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Heimkehrer
from Ötztal Magazin
by Griassdi.com
Die Technikleidenschaft hat den Ötztaler Patrick Kuprian hinaus in die Welt geführt. Heute geht er seiner Berufung bei den Bergbahnen Sölden nach.
Markus Geisler
Bei unserem Zusammentreffen auf der Sonnenterrasse in Hochsölden fällt die Giggijochbahn ins Blickfeld. Dass Patrick Kuprian einmal am Bau der weltweit leistungsstärksten Seilbahn mitwirken würde, hat er in seiner Jugendzeit nicht erwartet. Als 15-Jährigem waren ihm nur zwei Dinge klar: „Ich wollte einen technischen Beruf erlernen und gleichzeitig nicht in die Fußstapfen meines Vaters als Betriebsleiter treten.“ Zwei Jahrzehnte später hat sich dieser Vorsatz überlebt. Heute verantwortet Kuprian als Betriebsleiter der Bergbahnen Sölden sieben Seilbahnanlagen im Bereich Gampe und führt ein Team von rund 30 Mitarbeitern.
Fort von daheim


Der Lebensweg des Mittdreißigers ist geprägt von der Lust auf neue Erfahrungen. Beim Seilbahnproduzenten Doppelmayr absolvierte er seine Ausbildung zum Elektroanlagentechniker, blieb danach fast 12 Jahre in Vorarlberg. Als Montagetechniker wurde er zum Vielflieger: Auf allen Kontinenten bereitete der Ötztaler neue Bergbahnen für die Inbetriebnahme vor. Sein zufriedenes Fazit: „Ich bin froh über diese Zeit. Dadurch schätze ich das Ötztal mehr.“ 2012 hatte der Sölder genug vom Leben aus dem Koffer und startete als Techniker bei den Bergbahnen. Nach Aus- und Fortbildungen und einem Fachhochschulstudium trägt er den Titel „Akademischer Experte für Seilbahnmanagement“. Die Faszination für seinen Beruf ist ungebrochen: „Eigentlich haben wir ja zwei Jobs. Einmal Dienstleister und dann Techniker. Leider ist die Wahrnehmung für die anspruchsvollen Tätigkeiten an den Seilbahnanlagen bei vielen Menschen nicht besonders ausgeprägt.“

Patrick Kuprian
Das Funkgerät ist Patricks ständiger Begleiter.
Unten: Die weltweit leistungsstärkste Seilbahn: Giggijoch bahn in Sölden.
MARKUS GEISLER
Der Längenfelder arbeitet in einer Kommunikationsagentur in Imst und widmet sich mit viel Leidenschaft den facettenreichen Themen des Ötztals.
5Fragen zum Bergwetter

Unser Autor hat mit dem Tiroler Meteorologen Thomas Pichler erörtert, was Wanderer und Bergsteiger über das sommerliche Wetter in den Alpen wissen sollten. Und dazu passende Profi-Tipps für die Tourenplanung bekommen. Uwe Grinzinger
1. Woran erkenne ich seriöse Wetterportale im Internet?
Der regionale Wetterexperte Thomas Pichler empfiehlt, zu hinterfragen: „Steht da ein professioneller Wetterdienst dahinter, bei dem auch tatsächlich ein Meteorologe die Prognose erstellt? Oder handelt es sich um ein kommerzielles Portal, das nur User auf seine Seite locken will?“ Ersterer liefert in der Regel verlässliche, regional zugeschnittene Vorhersagen. Letzteres dagegen automatisierte Computerprognosen, auf Wunsch auch für jeden Punkt der Erde – oft von zweifelhafter Qualität, ohne jeglichen Text, nur mit bunten Symbolen. „Im Zweifelsfall sollte man sich da eher an die amtlichen, staatlichen Wetterberichte halten“, rät Thomas. Auch der Vorhersagezeitraum gibt Aufschlüsse: Detailprognosen, die über fünf Tage hinausgehen, sind nicht sonderlich seriös.
2. Gibt’s Gewitter nur an Sommernachmittagen?
Nein. Nur das bekanntere Wärmegewitter tritt vor allem im Sommerhalbjahr auf, bevorzugt in der zweiten Tageshälfte. Wer also seine Wanderung früh beendet, kann dem Wärmegewitter recht gut aus dem Weg gehen. Genau das funktioniert beim Frontgewitter nicht: Diese zweite Gewitterart kann zu jeder Jahres- und Tageszeit auftauchen – eben dann, wenn eine Schlechtwetterfront eintrifft. Zusätzlich zu Blitz und Donner bringen Frontgewitter oft einen markanten Wettersturz samt Abkühlung. Umso wichtiger ist hier ein möglichst präziser Wetterbericht. Denn das einzig Sichere bei einem Gewitter ist: in keines hineinkommen!
Wetterforscher Pichler mit Messgeräten
3. Was unterscheidet beide Gewitterarten?

„Das Wärmegewitter erkennt man gut anhand der Quellwolken, die allmählich in die Höhe wachsen“, erklärt Thomas Pichler. Beim Frontgewitter dagegen bleibt oft viel weniger Zeit zum Wolkenbeobachten und Reagieren: Schon bald nach den ersten Anzeichen bilden sich mächtige Quellwolken, Blitz und Donner.
Expertentipps
Meteorologe Thomas Pichler übers Bergwetter
1. Wetterbericht studieren
Immer über die Wetterentwicklung informieren, spätestens am Vortag. Mithilfe der Prognose dann die Tour planen. Dabei das Wanderziel an den Wetterbericht anpassen, nicht umgekehrt!
2. Früh aufstehen
Zeitig starten, speziell im Sommer! Denn im Tagesverlauf nimmt die Gefahr von Schauern und Wärmegewittern üblicherweise zu.
3. Regen-, Wind- und Kälteschutz mitnehmen
Auch am schönsten Tag kann sich das Wetter im Tagesverlauf schnell ändern. Daher gehören Regenjacke, Haube und Handschuhe immer in den Rucksack – egal wie die Prognose ist.
4. Den Höhenwind beachten
Ziehen Wolken mit dem Wind über den Himmel, befinde ich mich wahrscheinlich in einer wechselhaften Wetterphase. Mit plötzlichen Wetterumschwüngen ist zu rechnen, auch schon früh am Tag.
5. Bei Südföhn aufpassen
Föhniger Südwind kündigt gerade im Ötztal häufig markante Wetterstürze an: Gewitter, Starkregen, massive Abkühlung, bis hin zu Schneefall im Gebirge – auch im Sommer.
4. Was bedeuten Fronten für den Wanderer?
Sie bringen Wetterverschlechterung und Regen – die Frage ist nur, wie schnell und wie intensiv. Bei einer Warmfront passiert das meist gemächlich. Wer sich darauf einstellt, irgendwann nass zu werden und vorsichtshalber in Talnähe bleibt, kann bei Warmfrontaufzug durchaus noch kurze Wanderungen unternehmen. Ganz anders bei der Kaltfront: Sie sorgt häufig für plötzliche Temperaturstürze, starke Niederschläge und manchmal auch Gewitter – die oben erwähnten Frontgewitter. Ein Regensymbol alleine ist bei der Wetterprognose somit zu wenig, um zwischen Warm- und Kaltfront zu unterscheiden. Der Wetterbericht muss auch erklären, warum es zum Regen kommt.
5. Welche Eigenheiten hat das Wetter im Ötztal?
„Dass es hier drei Wetterregionen gibt“, weiß Thomas Pichler. „Sie wiederholen, vereinfacht gesagt, den großen Querschnitt von Alpennordseite – Inneralpin – Alpensüdseite. Und zwar innerhalb eines Tales: Das vordere, nördliche Ötztal, bis etwa Umhausen, erhält Niederschläge häufiger von Nordwesten. Der Bereich nahe dem Alpenhauptkamm, zwischen Obergurgl und Vent, ist hingegen stärker von Süden her beeinflusst. Dazwischen liegt das mittlere Ötztal, von Längenfeld bis Sölden. Es bekommt aus beiden Himmelsrichtungen in etwa gleich viel ab.“
Weitere Informationen unter www.zamg.ac.at www.oetztal.com/wetter
Berg-Blogs unter www.oetztal.com/magazin
UWE GRINZINGER
Der Bergfotograf, -journalist und Wanderführer-Ausbilder ist bei einer Bergtour erst einmal so richtig ins Gewitter gekommen. Das reicht ihm aber fürs gesamte Leben.

Dagmar Gehm
Zurück in die Zeit eines der größten Abenteuer des vergangenen Jahrhunderts führt der 18 Kilometer lange Piccard-Rundweg, der sich zu beiden Seiten der Gurgler Ache entlangzieht.
Als der tollkühne Stratosphärenforscher Auguste Piccard zur Notlandung auf dem Gurgler Ferner ansetzen musste, sah der Gletscher noch wesentlich beeindruckender aus als heute. Geradezu einladend, um das seltsame Luftgefährt des Schweizers sowie seines Assistenten, dem Ingenieur Paul Kipfer, am 27. Mai 1931 butterweich abzufedern. Wahrscheinlich würde der Ferner auch heute noch eine punktgenaue Landung garantieren, denn er ist trotz ständiger Schmelze mit 9,58 km² der drittgrößte Gletscher Tirols. Piccards Ballonlandung machte das abgeschiedene Dorf Obergurgl damals mit einem Schlag berühmt. Heute kommen Wanderer auf dem Piccard-Rundweg zum Schauplatz der Geschichte. Der Weg ist mittelschwer und erfordert eine gute Kondition. Sich zu verlaufen ist ausgeschlossen, denn von Obergurgl aus geht es immer nur in eine Richtung und nach Überquerung der spektakulären Hängebrücke in die andere Richtung zurück. Ab dem gut beschilderten Einstieg in Obergurgl auf 1.930 Meter immer im Blick: Die Langtalereckhütte auf der Ostseite der Schlucht. Über Grashänge geht es zunächst auf der Westseite zur aufgelassenen Küppelealm mit ihrer halb verfallenen Hirtenhütte auf 2.303 Meter.
Wolkenkuckucksheim
Immer begleitet vom Duft wilder Blumen und Kräuter, müssen wir über mehr als sieben Brücken gehen, unter denen kleine Sturzbäche rauschen, die sich vom Mannigenbach abspalten. Murmeltiere machen Männchen, Bartgeier kreisen hoch am Himmel. Irgendwann stehen wir unter dem hohen Felsvorsprung, auf dem das traditionsreiche Ramolhaus, die Hütte des Deutschen Alpenvereins „Sektion Hamburg und Niederelbe“, auf 3.006 Meter Höhe thront. Ein echtes „Wolkenkuckucksheim“, eingerahmt von einem Wolkenkranz. Wer dort übernachten möchte, muss den rechten Abzweig nehmen. Wir bleiben auf dem erst 2017 angelegten Weg zur Brücke, zum Ferner. Bald spannt sich am Talschluss die Pic-
card-Hängebrücke in 100 Meter Höhe. Höhe über die Schlucht. Noch im 18. Jahrhundert konnte man einfach über den Ferner laufen, um auf die andere Seite zu kommen. Immer mehr zog sich die Gletscherzunge zurück und erschwerte die Überquerung. Steinschlag und Hochwasser hatten mehrmals die vorherige Brücke beschädigt. Zeit für eine neue, kühne Konstruktion.
SÖLDEN
HOCHGURGL
VENT OBERGURGL
PICCARD-RUNDWEG

Wie auf dem Mars
In unmittelbarer Nähe der neuen Hängebrücke war Auguste Piccard notgelandet. Eine große glänzende Kugel im Ortszentrum von Obergurgl stellt den Ballon dar, mit dem der experimentierfreudige Professor und sein Assistent Paul Kipfer von Augsburg gestartet waren, als erste Menschen eine Höhe von knapp 16.000 Meter erreicht und danach wegen eines technischen Versagens hier auf dem Gletscher zur Notlandung angesetzt hatten. Das Ereignis ging durch die Welt-
presse und brachte Gurgl in die Schlagzeilen. „Schönes, unbekanntes Hochgebirge, Gondel und Ballon liegen auf einem Gletscher“, hatte Piccard nach der glücklichen Landung in sein Bordbuch notiert. Eine Tafel an der Brücke berichtet von dem Abenteuer. Auf der anderen Seite der Brücke, auf dem Weg ins Langtal, scheinen wir auf dem Mars gelandet zu sein. Rote Felsen, wohin man schaut. Schön abgeflacht und angenehm zum Wandern sind die meisten – das perfekte Podest für den weiten Panoramablick auf Obergurgl!


Piccard-Hängebrücke
Info
Rundweg: Der 18 km lange Piccard-Rundweg ist mittelschwer und eignet sich für geübte Bergwanderer mit guter Kondition.
Knödelvariationen
Und oh Wunder – die langersehnte Langtalereckhütte (2.450 Meter) rückt näher. Endlich Einkehr! Urgemütlich ist es in der 1928/29 erbauten und später erweiterten Hütte der Sektion Karlsruhe des Deutschen Alpenvereins. Senior-Pächter Melitta und Georg Gufler unterstützen ihren Sohn, Hüttenwirt Mario, zum Beispiel bei der Herstellung von Knödeln in allen Variationen, mit Schweinsbraten
und Gulasch. Serviert wird rund um die beiden alten Kachelöfen. Frisch gestärkt treten wir den letzten Abschnitt der langen Wanderung an, passieren die Zollwachhütte, eine kleine Kapelle und die Schönwieshütte, um nach sieben Stunden und 1.076 Meter Abstieg wieder in Obergurgl einzutreffen. Direkt neben dem silberfarbenen Ballon des Piccard-Denkmals im Ortszentrum. Der Kreis hat sich geschlossen.
Ramolhaus 3.006 Meter