Bio-Fibel #31 02-2016

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BIO-FIBEL ZEITSCHRIFT FÜR WISSEN AUS DER BIOLOGISCHEN LANDWIRTSCHAFT

Michael Bünker – Der evangelische Bischof ganz weltlich Bio-Obst – Sauer macht lustig Bio-Wissensmarkt – Alles, was grün ist Guter Geschmack – Flaschengeist und Kellerschimmel

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EDITORIAL

GUTER UMGANG MITEINANDER Meine Großmutter hat mir als Kind gerne Geschichten davon erzählt, wie sehr in der Zeit des Wiederaufbaus von Österreich gemeinsam Hand angelegt wurde. Gab es ein Problem zu lösen? Gab es einen Mangel an anpackenden Händen? Gab es sonstige Engpässe zu überwinden? Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen – jung wie alt – waren wie selbstverständlich zur Stelle und packten an, brachten sich ein, gestalteten und erarbeiteten gemeinsam eine Lösung. Mein Heimathaus wurde solcherart gebaut. Meine Großmutter hatte dafür kaum das Geld, aber eine starke Vision und die Gemeinschaft der Anderen. Am einen Tag wurde gemeinsam bei den Nachbarn gebaut, am anderen gemeinsam am eigenen Haus. Baustoffe wurden kollektiv organisiert, besorgt und auch getauscht. Nun ja, das Haus wurde in kurzer Zeit fertig, keine Villa, sondern das sympathische Ergebnis der Umstände. Und alle, die mitgewirkt haben, haben sich ehrlich gefreut. In diesem Haus habe ich meine unbeschwerte Kindheit verbracht. Die vorhin so hilfsbereiten Nachbarn konnte ich aber kaum mehr grüßen, übermannshohe Thujenhecken gaben klare Signale: „Ich will mit dir nichts zu tun haben!“ Oder auch: „Ich brauche Dich nicht“. Die Gründe dafür mögen mannigfach sein, die Auswirkungen halte ich für wenig erfreulich. Im Kleinen, wie im Großen. Die Biologische Landwirtschaft setzt von der Grundidee her auf Kooperation. Sei es beim grundlegenden Qualitätsprinzip, dass der Boden die Basis für all unser gutes Leben ist. Auf diesem wachsen jene gesunden Pflanzen, die Lebensgrundlage für Tiere und Menschen darstellen. Gibt es Probleme, liegt die Lösung immer in der Kooperation, im Zusammenspiel der Vielfalt der Natur. Die Frage, die es stets zu klären gilt, heißt nicht „Wie kann ich etwas vernichten?“, sondern „Lass mich verstehen, wie ich (Dich) unterstützen kann!“. Es ist kein Geheimnis, dass ich die Ansätze der Bio-Landwirtschaft für einen Schlüssel zur Lösung vieler Herausforderungen des 21. Jahrhunderts halte. Zugegeben, die kirchlichen Institutionen haben in Österreich schon einmal rosigere Zeiten erlebt. Mir fehlt dazu die Fachkenntnis, die Gründe dafür zu nennen. Meine Empfindung ist aber: Wäre die Evangelische Kirche eine Landwirtschaftsform, dann wäre sie eine biologische. Sie bietet gute Antworten auf die mannigfachen „Systembaustellen“ aber auch auf weltliche Fragen. Dennoch bleibt sie seit Jahrzehnten anteilsmäßig auf bescheidenem Niveau. Aus dieser (etwas konstruierten) Analogie heraus, aber vor allem weil wir uns gerne mit inspirierenden Vor- und Nachdenkern treffen und austauschen, gibt es in dieser Bio-Fibel den Abdruck eines Gesprächs mit Michael Bünker, dem rebellischen Bischof der evangelischen Kirche. Lesen Sie sich das durch!

INHALT

Reinhard Geßl, Herausgeber

Er muss nach Himmel schmecken! 3 Sauer macht lustig 9 Doktorin Bio-Dolittle 11 Vielfalt frei Hof 13 Alles, was grün ist 14 Java, Bali und der Reiz zweier Welten 16 Frucht – Brand – Bio 18 Von jung bis reif 20 Shortcuts 22-23 Impressum 22

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IM GESPRÄCH

ER MUSS NACH HIMMEL SCHMECKEN! 2017 wird für die Lutheraner, Reformierten und Methodisten in Österreich ein besonderes Jahr. 1517 hat Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlicht, es gilt das 500-Jahr-Jubiläum der Reformation gemeinsam zu feiern. Ein freudiger Anlass! Weniger „gemeinsam“ äußern sich etliche der aktuellen gesellschaftspolitischen Strömungen in diesem Land. Der vom Kirchenvolk gewählte Bischof Michael Bünker erhebt dagegen laut seine Stimme.

Michael Bünker ist als Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche Österreichs und als Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen Europas einer der höchsten geistlichen Würdenträger. Die Publikationsliste des Honorarprofessors der Evangelisch-Theologischen Fakultät Wien ist umfangreich. Mit vielen seiner katholischen Kollegen hat Bünker dennoch nur wenig gemein: Geht es um politische aber auch um weltliche

Fragen, hält sich der gebürtige Steirer mit seiner Meinung kaum zurück. Auch gegen Rassismus, Antisemitismus und gegen Rechtsextremismus engagiert sich der sprachgewandte Theologe immer, wenn es notwendig erscheint. Gerne erzählt der verheiratete Vater zweier Kinder auch, dass er in seiner Freizeit Kabarett spielt, den treffsicheren Bogenschützen gibt, Fliegenfischen geht, seinen Urlaub am liebsten auf einer abgeschiedenen Alm verbringt oder dass er als Schlagzeuger ohne Gewissensbisse die Geschwindigkeit am „Highway to hell“ vorgibt. Nur wenige Minuten nachdem Österreich einen neuen Bundes­ präsidenten hatte – die Anspannung lag noch spürbar in der Luft – trafen wir den evangelischen Bischof in seinem Büro in Wien-Gersthof und plauderten über den Wandel im Gebot der Gastfreundschaft, den Ernährungstrendsetter Johannes den Täufer, die ethische Zulässigkeit Fleisch zu essen, das ernährungs­souveräne Plus der Bio-Landwirtschaft, aber auch über Verzicht als Quelle (nicht nur) des eigenen Glücks.

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IM GESPRÄCH

Herr Bischof, in Österreich gibt es derzeit wenig zum Lachen. Könnten Sie uns bitte mit einem kurzen Witz aufheitern? (Lacht) Kurz ist er nicht, aber ich mag den Witz mit den Ballonfahrern sehr gerne: Also: Ein Heißluftballon verfährt sich im Nebel, und die Leute im Korb beschließen daher zu sinken, um zu schauen, wo sie sind. Sie sinken langsam nach unten, die Nebelgrenze wird erreicht, und unter ihnen sehen sie eine Wiese. Auf dieser Wiese steht ein Mann und sie rufen hinunter: „Wo sind wir?“ Der Mann auf der Wiese legt die Hände an den Mund und ruft zurück: „In einem Ballon!“ Danach treibt der Wind den Ballon weiter, und der Nebel verschluckt die Leute wieder. Alle im Ballon denken lange über den Mann auf der Wiese nach und sagen dann übereinstimmend: „Das kann nur ein Pfarrer gewesen sein. Erstens hatte er eine laute Stimme. Zweitens, was er gesagt hat, war richtig – und drittens kann man damit überhaupt nichts anfangen.“ Darf ein Bischof überhaupt Witze über die Kirche erzählen? Sie waren ja sogar Mitglied der Kabarettgruppe „Floridsdorfer Kirchengfraster“ und sind Schlagzeuger der Rockband „Kreuzweh“. Ein Bischof hat ja auch ein Recht auf ein persönliches und privates Leben, auf Hobbys und Freizeit. Aber Sie sind eine geistliche Instanz! Und spielen Schlag­ zeug zu Liedern, in denen so teuflische Wörter wie „hell“ vorkommen. Natürlich habe ich eine öffentliche Funktion. Von daher gilt es für mich immer zu überlegen: Wo tritt der Bischof im Namen der Kirche auf und wo geht es um seine persönliche Einstellung. Beides bemühe ich mich mit großer Freiheit, aber auch mit viel Verantwortung gegenüber der Kirche wahrzunehmen.

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Sie sagten einmal: „David wäre heute ein Rocker.“ Wie würde eigentlich Johannes der Täufer im 21. Jahrhundert leben? Johannes der Täufer? Ja, das ist eine spannende Persönlichkeit. Da sind wir schon ein bisschen beim Landwirtschaftsthema. Johannes der Täufer hat sich von Insekten und von Heuschrecken ernährt. So betrachtet war er ein Trendsetter für die Nutzung aller Eiweißquellen. Und von wildem Honig hat er sich auch ernährt. Das finde ich besonders interessant: der Honig ist ja wie die Milch zwar tierischen Ursprungs, aber wir Menschen können beides genießen, ohne die Tiere zu töten. Freilich, ich kenne schon die ganzen Fragezeichen rund um die Milchproduktion und die professionelle Imkerei, dennoch erinnern Milch und Honig an einen Zustand, wo der Mensch sich nicht auf Kosten des tierischen Lebens ernährt hat. Man hat genossen, was überfließt. Könnte Johannes also ein innovativer Biobauer sein? Ja, das wäre gut möglich. Wobei Johannes der Täufer als Priestersohn aus der Oberschicht wahrscheinlich nicht viel von der Landwirtschaft verstanden hat. Er war so jemand, der angewidert von der Stadt Jerusalem wegzieht, sich – sagen wir einmal – im Waldviertel niederlässt und nur von dem lebt, was ihm die Natur freiwillig schenkt. „Schenken“ ist ein gutes Stichwort für ein ernstes Thema der österreichischen Gegenwart: Letzten Sommer haben viele Schutzsuchende unser Land erreicht und wurden mit großer Hilfsbereitschaft betreut. Das war wirklich beeindruckend, wie viele Menschen sich plötzlich zu den Bahnhöfen, zu den Grenzen aufgemacht haben, um zu helfen. Sie haben ihre Sachen mitgebracht, Unter­künfte organisiert und Hilfsprojekte ins Leben gerufen.

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IM GESPRÄCH

Ja, schon! Aber diese Willkommenskultur ist nun in eine „Ablehnungskultur“ gekippt. Wie erklären Sie sich das? Die Hilfsbereitschaft hat ja nicht nachgelassen. Umfragen aus Deutschland zeigen, dass sich die Menschen von ihrem humanitären Engagement für Schutzsuchende auch von einer Veränderung der politischen Umstände nicht abhalten lassen. Diese Menschen sind überzeugt davon, dass sie etwas sehr Sinnvolles tun. In Österreich würde eine solche Umfrage wohl ein anderes Bild ergeben, oder? Ich kenne keine diesbezügliche Umfrage in Österreich. Aber auch bei uns hat die Hilfsbereitschaft keineswegs nachgelassen. Wenn etwas „gekippt“ ist, dann ist es die Einstellung mancher politischer Richtungen und Medien. Jedoch nicht bei den Menschen. Wir wissen ja: die Ablehnung ist dort am größten, wo es am wenigsten Asylwerber gibt. Das ist eine paradoxe Erscheinung. Die Evangelische Kirche ist im Flüchtlingsbereich sehr engagiert. Dennoch hat man den Eindruck, dass die Kirchen die Menschen nicht mehr richtig mobilisieren können. Darüber muss man wirklich sehr nachdenken. Die Kirchen erleben in Europa, wie alle Religionsgemeinschaften, eine kritische Zeit. In so gut wie allen Ländern ist ein Rückgang bei den Mitgliedern gegeben. Das betrifft jetzt nicht nur die christlichen Kirchen, sondern, wenn man’s hochrechnet, auch den Islam und andere Religionsgemeinschaften. Obwohl diese derzeit bei uns durch Zuwanderung zahlenmäßig noch zunehmen. Hier weiß man aber, dass die zweite und dritte Generation wahrscheinlich nicht mehr so intensiv dabei sein wird.

wie im Roman „1984“ von George Orwell. Eine Gesinnungs­ diktatur, die keine Abweichung duldet. Offensichtlich ist aber vielen eine Gesinnungsdiktatur lieber, als ein Fremder in der U-Bahn. Leider, und diese Leute glauben auch, dass uns die Sehnsucht nach einer homogenen, monokulturellen und monoreligiösen Gesellschaft bei den vielen Herausforderungen hilft, vor denen wir heute stehen. So eine Gesellschaft hat es übrigens gar noch nie gegeben und sie wäre auch nicht in der Lage, adäquat auf Probleme zu reagieren. Die produktiven, auch wirtschaftlich erfolgreichen Gesellschaften waren immer der menschlichen Vielfalt gegenüber positiv eingestellt und haben die Vielfalt auch gefördert. Steckt in dieser Ablehnung nicht auch so ein „SündenbockMechanismus“ drinnen? „Jetzt geht es mir ohnehin schon immer schlechter, und dann kommen auch noch DIE daher? Stimmt schon, die bisherigen Versprechen: „Es wird mir nächstes Jahr besser gehen, als heuer. Und vor allem: Unseren Kindern wird es einmal besser gehen, als es uns heute ergeht.“ Also, diese Versprechen, diese Verheißungen halten offensichtlich nicht mehr. Immer mehr Menschen gehören zu den Verlierern. Die Reallöhne gehen seit Jahren zurück, und die Armut kommt bereits in der Mitte unserer Gesellschaft an. Der Reichtum kumuliert sich bei wenigen, während auf der anderen Seite die Armut zunimmt.

Oder eben besonders intensiv? Ja, was den Islamismus betrifft. Aber die Entwicklung wird wohl in zwei Richtungen gehen: Bei den jungen Männern werden viele erst in der zweiten, dritten Generation die Religion wieder entdecken – während es bei den jungen Frauen so zu sein scheint, dass sie sich eher distanzieren und Religion als Privatsache betrachten. Für sie ist das säkulare Leben in Europa durchaus positiv. Aber um Ihre Frage auf den Punkt zu bringen: Hier geht es generell um das Problem der Institutionen. Die Mobilisierungskraft der Institutionen ist ja generell geschwunden. Da tun sich die politischen Parteien genauso schwer wie die Kirchen. Von den 300.000 Mitgliedern der Evangelischen Kirche in Österreich nehmen vielleicht – sagen wir einmal – zehn Prozent am kirchlichen Leben aktiv teil. Und diese zehn Prozent, würde ich meinen, sind mobilisierbar. Bei den anderen ist es schon viel schwerer. Macht vielen Österreichern das Modell einer vielfältigen und multikulturellen Gesellschaft nicht vor allem Angst? Wissen Sie, eigentlich muss uns die Vorstellung einer vollkommen homogenen Gesellschaft Angst machen. Das wäre ja dann

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IM GESPRÄCH

In dieser Situation wäre doch das christliche Prinzip des Teilens angesagt!? In Österreich wird nichts angetastet. Es gibt keine vermögensbezogenen Steuern und auch keine Erbschaftssteuer. Das ist aus christlicher Sicht, also aus Sicht der evangelischen Sozialethik und der katholischen Soziallehre sicher ein Zustand, der so nicht bleiben sollte. Sie sind auch ein begeisterter Fliegenfischer. Welchen politischen Fisch würden Sie gerne aus den Untiefen der österreichischen Gesellschaft ziehen? Viele. Es gibt ja viele Schlüsselthemen: Die Integration, die Armutsbekämpfung, die Bildung… Das sind schon ein paar Wesentliche. Das österreichische Bildungssystem ist teuer, aber es hat seine Schwachstellen. Aus meiner Sicht ist es eine deutliche Schwachstelle, dass bei uns die Bildungschancen sehr stark vererbt werden. Unser Bildungssystem verfestigt eigentlich die gesellschaftliche Ungleichheit. Diese Un­gleich­ heit wächst. Dagegen müsste man unbedingt Akzente setzen. Das wäre dann auch ganz wichtig für die Integration. Sprachen lernen, miteinander lernen etc. Wenn Sie die Kleinen in einem Kindergarten fragen: Wie viel Ausländer habt ihr? Dann sagen die oft ganz erstaunt: „Gar keine, wir haben nur Kinder!“ Und genau da sollte man ansetzen, beim Gemeinsamen. Bildung ist ja wahrscheinlich weltweit der wirk­ samste Faktor in der Armutsbekämpfung. Diesbezüglich haben wir auch in Österreich einen großen Reformbedarf. Ich wünsche mir, dass das die neue Regierung nicht liegen lässt.

Jetzt müssen wir aber zur Landwirtschaft kommen: Was bedeutet für Sie eigentlich der Begriff „Schöpfung“? Der Alternativbegriff zur Schöpfung ist die Natur. Die Natur ist allerdings in der abendländischen Geschichte zu einem unbeseelten Ding geworden. Die Philosophen des 16. Jahrhunderts meinten ja, der Mensch sei berufen, Meister und Besitzer der Natur zu sein. Das seien Dinge und Sachen, die wir verwenden und benutzen können – und falls wir sie nicht mehr brauchen, schmeißen wir sie einfach weg. Die Schöpfung geht jetzt zwar nicht davon aus, dass die Natur als solche beseelt wäre. Das würde auch nicht dem christlichen Glauben entsprechen. Aber es ist sehr wohl so, dass die Natur in ihrer Vielfalt, in der Gesamtheit des Lebens auf diesem wunderschönen blauen Planeten, etwas Gewolltes – im spirituellen Sinne etwas Gottgewolltes – ist. Denn wir Menschen sind nicht die einzigen Gewollten, die alles verwenden dürfen. Wir sind Geschöpfe unter Mitgeschöpfen – den Tieren, den Pflanzen, und unter den Elementen. Und das gilt es zu bewahren und zu respektieren. Deshalb empfinde ich den Schöpfungsbegriff als einen sehr positiven und schönen Begriff. Er ist kein blinder Zufall, sondern hat seinen Sinn. Hat sich Ihrer Meinung nach nicht nur die Philosophie, sondern auch die Landwirtschaft von der „Schöpfung“ entfernt? Ja, sehr. Man nutzt sie aus und vergiftet sie mit allen möglichen Dingen. Und wenn es dann nicht mehr geht, zieht der Zirkus weiter und holt sich das nächste landwirtschaftliche Feld. Das wird freilich an massive Grenzen stoßen. Man merkt es ja schon jetzt an der Frage: Kann diese industrielle Landwirtschaft überhaupt uns Menschen eine ausreichende Nahrung sichern? Also eine Nahrung, die uns nicht nur satt macht, sondern auch qualitätsvoll und gesund ist? Mit der industriellen Landwirtschaft ist das wohl nicht gewährleistet. Da erscheint mir das Kleinbauerntum doch viel, viel nachhaltiger zu sein. Was die Produktion betrifft, den Einsatz von Chemie, die Bewässerung und die Vermeidung langer, komplizierter Transportwege. Da sind kleinere Strukturen viel nachhaltiger und machen weltweit gesehen mehr Menschen satt als die großen Plantagen. Sie sagten: Tiere sind Mitgeschöpfe. Wie beurteilen Sie die Intensivtierhaltung in der modernen Landwirtschaft? Das ist eine schreckliche Entwicklung. Hier muss man wirklich nachdenken! In diesem Zusammenhang habe ich einmal von einem interessanten Gedankenexperiment gelesen: Wie würden wir uns aus der Perspektive der Tiere sehen, wenn wir also die Sichtweise dieser Mitgeschöpfe einnähmen? Da sind wir dann fürchterliche Vernichter, die massenweise und oft völlig sinnlos Leben zerstören. Ich denke da zum Beispiel nur an die männlichen Küken, die vernichtet werden, weil sie der Produktion im Wege stehen. Also, für die Nutztiere ist der Mensch wirklich eine Bestie. Da muss man schon sehr über die ethische Zulässigkeit des Fleischessens nachdenken.

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IM GESPRÄCH

Als Schirmherr der Organisation „BROT für die Welt – Österreich“ setzen Sie sich auch im Bereich der Entwicklungshilfe ein. Ist in diesen Regionen der Biolandbau eine Option für Sie? Freilich. Ernährung ist ja nie alleine nur „die Nahrung“. Wäre dem so, könnten wir tonnenweise Weizen liefern und die Sache wäre erledigt. Nein, Ernährung hat immer auch einen sozialen Aspekt: Landwirtschaft und damit die Grundlage für die Ernährung stärken die Familien, vor allem die Frauen. Unsere besonders erfolgreichen Projekte sind jene, bei denen sich kleine Frauenkooperativen bilden, die dann selbstständig werden und gemeinsam mit Fair Trade internationale Handels­ beziehungen pflegen. Wird in diesen Kooperationen biologisch gearbeitet? Ja, kleinstrukturiert und biologisch, wo immer es geht. Apropos „kleinstrukturiert“ und „Bio“: Wir würden gerne auch die Evangelische Kirche auf Bio umstellen. (Lacht) Sie wollen uns auf Bio umstellen? Ja, es gibt ausgezeichnete Bio-Weine und bestes Bio-Getreide für die Hostien. Das ist eine sehr gute Idee. Bei den Hostien bin ich mir allerdings unsicher, ob die nicht sogar schon Bio sind... Dann dürfen wir Ihnen einen Bio-Wein zur Verkostung schicken? Gerne, aber er muss nach Himmel schmecken. Bio wäre ja eine gute Ergänzung zu den Aktivitäten der Evangelischen Kirche beim Klimaschutz. Wie wir erfahren haben, sind Sie hier auch sehr engagiert. Wir bemühen uns in diesem wesentlichen Bereich wirklich alles umzusetzen, was wir umsetzen können. Beispielsweise

mit Energie-Effizienzprogrammen für die kirchlichen Gebäude. Da reduzieren wir den Energieverbrauch, also das CO2Aufkommen und schauen uns die Transportwege genau an. Die Evangelischen Gemeinden in Kärnten haben so schon vor drei Jahren die Kyoto-Ziele erreicht – und unsere Veranstaltungen zum 500jährigen Reformationsjubiläum werden wir nächstes Jahr als Green Events gestalten. Selbst Ihre Urlaube sollen CO2-neutral sein. Stimmt es, dass Sie sich da in eine Almhütte zurückziehen? Ja. Das ist wirklich Urlaub für mich. Noch dazu bietet diese Almhütte für mein Handynetz keinen Empfang. Und die Familie macht freiwillig mit? Ja, die Familie geht da freiwillig mit. Vor allem die Enkelkinder. Die lieben das! Der Bach rauscht und der Brunnen ist vor der Tür. Es gibt Petroleumlicht und hinter der Hütte ein Plumpsklo. Alles sehr einfach. Bevor wir nun ‚Vergelt’s Gott‘ sagen, noch rasch zu unserer gefürchteten Schlussfrage: Welche Lebensmittel, Herr Bischof, kommen bei Ihnen nur in Bio-Qualität in den Kühlschrank? Wichtig ist mir Obst und Gemüse. Da muss man freilich auch immer überlegen, was gerade Saison hat. Man braucht ja nicht das ganze Jahr über alles zu haben. Schwierig ist es bei den seltenen Gelegenheiten, an denen wir noch Fleisch essen. Bevor man sich so ein Massentierhendl kauft, verzichtet man besser! Und beim Fisch ist es auch schon schwierig. Was mit denen oft passiert, weiß ich ein wenig als Fliegenfischer. Ja, das Gute ist rar und auch teurer – aber es steht sich dafür. Vergelt’s Gott für das Gespräch! Reinhard Geßl und Wilfried Oschischnig

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Bio-Bauer Viktor Michlits schaut in seinem Weichselgarten auf's Ganze


BIO-WISSEN

SAUER MACHT LUSTIG Für ein „Kirschtal“ ist es im burgenländischen Wallern und im angrenzenden Ungarn eindeutig zu flach. Das hinderte den umtriebigen BioBauern Viktor Michlits jedoch nicht, 15 Hektar seines fruchtbaren Ackerlandes in eine prächtige Sauerkirschenplantage zu verwandeln. Im Frühjahr präsentiert sich diese als summendes Blütenmeer.

Im berührenden Kinderbuch „Die Brüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren steht das Kirschtal in Nangijala für die schönen und angenehmen Seiten im Jenseits. Märchenhaft schön präsentiert sich die Blütenpracht auch im echten Leben. Mitte April stehen die Blüten der rund 2000 Sauerkirschbäume im Seewinkel in voller Blüte und Millionen Bienen kommen nicht nur ihrer Befruchtungsaufgabe nach, sondern füllen die Luft auch mit einem an- und abschwellenden Summen. „Ja, wenn die Weichseln blühen, ist das schon ein sehr schöner Platz“ schwärmt auch Viktor Michlits, der gewichtige Bio-Bauer und Geschäftsführer der Bio-Obst- und -Gemüsevermarktungsfirma Sonnenwind. „Aber grundsätzlich zählt die Sauerkirsche nicht zu den ganz einfachen Kulturen, wenn man konsequent biologisch an Anbau, Pflege, Ernte und Weiterverarbeitung herangeht. Um gegen die Feinde – Kirschfliege, die Monilia (Spitzendürre bzw. Fruchtfäule) oder auch den Bakterienbrand – vom Start weg einen kleinen Vorsprung zu haben, werden beim BioWeichselanbau gezielt geeignete Sorten ausgewählt. Viktor Michlits hat sich auf den österreichischen Flächen für die etwas ertragsstärkere Schattenmorelle entschieden, während er in Ungarn auf die resistentere „Ungarische Traubige“ und eine weitere ungarische Sorte mit unaussprechlichem Namen vertraut. „Als Unterlage – also jene Baumart, auf die die Sauerkirsch-Edelreiser gepfropft werden – hat sich im Bio-Weichselanbau die Vogelkirsche gut bewährt. Diese wird nämlich weder von Hasen noch von Mäusen gerne ange-

knabbert, und sie ist auch relativ langsam wüchsig. Denn je schnellwüchsiger die Unterlage, desto mehr Ertrag ist zwar zu erwarten, aber desto schwieriger und aufwändiger ist aber auch die (biologische) Kulturführung.“ Vom Auspflanzen bis zur ersten professionellen Ernte vergehen gut und gerne sieben Jahre, in denen außer Hegen nur Pflegen anfällt. Unter „professioneller Ernte“ versteht der Kirschenbauer „schüttelfähig“. Das heißt, auch Bio-Weichseln werden im Erwerbsanbau (logischerweise) nicht von Hand gepflückt, zumal eine gesunde Bio-Plantage gut zehntausend Kilo Ertrag pro Hektar bereit stellt. Das „Pflücken“ geschieht also mittels einer am Traktor angehängten Maschine, die den Baum am Stamm umfasst und die leuchtendroten, reifen Früchte auf eine saubere Plane schüttelt. Beim automatisierten Transport der Weichseln in kompakte Kisten werden mittels Gebläse gleich Blattwerk und Zweige entfernt. Was wird aus den reifen Früchten gemacht? „Etwa 500 Kilo bekommen ‚kleine österreichische Joghurtbrüder‘, der große Rest wird von den deutschen Bio-Saftpionieren Rabenhorst zu Säften und Smoothies verarbeitet“, so Viktor Michlits. Die entscheidenden Qualitätsparameter in der Weichselvermarktung sind die dunkelrote Farbe sowie viel Säure. „Viel Säure heißt nämlich gute Bezahlung!“. Womit wieder einmal bewiesen wäre: Sauer macht lustig! Reinhard Geßl

ZAHLEN UND FAKTEN Bio-Landwirtschaft und -Vermarktung: Sonnenwind Bio KG; Geschäftsführer: Viktor Michlits; Information: www.sonnenwind-bio.at Info: - Weichsel ist die österreichische Bezeichnung für Sauerkirsche. Weichsel (Wisła) ist aber auch ein 1047 Kilometer langer Strom und damit der längste Fluss in Polen. - In der Imkerei sind Sauerkirschen aufgrund des hohen Zuckergehalts und -werts ihres Nektars eine geschätzte Tracht­ pflanze.

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Bio-Tierärztin Elisabeth Stöger findet mit großer Treffsicherheit Wege zur Gesunderhaltung


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DOKTORIN BIO-DOLITTLE Ein zentrales Anliegen der Bio-Tierhaltung sind gesunde Tiere, die ohne Arzneimitteleinsatz auskommen. Gesundheit ist dabei ein komplexer Begriff, der nicht nur für die Abwesenheit von Krankheit steht, sondern auch körperliches, mentales, soziales und ökologisches Wohlergehen umfasst. Bio-Tierhaltung hat den Anspruch, hohes Tierwohl zur repräsentieren.

Um ein hohes Tierwohlergehen aller gehaltenen Nutztiere zu gewährleisten, haben in der Biologischen Tierhaltung die Gesunderhaltung der Tiere und die Vorbeugung vor Erkrankungen Priorität. Dabei sollen die Tiere nicht nur gesund sein, sondern es soll ihnen „auch richtig gut gehen“. Das mag sich vielleicht einfach anhören, aber um diesen wünschenswerten Zustand zu erreichen, muss ein Bio-Bauer ein großes Wissen haben und dieses in einem umfassenden Tiergesundheitsmanagement auch gut umsetzen. Die meisten Erkrankungen werden durch mehrere Ursachen bedingt und gefördert. Bereits kleine Mängel im Tier­ gesundheits­management wirken sich auf die Entstehung einer Krankheit aus. Bei Milchkühen zählen Euter­entzündungen zu den Haupt­erkrankungen. Eine besondere Herausforderung ist dabei der Wechsel von der Laktation zur Geburt des nächsten Kalbes, das sogenannte Trockenstellen. Bei Euterentzündungen und dem Trockenstellen wird im Bedarfsfall (entsprechend der Richtlinien der biologischen Landwirtschaft) eine adäquate Behandlung durch den Tierarzt vorgenommen. Oftmals ist es für Biobauern und auch Tierärzte eine große Herausforderung, die Ursachen für eine Erkrankung zu eruieren, um Folgeerkrankungen und Arzneimitteleinsatz zu vermeiden. Die Vordenker der großen österreichischen BioMarke Ja! Natürlich sind sich dieser Herausforderung der Biobauern bewusst. In der seit 2015 bestehenden Kooperation von Ja! Natürlich mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau liegt daher ein Schwerpunkt auf der Gesunderhaltung der Tiere und der Vorbeugung vor Erkrankungen bei Bio-

Tieren. Dazu gehört auch ein verantwortungsvoller Einsatz von Arzneimitteln. Im Rahmen des Kooperationsprojektes werden verschiedene Aktionen gesetzt, um die Ja! NatürlichBiobauern fachgerecht zu unterstützen. Die Expertin in diesem Themenfeld ist die bioaffine Tierärztin Elisabeth Stöger. Aufgrund ihrer langjährigen Praxis auf Bio-Betrieben kann sie mit umfassendem Fachwissen aufwarten und zu möglichen Fehlern im Bio-Betrieb mit hoher Treffsicherheit mit Verbesserungsmöglichkeiten aufwarten. Wo immer möglich bringt sie komplementärmedizinische Methoden ein, um auch weiterhin den klassischen Arzneimitteleinsatz zu reduzieren. Elisabeth Stöger schaut genau hin, hilft Mängel zu erkennen und Missstände zu beheben. Wenn nicht vor Ort am Betrieb, dann vermittelt sie ihr Wissen in Merkblättern oder auch in einem der zahlreichen Kurse für Bio-Bauern. Speziell in der Winterzeit, wenn Bauern Zeit für Weiterbildungen haben, ist Elisabeth Stöger daher auf Monate ausgebucht. Die Biobauern erzielen praktischen Nutzen aus der Kooperation und dem Wissensfundus der Bio-Tierärztin Elisabeth Stöger: Für’s Büro und den Küchentisch – oder auch als Klolektüre – wird eine informative Broschüre zur Tiergesundheit bei BioMilchvieh erstellt. Um die Informationen auch direkt im Stall parat zu haben, werden zusätzlich laminierte Checklisten zur Verfügung gestellt. Gwendolyn Rudolph

ZAHLEN UND FAKTEN Projekt: Kooperation von Ja! Natürlich mit dem FiBL. Team des Arbeitspakets: Elisabeth Stöger, Gwendolyn Rudolph und Reinhard Geßl (FiBL), Gerald Fischer (Ja! Natürlich). Projektinformation: www.fibl.org Info: - Schätzungen gehen von 100-200 Liter hemmstoffhaltiger Milch pro Kuh und Jahr in der konventionellen Landwirtschaft aus. - Seit Kurzem werden von Bauern eingesetzte Reserve­antibiotika in der Veterinär-Antibiotika-Mengenstromanalyse zentral erfasst.

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Foto: Sonnentor

Thomas Meier, Sigrid Drage und Andreas Voglgruber lassen am Frei-Hof die Sonne aufgehen


BIO-WISSEN

VIELFALT FREI HOF Jetzt also auch noch ein Bauernhof. Aber warum eigentlich nicht? Wer in einer wirtschaftlich schwachen Region wie dem Waldviertel aus einem Ein­mannbetrieb ein international erfolgreiches Unternehmen aufbauen kann, nebenher ein Kaffeehaus und ein Bio-Gasthaus betreibt, der findet auch noch Wege seine landwirtschaftlichen Ambitionen umzusetzen.

Das Motto „Geht nicht, gibt‘s nicht“ scheint Johannes Gutmann jedenfalls auf den Leib geschneidert zu sein. Drei unerschrockene Bio-Bauern waren es auch, die 1988 an die Vision des innovativen Kräuter- und Gewürzspezialisten glaubten, die ersten Kräuter in Teesackerln füllten und damit den Grundstein des weltweit erfolgreichen Unternehmens „Sonnentor“ legten. Heute produzieren rund 200 kleinstrukturierte Betriebe für das Waldviertler Vorzeigeunternehmen. Die hohen Qualitätsansprüche machten Bio von Anfang an zu einer Selbstverständlichkeit. Johannes Gutmann sah nun die Zeit reif für einen SonnentorBauernhof. Wichtig war ihm, keinen modernen Schaubauernhof auf die grüne Wiese zu stellen. Also wurde ein bereits bestehender alter Vierseithof adaptiert und mit neuem Leben gefüllt. Seit dieser Saison werden verschiedenste Kräuter, Obst- und Gemüsesorten am „Frei-Hof“ in Permakultur angebaut. Grundprinzip dabei ist ein ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltiges Wirtschaften mit allen Ressourcen. „Harmonie heißt das Zauberwort. Das ist auch unsere Philosophie bei der Arbeit mit der Natur“, betont Johannes Gutmann. Um die praktische Umsetzung dieser Weltanschauung kümmern sich die Bio-Bauern und Permakulturexperten Thomas Meier, Sigrid Drage und Andreas Voglgruber. Ein besonderer Aspekt dabei ist auch die nachhaltige Bewässerung der Anbauflächen über Regenwasserspeicher, um Grund- und Trinkwasser soweit wie möglich zu schonen. Oder die Düngung mit Kompost, der unter anderem von den Kräuterabfällen aus der biologischen Tee- und Gewürzproduktion stammt – ganz im Sinne des Kreislaufdenkens. „Wir wollen aber auch die Selbstversorgung in geschlossenen Kreisläufen umsetzen und die Sonnentor Betriebsküche ebenso wie das Bio-Gasthaus „Leibspeis“ zumindest teilweise

mit selbst angebautem Gemüse und Obst versorgen“, erzählt Gutmann. Wobei der Kreislaufgedanke durchaus auch weiter gedacht wird: Reparieren statt Neukaufen, Umwidmen statt Wegwerfen, Teilen statt Horten gehört ebenso zur ganzheitlichen Devise am Frei-Hof. Der Hof steht grundsätzlich allen Interessierten offen. Ein Sichtungs- und Vermehrungsgarten lädt zum entspannten Verweilen und Erkunden ein, im Rahmen von regelmäßigen Führungen und Seminaren sollen das Wissen und die Philosophie an interessierte Besucher – egal ob Kinder oder Erwachsene – weitergegeben werden. Zudem sollen die BioBauern aus der großen Sonnentor-Familie von den gesammelten Erfahrungen profitieren. Und damit die Sache dann wirklich rund wird: ab 2017 wird man am Frei-Hof auch übernachten können. Ein schönes Konzept und eine Bereicherung für Geist und Seele. Der Frei-Hof bietet damit eine gute Voraussetzung, dass dort nicht nur Obst und Gemüse, sondern auch die Freude wächst. Elisabeth Klingbacher

ZAHLEN UND FAKTEN Betrieb: Frei-Hof. Betriebsleiter: Johannes Gutmann. Die landwirtschaftliche Nutzfläche des Frei-Hofs beträgt 4,5 Hektar. Neben Obst, Gemüse und Kräutern gibt‘s auch Bienen, Enten und Hühner. Acht Menschen werden am Hof Arbeit finden. www.sonnentor.com Info: - Permakultur setzt sich aus den Begriffen „permanent“ und „agriculture“ zusammen. Begründet hat diesen Begriff der Australier Bill Mollison, der 1981 auch den alternativen Nobelpreis für die „Vision der Permakultur“ erhielt. - Ursprünglich für die Landwirtschaft entwickelt, ist die Perma­ kultur inzwischen ein Denkprinzip, das auch Bereiche wie Energie­versorgung oder die Gestaltung sozialer Infrastrukturen umfasst.

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Fotos (auĂ&#x;er links oben): Johannes Hloch, Grafic Recordings: www.gafinen.com

Der Bio-Wissensmarkt Alles, was grĂźn ist brachte 15 Bio-Dinge und -Experten in die Kunsthalle Exnergasse


BIO-WISSEN

ALLES, WAS GRÜN IST Ist heimisches Gemüse immer „grün“? Was hat grün mit der Lederhose von Johannes Gutmann zu tun? Das waren nur zwei der Fragen, denen der Bio-Wissensmarkt No. 2 Alles, was grün ist nachging. Anfang Juni 2016 verwandelten 180 Bio-Begeisterte die Kunsthalle Exnergasse im Wiener WUK in einen lebendigen Marktplatz.

Der Bio-Wissensmarkt ist kein Supermarkt im herkömmlichen Sinn. Es gibt keine weit geöffneten Schiebetüren, keine Einkaufswagerln, keine überquellenden Obst- und Gemüseregale, kein kaufanimierendes Leuchtstoffröhrenlicht und auch kein berieselndes Werbegedudel. Nein, der BioWissensmarkt „verkauft“ keine Waren im klassischen Sinn. Er preist vielmehr die Biologische Landwirtschaft an. Unentgeltlich. Bio ist Wissen, Technik, Praxis, aber auch ökologische Philosophie und Vorreiter einer nachhaltigen, „materiellen“ Kultur. Bio ist also ein „Wissensbestand“, der lokal und lösungs­orientiert ist und sich dabei ständig verändert. Um ein solch bewegliches Wissen zu teilen und weiter zu entwickeln braucht es Austausch. Den Austausch zwischen Produzenten, Verarbeitern und Händlern mit den Konsumenten. Bei diesem Austausch ist es egal, ob man mehr Experte oder Laie ist, jedes Wissen zählt. Aus diesem Grund haben die Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) eine Gesprächsreihe entwickelt – den Bio-Wissensmarkt. Dabei wird innovatives Bio-Wissen „gehandelt“, nicht aber im ökonomischen Sinn gefeilscht. Sichtbar gemacht wird das Verhandeln mit den Bio-Dingen wie Produkten, Instrumenten, Technologien und Ressourcen. Wodurch machen diese einen Unterschied? Und welche Veränderungen, egal ob in der Produktion oder in unseren Ernährungsgewohnheiten, werden sie hervorbringen? Unter dem Motto Alles, was grün ist stellten am zweiten BioWissensmarkt 15 Experten 15 außergewöhnliche Objekte vor, die aus ihrer Sicht genau diesen entscheidenden Unterschied machen – für die Forschung, für die Landwirtschaft, für

den Geschmack von Lebensmitteln oder für die Zukunft der Umwelt. So gingen beispielsweise die Journalistin Ingrid Greisenegger, die Nachhaltigkeitsforscherin Isabella Gusenbauer, der BioKräuterbauer Johannes Gutmann, die Saatgutbankerin Beate Koller, die Designerin Angie Rattay, der Haubenkoch Johann Reisinger oder der Autor Thomas Weber folgenden Fragen nach: Warum spielt Umweltschutz – eines der wichtigsten Themen für die Zukunft unseres Planeten – medial eine so untergeordnete Rolle? Lässt sich unser kulinarischer Genuss in mathematischen Modellen ausdrücken? Ist regional das bessere Bio? Ist gegen die Globalisierung der Wirtschaft und die Mechanisierung fast aller Arbeitsabläufe vielleicht doch ein (Waldviertler) Kräutlein gewachsen? Müssen Gurken schön sein oder zählen doch die inneren Werte? Wer hat am Saatgutmarkt das Sagen und welche Folgen hat es, wenn aus einem öffentlichen Gut ein gewinnbringendes Produkt wird? Welche unerwünschten Nebenwirkungen und Risiken sind im Umgang mit dem Planeten Erde zu beachten? Liegt die Essenz guten Essens im „maximalen Minimum“? Ist Fleisch aus dem Wald nur etwas für Lodenträger oder eine kulinarische Alternative zum klassischen Schnitzel? Antworten darauf und noch viel mehr finden Sie zum Nachlesen und im Ausstellungskatalog unter http://issuu.com/ freiland/docs bzw. im Fotoalbum auf https://www.flickr.com/ photos/105864147@N08/sets/. Reinhard Geßl

ZAHLEN UND FAKTEN Projekt: Bio-Wissensmarkt. Projektidee und -gestaltung: FiBL und AMA Marketing GesmbH. Veranstaltungsort: Kunsthalle Exnergasse, WUK Wien Info: - In der Natur ist Grün die häufigste Farbe, da viele Pflanzen Chlorophyll enthalten. - In der menschlichen Netzhaut gibt es rund 6 Millionen Zäpfchen und 120 Millionen Stäbchen. Ein überwiegender Teil der Zäpfchen ist grünempfindlich.

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JS AUF ACHSE

JAVA, BALI UND DER REIZ ZWEIER WELTEN

Beginnen wir mit Kopi Luwak. Ich gebe zu, das ist ein Lebensmittel, das man sich im Geist erst ein wenig zurechtrichten muss. Den Produktionsprozess relativieren. Kopfarbeit leisten. Es handelt sich um Kaffee (Kopi) aus Java und/oder Bali, der unter Mitarbeit von asiatischen Schleichkatzen, den Fleckenmusangs (Luwak) entsteht. Die „Arbeit“ der Musangs ist dabei eine vergleichsweise einfache. Sie verschlingen, was sie ohnehin gerne essen. Reife, rötliche Kaffeekirschen. Ihr Verdauungssystem verwertet nur das Fruchtfleisch. Die Bohnen kommen am nächsten Tag hinten wieder raus,

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leicht anfermentiert. Geschulte Balinesen sammeln die mit Kaffeebohnen gespickten Katzentrümmerln ein, trocknen sie und dann wird geröstet. Das Aroma von frisch geröstetem Kopi Luwak ist in der Tat abenteuerlich. Rustikal, erdig, dunkle Schokolade und feuchtes Unterholz. Regenwald. Eigentlich wollte ich Kopi Luwak meiden. Nicht wegen des eigenwilligen Produktionsprozesses. Derartige Be­ rührungs­ ängste sind mir fremd. Vielmehr schleichen die Schleich­ katzen nicht mehr wirklich durch den Dschungel oder die Kaffeeplantagen. Die meisten Produzenten sind längst zu Betrieben übelster Intensivtierhaltung geworden. Die Musangs werden in gestapelten Käfigen gehalten, mit den Kaffeekirschen mehr gemästet als gefüttert und der Rest der Produktion ist auch alles andere als Handwerk. Bis mich Wayan, mein Guide, Fahrer und guter Geist in Bali nach Gianyar, südlich von Ubud brachte. Der Betrieb heißt Negari und produziert Kopi Luwak in Bio-Qualität. Obwohl das Bio-Zertifikat nur für die Kaffee-Plantagen gilt, sind die Fleckenmusangs in deutlich geräumigeren Ställen untergebracht. Kaffee von glück-

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Fotos: Schmücking

Bei der Gründung von Slow Food Great China in Peking habe ich ein paar Slow Food-Aktivisten aus Indonesien kennengelernt. Ihre Geschichten haben mich fasziniert. So sehr, dass ich beschlossen habe, mir das genauer anzusehen. Entdeckt habe ich zwei Inseln von kaum zu überbietender Gegensätzlichkeit. Und ein paar Orte, die es wert sind, dass von ihnen erzählt wird.


JS AUF ACHSE

lichen Schleichkatzen? Na ja... Jedenfalls wirken diese eine Spur zufriedener als ihre eingesperrten Kollegen in anderen Betrieben. Immer noch Bali, immer noch südlich von Ubud, immer noch Bio: Das Kayun. Vermutlich das einzige Bio-Restaurant der Insel. Bio sind hier die Gewürze (vom eigenen Garten), das Gemüse (vom organic market in Ubud), die Enten und das Rindfleisch. Huhn nicht. Das ist „nur“ eine alte, autochtone Rasse vom Bauern nebenan. Die Küche ist auf's Einfachste reduziert. Eine kleine Arbeitsfläche und ein bodennaher Lehmofen, der von Holzstämmen befeuert ist, die über zwei Meter aus dem Ofen herausragen. In dieser Küche entstehen Gerichte von atemberaubender Eleganz und Schönheit. Szenenwechsel. Java. Irgendwo im Hinterland von Yogyakarta. Einen Namen hat die Gaststätte nicht. Die Einheimischen nennen es mbah geong. Grandpa’s place. Instagram? Facebook? Fehlanzeige. Es ist sogar unwahrscheinlich, dass der steinige Weg, der zum mbah geong führt, in den offiziellen Karten eingezeichnet ist. Wer hierher kommt, kommt nicht zufällig vorbei. An der Außenwand baumelt ein hölzernes Schild: buka. Das heißt eigentlich nur, dass der Betrieb geöffnet ist. In Wahrheit ist es aber ein Code. Ein Hinweis darauf, dass frisches Hundefleisch verfügbar ist. Indonesier betrachten Hundefleisch einfach als billige Proteinquelle. Das Gericht im mbah geong hieß sengju satay. In Gulaschgröße geschnittenes Brustfleisch. Rotes Fleisch, wenig Fett. In einem Eck steht ein Feuertopf, auf einem Holzbrett wird mit einem rostigen Messer das Fleisch geschnitten. In einer Pfanne wird über offenem Feuer Palmzucker karamellisiert. Bevor sie auf den Feuertopf kommen, werden die satays, die Spieße, in flüssigem Zucker geschwenkt. Serviert werden sie dann mit der ultrascharfen Chilipaste sambal und etwas Reis. Sieht man von Aspekten der Lebensmittelhygiene ab, ergeben sich beim Konsum von Hundefleisch weitere Probleme. Eines davon ist die Frage der Herkunft. Hunde werden ein Indonesien nicht für den Verzehr gezüchtet, das heißt, der carnivore canis frisst, was er kriegen kann. Medium rare ist also keine wirkliche Option. Selbst die Balinesen wissen, dass der Feuertopf schon extrem heiß sein muss, um halbwegs auf der sicheren Seite zu sein. Den Rest erledigt das Chili. Das ist natürlich nur ein Bruchteil dessen, was Indonesien kulinarisch bietet. In Bali werkt eine Gruppe unerschrockener Biobauern und produziert feinsten Bio-Ziegenrohmilchkäse. Außerhalb von Yogyakarta entsteht gerade ein Tourismusprojekt, das auf Nachhaltigkeit, Bio-Lebensmittel, sanften Tourismus und auf die Kraft der Gayam-Frucht setzt. Indonesien bietet weit mehr als die Strände von Bali oder den Urwald von Sumatra. Es ist eine fremde, exotische Welt – bereit, entdeckt und erkundet zu werden! Jürgen Schmücking

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GUTER GESCHMACK

FRUCHT – BRAND – BIO

Das Tasting_forum 58 begab sich auf die Suche nach den Vorzügen des Bio-Schnapses. Keine Frage, es gibt in Österreich auch ganz hervorragenden Gin oder Vodka. Bekannt und berühmt sind die heimischen Brenner aber für kristallklare, feingliedrige und präzise Fruchtbrände. Die Edeldestillate und Kondensate von reifem Obst gehören zu den allerbesten der Welt. Die Basis dafür ist einfach: Hochreifes, fehlerloses Obst, konsequenterweise aus Biologischer Landwirtschaft. Dieses wird entweder eingemaischt, vergoren und dann zu einem Brand veredelt, oder mit Bio-Alkohol landwirtschaftlichem Ursprungs versetzt und vergeistet. „Frucht – Brand – Bio“ holte in der wohl konzentriertest möglichen Form die Wärme und den Duft vergangener Sommer in die Stadt.

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ORANGEN-GEIST, DESTILLERIE FARTHOFER (Ö) Ein Geist, aber einer von den Guten. In der Nase blitzsauber und intensiv nach frisch gerissener Orangenschale. Vielleicht auch etwas fruchtfleischig. Es dominieren aber die frisch-ätherischen Noten der Schale. edelschnaps.at

WILLIAMSBIRNEN-BRAND, HUMBEL (CH) Kristallklarer Edelbrand, hochgradig ausdrucksstark, intensiv im Duft und sortentypisch ohne Ende. Bei kaum einem Williams kommen die feingliedrig-filigranen Aromen der zarten Birne so deutlich rüber, wie bei diesem Destillat von Lorenz Humbel.

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www.humbel.ch Fotoalben dazu siehe https://www.flickr.com/photos/105864147@N08/sets/

Obst fällt saisonal an. Nur ein kleiner Teil davon kann sofort gegessen werden, den Rest gilt es haltbar zu machen. Obst zu destillieren beherrscht die Menschheit schon seit Jahrtausenden. Dieses Können zur handwerklichen und vor allem zur kulinarischen Perfektion zu bringen gelang aber erst in den letzten Jahrzehnten.


GUTER GESCHMACK

KONGRESSBIRNEN-BRAND, DESTILLERIE FARTHOFER (Ö)

QUITTEN-BRAND, BIO-WEINGUT MEHOFER (Ö)

Auch das ist Birne. Etwas verhaltener als die Williams, dafür hochreif, intensiv, würzig und lange am Gaumen anhaltend. Irgendwie rustikaler. Mostiger. Mostviertel eben. Trotz aller Bodenständigkeit ist der Brand sauber und extrem ausgewogen.

Ganz anders die Quitte vom BioWeingut Mehofer. Jung, vital, frisch und lebendig. Glasklare Quittenfrucht. Vielleicht sogar noch ein wenig zu jung. Dem Destillat schaden ein paar Monate in der Flasche bestimmt nicht. Großer Stoff vom Wagram! edelschnaps.at

www.mehofer.at

VORLAUF-NACHLAUF – FEHLERMISCHPROBE, DESTILLERIE FARTHOFER (Ö)

MUSKATTRAUBEN-BRAND FASSGELAGERT, DESTILLERIE FARTHOFER (Ö)

Der Vorlauf: je nach Geschlecht entweder Nagellack-Entferner oder Lösungsmittel. Beides unglaublich deutlich, beides unglaublich intensiv. Beides natürlich auch extrem grauenvoll. Im Schnapsglas. Der Nachlauf war, wie Nachlauf sein soll. Seifig.

Last but not least – das Fass-Experiment von Josef Farthofer. Golser Muskat-OttonelTrauben, drei Jahre in heimischer Eiche. Zweitbelegung wohlbemerkt. Nachdem im Fass bereits edler Wein­ brand reifen durfte. Das Ergebnis überzeugt: Traubig – nussig – schokoladig – tiefgründig.

edelschnaps.at

edelschnaps.at

QUITTEN-BRAND, OBSTHOF RETTER (Ö) Zehn Jahre hatte die Quitte vom Obsthof Retter bereits am Buckel. Entsprechend müde wirkte sich auch. Die Opulenz und der Glanz, die sie einst ohne Zweifel hatte, sind verflogen. Was blieb, ist ein sauberer, braver Edelbrand. Typisch zwar, das beste Alter aber hinter sich.

Trotz vieler „Ahas“ und „Ah, so geht das“ konnte auch an diesem Abend der Brennblase das wahre Mysterium der alkoholischen Destillation und des geschmacklichen Transformations­ prozesses nicht entlockt werden. Wahrscheinlich ist das gut so. Jürgen Schmücking und Reinhard Geßl

retter-shop.at/retter-edelbraende

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GUTER GESCHMACK

VON JUNG BIS REIF Mit dem Tasting_forum „Von jung bis reif – BioWeißwein“ galt es, den 60er der Verkostungs­serie würdig zu begehen. Dem Anlass entsprechend wurde vertikal durch die Historie verkostet, zurück bis ins Jahr 1986, also einem Jahr, in dem der Bio-Weinbau noch als exotische Spinnerei galt.

Ziel war es, mit häufig gehörten Vorurteilen gegen den BioWein aufzuräumen. So heißt es gerne am Stammtisch: „Früher waren Bio-Weine nicht zum Saufen!?“ „Bio-Weine lassen sich nicht lagern!?“ Also wurden Bio-Winzer der ersten Stunde gebeten, ihre Kellergewölbe zu durchstöbern. Ans Tageslicht gekommen sind echte Raritäten, die lange Geschichten aus alten Zeiten erzählen konnten, die aber auch nach 30 Jahren im Keller noch fast jugendlich frisch und fruchtig daher gekommen sind.

2010 GRÜNER VELTLINER K2 (AMPHORENWEIN), BIOWEINGUT ZILLINGER Am Weingut Zillinger war es der erste Versuch mit georgischen Amphoren. Der K2 ist somit einer der ersten Amphoren­ weine Österreichs überhaupt. Der Wein ist immer noch grüngelb, hat immer noch die Strahl­ kraft eines reschen Veltliners und verfügt dabei über Gerbstoff und Struktur, die – für Grünen Veltliner – einzigartig sind. www.velue.at

2002 GRÜNER VELTLINER STEINLEITHEN, BIOWEINGUT GEYERHOF Perfekter Einstieg in die Verkostung der alten Garde. Guter Jahrgang, der Wein zeigt eine juvenil-frische Kräuterwürze und beeindruckende Längen. Da ist nichts Morbides an dem Wein. Nicht einmal ansatzweise.

Fotoalben dazu siehe https://www.flickr.com/photos/105864147@N08/sets/

geyerhof.at

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GUTER GESCHMACK

2002 GRÜNER VELTLINER KABINETT, ZILLINGER

1987 ROTER VELTLINER, ZILLINGER

Gar nicht unähnlich. Ebenfalls ein mehr als gelungener 2002er. Vielleicht mit etwas mehr eleganten, floralen Noten und verführerischer Süße. Nicht am Gaumen. Der Wein ist trocken. Aber in der Nase sind es zarte Noten nach Hefegebäck und kandierten Blüten, die an Süße denken lassen.

Roter Veltliner steht immer für feingliedrige, zart besaitete Weine mit nobler Zurückhaltung in der Nase. Bis sie gereift sind. Die Weine haben ein enormes Reifungspotential, und der 87er von Hans Zillinger beweist das auf eindrucksvolle Art. Druck, Tiefgang, mächtiger Körper und imposante Längen.

1994 MALVASIER KABINETT, GEYERHOF

1986 GRÜNER VELTLINER, GEYERHOF

Markant, knackig. Deutlich von der Mineralik der Konglomeratböden getragen und immer noch ein Wein mit Trinkspaßfaktor. Leichte Honignoten federn die Mineralik ein wenig ab. Am Gaumen sauber, reif und unglaublich lang.

1994 MALVASIER JUNGFERNLESE, ZILLINGER

30 Jahre am Buckel und nicht die geringste Ermüdungserscheinung. Keine. Klar, der Wein ist alt. In der Nase machen sich neben der kräutrigen Würze des Veltliners auch tertiäre Aromen der Reife breit. Und Honig. Viel Honig. Neben dem zauberhaften Spiel der Düfte in der Nase steht der Veltliner aber auch seinen Mann am Gaumen. 30jährige Strahlkraft. Und das aus dem Jahr, in dem uns Tschernobyl um die Ohren flog.

Auch der Zillinger hat Längen. Firnige Reife und opulenter Grundton zeichnen den Wein aus. Beide Betriebe haben sich mittlerweile vom Malvasier, dem frühroten Veltliner, getrennt. Im Weinviertel musste der Frührote dem Grünen Platz machen, im Kremstal bei Ilse Maier dem Riesling.

Das Jubiläums-Tasting hat das Reifungspotenzial biologisch hergestellter Weißweine respektgebietend zur Schau gestellt und (fast) alle blöden Vorurteile Lügen gestraft. Eines bleibt dennoch: „Zum Saufen“ sind die Bio-Weine von damals – wie auch von heute – dennoch nicht, denn dafür sind sie einfach viel zu wertvoll. Jürgen Schmücking und Reinhard Geßl

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NEUES AUS DER PFLANZENWELT

HÖFESTERBEN DURCH TTIP?

Britische Wissenschaftler haben den Zustand der Pflanzenwelt untersucht. Demnach gibt es mehr Arten als angenommen. Jedes Jahr werden neue entdeckt. Das ist die gute Nachricht. Weniger erfreulich ist die Tatsache, dass jede fünfte Art weltweit auf die eine oder andere Weise bedroht ist. Als Hauptfaktoren für das Verschwinden vieler Pflanzenarten nennen die Wissenschaftler die Zerstörung der Lebensräume durch die Landwirtschaft (vor allem durch industrielle Tierhaltung und Intensivierung des Ackerbaus), den zunehmenden internationalen Handel mit Palmöl (vor allem durch die Umwandlung natürlicher Wälder und Moore in Plantagen), die Abholzung von Wäldern (vor allem für die Holzindustrie oder das Sammeln bestimmter Pflanzen) sowie den Bau von Häusern und Straßen. Hinzu kommen viele neue Bedrohungen, etwa Pflanzenkrankheiten durch Pilze, Bakterien oder Viren. Auch der Klimawandel spielt eine bedeutende Rolle. Die Wissenschaftler möchten nun mit diesem Bericht eine Bestandsaufnahme des aktuellen Wissensstandes zur Vielfalt der Pflanzen bereitstellen, die weltweiten Bedrohungen aufzeigen und für die Wichtigkeit der Pflanzenvielfalt sensibilisieren.

Was Kritiker schon lange betonen, zeigt nun auch eine aktuelle Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) und der Österreichischen Forschungs­ stiftung für Inter­ nationale Entwicklung (ÖFSE). Sie kommt zum Schluss, dass sich das transatlantische Frei­ handels­ abkommen TTIP negativ auf den Landwirtschaftsund Lebensmittelsektor in Österreich auswirken und das Bauernsterben beschleunigen würde. Die Ergebnisse legen dar, dass die österreichische Wirtschaft durch TTIP nicht maßgeblich profitieren würde, die Landwirtschaft und der Nahrungs­ mittelsektor aber Arbeitsplätze einbüßen würden. Vor allem kleinere landwirtschaftliche Familienbetriebe würden noch stärker unter Druck geraten. Zusätzlich könnte sich die Qualität im Landwirtschafts- und Nahrungsmittelsektor verschlechtern. Doch nicht nur in Österreich gibt es Bedenken. Eine Studie von UnternehmensGrün, dem Bundesverband der grünen Wirtschaft in Deutschland, warnte, das Abkommen berge erhebliche Risiken für kleinere und mittlere Betriebe in der europäischen Agrar- und Ernährungswirtschaft und werde das Hofsterben in Deutschland noch beschleunigen.

Quelle: RBG Kew

Quelle: IHS und ÖFSE (2016) ek

ek

IMPRESSUM Bio-Fibel – Zeitschrift für Wissen aus der Biologischen Landwirtschaft: Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Freiland Verband für ökologisch-tiergerechte Nutztierhaltung und gesunde Ernährung; Doblhoffg. 7/10, 1010 Wien; Fon 01/4088809; Fax 01/9076313-20; e-mail: office@freiland.or.at; net www.freiland.or.at; DVR-Nummer 0563943; Chefredakteur: Dipl.-Ing. Reinhard Geßl (rg), Leiterin der Redaktion: Dipl.-Ing. Elisabeth Klingbacher (ek); Mitarbeit: Wilfried Oschischnig, Jürgen Schmücking (js), Gwendolyn Rudolph; Redaktion: Forschungs­institut für biologischen Landbau (FiBL Österreich), Doblhoffg. 7/10, 1010 Wien; Fon: 01/9076313-0, net: www.fibl.org/de/oesterreich. Alle nicht anders gekennzeichneten Fotos: Geßl & Wlcek OG; Druck: Niederösterreichisches Pressehaus, Druck und Verlagsges.m.b.H., St. Pölten; Layout: Geßl & Wlcek OG. Namentlich ge­kennzeichnete Artikel müssen nicht unbedingt der Meinung des Herausgebers entsprechen. Vertriebspartner: Adamah Biokistl. FREILAND-Spendenkonto: Erste Bank, AT502011100008210993, BIC/SWIFT: GIBAATWWXXX; Reichweite: 10.000 Leserinnen. Hinweis: Eine geschlechtergerechte Formulierung ist uns in der Bio-Fibel ein großes Anliegen. Da wir gleichzeitig eine gut lesbare Zeitschrift herausgeben wollen, haben wir uns entschieden, keine geschlechtsneutralen Begriffe zu verwenden, sondern alternierend entweder nur weibliche oder nur männliche Bezeichnungen. Wir sind uns dessen bewusst, dass diese Generalklausel einer geschlechtergerechten Formulierung nicht ganz entspricht, wir denken aber, dass die gewählte Form ein Beitrag zur publizistischen Weiterentwicklung für mehr sprachliche Präsenz weiblicher Begriffe sein kann.

Bio-Fibel 2/2016

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Kalligrafie: Christine Kradolfer, aus Kultur und Politik 2/16

SHORTCUTS


SHORTCUTS

GENTECHNIKFLÄCHEN SCHRUMPFEN

HONIGBIENEN VERMEIDEN JUNKFOOD

Schon in den letzten Jahren hätten sich Gentechnikbefürworter stärkere Flächenzuwächse gewünscht. Laut den Zahlen der ISAAA, einer von der Industrie gesponserten Agentur, die sich für die Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen einsetzt, verlangsamte sich aber das Wachstum von Jahr zu Jahr. 2015 ist das Flächenausmaß erstmals seit Einführung der Technologie überhaupt zurückgegangen – wenn auch nur um ein Prozent. Die Gentech-Fläche beträgt momentan knapp 180 Millionen Hektar, das entspricht ungefähr 13 Prozent der weltweiten Ackerfläche. Hauptanbauländer bleiben die USA, Brasilien und Argentinien. Auch bei den Hauptkulturpflanzen ändert sich nichts: Soja, Mais, Baumwolle und Raps verzeichnen unter den gentechnisch veränderten Pflanzen weiterhin die größten Anbauflächen. Ob die Fläche 2016 wieder steigen wird, bleibt abzuwarten. So haben Indien und Burkina Faso nämlich schon angekündigt bei der Baumwolle in Zukunft verstärkt auf nicht-gentechnisch verändertes Saatgut setzen zu wollen, da die versprochene Insektenresistenz der Gentech-Baumwolle ebenso wie die Qualität der Fasern zu wünschen übrig lassen.

Gute Nachricht für Bienen­ freunde: Auch in urbanen Gegen­ den scheinen Honig­ bienen ge­ nügend Nahrung in Form von Blüten­­ nektar zu finden. Eine Studie zeigt, dass sich die Insekten in der Stadt nicht grundsätzlich anders ernähren als ihre Artgenossinnen am Land. Um die Ernährungs­­weise städtischer und ländlicher Bienen zu untersuchen, analysierte ein wissenschaftliches Team das Vorkommen bestimmter KohlenstoffIsotope im Körper der Bienen. Diese können Aufschluss über die von den Insekten aufgenommene Nahrung geben. Die Ergebnisse waren für die Wissenschaftler durchaus überraschend: Es gab keine Hinweise darauf, dass Stadt-Bienen mehr verarbeiteten Zucker aufnehmen als ihre Artgenossen vom Land. Das zeigt, dass Bienen grundsätzlich auch in der Stadt genügend Blüten finden und ihre Ernährung nicht mit menschlichen Lebensmitteln ergänzen müssen. Neben der funktionierenden Bestäubung ist dies auch eine gute Nachricht für Honigliebhaber: Auch der Honig aus städtischen Bienenstöcken stammt hauptsächlich von Blütennektar und nicht von alter Limonade. Quelle: www.scinexx.de ek

Quelle: www.soel.de, www.keine-gentechnik.de ek

Nemea ist ein Weinbaugebiet in Griechenland und liegt südlich von Athen. Die Hauptrebsorte heißt Agioritiko, Georgstraube. Üblicherweise werden aus ihr kraftvolle Rotweine gemacht. Oder süßer Sirup. Die Griechen nennen den Sirup petimezi und verwenden ihn in der ambitionierten Küche als natürlichen Süßstoff oder als Spiegel für Desserts. Im Winter, wenn es kalt wird am Peloponnes, trinken die Griechen gern auch heißen Wein. Mit dem petimezi gesüßt, sind wir von Grog oder Glühwein nicht weit entfernt. Und auch bei uns gilt: winter is coming. Früher oder später.

Foto: Schmücking

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