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Dynamische Pneumologie
Die Leitlinien sind im Wandel begriffen – ein Update*
+++ Eosinophilie und Exazerbationen als Kriterien für oder wider ICS bei COPD +++ Biologika verzeichnen bei schwerem Asthma Erfolge +++ antivirale und immunmodulatorische Behandlung von COVID-19 +++ verkürzte Therapiedauer mit Antibiotika bei Pneumonie +++ septischer Schock erfordert Kombinationstherapie +++ Komorbiditäten entscheidend +++
Neue Erkenntnisse im Fachgebiet der Pneumologie fließen stetig in den klinischen Alltag ein. Insbesondere betreffend obstruktive Ventilationsstörungen, COVID-19 und die Pneumonie gibt es Aktuelles zu berichten. In den letzten Jahren standen hinsichtlich obstruktiver Ventilationsstörungen inhalative Kortikosteroide (ICS) im Fokus. Die neuen GINA-Guidelines für Asthma bronchiale betonen die Notwendigkeit einer Therapie mit ICS sogar bei sehr mildem Asthma mit ausschließlicher Bedarfsmedikation. In der Hauptempfehlung wird Formoterol mit einem Steroid kombiniert und kann als Basistherapie ebenso wie als Bedarfsmedikation (Reliever) verwendet werden. Bei milden Formen von Asthma können alternativ auch kurz wirksame BetaAgonisten (SABA) zur Anwendung kommen, allerdings immer in Kombination mit einem ICS. Im Gegensatz dazu wird bei COPD der Einsatz von inhalativen Steroiden zunehmend kritisch hinterfragt. In den neuen COPDGOLD-Leitlinien werden ICS nur bei gehäuften Exazerbationen (mehr als zwei pro Jahr) bzw. sehr schweren Exazerbationen oder bei bestehender Eosinophilie (> 300/mcl) empfohlen. Auch der Gebrauch von Biologika zeigt sehr unterschiedliche Ergebnisse. Während bei schwerem Asthma mehrere Präparate mit ausgezeichnetem Erfolg eingesetzt werden, ist die Datenlage bei COPD leider nach wie vor nicht ausreichend. Aufgrund der nun doch deutlich
SeriePULMO
„Betreffend schwere Pneumonien ist vor allem für Risikogruppen eine Prävention durch Impfungen und Nikotinkarenz dringend angeraten.“
Autorin: Prim.a Dr.in Eveline Kink, MBA
LKH Graz II, Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie
unterschiedlichen Therapieoptionen hat die Differenzierung zwischen COPD und Asthma eine große Bedeutung.
Aktuelle Guidelines zu COVID-19
Das neue Krankheitsbild mit teilweise schwersten pneumologischen Veränderungen hat uns akut gefordert – als Long COVID ist es in chronischer Form geblieben. Für die medikamentöse Therapie hospitalisierter Patientinnen und Patienten gibt es zurzeit zwei Ansätze: antiviral und immunmodulatorisch. Mit hohem Empfehlungsgrad wird Dexamethason bei schwerer und kritischer Erkrankung eingesetzt. Im Falle eines progredienten schweren Verlaufs kann Tocilizumab mit deutlich geringerem Empfehlungsgrad angewendet werden. Für Remdesivir gibt es bei nicht beat- >
meten Patienten mit Pneumonie keine eindeutige Empfehlung – ein Therapieversuch ist möglich. In einem aktuellen Statement spricht sich die WHO für den Einsatz der Antikörperkombination Casirvimab/Imdevimab für ambulante Hochrisikopatienten und seronegative Intensivpatienten aus. Rekonvaleszentenplasma oder Azithromycin wird hingegen derzeit nicht empfohlen. Entgegen anfänglicher Bedenken bezüglich der Ansteckungsgefahr durch Aerosolbildung und des Schweregrades der Oxygenierungsstörung konnte die nicht invasive Beatmung mit großem Erfolg eingesetzt werden. Auch der nasale High Flow ist in allen COVID19-Leitlinien zu finden. Bei schwersten Oxygenierungsstörungen mit invasiver Beatmung haben sich die Anlage eines positiven endexspiratorischen Druckes (PEEP) und die Bauchlagerung bewährt.
Thromboembolische Ereignisse können nicht nur bei schweren Krankheitsverläufen komplizierend hinzukommen. Auch die Impfung stellt ein – wenngleich geringes – Risiko dar. Eine spezifische Anamnese, die entsprechenden Laborparameter und gegebenenfalls die bildgebende Diagnostik sind im Verdachtsfall rasch durchzuführen. Anschließend ist eine adäquate Therapie einzuleiten. Die prophylaktische Gabe von Antikoagulantien wird in den Leitlinien nur für hospitalisierte Patienten empfohlen.
Long-COVID-Symptome lindern
Etwa zehn Prozent der Infizierten entwickeln das sogenannte Long-COVIDSyndrom, welches durch eine sehr heterogene Symptomatik gekennzeichnet ist. Circa 30 Prozent der Betroffenen leiden unter pulmonalen Symptomen wie Dyspnoe und Husten. Radiologisch können persistierende Infiltrate über Monate hinweg bestehen. Eine spezifische Therapie ist derzeit nicht bekannt. Rehabilitative Maßnahmen werden empfohlen, wobei eine Überlastung allerdings zur Verschlechterung führen kann. Auch bei den anderen Symptomen, z. B. Fatigue, Konzentrationsstörungen, Kopf- und Gelenkschmerzen, mindern Pacing und Graded Activity den Leidensdruck.
X Infobox: Risikostratifizierung Pneumonie
Schweregradkriterien
CRB-65-Score Sauerstoffsättigung
Risikogruppen
Gruppe 1a: gute Funktionalität, Bettlägerigkeit < 50 % des Tages Gruppe 1b: NHAP oder schlechte Funktionalität, Bettlägerigkeit > 50 % des Tages Gruppe 2: schwere Komorbidität mit infauster Prognose, palliatives Therapieziel
Therapieentscheidung
Ambulante Therapie
Gruppe 1a mit CRB-65 = 0, normaler O2-Sättigung und evtl. Gruppe 2 nach Patientenwunsch Stationäre Therapie bei allen anderen sowie bei Komplikationen; soziale Faktoren sind einzubeziehen
Hohe Letalität bei Pneumonie
Die DACH-Leitlinie hat 2021 ein Update erfahren – mit neuen Schwerpunkten: z. B. Therapiedauer, Prävention, palliative Behandlung und Pneumonie als Notfall. Bezüglich der klinischen Einschätzung und Prognose sind der funktionelle Zustand sowie die Bettlägerigkeit von mehr als 50 Prozent des Tages entscheidend. Bei schwerer Komorbidität mit infauster Prognose kann leitlinienkonform in Absprache mit dem Patienten und unter palliativer Begleitung auf eine antibiotische Therapie verzichtet werden. Bei der Indikation zur stationären Aufnahme werden neben dem CRB-65-Score auch der funktionelle Status und die extrapulmonalen Komorbiditäten berücksichtigt. Zusätzlich wird heute die Bestimmung der Sauerstoffsättigung empfohlen (siehe Infobox). Die Basisdiagnostik umfasst den klinischen Eindruck sowie die Labordiagnostik mit CRP und eventuell PCT. Zur Abgrenzung von oberen Atemwegsinfekten und somit zur Diagnosesicherung wird im stationären Bereich immer ein Thoraxröntgen durchgeführt. Erfahrene Untersucher können mit dem Ultraschall das Infiltrat bereits in der Frühphase darstellen und komplizierte Verläufe mit Begleiterguss bzw. Pleuraempyem ausschließen. Im stationären Setting wird zur Abnahme von Blutkulturen zwecks mikrobieller Diagnostik geraten. Die Einleitung der antibiotischen Therapie sollte rasch, idealerweise bereits in der Notaufnahme erfolgen.
Mehr Zuwendung für Risikogruppen
Pneumokokkenwirksame Antibiotika werden als Primärtherapie empfohlen, für die Behandlung einer leichten Pneumonie ohne Komorbidität reicht Amoxicillin aus. Bei schwerer Pneumonie erfolgt die Therapie anfänglich immer intravenös, bei septischem Schock ist eine Kombinationstherapie zwingend erforderlich. Eine Sauerstoffgabe mit Zielsättigung von über 90 Prozent, eine Thromboseprophylaxe und Physiotherapie zur Frühmobilisierung sowie eine Atemtherapie gelten im stationären Bereich als Standard. Die Therapiedauer hat sich in den letzten Jahren deutlich verkürzt, die Antibiotikagabe darf 48–72 Stunden nach Abfiebern beendet und Biomarker wie CRP und PCT können zur Steuerung herangezogen werden. Eine Röntgenkontrolle sollte bei klinischer Verbesserung frühestens nach zwei Wochen stattfinden – insbesondere bei Personen, die das Risiko einer Tumorerkrankung aufweisen. Da die schwere Pneumonie trotz leitlinienkonformer Therapie eine hohe Letalität zeigt bzw. eine mehrwöchige Rekonvaleszenzphase erfordert, wird vor allem Risikogruppen die Prävention durch Impfungen und Nikotinkarenz dringend angeraten. <
* Die Autorin war Vortragende bei den Ärztetagen
Velden, 22. – 28. August 2021. Literatur: goldcopd.org ginaasthma.org ogp.at