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Einmal tief durchatmen
Wald, Klima und Gesundheit – ein Lebenskreislauf*
Mittlerweile besteht kein Zweifel daran, dass sich Waldaufenthalte positiv auf das menschliche Immunsystem auswirken. Das hat einerseits mit der primären Wirkung von Inhaltsstoffen der Waldluft zu tun, andererseits mit den Sekundäreffekten wie körperlicher und psychischer Entspannung durch Stressreduktion und moderate Aktivierung des muskuloskelettalen Apparats. Schon im österreichischen Forstgesetz1 ist festgelegt, dass eine wichtige Funktion des Waldes die Erholung darstellt. Prinzipiell darf jede Person den Wald zu Erholungszwecken betreten und sich dort aufhalten – für andere Aktivitäten wie Radfahren braucht man die Erlaubnis der Waldbesitzer. Auch die Wohlfahrtsfunktion – der Wald produziert z. B. Sauerstoff, reinigt Wasser und Luft – wirkt sich positiv auf unsere Gesundheit aus. Wie weit der Wald diese Leistungen erfüllen kann, hängt allerdings stark vom Klima und von den sich ändernden Bedingungen ab.
GASTAUTOR:INNEN-TEAM:
© IMC FH Krems
Viktoria Valenta, MSc
Biologin, Bundesforschungszentrum für Wald BFW
Prof. (FH) Priv.-Doz. Mag. Dr. Gerhard Tucek
Leitung des Instituts für Therapie- und Hebammenwissenschaften, IMC Fachhochschule Krems
Effektive Bäume
Durch die steigenden Temperaturen haben viele Baumarten mit Trockenheit zu kämpfen, sie können sich aber teilweise in Gebiete ausbreiten, in denen es ihnen früher zu kalt war. Ebenso ändert sich die Zusammensetzung der Baumarten – in der Forstwirtschaft wird vermehrt auf Laub- und Mischwälder gesetzt. Das hat auch Konsequenzen für die Gesundheitswirkungen: Vor allem in Mischwäldern ist es am Tag kühler bzw. in der Nacht wärmer als im Freiland – an heißen Sommertagen können unter dem geschlossenen Blätterdach bis zu fünf Grad weniger zu verzeichnen sein als im Freiland. Dort sind wir also nicht solchen Temperaturextremen ausgesetzt, was sich besonders während der häufigeren Hitzewellen positiv auf den Kreislauf auswirken kann. Weitere Vorteile des Aufenthaltes im Wald stellen die reduzierte Windgeschwindigkeit und die höhere Luftfeuchtigkeit dar. Die Luftqualität in Wäldern ist generell hoch, da die Bäume Schadstoffe aus der Luft filtern. Diese Eigenschaft gewinnt auch in Städten immer mehr an Bedeutung, denn dort betreffen die Auswirkungen von Luftverschmutzung viele Menschen direkt.2,3 Aber nicht nur die Reduktion hauptsächlich anthropogener Stoffe, sondern auch der Kontakt mit Phytonziden (pflanzlichen Sekundärmetaboliten) wie Terpenen kann sich positiv auf die Gesundheit auswirken.4 Allerdings ist zu bedenken, dass nicht wenige Menschen unter einer allergischen Rhinitis leiden. In Westeuropa sind etwa 19 % der Bevölkerung gegen Baumpollen allergisch. Typische heimische Baumarten, die allergische Reaktionen hervorrufen können, sind: Erle, Birke, Hainbuche, Esche und Hasel. Wälder mit dieser Zusammensetzung von Baumarten sollten von Betroffenen in der Pollensaison also eher gemieden werden. FOKUS UMWELT
Rege Forschung
Konkrete Aussagen über die Wirkungen des Waldes auf die Lungengesundheit lassen sich nur schwer treffen. Studien und Übersichtsarbeiten zeigen die positiven Wirkungen von wald- bzw. naturbasierten Interventionen auf Bluthochdruck, Stress und psychische Befindlichkeiten wie Depressionen und Angstzustände. Zudem werden positive Effekte einer Waldtherapie auf immu-
nologische und entzündliche Parameter beschrieben. Aber die Evidenzlage weist aufgrund der Studienqualität und Zahl untersuchter Probandinnen und Probanden immer noch Schwächen auf. Historisch gesehen, sind die Studien von Qing Li in Japan legendär, der bis heute als einer der bedeutendsten Pioniere der Waldtherapie in Japan die gesundheitlichen Zusammenhänge von Waldaufenthalten und Gesundheit untersucht.5 Sein Resümee lautet: Waldbaden hat vermutlich eine vorbeugende Wirkung in Hinblick auf Zivilisations- und Krebserkrankungen. Auch die Mehrzahl anderer Autorinnen und Autoren kommt übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die vorhandene Datenlage „die Förderung von körperlichen Aktivitäten in der Natur im Rahmen von Initiativen zur öffentlichen Gesundheit“ rechtfertige.6–8
Heimische Projekte
In Österreich bieten die Netzwerke Green Care beziehungsweise Green Care WALD9 die Möglichkeit, soziale und gesundheitliche Maßnahmen in Wald und Natur zu entwickeln. Ein von der Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) unterstütztes Projekt ist der Aufenthalt auf einem Green-Care-Auszeithof, bei dem nicht nur die Gesundheitskompetenz gestärkt, sondern auch ein gesundheitsförderlicher Lebensstil unterstützt wird. <
* Gastautorin Viktoria Valenta, MSc war Vortragende bei der 46. Jahrestagung der
Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) und der Österreichischen
Gesellschaft für Thoraxchirurgie (OGTC), 29.9.–1.10.2022, Salzburg Congress.
Referenzen: 1 Bundesgesetz vom 3. Juli 1975, mit dem das Forstwesen geregelt wird (Forstgesetz 1975) StF: BGBl. Nr. 440/1975 (NR: GP XIII RV 1266 AB 1677 S. 150. BR: 1392
AB 1425 S. 344.) 2 Letter C & Jäger G (2019): Environment, Development and Sustainability, 22:4311–4321. 3 Nowak DJ et al. (2014): Environmental Pollution, Volume 193, Pages 119-129. 4 Lackner C et al. (2021): Biodiversität und Gesundheit am Beispiel des Waldes.
Handbuch für die Waldpädagogik und Naturvermittlung. Bundesforschungszentrum für Wald. 5 Qing Li (2010): Environ Health Prev Med, 15:9–17. 6 Christiana RW et al. (2021): Journal of Healthy Eating and Active Living, 1(3), 142–160. 7 Stier-Jarmer M et al. (2021): International Journal of Environmental Research and Public Health, 18(4):1770. 8 Antonelli M et al. (2022): International Journal of Environmental Health Research, 32:8, 1842-1867. 9 greencarewald.at
