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Verrückt sein auf dem Dessertteller

Bevor Kay Baumgardt ein Dessert auf die Karte setzt, tüftelt er lange herum. Im Bild: Piemonteser Hasel nuss, Redlove-Apfel, Petersilie, Honig und Belgische Waffel.

Fokus Verrückt sein auf dem Desserteller

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TEXT Ruth Marending BILDER zVg

Das genaue Arbeiten und Abwiegen liegt ihm im Blut. Im Gasthaus zur Fernsicht in Heiden/AR hat Kay Baumgardt seine berufliche und private Heimat gefunden. Wie aus dem gelernten Bäcker-Konditor der Pâtissier des Jahres 2020 wurde.

Es ist der krönende Abschluss eines jeden Gourmetmenüs. Und doch steht es oft im Schatten der Hauptgänge: das Dessert. Die Menütafel vor der «Fernsicht» in Heiden verrät bereits die süssen Abschlüsse des aktuellen Angebots. Zum einen ist es Piemonteser Haselnuss, Redlove-Apfel, Petersilie, Honig und Belgische Waffel. Zum anderen eine Kombination aus Schokolade, EnokiPilzen, Kalamansi und Petersilie, der Kay Baumgardt den Namen Laubwald gab.

Die Desserts von Baumgardt sind gut orchestrierte Gesamtkompositionen. Und aufwändig in der Herstellung. Für die erste Nachspeise mit dem Redlove-Apfel braucht es gut ein Dutzend Arbeitsschritte, für das zweite, den Laubwald, gar 30.

Von der Backstube in die Gastronomie

An diesem nebelverhangenen Wintertag ist er damit beschäftigt, für seine Desserts einzelne Komponenten vorzufertigen. Als Chef pâtissier ist Baumgardt für alle drei Restaurationsbetriebe der «Fernsicht» zuständig. Das Fonduechalet, das zur Eisbahn gehört, das Swiss Alpine Restaurant mit einfacher Bistroküche und das Gourmetrestaurant, das nur abends geöffnet ist. Gelernt hat Baumgardt das Handwerk in der Bäckerei Schneider in Gaiberg im deutschen Bundesland Baden-Württemberg, in der es auch eine kleine Konditorei gab. «Ich durfte als Bäcker dort mitmachen und habe schnell gemerkt, dass mir das Spass macht. Das genaue Arbeiten, das Abwiegen. Aber auch das Garnieren, das

Volle Konzentration und Präzision ist beim Pâtissier-Handwerk gefragt.

ist meine Welt.» Nach der Bäckerlehre absolvierte Baumgardt eine Zusatzlehre als Confiseur bei Stefan Romang in Gstaad/BE. «Dort kam ich mit der Spitzengast ronomie in Kontakt, und da wusste ich: Die sen Weg möchte ich gehen», erinnert er sich. «Der raue Ton der Küche behagte mir, und ich wollte verrückt sein auf dem Teller.»

Nach Lehr- und Wanderjahren traf Kay Baumgardt in der deutschen Pfalz ein, wo er seine heutige Frau kennenlernte. Weil sich diese gerade nach einem neuen beruflichen Feld umsah, kam Tobias Funkes Angebot, nach Heiden ins Appenzell zu wechseln, gerade zum richtigen Zeitpunkt. Zusammen mit seiner Frau ist der →

THE STONE Rezept für 4 Personen: geröstete Roggenmehlcreme / Grüner Apfel / Joghurt / Petersilie

Roggenmehlcreme 350 g Joghurt 65 g geröstetes Roggenmehl 60 g Rohrzucker 25 g Honig 40 g Inulin 160 g Eiweiss 8 g Gelatine 1 Prise Salz Das Roggenmehl in einer Pfanne bei kleiner Hitze langsam anrösten. Das Mehl auskühlen lassen und mit dem Joghurt mischen. Den Honig zugeben und mit etwas Salz abschmecken. Gelatine in kalten Wasser zirka zehn Mi nuten einweichen. Den Rohrzucker mit dem Inulin mischen . Nach und nach in das Eiweiss geben während es in der Küchenmaschine steif geschlagen wird. Nun die Gelatine auflösen und in das Joghurt-Roggenmehl. Gemisch schnell einrühren. Zuletzt das Eiweiss rasch un terheben und die Masse in SteinFormen ( Firma Pavoni Italia ) füllen.

Green Apple Kompott 4 Green Apples 100 g Apfelsaft 1 Limone 1 g Salz 1.5 g Xanthana 10 g Apfelessig Die Äpfel schälen und in Würfel schnei den. Die restlichen Zutaten in einen Mixer geben und zwei Minuten mixen. Eventuell leicht salzen. Anschliessend die Äpfelwürfel beigeben. Petersiliensteine 25 g Maltodextrin 15 g Petersilienstaub 20 g Petersilienöl 1 g Salz Alles mischen. Etwas Sonnenblumenöl in eine Pfanne geben und leicht erwärmen. Die Hälfte der Masse hineingeben und schwenken, bis Steine entstehen. Durch ein Sieb pressen, damit die Steine gleich gross werden.

Joghurtgel 350 g Milch 3.3 g Agar 16 g Joghurtpulver (Sosa) 2 g grobkörniges Salz Limonensaft Milch, Agar, Salz und Limonensaft eine Minute lang aufkochen. Auf ein Tablett giessen und im Kühlschrank auskühlen lassen. Das Joghurtpulver beifügen und alles in den Thermomix geben. Gut durchrühren, bis es glatt ist. In eine Flasche füllen.

Petersilienöl 300 g frische Petersilie 190 g Sonnenblumenöl 2 g Salz Alles in den Thermomix geben. Bei 80 Grad zwölf Minuten lang mixen. Durch ein feines Sieb passieren. Rasch abkühlen, damit die grüne Farbe erhalten bleibt.

Petersilienstaub 200 g frische Petersilie Für zirka zwölf Stunden in einen Dörrapparat geben. Green Apple/Petersiliensorbet 300 g Green Apple Saft 110 g Petersilie 160 g Sorbet Mix 35 g Basic Texture 4 g Pro Sorbet 3 g Salz 30 g Cider Alle Zutaten mixen. Anschliessend durch ein Sieb passieren und in den Paco Jet Container einfüllen. Für 24 Stunden in den Freezer geben.

Roggenmehldunst 300 g Roggenbrot Das Brot bei 60° Celcius drei Stunden lang trocknen lassen. Anschliessend sehr gut mixen, bis ein Dunst entsteht.

Kombucha 1 L Wasser 8-10 g Grüntee 60–80 g Rohrzucker Kombucha-Pilz 2 Stk. Granny Smith Äpfel Grüntee kochen und zirka 15 Minuten ziehen lassen. Rohrzucker zugeben. Auf Raumtemperatur abkühlen und in ein hohes Glas füllen. Kombucha-Pilz dazugeben. Mit Geschirrtuch und Gummi verschliessen. 10 bis 12 Tage bei Raumtemperatur stehen lassen. Danach den Sud abgiessen. Pilz mit etwas Grundsud in einem anderen Glas aufbewahren. Für den zweiten Ansatz den Kombucha in eine Bügelflasche geben und klein geschnittene Äpfel dazugeben. Drei bis vier Tage bei Raumtemperatur stehen lassen. Apfel-Kombucha mit Petersilienöl mischen. Vor dem Gast angiessen.

Die Küche in der «Fernsicht» ist mit einem Stern und 17 Punkten ausgezeichnet.

37-Jährige seit drei Jahren in der «Fernsicht» tätig. Sie im Marketing, er in der Pâtisserieküche. «Hier ist es uns wohl, hier sind wir zu Hause», bestätigt Baumgardt. Verrückt auf dem Teller war er mit dem Rezept The Stone. Dafür hat er Roggenmehl geröstet und zu steinähnlichen Kugeln geformt. Und das Ganze mit Apfel, Petersilie- und Kombucha-Elementen ergänzt. Kay Baumgardt weiss, dass Urs Heller, Chefredaktor von Gault Millau, dieses serviert bekam, als er in der «Fernsicht» zu Besuch war. Ob es entscheidend für den darauf vergebenen Titel war, weiss Baumgardt nicht: «Das weiss nur Herr Heller, und ich habe ihn nicht danach gefragt.» •

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Gut zu wissen: Seit über einem Jahr greift Kay Baumgardt für seine Desserts auf fermentierte Produkte zurück. Fermentation bezeichnet die mikrobielle oder enzymatische Umwandlung organischer Stoffe in Säure, Gase oder Alkohol. Am häufigsten verwendet Baumgardt Kombucha, ein gesäuertes, leicht kohlensäurehaltiges fermentiertes Getränk. Es wird auf der Basis von Tee hergestellt. Durch alkoholische Gärung baut der KombuchaPilz den Zucker zu Kohlenstoffdioxid und Ethanol ab.

KONTAKT

Gasthaus zur Fernsicht Seeallee 10 9410 Heiden/AR www.fernsicht-heiden.ch

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