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Erkältungspatienten in der Apotheke
Therapeutische Optionen in der Selbstmedikation
Erkältungskrankheiten sind seit jeher eine Domäne der Selbstmedikation. Die Erkrankung verläuft in der Regel selbstlimitierend, die Therapie fokussiert auf die gezielte Behandlung der vorherrschenden Symptomatik. Als Auslöser sind über 200 serologisch unterschiedliche Viren beschrieben, vor allem Rhino-, Adeno- und Coronaviren. Eine kausale Therapie steht nicht zur Verfügung. In den meisten Fällen ist ein grippaler Infekt harmlos und mit rezeptfreien Arzneimitteln und Phytopharmaka gut behandelbar. Eine kompetente Beratung in der Apotheke und evidenzbasierte Empfehlungen bieten nicht nur den Betroffenen rasche Hilfe, sondern entlasten auch überfüllte Arztpraxen. Nachfolgend ein Überblick, was das Apothekensortiment in puncto Symptombekämpfung zu bieten hat.
Halsschmerzen
Akute Halsschmerzen mit mehr oder weniger starken Schluckbeschwerden stellen häufig die ersten Anzeichen einer banalen Erkältung dar, die Ursache ist zumeist eine Pharyngitis. Ihre Spontanheilungsrate liegt bei 80–90 % innerhalb einer Woche. Als symptomatische Therapie stehen Lutschpastillen, Gurgellösungen und Rachensprays mit verschiedenen Wirkstoffen zur Auswahl. Die aktuelle DEGAM-Leitlinie empfiehlt eine lokale Behandlung mit Lokalanästhetika (z. B. Benzocain, Lidocain) und/oder NSAR.1 Als einziges NSAR ist Fluriprofen zur topischen Anwendung bei Halsschmerzen zugelassen. Der Vorteil der Lokaltherapie liegt in der guten Bioverfügbarkeit und dem schnellen Wirkungseintritt. Bei sehr starken Schluckbeschwerden wird eine systemische Gabe von Ibuprofen oder Naproxen vorgeschlagen. Die topische Anwendung von Antibiotika ist bei einer mehrheitlich viral bedingten Infektion nicht sinnvoll. Ebenfalls keine Empfehlung wird für lokal wirksame Antiseptika (z. B. Cetylpyridinum- oder Benzalkoniumchlorid) gegeben. Gegen ihren Einsatz spricht, dass sich ausreichend hohe Konzentrationen nur an der
Schleimhautoberfläche erzielen lassen, während sich das Infektionsgeschehen in tieferen Gewebeschichten abspielt. Ein weiteres wichtiges Therapieprinzip ist das Feuchthalten der Schleimhäute, was insbesondere bei Heiserkeit und Schluckbeschwerden als wohltuend empfunden wird. Lutschpastillen mit Isländisch Moos, Hyaluronsäure oder Xanthan beruhigen irritierte Schleimhäute, zudem wird der Speichelfluss angeregt. Gerbstoffhaltige Tinkturen aus Salbei, Blutwurz, Myrrhe oder Eichenrinde werden – mit Wasser verdünnt – zum Gurgeln verwendet. Sie wirken adstringierend und machen die Schleimhäute unempfindlich gegenüber äußeren Einflüssen.
Husten
Eine akute Bronchitis im Rahmen eines grippalen Infektes heilt auch ohne medikamentöse Behandlung für gewöhnlich folgenlos aus. Häufig wünschen sich die Betroffenen aber eine symptomlindernde Therapie. Erkältungshusten beginnt üblicherweise mit einem trockenen Reizhusten, der nach etwa drei Tagen produktiv wird. Für das therapeutische Vorgehen ist jedoch die Unterscheidung „trocken oder verschleimt“ gar nicht so relevant, wie lange Zeit geglaubt wurde. Entscheidend ist vielmehr die Dauer des Hustens. Ein akuter Husten (< 3 Wochen) lässt sich meist auf eine banale Virusinfektion der oberen Atemwege zurückführen und in der Selbstmedikation gut therapieren. Handelt es sich hingegen um einen chronischen Husten oder bestehen andere Alarmzeichen (wie blutiger Auswurf, Fieber, Schmerzen beim Husten, Atemnot), sollte umgehend ein Arzt konsultiert werden. Zur Linderung des Hustenreizes eignen sich schleimstoffhaltige Arzneidrogen wie Isländisch Moos, Eibisch oder Malve. Sie ziehen einen reizmindernden Schutzfilm über die Bronchien und wirken schleimhautprotektiv. Empfinden Betroffene den Reizhusten als sehr belastend, können kurzzeitig chemische Antitussiva wie Dextromethorphan oder Pentoxyverin eingesetzt werden. Sie greifen zentral am Hustenzentrum an und unterdrücken dort den Hustenreflex. Dextromethorphan sollte bei Patienten über 65 Jahre aufgrund des verzögerten Metabolismus nur in halber Dosierung verwendet werden. Zu bedenken sind darüber hinaus die CYP-P450-bedingten Wechselwirkungen (die gerade bei älteren Personen mit umfangreicher Dauermedikation durchaus klinisch relevant werden können) sowie das Missbrauchspotential. Bei beginnender Schleimproduktion kommen Expektorantien wie Acetylcystein oder Ambroxol zur Anwendung. Eine klinisch relevante Wirksamkeit dieser Substanzen ist jedoch nicht ausreichend belegt.2,3 Demgemäß haben hier pflanzliche Therapieoptionen eine große Bedeutung. Zu nennen sind insbesondere Arzneimittel mit Cineol, Myrtol, Pelargonium, Efeu sowie Kombinationspräparate aus Thymian und Efeu sowie Thymian und Primel. Sie alle hatten in kontrollierten Studien nachweislich eine Wirkung auf die Dauer und die Intensität eines akuten Erkältungshustens.4 Die Pflanzeninhaltsstoffe fördern den Auswurf, >
indem sie das Bronchialsekret verflüssigen (Mukolytika) oder die Produktion von dünnflüssigem Schleim fördern (Sekretolytika) und/oder den zähen Schleim verstärkt abtransportieren (Sektretomotorika).
Schnupfen
Im Krankheitsverlauf kommt es meist auch zu einer entzündlichen Veränderung der Nasenschleimhaut (Rhinitis) und/oder der Nasennebenhöhlen (Sinusitis). Zur Abschwellung der Nasenschleimhaut und zur Verbesserung des Sekretabflusses sind α-Sympathomimetika (z. B. Xylometazolin, Oxymetazolin) in lokaler Anwendung Mittel der Wahl.3 Aufgrund der Toleranzentwicklungen sollte ihr Einsatz auf einen Zeitraum von max. sieben Tagen beschränkt bleiben. Konservierungsmittelfreie Produkte sind zu bevorzugen, da Benzalkoniumchlorid das Flimmerepithel schädigt und die Nasenschleimhaut austrocknet. Oral einzunehmende Dekongestiva wie Phenylephrin oder Pseudoephedrin haben den Vorteil, dass sie überdies im Bereich der Nebenhöhlen wirken, den Sprays nicht erreichen. Meist werden sie in „Grippemitteln“ mit einem Analgetikum kombiniert, woraus sich synergistische Effekte ergeben. Nasenduschen sind zwar nicht jedermanns Sache, aber sie erzielen gute Effekte. Ein Cochrane-Review attestiert salinischen Nasenspülungen und -sprays eine Wirksamkeit und empfiehlt sie als ergänzende Maßnahme bei einer akuten Rhinitis.5 Dank ihnen kann die Anwendungshäufigkeit von Dekongestiva reduziert werden, zudem zeigen sie präventive Effekte bei Personen mit Infektneigung.3 Das oft zusätzlich enthaltene Dexpanthenol unterstützt die Regeneration einer geschädigten Schleimhaut. Bei akuter und chronischer Sinusitis wies die Kombination der fünf Heilpflanzen Schlüsselblume, Enzian, Sauerampfer, Holunder und Eisenkraut in klinischen Studien gute Effekte auf.
Fieber und Kopfschmerzen
Als Analgetika kommen klassisch Paracetamol und NSAR wie Ibuprofen und Acetylsalicylsäure zum Einsatz. Paracetamol hat eine starke antipyretische Wirkung, allerdings zeigt es kaum antiphlogistische Effekte. Eine abwechselnde Gabe der beiden Wirkstoffe kann daher mitunter sinnvoll sein, um sowohl eine fiebersenkende als auch eine entzündungshemmende Wirkung zu erzielen. In gängigen Grippeprodukten werden die genannten Analgetika mit Dekongestiva und/oder Ascorbinsäure kombiniert.
Mag.a Dr.in Irene Senn
Quellen: 1 DEGAM, S3-Leitlinie: Halsschmerzen 2020; AWMF-Reg.-Nr. 053-010. 2 Neubeck M. Evidenzbasierte Selbstmedikation. 4. Auflage, Deutscher Apothekerverlag, Stuttgart 2019. 3 DEGAM, S2k-Leitlinie: Rhinosinusitis 2017;AWMF-Reg.-Nr. 017/049 und 053-012. 4 DEGAM, S3-Leitlinie: Akuter und chronischer Husten 2021;AWMF-Reg.-Nr. 053-011. 5 King D et al., Cochrane Database Syst Rev 2015(4):Cd006821.