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lebensart
luzern, den 5. september 2013
H et GZ no 26
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n der Churer Altstadt, zwischen Obertor und Martinsplatz, liegt die Bäckerei Gwerder. Seit 1970 bäckt der kleine Familienbetrieb für An wohner, umliegende Restaurants und Hotels sowie für Touristen, welche durch die Obere Gasse bummeln. Per 1. Januar 2013 hat der Fir mengründer Franz Gwerder (68) die Bäckerei an seinen Enkel Eric Nitz (19) übergeben. «Etwa je 40 Prozent unserer Kunden sind Churer Pri vatleute und Gastronomiebetriebe; der Rest sind Touristen», beschreibt der neue Geschäfts inhaber seine Klientel. Für die Bäckerei Gwer der ist es von Vorteil, dass der Carparkplatz nur wenige Schritte von der Altstadt entfernt liegt. Während sich die Touristen gerne vor der Weiterfahrt mit Bündner Birnbrot und Nuss gina folly torte eindecken, schätzen die Einheimischen Eric Nitz ist seit 1. Januar der Chef. Sein Grossvater Franz Gwerder die Brotspezialitäten wie beispielsweise das ist froh, dass der Enkel den Familienbetrieb weiterführt. Urdinkelbrot oder das Hausbrot. Letzteres hat Eric Nitz im Januar erst ins Sortiment aufge nommen. Es handelt sich bei der neuen Spezi alität um ein WeizenRoggenBrot. Dank der direkten und langen Teigführung ist es ausser ordentlich gut haltbar, was von den Kunden sehr geschätzt wird. «Bis auf die Laugen und Rusticogipfel machen wir alles selber», sagt der mittlerweile 20jährige Bäcker. Bei diesen zwei Gipfelsorten weicht er auf vorgefertigte Teiglinge aus, weil die davon täglich benötigten Mengen zu klein sind, als dass sich das Selber machen finanziell lohnen würde. Bei dieser ein zigen Ausnahme soll es auch in Zukunft bleiben, denn der junge Bäcker liebt Hausgemachtes. «Gerade wir kleinen Bäckereien haben im Markt gegen die Grossbäckereien nur eine Chance, wenn wir uns auf unser Handwerk be sinnen und frische, qualitativ hoch stehende, unverwechselbare Produkte herstellen», ist Eric Nitz überzeugt. Während er bei den zwei erwähnten Gipfelsorten von seiner Maxime abweicht, ist er bei der Bündner Nusstorte kompromisslos. «Die meisten Bäckereien ver fakten und wenden ein industriell gefertigtes Karamell zahlen liche Reaktionen», erinnert Produkt. Wir nicht! Das Karamell in unserer setzbar sind, wie ich es mir sich Eric Nitz. «Die Liefe Nusstorte ist zu 100 Prozent selbst gemacht. So vorstellte. Aber das habe ich adresse ranten freuten sich, dass es natürlich nicht geglaubt.» wie es früher schon Brauch war.» Bäckerei Gwerder mit der Bäckerei weitergeht. Heute, acht Monate älter, Spagat und jugendliche Ungeduld Obere Gasse 43 Die Mitarbeitenden auch. wisse er, dass alles seine 7000 Chur Skeptische Stimmen gab es Zeit brauche. Eine weitere Traditionen sind dem jungen Chef sehr wichtig. Erkenntnis aus seinem ers erstaunlicherweise nur von Gleichzeitig will er den Betrieb modernisieren ten Halbjahr als Firmen firmengründer Leuten, die mit der Bäckerei und fit für die Zukunft machen. Diesen Spagat chef lautet: «Man kann so Franz Gwerder selbst nichts zu tun haben.» schafft er, indem er Altbewährtes beibehält und gut planen, wie man will, es Die Skeptiker hätten nicht Neues einführt. Gründungsjahr seine Fachkompetenzen kommt immer etwas Unvor Altbewährtes, das bewusst gepflegt wird, ist hergesehenes dazwischen.» 1970 angezweifelt, sondern sich das Sortiment an Süssgebäck. Klassiker wie Va Wichtig sei, dass man flexi eher besorgt geäussert, ob nillebrezeli, Halbmöndli und Totenbeinli, Spitz bel genug bleibe, um mit den inhaber und er nicht wichtige Lehr und buben und Calandaspitzli (Nussgebäck mit neuen Gegebenheiten opti Geschäftsführer Wanderjahre sowie einen Konfitüre) sind täglich im Angebot. Als Bei mal umgehen zu können. Eric Nitz Teil der Jugend versäume. spiele für den Schritt in die Moderne dürfen das (seit 1.1.2013) Eric Nitz winkt lachend ab: Trotz seiner Jugend hat Einrichten eines Mitarbeiteressraums und der Eric Nitz das Familienge «Reisen und die Welt entde neue Marktauftritt genannt werden. «Früher schäft nicht völlig Unvor Zur Person cken kann ich später immer assen die Mitarbeitenden bei meinen Grossel bereitet übernommen. Be × Geburtsdatum: noch.» Der junge Geschäfts tern in der Wohnung, jetzt sind die Firmen und reits während des dritten 25. Februar 1993 mann ist sich bewusst: «Die Privaträume klar getrennt. – Im Rahmen unse Lehrjahrs leitete der die × Zivilstand: nächsten drei Jahre wird res neuen Looks tragen alle Verkäuferinnen nun Tagesproduktion. Während ledig dafür aber keine Zeit sein.» einheitliche Kleidung. Zudem sind wir neu im der Ferien des Grossvaters × Ausbildung: Die Modernisierung des Fa milienbetriebs sowie dessen Internet präsent. Allerdings erst mit einer vir war er zudem für die admi BäckerKonditor Ausbau stehen bei ihm bis tuellen Visitenkarte, der Rest des Auftritts ist nistrativen Arbeiten zu × Lieblingsmusik: auf Weiteres einfach an ers noch in Arbeit», sagt Eric Nitz. «Ich habe den ständig. Parallel zur Be alles, was im Radio läuft ter Stelle. zeitlichen Aufwand, der nötig ist, um eine In rufsschule besuchte er eine × Lebensmotto: Dieser Ausbau wurde ternetpräsenz aufzubauen, unterschätzt.» Ein Handelsschule und absol jedes Problem zu spontan möglich, weil das selbstironisches Lächeln umspielt seinen Mund. vierte zusätzlich zahlreiche seiner Zeit benachbarte Altstadthaus «Genau wie den Faktor Zeit im allgemeinen.» Fachkurse im Richemont × Lieblingsbrotsorte: verkauft wurde und nun re Eric Nitz erklärt: «Ich hatte die Vorstellung, am Kompetenzzentrum in Lu Hausbrot noviert wird. Eric Nitz kann 1. Januar den Laden übernehmen und gleich alle zern. «Als bekannt gemacht www.baeckereigwerder.ch das Erdgeschoss dieser Lie Neuerungen sofort einführen zu können. Le wurde, dass ich die Nach genschaft mieten. Der be benserfahrenere Menschen hatten mir zwar folge meines Grossvaters stehende Laden wird mit gesagt, dass meine Ideen nicht so rasch um antrete, gab es unterschied
Junger chef bewahrt alte tradition
als er die bäckerei seines grossvaters im Januar 2013 übernahm, war eric nitz gerade mal 19 Jahre alt. bereits diesen herbst vergrössert er den betrieb.
tels eines Durchbruchs vergrössert. «Das gibt uns die Möglichkeit, ein breiteres Sortiment anzubieten», sagt der Geschäftsführer der Bä ckerei Gwerder. Ihm schwebt vor, im neuen La denteil vor allem Konditoreiwaren sowie Take awayGerichte und Kaffee zum Mitnehmen anzubieten. Einige Stehtische sowie ein grös seres Angebot an kulinarischen Souvenirs für die Touristen sollen das Angebot abrunden. Der neue Laden soll Ende September oder Anfang Oktober fertig eingerichtet sein.
Nachts ist er Bäcker, tagsüber Geschäftsmann Die bisherige Bäckerei wird sanft renoviert. Eine Glasscheibe wird den Kunden Einblicke in die ebenfalls auf der gleichen Etage liegende Backstube gewähren. Wie viel er in den Umbau investieren wird, möchte der junge Unterneh mer nicht verraten. «Die Kosten liegen im unte ren sechsstelligen Bereich», lautet sein ganzer Kommentar. Er verrät aber: «Die Vergrösserung des Geschäfts war eigentlich nicht geplant, aber so eine einmalige Chance musste ich einfach ergreifen. Schliesslich gibt es in einer Altstadt nicht viel Raum für Expansion.» Trotz Bauplanung und administrativer Lei tung der Bäckerei Gwerder steht Eric Nitz sie ben Nächte in der Woche selber in der Back stube. «Ich beginne um 23 Uhr und arbeite bis etwa 9 Uhr in der Backstube. Anschliessend er ledige ich die Büroarbeiten. Nach dem Mittag essen gehe ich schlafen. Bevor ich dann wie der in der Backstube stehe, widme ich mich erneut den administrativen Aufgaben und der Geschäftsführung.» Bei diesem Pensum bleibt dem 20Jährigen kaum Zeit für Freizeit. Falls er doch einmal etwas Zeit für sich hat, liest er gerne oder widmet sich der Politik. Er ist Präsi dent der jungen SVP Chur sowie Kassier der ent sprechenden Mutterpartei. Bei all den Aufgaben ist Eric Nitz froh, auf ein bewährtes Team zählen zu können. Von den fünf Mitarbeitenden gehören zwei zur Familie. «Mein Grossvater macht die Auslieferungen und meine Mutter arbeitet seit eh und je als Kondi torin im Betrieb.» Das Geschäft selbst überneh men, sei für sie nie ein Thema gewesen. Und so kommt es, dass bei der Nachfolgeregelung eine Generation übersprungen wurde. «Vielleicht ist das ganz gut so», findet Eric Nitz. «Offene oder verdeckte Machtkämpfe wie sie bei Geschäfts übergaben von Vater zu Sohn oft stattfinden, gibt es zwischen uns – Grossvater und Enkel – nicht. Wir sind dafür altersmässig vermutlich zu weit auseinander und die Rollen sind klarer definiert.» Obschon in der Bäckerei Gwerder nun die übernächste Generation das Sagen hat, auf den Rat seines Grossvaters hört Eric Nitz schon. Aber nicht ausschliesslich. «Neben mei nem Grossvater habe ich einen zweiten Mentor. Es ist mein ehemaliger Berufsschullehrer, der selber eine Bäckerei betreibt. Beide geben mir Ratschläge, aber nur, wenn ich ausdrücklich da nach frage», sagt der politisierende Jungbäcker und hält fest: «Ich höre mir ihre Tipps gerne an, aber entscheiden tue dann immer ich selbst.» Diese Selbständigkeit ist ihm enorm wichtig und er dokumentiert sie auch in der Geschäfts form. Statt wie viele andere eine Familienakti engesellschaft zu formen, hat Eric Nitz die Ge schäftsform Einzelfirma gewählt. «Ich finde, ein Geschäftsmann soll seine Verantwortung wahrnehmen, voll und ganz hinter seinen Ent scheidungen stehen und die Konsequenzen für sein Tun auch selber tragen. Mich hinter einer FamilienAG zu verstecken – da wäre ich mir riccarda frei feige vorgekommen.»