RASSISMUS IN THÜRINGEN: SELBSTORGANISATION UND EMPOWERMENT ALS ANTWORT Franziska Schestak-Haase
Wenn es um Rassismus geht, schweigt die Thüringer Zivilgesellschaft mehrheitlich. Einen Impuls dies zu ändern, setzen Anfang 2022 über 30 Organisationen und schließen sich zum Netzwerk Internationaler Tag gegen Rassismus 2022 Thüringen zusammen. Es besteht aus mig rantischen Selbstorganisationen, Selbstorganisationen von Rassismus betroffenen Menschen, verbündeten Institutionen und solchen mit einem rassismuskritischen Anspruch. Erklärtes Ziel ist, die Perspek tive der von Rassismus betroffenen Menschen und ihren bedrohlichen Alltag sichtbar zu machen sowie sich für entschiedene Konsequenzen einzusetzen. Initiator ist ein junger Mann, der als unbegleiteter Minderjähriger nach Thüringen kam und nun in Erfurt lebt und zur Schule geht. Im Folgenden werden Einblicke in die Erfahrungen der gemeinsamen Organisierung gegeben. Sie zeigen: Rassismus ist Alltag und unser aller Problem. »Für mich ist es ein Experiment«, sagt der Initiator und drückt damit eine Suchbewegung nach begrenzenden rassistischen Strukturen im Rahmen der Arbeit des Netzwerks aus. Er weiß sehr genau, was Rassis mus für sein Leben, für das Leben seiner Schwestern und Brüder bedeutet: »Rassismus ist physische und psychische Folter. Der Geist kann nicht in Frieden ruhen. Ein innerer Frieden braucht mehr als die Abwesenheit von Krieg. Doch Rassismus ist Krieg. Ich wünsche mir Frieden.« Auch in Thüringen herrscht ein Krieg. In diesem wird weniger geschos sen, und die wenigsten Menschen bemerken ihn. Auch in diesem Krieg ist der Einzelne nicht von Bedeutung. Menschen werden benutzt, funktional eingesetzt für ein Interesse, dass sie häufig nicht teilen. Warum denken, handeln und fühlen Menschen in der Wahrnehmung und Beobachtung dieses jungen Mannes nach einer Logik, die für ihn und viele andere Folter bedeutet? Sichtbar sind die Verletzungen, die 51