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Der Countdown läuft
Verhaltener Start des österreichweiten Disease-Management-Programms für Patienten mit Herzinsuffizienz
Herzinsuffizienz (HI) ist die häufigste Hospitalisierungsursache bei den über 65-Jährigen und kann die Lebenserwartung deutlich verkürzen. Viele Patienten sind (noch) nicht leitlinienkonform betreut. Disease-Management-Programme (DMP) für HI-Patienten in anderen Ländern haben gezeigt, dass diese die Zahl der Hospitalisierungen senken und die Lebensqualität verbessern können. Im Rahmen der Gesundheitsreform „Zielsteuerung Gesundheit“ ist ein innovatives Konzept zur integrierten Versorgung von Menschen mit Herzinsuffizienz in Oberösterreich entwickelt und 2017 gestartet worden. Finanziert wurde es von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und dem Land Oberösterreich.
Tragende Rolle des Hausarztes in ländlichen Regionen
Für ein Jahr geplant und bis 2020 verlängert, lief in vier Bezirken das Pilotprojekt „Integrierte Versorgung PatientInnen mit Herzinsuffizienz“, bei dem den Allgemeinmedizinern und niedergelassenen Internisten in der Versorgung chronischer Patienten eine Schlüsselrolle zukommt. Auch in anderen Bundesländern, etwa mit „HerzMobil Tirol“ und „HerzMobil Steiermark“, wurden multidisziplinäre Versorgungsmodelle geschaffen, die vor allem die Betreuung der Patienten in den ersten Monaten nach Spitalsaufenthalten mithilfe telemedizinischer Unterstützung im Fokus haben. Genau in dieser Zeit sind die HI-Patienten instabil. Innerhalb eines Monats nach der Entlassung müssen knapp 25 Prozent erneut stationär aufgenommen werden, binnen eines halben Jahres sind es etwa 50 Prozent.
Optimierte Betreuung über alle Ebenen
Das integrierte Versorgungsmodell für HI-Patienten in Oberösterreich zielt darauf ab, dass Patientinnen und Patienten ihre chronische Erkrankung

langfristig selbst oder mithilfe ihrer Angehörigen gut managen, dass Dekompensationen mit Spitalsaufenthalten vermieden werden und die Lebensqualität konstant bleibt. „Je nach Schwere kann die engmaschige strukturierte Versorgung dabei helfen, die Erkrankung zu verbessern bzw. den Verlauf zu stoppen oder zu verlangsamen. Die Vernetzung ermöglicht eine individuelle, optimierte und wohnortnahe Betreuung und Behandlung“, sagt OA Dr. Christian Ebner, Leiter des Departments Kardiomyopathie und Herzinsuffizienz im Ordensklinikum Linz Elisabethinen und einer der Mitgestalter des Pilotprojektes in den Bezirken Linz, Linz Land, Rohrbach und Urfahr Umgebung. „Da die chronisch kranken Patienten in regelmäßigen Abständen beim Hausarzt vorstellig werden müssen, kann eine Verschlimmerung rasch erkannt und dieser gegengesteuert werden. Die nahtlose Vernetzung und Kommunikation garantiert die optimale Nutzung der Anlaufstellen und vermeidet Überlastungen einzelner Versorger“, erklärt Allgemeinmediziner Dr. Erwin Rebhandl von der PVE „Hausarztmedizin Plus“ in Haslach im Bezirk Rohrbach. Kernkomponenten des Pilotprojektes in Oberösterreich sind: • die Erstuntersuchung und Einschreibung des Patienten beim niedergelassenen Allgemeinmediziner, Internisten oder in einer PVE, • die Patientengruppenschulung, >
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Gentherapien erfahren?
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mit 2 DFPPunkten
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• vierteljährliche Kontrollen beim niedergelassenen einschreibenden Arzt mit klinischer Kontrolle, RR, HF, Medikationsprüfung, EKG, Labor mit
Na+, K+, Krea, BNP/pro BNP-BNP, • die Möglichkeit des niedergelassenen
Arztes, bei Auffälligkeiten mit einem HI-Spezialisten des Netzwerkes im Krankenhaus Rücksprache zu halten, • die Anordnung von HI-spezifischer Hauskrankenpflege – je nach
Bedarf, • die Enduntersuchung nach einem Jahr
Betreuung in einer KH-Ambulanz. In das Projekt eingeschlossen wurden HI-Patienten (ab NYHA II) mit einem Krankenhausaufenthalt in den letzten sechs Monaten. Die teilnehmenden Ärzte und die Hauskrankenpflege mussten eine Fortbildung im Rahmen von vier Einheiten zu je 45 Minuten absolvieren, für die sie vier DFP gutgeschrieben bekamen. „Herzinsuffizienzpatienten gehören zu unserem Alltag. Jede Dekompensation mit Krankenhausaufenthalt kann das Krankheitsbild verschlimmern und somit die Lebenszeit verkürzen. Zur bestmöglichen Langzeittherapie führt künftig kein Weg an der strukturierten Versorgung dieser Patienten vorbei“, macht Dr. Rebhandl aufmerksam. Vor allem in den ländlichen Regionen kommt dem Hausarzt in der Betreuung jener chronischen Patienten die Hauptrolle zu. In den Städten übernimmt oftmals der Kardiologe bzw. Internist solch eine Funktion.
X Nachgefragt: Wie optimistisch sind Sie?
Foto: © Erwin Rebhandl, privat
Dr. Erwin Rebhandl PVE „Hausarztmedizin Plus“ in Haslach
Foto: © Christian Ebner, privat
OA Dr. Christian Ebner
Leiter d. Departments Kardiomyopathie und Herzinsuffizienz im Ordensklinikum Linz Elisabethinen „Der Hausarzt hat in der langfristigen, wohnortnahen und integrierten Betreuung der Herzinsuffizienzpatienten eine tragende Rolle. Dass die Vernetzung über alle Ebenen sinnvoll und effektiv ist, zeigte schon das DMP ‚Therapie aktiv – Diabetes im Griff‘.“
„Ich bin froh, dass bei der Umsetzung der strukturierten integrierten Versorgung von Herzinsuffizienzpatienten nun etwas weitergeht. Durch die Anbindung an HI-Ambulanzen kommen sie rasch in den Genuss innovativer Therapiemethoden.“
„Das Pilotprojekt in OÖ hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit der Leistungsträger besser und sicherer wird, die Patienten besser geführt werden können und enorm profitieren.“
Foto: © Foto Wilke
Dr. Andreas Krauter Leiter des Fachbereichs Medizinischer Dienst der ÖGK
Zu den Ergebnissen der Evaluierung sagt Dr. Andreas Krauter, Leiter des Medizinischen Dienstes der ÖGK: „60 Prozent der befragten Teilnehmer gaben nach einem Jahr an, dass sich ihre Lebensqualität signifikant verbessert habe. Insbesondere profitierten jene Patienten, die gut geschult waren. Leider haben nicht alle Projektteilnehmer die Schulung gemacht. Diesbezüglich sehe ich Verbesserungspotenzial.“ Auch die Screening-Ergebnisse etwa der Auswurffraktion haben sich gegenüber der Einstiegsuntersuchung verbessert. „Über die Reduktion der Krankenhaustage und -aufnahmen konnte das Pilotprojekt keine signifikante Aussage treffen, jedoch ist ein Trend in die richtige Richtung erkennbar. 2023 soll das DMP für Herzinsuffizienz regelhaft in Oberösterreich umgesetzt werden. Im Gegensatz zum Pilotprojekt können dann alle Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz betreut werden“, so der Leitende Arzt der ÖGK. „Wir haben ein gutes Netzwerk geschaffen, in dem sich alle sicher fühlen. Derzeit wird am Feintuning für die Implementierung in das Regelsystem gearbeitet. Ob und wie Wahlärzte in das Programm eingebunden werden können, ist noch nicht ausgehandelt. Vielleicht kann künftig auch die elektronische Visite für Patienten, die in entfernten Regionen leben, aus- und in die langfristige Betreuung eingebaut werden“, erklärt HI-Experte OA Dr. Ebner. >
X Info zum Pilotprojekt
gesundheitskasse.at (Herzinsuffizienz – Oberösterreich)
Bundesweit einheitliches Rahmen- konzept geplant
Gegenwärtig arbeitet das Competence Center für Integrierte Versorgung (CCIV) an einem österreichweit einheitlichen modularen DMP-Rahmenkonzept für Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz. Als Basis fungieren zum Beispiel die ESC-Guidelines 2016, das Positionspapier der AG Herzinsuffizienz der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft und auch die Ergebnisse und Erfahrungen der einschlägigen Pilotprojekte in verschiedenen Bundesländern. „Da regionale Strukturen und Gegebenheiten sehr unterschiedlich sind, müssen diese von Anfang an in einem Gesamtkonzept berücksichtigt werden“, betont HI-Experte OA Ebner. Ziel ist es, die unterschiedlichen Ansätze der Projekte durch einen modularen Aufbau in ein bundesweit einheitliches Rahmenkonzept zu integrieren.
Mag.a Christine Radmayr
X Infobox: Neue Leitlinie Herzinsuffizienz
Auch die neuen Leitlinien zum Management von Patienten mit Herzinsuffizienz – die beim virtuellen Kongress der European Society of Cardiology (ESC) Ende August 2021 vorgestellt und zeitgleich publiziert wurden – empfehlen, dass alle von Herzschwäche Betroffenen in einem multiprofessionellen Disease-Management-Programm (DMP) behandelt werden.*
Weitere zentrale Punkte der neuen Leitlinien sind:
Bei Verdacht auf Herzinsuffizienz werden Tests auf natriuretische Peptide empfohlen.
Bei erhöhten Markern sollte unverzüglich auf ein Echokardiogramm gesetzt werden, um das zugrundeliegende Problem abzuklären.
Bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) werden neben den üblichen Medikamenten (ACE-Hemmer, AR-
NIs, Betablocker, MRAs) SGLT2-Hemmer neu empfohlen. Einige
Betroffene können zudem von implantierbaren Defibrillatoren oder Schrittmachern profitieren.
Bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) gibt es bislang keine Belege, dass eine Therapie die Morbiditäts- oder Mortalitätsrate senken kann.
In puncto Selbstmanagement sollten Betroffene angehalten werden zu: mehr Bewegung, Raucherentwöhnung, Vermeidung größerer Mengen an Salz oder Flüssigkeit, gesunder Kost,
Schlafhygiene.
Darüber hinaus wichtig können sein: Therapien gegen Hypertonie und Hyperlipidämie.
Die Patienten benötigen zudem Handlungsanweisungen, wie sie bei veränderten Symptomen vorgehen und wann sie medizinische Hilfe in Anspruch nehmen sollten.
*academic.oup.com/eurheartj/advance-article/doi/10.1093/eurheartj/ ehab368/6358045









