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Wie aus altem Brot Öl entsteht

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Kakao mit

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Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben mit einem deutschen Bäckermeister eine nachhaltige Alternative zum umstrittenen Palmöl entwickelt.

INTERVIEW Chantal Somogyi  BILDER Sebastian Arlt, zVg

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Palmöl kommt in vielen Bereichen zur Anwendung. Es steckt beispielsweise in Nahrungsmitteln. Gewonnen wird es aus der Ölpalme. Der grossflächige Anbau von Ölpalmen geht oft mit erheblichen ökologischen, sozialen und menschenrechtlichen Problemen einher. Eine Lösung haben Forscher der TUM unter der Leitung von Professor Thomas Brück mit Ludovic Gerboin von der Bäckerei Ways erarbeitet. Ein Hefeöl, das aus verzehrfähigem Altbrot hergestellt wird. Dieses wird zuerst in der Bäckerei geröstet, gemahlen und dann in die Uni geliefert. Thomas Brück, wie kam es zu der Idee, altes Brot in Öl zu verwandeln?

Thomas Brück: Ich kam mit dem Bäckermeister Ludovic Gerboin von der Bäckerei Ways in Moosinning in Oberbayern ins Gespräch, da unsere Töchter in dieselbe Schule gehen. Er sagte mir, dass er noch Restbrot übrig habe, das er nicht verarbeiten könne. Ich fragte ihn, was er für seine Arbeit gut gebrauchen könne. Er meinte, dass man Öl für vielerlei Anwendungen in der Bäckerei brauche – sei es für Brezeln, Brötchen oder für eine Ganache. Daraufhin erzählte ich ihm von unserem Prozess mit Hefeöl. Altbrot kam dafür sehr gut in Frage.

Weshalb?

Altbrot ist ein besonders gutes Substrat, das weithin aus Stärke besteht. Stärke in etwas Fermentierbares wie Traubenzucker umzuwandeln, ist für uns Biotechnologen ein Leichtes. Da gibt es sogenannte Amylasen. Das sind Enzyme, die Stärke wie beispielweise jene im Brot umwandeln können in fermentierbaren Zucker, was dann der Nährstoff ist für die Öl bildenden Hefen. Ferner gibt es Proteine im Altbrot, die wir auch sehr gut verwenden können.

Erstaunlich! Wie ging es weiter?

Wir machten Versuche im Labor und entwickelten dabei auch noch verbesserte Enzym-Mixturen. Dann kam ein sehr effizienter Prozess zustande, bei dem Altbrot in seine ursprünglichen Bestandteile, nämlich Traubenzucker oder besser gesagt Glukose und Aminosäuren, umgewandelt wurde. Diese waren ein hervorragendes Nährmedium für unsere Öl bildenden Hefen.

«Auch in der Schweiz ist das Potenzial hinsichtlich der HefeölProduktion gross, da sehr viel Restbrot anfällt.»

Thomas Brück, TUM, Fakultät für Chemie

Das war dann die Basis dafür, das Ganze auch als Patent anzumelden. Ludovic Gerboin und ich haben ein gemeinsames Patent, das auf diesen Prozess zurückgeht.

Dank dieses Prozesses bleibt kein Abfall übrig. Welche weiteren Vorteile ergeben sich für Bäckereien?

Für die Hefeöl-Produktion wird altes Brot verwendet. Dieses gibt es heutzutage im Übermass.

Wenn man Palmöl durch Hefeöl ersetzt und Reststoffe nutzt, führt das zu einem viel besseren CO₂-Fussabdruck. Zum Vergleich: Würde man die Hefeöl-Produktion pro Hektar rechnen, dann würde ein Hektar Hefeöl 80 000 Hektar an Ölpalmenplantagen ersetzen. Dadurch kann der tropische Regenwald geschützt werden, da keine Abholzung mehr notwendig ist. Somit können auch CO₂-Emissionen reduziert werden. Auch für eine Grossbäckerei, die oftmals sehr energieintensiv ist, würde die Nutzung von Hefeöl natürlich eine signifikante CO₂-Einsparung hinsichtlich der gesamten Produktion bedeuten.

In welcher Entwicklungsphase befindet sich das Hefeöl-Verfahren momentan?

Im Endeffekt in einer Demonstrationsphase. Aktuell führen wir das Demonstrationsprojekt nur mit der Bäckerei Ways durch. Der Rest ist noch in der Entwicklung. Das Hefeöl-Verfahren wurde bereits ausgegründet, es gibt ein Spin-off. Die Global Sustainable Transformation GST ist jetzt seit ungefähr einem Jahr aktiv. Ich bin im Beirat tätig. Geführt wird es von Mahmoud Masri, der bei uns als Gruppenleiter für ein Projekt tätig ist. Er kümmert sich aber hauptsächlich um das Aufziehen des Start-ups und um die Kommerzialisierung

Gut zu wissen:

Die Fermentation bezeichnet die mikrobielle oder enzymatische Umwandlung organischer Stoffe. Gemäss Thomas Brück bleibt bei der Hefeöl-Fermentation das Öl vorerst in der Zelle drin. Eine Zentrifuge trennt dann das Öl, und dies ohne die beim Palmöl oft eingesetzten toxischen Lösungsmittel. Zudem ist Hefeöl chemisch sehr ähnlich wie Palmöl und kann gleich genutzt werden. Die antioxidative Stoffe Vitamin D und Vitamin E sorgen für eine längere Haltbarkeit.

der Technologie. Die Firma hat auch schon Fördermittel eingeworben, um eine Anlage zu errichten, in der 100 000 Liter Hefeöl produziert werden können. Das ist relevant für die Industrie sowie für Grossbäckereien, in denen Fermentation per se auch schon etabliert sind, zum Beispiel um Sauerteig zu machen. Wir nutzen ähnliche Reaktoren für die Herstellung von Hefeöl.

Wie sehen die nächsten Ziele in kommerzieller Hinsicht aus?

Wir sprechen sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz mit Klein- und Grossbäckereien, die sich für diesen Prozess interessieren. Wir sind dabei, in konkreten Gesprächen diese Technologie kundenorientiert zu kommerzialisieren. Dafür haben wir ein dreistufiges Verfahren entwickelt. →

Innovation triff t auf Nachhaltigkeit

In der Bäckerei Ways in Moosinning (DE) kommt das Hefeöl sowie das Algenpulver der TUM versuchsweise und vielseitig zur Anwendung.

Seit 2010 betreibt Ludovic Gerboin die Bäckerei Ways. Der Stammsitz ist im deutschen Moosinning. Zudem gibt es in der Stadt Erding (DE) eine weitere Filiale. Der Bäcker kommt ursprünglich aus Frankreich und erlernte sein Handwerk in seiner Heimat und in Deutschland. Für seine Backkreationen lässt er sich von beiden Ländern inspirieren. Er setzt auf eine unkomplizierte Zubereitung und verwendet wenig Zutaten.

Ein nachhaltiger Kreislauf

Das Restbrot, welches für die Hefeöl-Produktion genutzt wird, röstet Ludovic Gerboin solange es noch frei von Schimmel und anderen Verunreinigungen ist. Einen Teil nutzt er für die Herstellung von Backwaren. «Wir haben versucht, verschiedene Brote zu verwenden. Schliesslich spielt es geschmacklich keine Rolle. Das Röstaroma ist wichtig», erklärt der Bäcker. Er röstet das Restbrot bei 160 Grad und achtet darauf, dass alles gleich braun ist. Dann zermahlt er das Altbrot und liefert es der TUM. Das Altbrot kommt dann in Form von Hefeöl wieder zum Bäcker zurück. Der Bäckermeister verwendet das Hefeöl beinahe für all seine Kreationen, unter anderem für Füllungen, Crèmes und Teige. Während der Faschingszeit wurde es mehrheitlich als Frittierfett genutzt. «Das Fettbackgerät hat eine Kapazität von 60 Liter für Öl. Dadurch konnte ich 120 Kilo Restbrot verwerten», verdeutlicht er. Die TUM sei nun soweit, dass sie die Konsistenz des Hefeöls je nach Bedarf gestalten könne. Er könne es beispielsweise in flüssiger Form oder in fester bekommen. «Das Hefeöl lässt sich auch

Ludovic Gerboin mag innovative Ideen. Diese zeigen sich in seinen Backkreationen.

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Mmmmüesli macht den Tag!

wiederverwenden. Für die Krapfen beispielsweise reichte das Öl, das ich normalerweise nutzte, im Durchschnitt für zirka 50 Frittiervorgänge, bis es gewechselt werden sollte. Beim Hefeöl reicht es für 60 bis 64 Vorgänge», fügt Gerboin hinzu.

Auch Algen kommen ins Spiel

«Thomas Brück arbeitete einen Tag lang in der Bäckerei und brachte auch Algenpulver aus der TUM mit. Ich begann daraufhin an Kreationen zu tüfteln», sagt der Bäckermeister. Das Ziel der Kreationen war unter anderem, etwas Aufmerksamkeit zu generieren, aber auch, für jede Altersgruppe und jede Saison etwas zu machen. «Die Algen schmecken wie Matcha. Zitrusfrüchte und Nüsse passen sehr gut dazu», sagt Ludovic Gerboin. Für die Osterzeit hat der Bäckermeister das Algenpulver für Osterfladen und ein Osterlamm eingesetzt. Für Kinder gibt es beispielsweise Schlumpf-Krapfen. Die blauen Krapfen, für welche die Mikroalge Spirulina verwendet wurden, zeigen sich unter dem UV-Licht in roter Farbe. Dies geschehe aufgrund des Stoffes Phycocyanin, der in den blauen Algen sei, erläutert Ludovic Gerboin. Ausserdem kreierte er ein Algen-Baguette und gab ihm den Namen Alguette. Dieses ist nun markengeschützt und eignet sich besonders für die Grillsaison. Kundinnen und Kunden seien zu Beginn etwas verwundert darüber gewesen, sagt der Bäckermeister. Laut Thomas Brück wachsen Algen zehnmal schneller als Landpflanzen. Dadurch können sie CO₂ in signifikanter Menge binden. «Algen und Hefeöl haben sozusagen den gleichen Sinn. Es geht darum, nachhaltige Alternativen zu nutzen», hebt Ludovic Gerboin hervor. produzieren. Es gibt spezielle Algenstämme, die wir isoliert haben. 60 Prozent der Algenbiomasse sind Proteine. Sie sind reich an Vitamin B9. Man kann Algen auch vielfältig für die Herstellung von Backwaren nutzen. Dies konnten wir anhand unseres Demonstrationsversuches mit der Bäckerei Ways zeigen. Wir vertreiben dies aber nicht kommerziell. Die Aktion führten wir exklusiv mit Ludovic Gerboin durch, da er als Handwerksbäcker mit Grossbäckereien in Konkurrenz steht und vor allem mit innovativen Produkten punkten kann. Deshalb haben wir ihm gerne dabei geholfen, seine Ideen zu verwirklichen. •

«Wir arbeiten noch daran und versuchen die ganze Anwendung auch im BäckereiBereich weiter aufzustellen.»

Thomas Brück, TUM, Fakultät für Chemie

Für welche Betriebe lohnt sich die Technologie?

Die Technologie eignet sich vor allem für einen grossen Betrieb oder einen Zusammenschluss von Kleinbäckereien, die kooperieren. Im Endeffekt müsste man die Kosten für die Anlagen berücksichtigen. Zudem muss man auch die Logistikkette bedenken. Das kann eine Kleinbäckerei allein nicht stemmen.

In der TUM befindet sich auch das weltweit einmalige Algentechnikum. Was kann man sich darunter vorstellen?

In diesem gibt es Algen mitunter für die Lebensmittelproduktion. Wir verfügen über entsprechendes Know-how, wie wir diese grosstechnisch

Das Demonstrationsprojekt mit der Bäckerei Ways wird demnächst eingestellt, da die Bäckerei schliessen wird. Dies ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass Fachpersonal für die Produktion fehlt. Ludovic Gerboin möchte sich zukünftig mit der Produktentwicklung im Bereich der ressourcenschonenden Nahrungsmittelpro duktion befassen.

KONTAKT

Technische Universität München Lichtenbergstrasse 4 85748 Garching b. München Tel. +49 (89) 289 13250 tum.de

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