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Comeback vergessener Getreidesorten

Emmer ist eine der ältesten Getreidesorten Europas. Im Bild: Grauer Emmer.

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Im Anbau von Getreide ist der Weizen an erster Stelle. Doch in seinem Schatten gibt es alte Sorten, die für Abwechslung sorgen.

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Ruth Marending

BILDER

Adobe-Stock

Weizen macht 92 Prozent des in der Schweiz angebauten Brotgetreides aus und ist damit das wichtigste Getreide. Ursprünglich stammt er aus Transkaukasien und geht auf eine Kreuzung verschiedener Wildgräser zurück. Roggen wiederum ist eine alte Kulturpflanze, die ihren Ursprung in Vorderasien hat. Er erträgt Trockenheit und Frost und kann deshalb auch in rauerem Klima und in höheren Lagen oder Gebirgstälern gedeihen. Die Walliser machen dies vor. Dort ist das Roggenbrot bis heute beliebt. Roggenmehl wird zwar oft mit Weizen- oder Dinkelmehl gemischt, hat aber andere Backeigenschaften.

Roggen und Weizen sind bis heute gut vertreten in der Brotindustrie. Doch in den letzten Jahren ist mit Dinkel eine interessante Variante wieder entdeckt worden. In der Schweiz wird eine Urform des Dinkels gezüchtet und angebaut. Deshalb sprechen wir hier von Urdinkel. Dieses Getreide stand lange im Schatten des Weizens, mit dem er eng verwandt ist. Im Kaukasus war das robuste Urgetreide schon im sechsten Jahrtausend vor Christus wichtiger Bestandteil der Ernährung. Etwa 500 nach Christus begann man in Europa mit dem Anbau. Im 20. Jahrhundert verlor dieser jedoch an Bedeutung, weil Dinkel weniger ertragreich ist als Weizen.

Urdinkel hat einen leicht nussigen Geschmack und lässt sich ähnlich verwenden wie Weizen. Er enthält Kalium und Vitamin B1 und ist reich an Magnesium, Phosphor und Zink. Urdinkel ist jedoch nicht glutenfrei. Er enthält sogar mehrGluten alsdernormaleWeizen.Aber Gluten ist nicht gleich Gluten. «Durch die besondere Proteinmischung im reinen Dinkel ist der Urdinkel besser verträglich als der Weizen», schreibt die IG Dinkel auf ihrer Website.

Gehaltvolle Urgetreide

Derzeit ein Comeback in der Backindustrie erleben Emmer, Einkorn, Urroggen und Khorasan. Im Vergleich zu Weizen sind sie im Anbau viel robuster und unempfindlicher gegenüber Schädlingsbefall und Krankheiten. Weil die alten Sorten nicht, wie es beim Weizen der Fall ist, weitergezüchtet wurden, fehlen ertragsreichere Sorten.

Diese Urgetreidesorten haben vergleichsweise einen hohen Anteil an Nährund Mineralstoffen. Einkorn, das vom wilden Weizen abstammt, enthält viel Eiweiss sowie Mineral- und Ballaststoffe. Deshalb machen Einkorn-Brote lange satt und sorgen mit ihrer gelben Farbe und ihrem nussigen Geschmack für Abwechslung im Brotkorb.

Einkorn, aber auch Emmer, der ebenfalls eine grosse Menge an Spurenelementen wie Magnesium, Eisen, Zink, Kup- →

Einkorn, Weizen, Dinkel, Korhasan, Emmer: Die Unterschiede der Körner sind kaum erkennbar.

fer und Mangan besitzt, zählen wie der Urdinkel ebenfalls zu den Spelzgetreiden, bei denen das Korn von einer festsitzenden Hülle, der Spelze, umgeben ist. Diese muss mit einem zusätzlichen Arbeitsschritt entfernt werden.

Emmer stammt aus einer Zufallskreuzung durch Einkorn und dem Gänsefussgras und ist nahe mit dem Hartweizenverwandt. Späterentstandaus Emmer und Ziegengras Dinkel. Emmer und Einkorn werden selten in der Schweiz angebaut. Nur gerade 0,1 Prozent der inländischen Erntemenge ist diesen beiden Sorten zuzuschreiben.

Ein weiteres, längst vergessenes Getreide ist Khorasan. Das Urgetreide wurde bereits vor 6000 Jahren im Gebiet zwischen Ägypten, der Türkei und dem Iran angebaut. Es punktet nicht nur mit einem hohen Protein- und Aminosäuregehalt, sondern auch mit ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen. Korhasan hat einen erdigen, milden, ebenfalls leicht nussigen Geschmack.

Backeigenschaften der Mehle

Alle drei Getreide Emmer, Einkorn und Khorasan besitzen einen höheren Anteil an Rohprotein als Weichweizen. Jedoch ist die Qualität der Gluten, auch Kleber genannt, eher schwach und knetempfindlich. Dies wirkt sich auf die Backeigenschaften aus. «Die Herstellung von Urgetreide-Gebäcken, vor allem von Broten aus den reinen Urgetreidearten Emmer, Einkorn und Khorasan, braucht etwas Geschick», weiss der gelernte BäckerKonditor-Confiseur Markus Eugster, bei

EMMER-EINKORNURBROT

Rezept für 49 Stück à 350 Gramm (g)

Brühstück 500 g Urdinkelhalbweissmehl 1000 g Wasser

Teig 6000 g Crea-Farine EmmerEinkorn 60 %* 3500 g Urdinkelhalbweissmehl 210 g Speisesalz 200 g Backhefe 5750 g Wasser, zirka

Am Vortag für das Brühstück Wasser aufkochen, siedend heiss unter Rühren zum Mehl geben und weiterrühren, bis die Masse glatt und kompakt ist. Brühstück auskühlen lassen. Über Nacht zugedeckt in den Kühlschrank stellen.

Alle Zutaten zu einem Teig zusammenfügen. Die Teigtemperatur sollte 24 Grad Celcius haben. Für die Knetzeit im ersten Gang sechs Minuten einrechnen. Zirka zwei Minuten im zweiten Gang schonend auskneten.

Danach den Teig eine Stunde bei Raumtemperatur und nachher 15 bis 18 Stunden im Kühlschrank gehen lassen. 60 Minuten vor dem Aufarbeiten aus dem Kühler nehmen und einmal aufziehen.

Teigstücke von 350 g abwiegen, rund aufarbeiten und im Mehl wenden. Mit dem Schluss nach unten auf Einschiessapparate einsetzen und auf Gare stellen. Bei 3⁄4 Gare Teiglinge umdrehen und einschiessen.

Bei 230 Grad Celcius 30 Minuten backen. Mit Dampf einschiessen und bei geöffnetem Zug ausbacken.

*Brotvormischung von Margo – Baker & Baker Schweiz

Brote, welche rein aus Emmer, Einkorn und Khorasan hergestellt werden, sollten in Formen gebacken werden, weil sie sonst breit laufen.

der Margo – Baker & Baker Schweiz AG in Baar/ZG zuständig für die Qualitätssicherung sowie Mitglied des Berufsverbandes Bäckerei & Confiserie. «Eine Ergänzung mit Dinkelmehl, Weizenmehl oder Weizenkleber vereinfacht die Verarbeitung und ermöglicht auch das Herstellen von freigeschobenen Broten.»

Jedes der Urgetreide verleiht dem Brot sein eigenes Aroma und jedes kann für Brot und Backwaren verwendet werden. «Durch die schwachen Klebereigenschaften werden die Gebäcke aber eher gedrungen und laufen breit beim Backen», so derFachmannundrätfürdie Herstellung:

• kurzes und langsames, nicht zu intensives

Kneten, um den schwachen Kleber nicht zu Überkneten

• eher kühlere Teigtemperatur von zirka 24 Grad Celcius anstreben

• mit Sauerteig arbeiten • Quell- oder Brühstücke verwenden für eine bessere Frischhaltung • eher heisses und kurzes Backen verhindert das Austrocknen

Geschmacklich schätzt Eugster die Broterzeugnisse wie folgt ein: «Einkorn hat ein sehr intensives, rustikales Aroma mit deutlich nussiger Komponente. Der kräftig erdige Geschmack ist sehr lange anhaltend mit einem leicht bitteren Abgang. Emmer hat ein deutlich würzig-herbes Aroma. Der intensiv erdige, leicht bittere Geschmack wird von einer fruchtigen Säurenote begleitet. Khorasan verleiht Broten hingegen einen milden, nussigen Geschmack.» •

Gut zu wissen:

Die Anbaufläche von Emmer und Einkorn ist in der Schweiz vergleichsweise zu Urdinkel und dem dominanten Weizen klein. Die Körner von Emmer, Einkorn und Urdinkel enthalten deutlich mehr wasserlösliche Proteine. Sie sind deshalb verdaulicher. Jedoch auch alte Getreidearten enthalten Gluten, so dass sie sich nicht als Lebensmittel für Menschen mit Zöliakie eignen.

KONTAKTE

Margo – Baker & Baker Schweiz AG Lindenstrasse 16 6340 Baar

margo.ch

Verein Schweizer Brot Belpstrasse 26 Postfach 3001 Bern schweizerbrot.ch

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