale Sicherheitsmerkmal JAGUAR

Herzstück des im Offset-Sicherheitsdruckverfahren hergestellten Merkmals ist die patentierte «Secure-GraphicTechnologie» der Firma Scantrust SA aus Lausanne. Diese basiert auf einem Druckmuster aus feinverteilten dunklen und weissen Mikropixeln, das, umgeben von Orientierungselementen, unauffällig ins Banknotendesign integriert wird. Das Druckmuster ist dabei technisch so ausgestaltet, dass es besonders sensitiv auf (unautorisierte) Reproduktionsprozesse reagiert.

«Mathematisch gesehen enthält das Druckmuster durch die Anordnung der Mikropixel einen gewissen Informationswert. Beim Transfer des digitalen Abbildes des Druckmusters mittels Druckfarbe auf das Banknotensubstrat entstehen durch die natürlichen physikalischen Vorgänge während des Druckprozesses Verluste und Fehler im Druckmuster, die den Informationswert reduzieren», erklärt Christian Sailer. «Da Fälscher die digitale Originaldatei des Druckmusters nicht kennen, müssen sie das auf der Banknote abgedruckte Muster einscannen und wieder neu reproduzieren. Dabei entstehen zwangsläufig weitere Abweichungen und Artefakte, was zu einer weiteren Reduktion des Informationswertes führt. Aus diesem Grund ist der Informationswert des Druckmusters bei Blüten immer niedriger als bei der echten Banknote – und diese Informationsdegradation kann mit speziellen KI-Algorithmen analysiert und gemessen werden. So wird eine zuverlässige Erkennung der Blüten durch einen einfachen Scan mit dem Smartphone möglich.»

Mehr Sicherheit – bei geringeren Investitionen in Geräte und Ausbildung

Zwar stehen Verantwortliche einiger Nationalbanken den Smartphonebasierten Authentifizierungstechnologien noch skeptisch gegen. Doch Christian Sailer ist von deren Nutzen überzeugt. «Der Einfluss der Digitalisierung ist allgegenwärtig und in der Lebenswirklichkeit der Menschen angekommen. Gleichzeitig ist das Smartphone zu einem ständigen Begleiter geworden und wird als primäres Zugangsmedium für die digitale Welt genutzt. Diese gesellschaftlichen Entwicklungen bei der Konzeption einer neuen Bargeldserie zu ignorieren, ist in unseren Augen falsch. Mit den sogenannten digitalen Sicherheitsfeatures werden in optimaler Art und Weise klassische Drucktechnologien mit der digitalen Welt vereint, um die Sicherheit der physischen Banknoten weiter zu steigern.»

Ausserdem stärken digitale Funktionen die Verbindung der Öffentlichkeit zur physischen Banknote – insbesondere bei jüngeren Generationen. «Die Identifikation und die Interaktion mit physischen Banknoten wird erhöht – und das Vertrauen in Bargeld gestärkt», sagt er. Zudem machen digitale Sicherheitsmerkmale das bisher nötige Expertenwissen und spezielle Gerätschaften für die Authentifizierung überflüssig. «Jedem interessierten Bürger wird durch eine solche App ein Werkzeug in die Hand gegeben, das auf völlig freiwilliger Basis eine objektive Messung bestimmter Authentizitätskriterien ermöglicht. Dabei werden die herausragenden Alleinstellungsmerkmale von Bargeld als Zahlungsmittel, nämlich Anonymität und Unabhängigkeit von jeglicher Netzwerkkonnektivität, durch die Möglichkeit der Echtheitsprüfung der Banknote mit einer Smartphone-App in keiner Weise tangiert.»

Mehr Informationen erhalten Interessierte bei Orell Füssli Security Printing, www.ofs.ch

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