Stippvisite 02/2012

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Wenn im Alter die Psyche aus dem Lot gerät Gerontopsychiatrisches Zentrum mit Memory-Klinik am Klinikum Kassel Am Klinikum Kassel ist ein umfassendes ­Gerontopsychiatrisches Zentrum entstanden. Dort sind unter einem Dach alle Bereiche vereint, die ältere Menschen mit psychischen Erkrankungen behandeln – gerontopsychiatrische Ambulanz, Tagesklinik und Station. So kann jedem Patienten die am besten geeignete Therapie zuteil werden, und die Angebote sind optimal vernetzt. In unserer Gesellschaft gibt es immer mehr ältere Menschen, und dieser Trend wird sich in Zukunft weiter verstärken. Mit zunehmendem Alter treten bei Menschen häufiger Krankheiten auf. Einen besonderen Stellenwert haben dabei psychische Erkrankungen wie etwa Depression und die Alzheimer-Krankheit. Die Gerontopsychiatrie befasst sich mit genau diesen Patientinnen und Patienten. Bisher befanden sich auf dem Gelände des Klinikum Kassel bereits die gerontopsychiatrische Tagesklinik und Ambulanz (Gedächtnissprechstunde). Die stationären Patienten wurden im Ludwig-Noll-Krankenhaus versorgt, der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikum Kassel. Im April sind diese drei Bereiche in das Haus 5 auf dem Klinikum-Gelände in der Mönchebergstraße umgezogen (ehemals Frauenklinik). Mit der Zusammenführung am Klinikum sowie 20 zusätzlichen Betten für die Geronto­ psychiatrie werde eine Versorgungslücke in Kassel geschlossen, betonte der Geschäftsführer des Klinikum Kassel, Dr. Gerhard M. Sontheimer, zugleich Vorstandsvorsitzender der

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anderen Kliniken des Klinikum Kassel. Etliche Patienten wiesen neben der psychiatrischen Erkrankung auch eine körperliche Erkrankung auf (beispielsweise Diabetes mellitus oder Bluthochdruck) und Klinikdirektor Prof. Dr. Martin Ohlmeier und Oberarzt Peter Fellmann im könnten nun bei Aufenthaltsraum der neuen gerontopsychiatrischen Station im Klinikum Bedarf auf ganz Kassel. kurzen Wegen Gesundheit Nordhessen. Der große zu Untersuchungen gebracht werBedarf zeige sich unter anderem daden. Umgekehrt übernimmt das Zenran, dass die Station bereits kurz nach trum auch Patienten aus den anderen Inbetriebnahme am neuen Standort Abteilungen des Klinikums, wenn eine ausgelastet gewesen sei. psychiatrische Erkrankung vorliegt. Im Gerontopsychiatrischen Zentrum werden Patientinnen und Patienten ab etwa 60 Jahren mit einer psychischen Erkrankung betreut. Die meisten von ihnen leiden an einer Demenz oder Depression, es werden aber alle psychiatrischen Krankheiten diagnostiziert und therapiert, betont Prof. Dr. Martin Ohlmeier, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Für die Patienten des Zentrums sei eine ambulante, tagesklinische oder stationäre Behandlung möglich, ein Wechsel zwischen den Behandlungsformen unproblematisch. „Da wir alles unter einem Dach anbieten, haben wir sehr gute Chancen, wirklich die passende Therapie für unsere Patienten zu finden.“ Als optimal bezeichnet Prof. Ohlmeier auch die unmittelbare Nähe zu den

Verschiedene Berufsgruppen arbeiten im Gerontopsychiatrischen Zentrum eng zusammen bei Diagnostik, Therapie und Beratung. Speziell ausgebildete Ärzte, Psychologen und Pflegekräfte, Sozialarbeiter, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten machen den Patienten Einzel- und Gruppenangebote. Diese umfassen unter anderem Psychotherapie, Bewegungstherapie, Ergotherapie und Gesprächsgruppen. Auf der Station und in der Tagesklinik werden auch gemeinsame Aktivitäten wie Kochen in den Tagesablauf integriert. Die Dauer der Behandlung im Gerontopsychiatrischen Zentrum ist – je nach Erkrankung – ganz unterschiedlich. Auf der Station bleiben die Patienten in der Regel zwei bis vier Wochen. Daran kann sich bei Bedarf eine

Weiterbehandlung in der Tagesklinik, der Ambulanz oder bei einem niedergelassenen Arzt anschließen.

weisen. Prof. Ohlmeier: „Demenz ist zudem nicht gleich Demenz. Manchmal stellt sich eine vermeintliche deIn die Tagesklinik mit mentielle Entwick11 Plätzen kommen lung in Wirklichdie Patienten monkeit als Depression tags bis freitags, jeheraus.“ Nach eiweils vom Morgen ner sorgfältigen bis zum NachmitDiagnose – ggf. tag. Abends kehren sie gemeinsam mit nach Hause zurück, anderen Abteilundamit ihre Eigenstängen des Klinikums digkeit erhalten bleibt. – erstellen die Arbeiten mit Ton ist eines der Angebote von Ergotherapeutin Ilona Kofahl (Mitte) in der Ta„Sie bleiben also in ih- gesklinik des Gerontopsychiatrischen Zentrums am Klinikum Kassel. Fachleute der Amrem vertrauten Umbulanz individuelle feld, bekommen aber trotzdem das sam gespielt, gebastelt und gesunTherapie- und Beratungspläne. „Für maximale Therapieangebot“, so Peter gen. Umgekehrt besuchen PatientinMenschen mit einer DemenzerkranFellmann, Oberarzt im Gerontopsychinen und Patienten der Tagesklinik die kung können wir durch das Zusamatrischen Zentrum. Kita und lesen dort den Mädchen und menspiel von Ambulanz, Tagesklinik Jungen vor. und Station jetzt auch in Nordhessen Das Angebot der Tagesklinik wird eine „Memory-Klinik“ anbieten“, freut durch Besonderheiten wie das ProSchwerpunkt in der Ambulanz, der sich Prof. Ohlmeier. jekt „Jung und Alt“ ergänzt: Einmal so genannten Gedächtnissprechpro Monat kommt eine Gruppe von stunde, ist die oft komplexe DiagInformation: Ambulanz 5- und 6-Jährigen aus der betriebseinostik bei Demenz. In der Ambulanz Tel. 0561/980-2213 genen Kindertagesstätte der Gesundwird geklärt, ob Gedächtnisprobleme heit Nordhessen in die Tagesklinik. Bei dem Alter entsprechend normal sind Anmeldung Station diesen Begegnungen wird gemeinoder auf eine Demenzerkrankung hinTel. 0561/980-17499

Demenz: Typische Alters­erkrankung

Depressionen häufig unterschätzt

Je älter die Bevölkerung wird, umso mehr nehmen Demenzerkrankungen zu. Auffälligstes Symptom einer Demenzerkrankung sind zunächst Gedächtnisstörungen, später kommen räumliche und zeitliche Orientierungsstörungen, motorische und sprachliche Schwierigkeiten hinzu. Das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, steigt mit dem Alter. Von den 65- bis 69-Jährigen sind ca. fünf Prozent betroffen, bei den 80- bis 90-Jährigen leidet schon fast jeder Dritte an einer Demenz. Da auch Gefäßschäden eine Demenz hervorrufen können, zählen Bluthochdruck, Diabetes und bestimmte Stoffwechselerkrankungen ebenfalls zu den Risikofaktoren.

Depressionen gehören zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. In Nordhessen sind ca. 50.000 Menschen daran erkrankt. Deutlich höher liegt die Zahl derjenigen, die im Lauf ihres Lebens an einer Depression erkranken. Grundsätzlich sind Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen und Schichten betroffen. Man unterscheidet mehrere Gruppen von Depressionen. Als eine Sonderform wird häufig die Altersdepression genannt, die im Zusammenhang mit zunehmender Vereinsamung des Betroffenen zu sehen ist. Angesichts der älter werdenden Bevölkerung wird diese eine immer größere Rolle spielen.

Demenzerkrankungen sind zwar nicht heilbar, lassen sich nach den Worten von Prof. Ohlmeier aber in ihrem Verlauf – je nach Ursache – abbremsen, teilweise auch aufhalten. Bei der Behandlung von Demenzkranken geht es insbesondere darum, die Lebensqualität so weit wie möglich zu erhalten.

Zur Behandlung von Depressionen gibt es unterschiedliche Formen der Psychotherapie, die häufig ambulant erfolgen können. Gegebenenfalls ist eine zusätzliche medikamentöse Behandlung notwendig. Ein Klinikaufenthalt kann bei schweren Verläufen der Erkrankung oder bei einer Therapieresistenz angezeigt sein

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