RECHTE, RASSISTISCHE UND A NTISEMITISCHE GEWALT IN THÜRINGEN Franz Zobel
Seit zehn Jahren wird durch ezra — die Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen — das unabhängige Monitoring zu rechtsmotivierten Angriffen im Freistaat veröffentlicht. Ziel ist es, nicht nur das tatsächliche Ausmaß rechter Gewalt darzustellen, sondern auch damit zusammenhängende Entwicklungen und Probleme gesellschaftlich diskutierbar zu machen und Gegenmaßnahmen zu befördern. Die Gewaltstraftaten sind dabei nur ein Ausdruck der gesellschaftlich fest verankerten mörderischen Ideologien des Rassismus, Antisemitismus und völkischen Nationalismus. Alltägliche Erfahrungen von Beleidigungen, Hetze, Bedrohungen und strukturellen Diskriminierungen gehen diesen oftmals voraus. Rechte, rassistische und antisemitische Gewalt hat nicht nur individuelle physische, psychische und materielle Folgen für die Betroffenen. Sie ist vielmehr immer auch eine Botschaftstat, die auf eine ganze Betroffenengruppe abzielt. Der rassistische Anschlag vom 19. Februar 2020 in Hanau, bei dem Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat G ürbüz, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun und Fatih Saraçoğlu ermordet wurden, macht die Auswirkungen von kollektiver Viktimisierung deutlich. Auch Black and People of Color (BPoC) aus Thüringen wandten sich in Folge des Anschlags mit ihrer Angst um sich, ihre Angehörigen, Freund:innen und Communitys an die Thüringer Opferberatungsstelle. Die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten am 5. Februar 2020, bei der es zu einem parlamentarischen Schulterschluss von demokratischen Parteien mit der rechtsextremen AfD kam, war ein kollektiver Schock für all diejenigen, die seit Jahren tagtäglich mit rechter, rassistischer und antisemitischer Hetze, Bedrohung und Gewalt konfrontiert sind.
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