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Mit mentaler Stärke zur Goldmedaille
von Helena Stanek
Beim Grand Prix in Manchester gewinnt Lorena Brandl in der Gewichtsklasse über 67 kg als erste deutsche Frau die Goldmedaille. Sie verewigt sich mit diesem historischen Erfolg in den Geschichtsbüchern der Deutschen Taekwondo Union und fährt nun mit großer Motivation zur Weltmeisterschaft nach Mexiko. Wir sprachen mit der Sportsoldatin der Bundeswehr kurz vor dem Abflug nach Guadalajara.
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DTU: Das Jahr fing für dich, sagen wir mal, ziemlich weit unten an. Du warst verletzt, kurz vor der EM warst du noch nicht in der gewohnten Trainingspraxis und hast auch auf der EM nicht das abrufen können, was in dir steckt. Wann würdest du sagen, hat sich das Blatt gedreht und der Weg ging wieder bergauf?
LORENA BRANDL: Der Start nach meiner Verletzung in dieses Jahr war sehr schwer. Nach meiner Reha habe ich sehr individuell mit meinem Heim- und Bundesstützpunkttrainer Bernhard Bruckbauer trainiert. Das war nach Verletzungen auch in der Vergangenheit sehr wichtig und effektiv. So habe ich es geschafft, bis zur EM fit zu werden. Jedoch war es noch nicht zu 100 Prozent Lorena. Ab Juni beim Grand Prix in Rom ging es dann bergauf. Dort habe ich den 5. Platz erreicht.
DTU: Es ist kein Geheimnis, dass ein neuer Bundestrainer erstmal einige Veränderungen bringt, an die man sich gewöhnen muss. Wie würdest du den Verlauf der Zusammenarbeit beschreiben?
LORENA BRANDL: Leider konnte ich die ersten Monate verletzungsbedingt nicht auf High Level mit dem Nationalteam bei unserem neuen Bundestrainer Balazs Toth trainieren. Wir hatten seit Jahresanfang eine komplett neue Situation in Nürnberg. Zu unserem Bundeswehrtrainer und Bundesstützpunkttrainer kamen jetzt die jeweiligen Damen und Herren Bundestrainer als übergeordnetes Personal dazu. Da musste man sich erst ein wenig an die Umstellung gewöhnen, aber ich fand es sehr positiv und dank guter Kommunikation funktionierte das gut.
DTU: Jeder Trainer hat eine Rolle. Welche Rolle hat für dich Bernhard? Welche Balazs?
LORENA BRANDL: Bernhard nimmt eine sehr wichtige Rolle ein, da er mich von Anfang an kennt und ich mit seinem Training groß geworden bin. Bei ihm laufen schon sehr lange alle Informationen zusammen, deswegen beziehe ich ihn in fast alle Entscheidungen mit ein. Aber auch das Training mit meinem Bundestrainer Balazs Toth ist sehr wichtig für mich, da ich mich dadurch noch einmal verbessert habe. Er hat ein gutes Konzept erarbeitet und bringt seit Jahresanfang viele neue Impulse und hilfreiche Übungen mit ein. Man fühlt sich gut geführt. Die Zusammenarbeit ist sehr gut.
DTU: Zweimal Viertelfinale. In Paris eine extrem unglückliche Niederlage. Haben dich diese Platzierungen zusätzlich moti-

viert, in Manchester vielleicht den nächsten Schritt zu gehen?
LORENA BRANDL: Zweimal Platz 5, knapp an der Medaille vorbei, vorallem in Paris, hat mir einfach gezeigt, dass nur noch ein kleines Stück fehlt, dann schaffe ich diesen Schritt. Also habe ich weiter hart trainiert für diesen Grand Prix in Manchester! Gemeinsam haben wir noch einmal unsere Wochenpläne optimiert. Mein Ziel war es, endlich eine Medaille zu erreichen!
DTU: Wie bist du am 23. Oktober morgens aufgestanden, was waren deine Gedanken?
LORENA BRANDL: An meinem Wettkampftag musste ich früh zur Halle, weil ich Kampfnummer drei hatte. Ich war von Anfang an fokussiert. Ich war gut drauf, habe mich gut gefühlt. Auch beim Warm-up habe ich gemerkt, dass alles gut funktioniert. Meine Beine waren locker und schnell und somit konnte ich gut in das Turnier starten.
DTU: Was ging dir am Abend durch den Kopf?
LORENA BRANDL: Ich konnte es wirklich nicht richtig realisieren, was ich geschafft hatte. Ich habe für diesen Erfolg so hart gearbeitet! Natürlich sind an diesem Abend viele Gedanken durch meinen Kopf geschwirrt, wie wir dieses Ziel nun erreicht haben und was dafür alles notwendig war. Aber ich war, ehrlich gesagt, nach den fünf anstrengenden Kämpfen auch ziemlich k.o.
DTU: Ein historischer Erfolg für Deutschland und natürlich für dich und dein Team. Hast du jetzt realisiert, was du geschafft hast?
LORENA BRANDL: Ja, mittlerweile habe ich es realisiert und bin sehr happy, dass ich als erste deutsche Athletin eine Goldmedaille beim Grand Prix erkämpfen konnte und somit Geschichte für Deutschland geschrieben habe.
DTU: Was lief an diesem Tag für dich so gut? Wie bist du zum Beispiel in den Kampf gegen Bianca gegangen, nachdem du gegen sie schon oft den Kürzeren ziehen musstest?
LORENA BRANDL: Es war einfach mein Tag. Ich war so fokussiert und mental sehr stabil. Das war auch meine Stärke gegen Bianca. Ich wollte diesen Kampf gegen sie endlich gewinnen und wusste, dass ich dafür bereit bin. Es war natürlich ein sehr harter Kampf, aber ich war so fokussiert und von Balazs und Bernhard sehr gut auf diesen Kampf eingestellt.
DTU: Mental stark. So haben wir dich in Manchester von Beginn an gesehen. Was tust du, um deine mentale Stärke zu trainieren?
LORENA BRANDL: Ich arbeite seit zwei Jahren mit meinem Mental Coach Antje Heimsoeth zusammen. Das Ziel war, bei höheren Turnieren die Nerven zu behalten. Ich bin sehr dankbar für diese Zusammenarbeit, denn dadurch bin ich mental sehr gewachsen.

DTU: Deine langjährige Trainingspartnerin Vanessa konnte leider nicht mehr dabei sein, als du in der Abend-Gala gekämpft hast. Welchen Anteil hat auch sie an diesem Erfolg?
LORENA BRANDL: Es war sehr schade, dass sie am Abend nicht mehr da sein konnte. Vanessa ist ein ganz wichtiger Teil von diesem Erfolg. Täglich arbeiten wir zusammen, um solche Ziele zu erreichen.
DTU: Was zeichnet die Zusammenarbeit und die Freundschaft mit Vanessa aus?
LORENA BRANDL: Seit elf Jahren machen wir diesen Sport zusammen. Ich glaube, ohne sie wäre ich nicht beim Leistungssport gelandet. Ich bin sehr dankbar dafür.
DTU: Du lebst sehr bodenständig in einem kleinen Ort. Was gibt dir dieser Ort, dieses familiäre Leben in der hektischen Sportwelt?
LORENA BRANDL: Mein Zuhause ist der Ort, an dem ich meine Energie wieder aufladen kann. Meine Familie gibt mir viel Kraft und ist ein sehr großer und wichtiger Teil in meinem Leben.
DTU: Die WM rückt näher. Du bist in der letzten Vorbereitung. Mit welchen Erwartungen reist du nach Mexiko?
LORENA BRANDL: Ich fühle mich bereit für diese Weltmeisterschaft in Mexiko. Ich gehe fokussiert in die Kämpfe. Runde für Runde, Kampf für Kampf!
DTU: Spürst du nun einen gewissen Druck, wenn du als Grand-Prix-Siegerin nach Mexiko reist?
LORENA BRANDL: Ab einem gewissen Level im Leistungssport kann man nur sagen: Welcome in the World of Pressure!!! Aber genau dafür arbeite ich auch mit meinem Mental Coach, sodass man in solchen Situationen trotzdem konzentriert und fokussiert ist. Ich sehe das positiv und nehme diese Energie mit nach Mexiko.
DTU: Bei der WM 2013 in Mexiko hat das Damen-Team die letzten Medaillen gewonnen. Wirst du diesen Bann am 17. November brechen?
LORENA BRANDL: Das ist mein Ziel!