glace & dessert 2013

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«Kann denn ein Nachtisch Sünde sein?», das hat sich wohl schon mancher Geniesser gefragt. In Anbetracht des Desserts Bryschtner Nytlä muss man mit einem entschiedenen Nein antworten. Luftig und verführerisch präsentiert sich die süsse Speise. Hat man einmal davon gekostet, lässt einen die Erinnerung nie mehr los. Der Rahm weiss wie Schnee, die gekochten Birnen schwarz wie Ebenholz. Das Dessert ist überwältigend in seiner Einfachheit. Es soll «Auswärtige» geben – der Urner bezeichnet damit NichtUrner –, die zu Fuss in den Kanton Uri pilgern würden, um dieses Dessert, bestehend aus in Rotwein gekochten, ganzen gedörrten Birnen und Schlagrahm zu geniessen. Ganz im Sinne der Urner Küche besteht diese Süssspeise aus einigen wenigen einfachen Zutaten von bester Qualität, die von jeher vorhanden waren. Den Rahm lieferten die Kühe, die Birnen wuchsen an den zahlreichen Birnbäumen, und den Wein brachten die Säumer aus Italien über den Gotthard.

Brischtner Nytla:

Weiss wie Schnee,

schwarz wie Ebenholz TEXT Bernadette Bissig BILDER Claudia Link

Luftiger Schlagrahm und köstliche Birnen sind die Komponenten dieses deftigen Urner Desserts. So einfach die Zutaten, so betörend ist das Resultat. Das traditionelle Dessert hat auch heute noch viele «auswärtige» Anhänger.

nen es sich auch zu Hause zubereiten. Im Handumdrehen sind die Birnen angerichtet und der Schlagrahm luftig geschlagen.

Gedörrte Birnen – vom Wintervorrat zur Delikatesse «Früher hatten wir selber Birnbäume und haben die Birnen im Urner Talboden trocknen lassen», erinnert sich Eva Sicher. Obst hat im Kanton Uri eine lange Tradition, sind doch die Temperaturen dank des Föhns oftmals sehr mild. Karl Iten erwähnt in seinem Buch «Vom Essen und Trinken im alten Uri» Urkunden aus dem 13. Jahrhundert, in denen bereits von Baumgärten die Rede ist. Reisende hätten sich erstaunt über die gute Qualität der Früchte gezeigt, insbesondere der Birnen. Obst war ein wichtiges Nahrungsmittel für die Urner Bevölkerung, sowohl frisch als auch gedörrt. Die Birnen wurden von den Bauernfamilien selber getrocknet.

Brischtner Nytlä das ganze Jahr Die drei Schwestern Eva, Greta und Leonie Sicher – alle drei um die achtzig, das genaue Alter bleibt ihr Geheimnis – führen das traditionelle Urner Dessert schon seit fast vierzig Jahren auf der Karte ihres Hotels Gotthard in Gurtnellen. «Am Anfang haben wir Brischtner Nytlä nur im Winter angeboten. Mit der Zeit hat sich jedoch eine richtige Anhängerschaft entwickelt, sodass wir das Dessert irgendwann das ganze Jahr über zubereitet haben», sagt Greta Sicher. Erstaunlich, in Zeiten wo viele Gäste auf die schlanke Linie achten und dementsprechend eher leichte Desserts vorziehen. Das Dessert werde sowohl von Frauen als auch von Männern oft bestellt. «Natürlich machen wir keine Riesenportionen. Den Gästen soll es ja nachher noch wohl sein», erzählt Greta Sicher. Sie hätten Stammgäste, die an einem Nachmittag für eine Brischtner Nytlä nach Gurtnellen reisen würden. «Dann wird die Portion natürlich ein bisschen grösser. Je nach Wunsch reichern wir das Dessert mit selbst gemachter Vanilleglace an», verrät die passionierte Köchin. Da Gurtnellen nicht um die nächste Ecke gelegen ist und ein Abstecher in den Kanton Uri nicht immer drinliegt, bieten die Damen die Birnen auch heiss abgefüllt in kleinen Einmachgläsern mit einer hübschen Etikette versehen an. Somit müssen die Gäste nicht nur von dem köstlichen Dessert träumen, sondern kön-

Brischtner Nytlä – die Dörrbirnen in Rotwein im Einmachglas für zu Hause

G L AC E & D E S S E RT // B r i s c ht n e r N y t l ä : We i s s w i e S c h n e e , s c hw a r z w i e E b e n h o l z

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