RC Premium 2/2018

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THERAPEUTISCHER RAT

Mythen über Rückenschmerzen von Benjamin Schauer

B

einahe jeder kennt das Gefühl, wenn der Rücken einmal schmerzt. Sitzen und Liegen ist oft unangenehm und es kann schwer fallen Dinge zu finden, die die Beschwerden lindern. 80 % der Menschen sind mindestens einmal im Leben von Rückenbeschwerden betroffen. Aufgrund der Häufigkeit und der damit verbundenen Kosten für die Volkswirtschaft wird in diesem Bereich viel Forschung betrieben. Trotzdem ranken sich um das Thema Rückenschmerzen zahlreiche Mythen. Der folgende Beitrag nimmt weitläufige Meinungen etwas genauer unter die Lupe und vergleicht diese mit dem aktuellen Forschungsstand.

Mythos Nr. 1: Rückenschmerzen sind gefährlich

Ungefähr 90 % der Rückenbeschwerden haben keine konkrete Ursache1. Nur in rund einem Prozent der Fälle versteckt sich dahinter tatsächlich ein ernsthafter Auslöser. Trotzdem können die Schmerzen im ersten Moment stark sein und den Alltag immens einschränken. Die gute Nachricht: Der Großteil der Betroffenen erholt sich innerhalb von drei bis vier Wochen deutlich oder sogar ganz. Und zwar unabhängig davon, ob eine Therapie durchgeführt wird oder nicht. Auch wiederholte Episoden sind keine Seltenheit. Genauere Untersuchungen werden immer dann notwendig, wenn sich die Schmerzen nicht verbessern, deutlicher werden oder andere unbekannte Symptome zusammen mit den Schmerzen auftreten.

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Physiotherapeut Benjamin Schauer klärt auf

Mythos Nr. 2: Ein MRT oder Röntgenbild ist unbedingt notwendig

Die Leitlinien raten von einer sofortigen Bildgebung bei allen Patienten mit Rückenbeschwerden sogar ab. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2015 hat herausgefunden, dass typische „Auffälligkeiten“ wie arthrotische Veränderungen und Bandscheibenvorfälle dabei keineswegs im Zusammenhang mit dem Schmerzerleben stehen müssen. Bei gesunden 60-Jährigen kann man bei über 70 % Bandscheibenvorwölbungen und -degenerationen sehen2. Durch die zu frühe Bildgebung machen sich Patienten stattdessen oft vermehrt Sorgen und die Angst vergrößert sich. Die meisten Veränderungen sind alterstypisch und nicht zwangsläufig Auslöser für Schmerzen. Nur bei Verdacht auf eine ernsthafte Ursache wie Knochenbrüche oder raum-

fordernde Ereignisse ist eine Bildgebung notwendig3.

Mythos Nr. 3: Der Rücken ist verletzungsanfällig und Heben ist nur mit geradem Rücken sicher

Der Rücken ist dafür gemacht, sich zu drehen, zu beugen und zu strecken. Ein gesunder Rücken lebt von ausreichender Bewegung und wechselnder Belastung. Glücklicherweise ist der Körper keine Maschine, die mit größerer Benutzung schneller verschleißt. Er möchte gefordert und trainiert werden. Und mit dem richtigen Training wird er sich anpassen und belastbarer werden. Denn: Obwohl die Menschen noch nie geringerer körperlicher Belastbarkeit ausgesetzt waren als heute, nimmt die Häufigkeit an Rückenbeschwerden zu.


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