Bio-Fibel #32 03-2016

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IM GESPRÄCH

Herr Haderer, bei unseren Recherchen sind wir auf nur wenige Bio-Verrisse von Ihnen gestoßen. Haben Sie in Ihrer Arbeit Bio gar verschont? Nein, nein, ich habe schon einige Cartoons zum Thema BioIndustrie gemacht. In denen ist die Kulisse vorne besonders bunt und Bio – und dahinter steckt dann eine knallharte „Abzocker-Industrie“.

Vorweg ist einmal zu sagen: Wir Künstler sind niemals dafür da, Lösungen anzubieten, sondern die richtigen Fragen zu stellen. Die richtigen Fragen sind das Entscheidende. Die Kühe-Aktion hat für mich vor allem zwei Facetten: Meine Haltung zur Landwirtschaft – und dann kam auch noch eine unwiderstehliche, junge Bäuerin auf mich zu und hat gefragt, ob ich eine Kuh zeichnen kann.

Sie meinen doch nicht, Bio sei nur ein Geschäft?!. Die klassischen Bio-Gedanken sind schon sehr okay. Darum habe ich den Bio-Grundgedanken auch nie als Thema genommen. Es ist ja gescheit, wenn man weiß, wie Erdäpfel natürlich angebaut werden. Doch gibt es in dieser Szene auch eine Schickeria und um diese Auswüchse kümmere ich mich.

Und Sie konnten dieser Bitte nicht widerstehen? Ach, wissen Sie, mit einem „Bitte kannst Du mir helfen?“ kommen relativ viele Leute zu mir. Das alleine war’s nicht. Ich habe gefragt, wofür ich denn eigentlich eine Kuh zeichnen soll. Die Bäuerin, die obendrein die Obfrau der Österreichischen Bergbauern Vereinigung ist, hat gemeint: „Schau, es gibt bei uns viele Bauern, die ihre Höfe nicht mehr erhalten können, weil der Milchpreis im Moment so absurd niedrig ist.“ Da wollte ich was tun, um auf diese Situation aufmerksam zu machen. Herausgekommen sind Kühe, die optisch so manches idyllische Landwirtschaftsklischee auf den Kopf stellen. Wir haben lebensgroße Kühe gestaltet, die ziemlich marode sind. Kaputte, fertige Kühe – was eben damit zusammenhängt, dass die Kühe bei der gegenwärtigen Situation draufgehen.

Illustration: Gerhard Haderer

Wie haben Sie sich darauf vorbereitet? Die Milchwirtschaft ist nicht unbedingt mein Bereich, das stimmt schon. Darum habe ich mich auch zu diesem Thema eingelesen. Und dann waren da ja auch viele andere Bäuerinnen, wirklich engagierte Frauen, mit denen es natürlich Gespräche gab. Wir haben gemeinsam die Kühe aus Holz ausgeschnitten und miteinander bemalt. Das allein hat mir schon imponiert – wie diese Frauen ans Werk gegangen sind.

Wer im Biolandbau übertreibt, darf mit Ihnen rechnen? Ja, meine Lieben, selbstverständlich! Zum Glück dürfen auch die österreichischen Milchbäuerinnen mit Ihrem Engagement rechnen. Eigenwillige Holzkühe aus Ihrer Feder machen neuerdings auf die triste Situation kleiner Milchviehbetriebe aufmerksam. Warum das?

Bio-Fibel 3/2016

Haben Sie bei dieser Kuh-Aktion auch des „Pudels Kern“ der österreichischen Milchwirtschaft entdeckt? Mir ist relativ schnell klar geworden, dass man von der Milch sehr schnell zu den größeren Zusammenhängen kommt. Nämlich, wie funktioniert die EU-Förderpolitik in der Landwirtschaft? Ich will hier jetzt gar nicht ausführen, in welche Bereiche man da vorstößt … Vielmehr interessiert mich ein Gedanke, den ich immer schon hatte: Das Höchstmaß an Abhängigkeiten in unserer Gesellschaft. Wenn ich mich da umschaue, gibt es besonders in der Landwirtschaft nur ganz, ganz wenig, wie „persönliche Freiheit“ oder „Entscheidungsfreiheit“. Die persönliche Freiheit, sich für etwas zu entscheiden oder auch nicht, erachte ich als ein besonders hohes Gut. Meinen Sie damit auch, dass den Menschen beim Essen die Entscheidungsfreiheit tatsächlich mehr und mehr abhandenkommt? Keine Frage, man könnte sagen: Wenn man die Konsumenten einmal 14 Tage von den Energieflüssen abschneidet, verhungern sie vor den geschlossenen Glastüren der Supermärkte. Weil niemand mehr weiß, wie man Erdäpfel anbaut oder Tiere

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