glace & dessert 2013

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links oben Eva und Greta Sicher (v.l.), zwei der drei Besitzerinnen des Hotels Gotthard in Gurtnellen (UR)

«Härtteiggler», nennen die Sicher-Schwestern diese Birnen. Der Vorrat lieferte bis zur nächsten Ernte wertvolle Vitamine und reicherte den eher monotonen Speiseplan der Bauernfamilien in den harten Wintermonaten an. Die Birnen kamen in den unterschiedlichsten Gerichten wie beispielsweise Schnitz und Meckä, ein Gericht von geräuchertem Schweinefleisch, gedörrten Bohnen und Kartoffelwürfeln oder eben als Brischtner Nytlä auf den Tisch. Das Dessert sei aus den Zutaten entstanden, welche die Urner Bevölkerung zur Verfügung hatten, erzählen die erprobten Gastronominnen. «Irgendwann waren unsere Birnbäume jedoch zu alt, sie erzeugten nur noch kleine Birnen», sagen die Schwestern. Heute würden sie die getrockneten Birnen in der Landi oder beim Gemüsehändler beziehen. «Früher stand in fast jeder Urner Stube ein Giltsteinofen, der von der Bauweise her ähnlich wie ein Kachelofen aussah, jedoch aus Speckstein gefertigt war. Darauf trockneten die Urner Familien ihre Birnen», so Greta Sicher. Zu diesem Zweck wurde ein Brett vertikal auf die Ofenbank gestellt, danach wurden die Birnen zwischen das Brett und die Ofenwand geschüttet und drei bis vier Tage getrocknet. Waren die Schnitze, so bezeichnen die Urner getrocknete Birnen, noch feucht, wiederholte sich der Vorgang. Am Schluss kamen die Birnen in den «Schnitzchaschtä», eine Holzkiste mit Deckel, wo sie über den Winter aufbewahrt wurden. Gegen Mitte des letzten Jahrhunderts haben sich die Lebensumstände im Kanton Uri geändert. Der Wohlstand nahm zu, die Selbstversorgung ab, die Konservierungsarten veränderten sich. Selber Obst zu trocknen, war nicht mehr überlebensnotwendig. Getrocknete Birnenschnitze entwickelten sich zu einer Delikatesse. Wurden die Birnen früher ganz hart getrocknet, so stoppt man den Trocknungsvorgang heute früher. Dadurch verlieren die Birnen, die nicht zerschnitten werden, beim Dörren nur etwa drei Viertel ihres Gewichtes und bleiben im Innern weich und fleischig.

Warum denn grad «Brischtner Nytlä»? Wie das währschafte Dessert zu seinem Namen kam, ist nicht überliefert. «Brischten» steht im Urner Dialekt für «Bristen» und ist sowohl der Name für einen majestätischen Urner Berg, der über dem Urner Reusstal thront, als auch für ein kleines Bergdorf im Maderanertal. Es steht jedoch fest, dass es auch im Dorf Bristen viele Birnbäume gab. In Bristen waren viele Bergwiesen mit Obstbäumen bepflanzt. Bis weit ins Maderanertal hinauf reifte das Obst. Wer weiss, vielleicht hat ein findiger «Brischtner» Kopf diese süsse Versuchung erfunden und ihr gleich den Namen verpasst. Der Berg Bristen wiederum könnte für den Anteil an Schlagrahm Pate gestanden haben, denn dieser ist nicht unerheblich und türmt sich auf beeindruckende Art und Weise auf dem Teller. Seit 80 Jahren im Familienbesitz: Das Hotel und Restaurant Gotthard in Gurtnellen

G L AC E & D E S S E RT // B r i s c ht n e r N y t l ä : We i s s w i e S c h n e e , s c hw a r z w i e E b e n h o l z

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