Restaurant Stefan Tamò und Rose Lanfranchi über Erfolgskonzepte und Nose-to-Tail
An die eigenen Visionen glauben Bekannt geworden durch Szenebeizen wie das Josef und Lily’s in Zürich, haben sie sich nun in die Natur zurückgezogen: Stefan Tamò und Rose Lanfranchi von der Gasometer AG.
Welche Projekte stehen demnächst an? Lanfranchi: In der Ziegelhütte führen wir diese Woche den neuen Outdoor-Holzkohlegrill ein, das sogenannte Green Egg. Dann geht es schon an die Planung der Wildkarte und der Metzgete, beide ganz der Nose-to-Tail-Küche verpflichtet. Für den Sommer 2017 planen wir ein peruanisches Pop-up-Gartenrestaurant im Grünen.
Ihre Blütezeit war um die Jahrtausendwende, als sie im urbanen Zürich ein Erfolgskonzept nach dem anderen eröffneten: Josef, Lily’s, Italia, Primitivo, Markthalle. Häufig entstanden die Betriebe in sozialen Brennpunkten, die daraufhin einen Aufschwung erfuhren. Nun haben sich Rose Lanfranchi und Stefan Tamò, beide Partner der fünfköpfigen Gasometer AG, an den Waldrand zurückgezogen: In der Ziegelhütte oberhalb von Schwamendingen betreiben sie naturnahe Gastronomie – mit eigenem Gemüsegarten und Nose-to-Tail-Küche.
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Nose-to-Tail ist nicht günstig, aber kommt bei Gästen extrem gut an
Unsere Lokale altern gut, weil sie nicht auf kurzlebigen Trends basieren
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Seit 21 Jahren seid Ihr engagierte Gastgeber, was heute eher ungewöhnlich ist. Wie kann man so lange auf dem Markt «überleben»? Tamò: In erster Linie durch harte Arbeit. Aber auch der Glaube an die eigenen Visionen, der Mut zum Risiko, Innovationskraft, Stehvermögen und der Wille, immer wieder ein neues Level zu erreichen, spie-
CRISTINA BÜRGI
GastroJournal: Ihr seid beide Querein-
steiger. Wie habt Ihr den Weg in die Gastronomie gefunden? Stefan Tamò: Ich bin gelernter Primarlehrer, habe das aber genau vier Wochen lang gemacht. Danach bin ich durch Südamerika gereist und habe eine Schmuckfirma gegründet. Irgendwann kam ich zurück in die Schweiz und brauchte einen Job, mit dem ich schnell Geld verdienen konnte, um die Löhne in Südamerika zu bezahlen. So habe ich als Barkeeper und Kellner in Zürich angefangen. Da merkte ich: Essen und Trinken, Gastgeber sein, das ist für mich das Schönste. Rose Lanfranchi: Bei mir ging es ebenfalls um das Interesse am Essen und Trinken. Eigentlich bin ich gelernte Physiotherapeutin, hatte damals in Chur aber die Chance, im Gastgewerbe zu arbeiten. Da habe ich mir gesagt: Das ist es. 1995 wechselte ich ins Josef in Zürich, wo ich Tamò kennenlernte.
Stress beim Servieren, Spass beim Spielen
etwas gemacht, wir wollten lieber unsere Visionen verwirklichen.
Cristina Bürgi
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14. Juli 2016 | Nr. 28 | www.gastrojournal.ch
Seit 21 Jahren Geschäftspartner, seit 5 Jahren verliebt: Lanfranchi und Tamò. len eine wichtige Rolle. Zudem haben wir das Glück, dass alle unsere Lokale gut zu altern scheinen, weil die Konzepte nicht auf kurzlebigen Trends aufgebaut sind, sondern auch längerfristig durch Qualität überzeugen. Und natürlich muss man den Job mit Freude machen und die richtigen Leute um sich haben, damit etwas Innovatives dabei herauskommt. Wie habt Ihr euch inspirieren lassen? Tamò: Wir reisen regelmässig in andere Städte und ziehen dort durch interessante Bars und Kneipen: London, New York, Istanbul, Tel Aviv etc. Unsere Konzepte sind aber immer auch sehr vom jeweiligen Standort und von den Bedürfnissen des Quartiers inspiriert. Der Standort als Erfolgskonzept? Lanfranchi: Der Standort und das Konzept müssen auf jeden Fall zusammenpassen. Aber wir haben auch früh erkannt, dass Raumgestaltung und Kommunikation viel zum Erfolg einer Beiz beitragen. Deswegen haben wir enorm in die Grafik und Gestaltung unserer Betriebe investiert: Es geht um mehr als nur gut essen und trinken. Ob Cucina della Mamma, Asian Fast Food oder kreative Naturküche –
das Gesamterlebnis muss stimmen. Nur die intensive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema führt zu einem Gesamtkonzept mit gewissen Erfolgsaussichten. Tamò: Letztlich muss aber die Qualität überzeugen. Es reicht nicht, trendy und innovativ zu wirken, wenn das Essen nicht gut und der Service nicht freundlich ist.
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Gastronomie muss Seele haben, Spass und Sinn machen
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Mit Ausnahme einer Lily’s-Filiale in Basel sind alle Betriebe der Gasometer AG in Zürich. Wolltet Ihr nie expandieren? Lanfranchi: Für uns war es stets ein Anliegen, dass wir unsere Betriebe selbst führen können. Eine Beiz wie das Josef lebt nun einmal auch von den Mitarbeitenden. Tamò: Es gibt viele Gastro-Unternehmen, die eine andere Strategie gewählt haben und mittlerweile schweizweit vertreten sind. Die haben einen Output, den wir einerseits bewundern, der uns andererseits aber nie interessiert hat. Gastronomie ist für uns etwas, das Seele hat und Spass und Sinn macht. Rein aus finanziellen Gründen haben wir nie
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Warum habt Ihr euch für eine Nose-toTail-Küche entschieden? Lanfranchi: Einerseits aus ethischen Gründen, denn wenn man ein Tier tötet, dann sollte man aus Respekt vor ihm auch alle Teile verwerten. Andererseits finden wir, dass man aus Innereien und sogenannt minderwertigem Fleisch sehr feine Gerichte kochen kann. Das haben wir übrigens immer schon gemacht. Dass wir jetzt für die Ziegelhütte ganze Tiere einkaufen, ist neu und stellt eine grosse Herausforderung dar. Die Umsetzung war gar nicht so einfach. Weshalb? Lanfranchi: Auf der Suche nach dem
besten Fleisch sind wir auf einen Rindfleischzüchter in Bubikon gestossen. Seine Aufzucht ist vorbildlich und das Fleisch seiner Tiere von sensationeller Qualität – aber er verkauft sie nur ganz. Wenn dann so ein ganzes Rind angeliefert wird, gibt das ziemlich viel zu cutten und zu wursten – das ist jedes Mal eine logistische und planerische Herkulesaufgabe. Wie habt Ihr Innereien & Co. den Gästen schmackhaft gemacht? Lanfranchi: Wir haben sehr viel recherchiert, an Rezepturen getüftelt. Neue Gerichte bieten wir häufig als Vorspeise an: Wenn die Portionen kleiner und günstiger sind, ist der Gast probierfreudiger. Aber wir mussten dabei auch lernen, etwa dass Nose-to-Tail nicht unbedingt günstig ist. Die Ausgangsprodukte schon, aber diese verlieren beim Schmoren viel Gewicht und verlangen sehr viel Arbeit. Dafür kommen sie bei den Gästen extrem gut an. Diese Küche muss man schon aus Überzeugung machen – wir tun es nicht des Geldes wegen, sondern um unsere Ideen zu verwirklichen. Und das ist ja auch ein Teil vom Lohn.
Die Nischen im Schweizer Biermarkt werden für die Grossen interessant
Die Grossen brauen auf den Spuren der Kleinen Es war die Aufhebung des Bierkar-
Mittlerweile weist die Schweiz eine
Umso erfreulicher ist die biertech-
tells, die neue Kräfte im Schweizer Biermarkt freisetzte. Paralysiert von den grenzenlosen Möglichkeiten produzierten die grossen Brauereien wie bis anhin. Die Kleinen besetzten derweil die Nischen und so entstanden diverse Kleinst-, Klein- und Mittelbrauereien, die eine nie dagewesene Vielfalt an Bieren brauen.
lebhafte Brauszene auf, die sich rege austauscht, gegenseitig befruchtet und immer wieder Neues ausprobiert. Angesichts der teils wackeligen finanziellen Situation fällt zumindest die betriebswirtschaftliche Bilanz eher zwiespältig aus. Nicht wenige Brauereien leben von der Substanz oder von Kapital erhöhungen.
nische Vielfalt. Kaum eine mittlere Brauerei, die nicht ihr eigenes Weizenbier produziert. Selbst die Grossen kommen nicht umhin, nebst dem marktbeherrschenden Lager-Bier weiteres zu produzieren. Der Schweizer Ableger des internationalen Carlsberg-Konzerns schöpfte aus seiner Kompetenz für alkoholfreie Biere und produzierte
diese für die Zapfhähne der Fussball-EM in Frankreich. Mittlerweile ist es gar möglich, dass Grossbrauereien Biere im Stil von Ales oder Indian Pale Ales brauen. Es ist erfreulich, dass die umtriebigen
Kleinst- und Garagenbrauereien den Weg frei machten, damit auch die grossen ausreichend Absatz für Spezialitäten-Biere finden. mmo
Mise en Place, kochen, abschmecken und unter den wachsamen Augen eines Spitzenkochs servieren: Das ist das Konzept des neuen Handyspiels «Gordon Ramsay Dash». Der schottische Gastronom ist bekannt für seine Kochsendung «In Teufels Küche» und seine nicht immer ganz einfache Art. Mit dem neuen Projekt hat er eine Premiere lanciert: Nie zuvor wurde ein Spitzenkoch in ein Videospiel eingebunden. Der Erfolg lässt vermuten, dass weitere Spiele folgen werden. Er zeugt auch vom Star-Image, das medienaffine Küchenchefs heute geniessen.
Kochen allein reicht nicht
Der Gast suche ein globales Erlebnis im Restaurant. Die Küche allein reiche nicht mehr, stattdessen werde der Service immer wichtiger. Daher müsse man den Beruf attraktiver gestalten und sein Ansehen erhöhen, meint Michael Ellis (Foto), Direktor des Guide Michelin Monde. Der bekannte Restaurantführer wird deswegen ab 2017 eine Sparte enthalten, die ganz dem Service ge widmet ist. Dessen Bewertung soll verständlicher ausfallen als die bisher genutzten Gabeln, deren Bedeutung vielen Lesern unklar ist.
Betrügerische Mails Verschiedene Unternehmen wurden kürzlich Opfer sogenannter Phishing-Mails: Nachrichten, die offiziellen Charakter haben, jedoch von Betrügern verfasst werden mit dem Ziel, an private Daten zu gelangen. Jüngstes Opfer ist der Lebensmittel-Grosshändler Aligro, der proaktiv Stellung bezog und seine Kunden vor den trügerischen Mails warnte. Generell verlangen seriöse Unternehmen nie vertrauliche Infor mationen wie Bankkonten- und Kredit kartennummern sowie Kennwörter. Phishing-Mails sollten gelöscht, der Absender blockiert und das betroffene Unternehmen informiert werden.
Grossaufgebot auf See
Gourmetfestivals sind bewährte Anlässe, um Tourismus und Gastronomie in einer Region zu fördern. Dass die Nachfrage dafür steigt, zeigt nicht nur der Erfolg der Anlässe in St. Moritz und im Tessin. Auch das Excellence Gourmetfestival, das heuer zum vierten Mal vom Reisebüro Mittelthurgau organisiert wird, erfährt regen Zuspruch. Des wegen konnte bei der diesjährigen Aus tragung sogar die Anzahl Gastköche erhöht werden: Erstmals kochen 22 Chefs auf der Flussfahrt von Basel nach Strassburg für die Gäste, und erstmals befinden sich darunter so viele Punkte- und Sterneträger wie noch nie. Zu den bekannten Namen gehören etwa Peter Knogl, Heiko Nieder und André Jaeger. www.excellence.ch