CannaVision - 01/2023

Page 22

Wissenschaft+ Praxis

Verbrauchersicherheit durch Rückverfolgbarkeit

Eyepress Fachmedien GmbH Saarner Str. 151, 45479 Mülheim a. d. Ruhr Jahrgang 02 BvCW Branchenblick Parlamentarischer Abend der Cannabiswirtschaft  Betrieb + Marketing Operationalisierung von ESG in der Cannabis-Industrie Recht + Politik Absichtserklärung Genussmittelregulierung DAS MAGAZIN FÜR DIE CANNABISWIRTSCHAFT 01 - 23
THE NETWORK EXPERIENCE CANNABIS BUSINESS EXPO AND CONFERENCE 15 – 16 SEPTEMBER 2023, DORTMUND, GERMANY WWW.CB-EXPO.COM events of CB CLUB BERLIN 28 JUNE 2023 BERLIN, GERMANY WWW.CB-NET.COM

Auf einen Blick

04 Branchenticker

06 Aus der Wissenschaft

09 BvCW Aktuell

39 Firmenindex

42 Das Beste zum Schluss: Dr. Adrian Fischer

BvCW Branchenblick

10 Vorgestellt

BvCW-Fachbereich „Genussmittelregulierung“

11 Parlamentarischer Abend der Cannabiswirtschaft

Wissenschaft + Praxis

12 Verbrauchersicherheit durch Rückverfolgbarkeit

Luc Richner

16 CBD nachhaltig verpacken

Felix Bischopink

Recht + Politik

20 Genussmittelregulierung Deutschland

Dirk Heitepriem und Jürgen Neumeyer

Im Rampenlicht

22 Guter Start für Schweizer Pilotprojekt No. 1

Daniel Groß

24 Hanf als Beitrag zum System-Reset

Interview mit Maren Krings

Betrieb + Marketing

28 Operationalisierung von ESG in der Cannabis-Industrie

Leonid Kotlyar

International

34 Neokoloniale Aspekte der Cannabislegalisierung in Afrika

Interview mit Chris S. Duvall

Marktübersicht

40 Verpackungen

Anschrift des Verlages

Eyepress Fachmedien GmbH

Saarner Str. 151

45479 Mülheim a. d. Ruhr

Tel.: +49 208 306683-00

Geschäftsführer

Petros Sioutis

E-Mail: p.sioutis@eyepress.de

Herausgeber

Silke Sage, Petros Sioutis, Efstathios Efthimiadis

Chefredakteurin

Rebekka Nurkanovic

Tel.: +49 208 306683-18

E-Mail: RN@cannavision.eu

Anzeigenleitung

Constanze Claßen

Tel.: +49 208 306683-20

E-Mail: CC@cannavision.eu

Impressum

Anzeigenpreise

Preisliste Nr. 01 vom 01.01.2022

Design + Produktion

Efstathios Efthimiadis

Pascal Bruns

E-Mail: produktion@eyepress.de

Erscheinungsweise

Zweimal im Jahr

www.cannavision.eu

Redaktioneller Beirat

Jürgen Neumeyer, BvCW Branchenverband

Cannabiswirtschaft e. V.

INHALT 2023_01 | 3
12
11
28
Fotocredits: Titel: Getty Images, S. 3: metamorworks, S. 12: Planet Volumes, S. 16: Galina Nelyubova, S. 24: Yunus Tug, S. 28 pixardi, S. 34: Damian Patkowski /stock.adobe.com /unsplash.com /pixabays.co

Cannovum: Anbau-Allianz für die Legalisierung

Die Cannovum AG hat die Gründung der Premium Anbau-Allianz für Cannabis als Genussmittel in Deutschland bekanntgegeben. Ziel dieser Allianz aus Anbau-, Technologie- und Vertriebsexperten ist der Aufbau eines Netzwerks aus Unternehmen und Partnern, die sich zu einer starken Interessengemeinschaft bilden. Somit möchte man in der Lage sein, mit der kommenden Legalisierung den Bedarf an hochwertigem Cannabis decken zu können. Experten schätzen den Markt auf ein Volumen von bis zu acht Milliarden Euro bei einem geschätzten Bedarf von rund 400 Tonnen Cannabis im Jahr.

Mit der Anbau-Allianz soll der schnelle Zugriff auf kontrollierte, hochwertige und nachhaltig hergestellte Cannabisprodukte

SynBiotic: Neues Franchise-Konzept mit der Enchilada Gruppe

Auf der internationalen Gastro-Leitmesse Internoga in Hamburg haben das CannabisUnternehmen SynBiotic SE und die Enchilada Gruppe ein neues Franchise-Konzept vorgestellt.

Unter der Marke Heesh bündeln die beiden Unternehmen ihr Cannabis Know-how und Erfahrung in der Eröffnung und Skalierung von Stores in einem schlüsselfertigen Konzept. Damit soll die Grundlage für den Vertrieb von Cannabisprodukten aller Art geschaffen werden. Sobald die Rechtslage geklärt und die Gesetzgebung abgeschlossen ist, sollen lizensierte Händler die Möglichkeit erhalten legale Cannabisprodukte zu vertreiben.

Eine eigens entwickelte App, ein auf diese Anwendungszwecke ausgerichtetes CRMSystem und Terminals für umfangreiche Informationen sollen für einen modernen Einkaufsprozess sorgen. Darüber hinaus erwarte die Kunden für die Beratung und den Verkauf von Cannabis geschultes und kompetentes Personal.

Lars Müller, CEO der SynBiotic SE, sieht die Legalisierung von Cannabis nicht nur als wirtschaftlichen Faktor: „Cannabis steht nicht nur für einen Milliardenmarkt, sondern auch für einen gesellschaftlichen Wandel.

ermöglicht werden. Dafür strebt Cannovum den Austausch von Wissen und Erfahrungen sowie den gemeinsamen Einsatz für die Anliegen der Anbaubetriebe an. Dabei soll die ökologische und klimapositive Art des Anbaus im Vordergrund stehen. Pia Marten, Co-Gründerin und CEO der Cannovum AG, sieht die Allianz als entscheidend für die Förderung der Cannabisbranche in Deutschland: ‚‚Wir sind davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit von Unternehmen entscheidend ist, um den legalen Cannabisanbau in Deutschland zu fördern. Durch die Gründung der Allianz möchten wir einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Branche weiterentwickeln und schnell den Bedarf an Genusscannabis, der im Zuge der Legalisierung entstehen wird, decken kann.‘‘ Um dieses Ziel zu erreichen sind namhafte Unternehmen, zum

Beispiel das Gartenbauunternehmen Hortensien Spieker, mit an Bord. Hortensien Spieker kündigte an, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten und Richtlinien voraussichtlich bis zu 10,8 Tonnen Cannabis pro Jahr auf nachhaltige, CO2-positive und damit klimapositive Art anbauen zu wollen. Seine Cannabisblüten möchte Inhaber Tim Spieker exklusiv an Cannovum vertreiben.

Quelle: Cannovum AG

Mit unserer neuen Lifestyle-Marke Heesh geben wir dem neuen Cannabismarkt als einer der Ersten ein Gesicht. Unser FranchiseKonzept vereint ein modernes Interieur in den Geschäften sowie fortschrittliche digitale Lösungen und ist das erste seiner Art. Damit geben wir unseren Franchise-Partnern alles an die Hand, um sofort durchstarten zu können, sobald die Legalisierung Realität ist. Mit Heesh wollen wir zudem einen Beitrag zum verantwortungsvollen Konsum leisten und unseren künftigen Kunden ein einzigartiges Erlebnis bieten.” Laut Müller ist die Marke in Immobilien verschiedenster Art und Größe einsetzbar, um Partnern und zukünftigen Kunden die Bedienung der immensen Nachfrage zu ermöglichen.

Stefan Hackl, Vorstand der Condukto AG, der Beteiligungsgesellschaft der Enchilada Gruppe, möchte Cannabis aus der Schmuddelecke rausholen. Deshalb seien für ihn die Kompetenz der Mitarbeiter und eine ansprechende Umgebung die sich im Design widerspiegelt, wichtig. „SynBiotic SE und Enchilada stehen für verantwortungsvollen Konsum und höchste Qualität über die gesamte Lieferkette hinweg. Mit diesem Anspruch wollen wir die allererste und beste Adresse für den Verkauf von Cannabisprodukten werden – und das bundesweit”. Interessierte können sich bereits jetzt als Franchisenehmer bewerben.

Quelle: SynBiotic SE & Enchilada Franchise AG

AUF EINEN BLICK 4 | 2023_01
Branchenticker
Bild: Gruschwitz GmbH

Endosane: Neues Lizenzabkommen mit PreveCeutical Medical Endosane Pharmaceuticals möchte die Darreichungsformen von Cannabinoidprodukten effektiver machen. Hierfür hat das Berliner Unternehmen ein Lizenzabkommen mit dem kanadischen Unternehmen PreveCeutical Medical Inc. getroffen. Demnach darf Endosane, die von der PreveCeutical Medical entwickelten Sol-Gel-Technologie für die Verabreichung von Cannabinoidprodukten nutzen und weiterentwickeln. Endosane verspricht sich viel von der SolGel-Technologie. Sollten sich die wissenschaftlichen Annahmen bestätigen, könnte die zielgerichtete Verabreichung von Cannabinoiden noch effektiver werden. Die Anwendung erfolgt durch ein Nasenspray, wodurch der Wirkstoff länger auf der Nasenschleimhaut verbleibt und die darin enthaltenen Cannabinoide schneller ins Blut gelangen. Laut Annahme können die Wirkstoffe zugleich über das sogenannte „olfaktorische System“ (verantwortlich für den Geruchssinn) direkt zu den Rezeptoren im Gehirn gelangen. Max Narr, Geschäftsführer von Endosane Pharmaceuticals, sieht die Entwicklung optimistisch: ‚‚Wir freuen uns sehr, dass wir PreveCeutical Medical überzeugen konnten, uns ihre Technologie zur weiteren zielgerichteten Untersuchung

Viromed: Beteiligung an Cannacare Wealth

Das deutsche Unternehmen Viromed Medical GmbH setzt verstärkt auf medizinische Cannabisprodukte. Hierfür expandiert das Unternehmen und beteiligt sich an der Cannacare Health GmbH durch Erwerb der Anteile vom kanadischen Konzern Greenrise. Cannacare ist 100%iger Besitzer der MLM Gesellschaft WellNetIQ GmbH und einer der führenden

Avextra AG: Kapitalerhöhung in Höhe von 17 Millionen Euro

Die in Bensheim ansässige Avextra AG hat im März eine Kapitalerhöhung in Höhe von 17 Millionen Euro bekannt gegeben. Mit dem Abschluss dieser Finanzierungsrunde will

deutschen Hersteller und Großhändler von CBD Produkten. Viromed, tätig im Bereich Diagnostik (Antigenschnelltests, Antikörper Analysegeräte), Therapeutik (Anti-Virus-Nasensprays) und in der Kaltplasmatechnik (medizinische Wundheilung), möchte im deutschen Cannabismarkt mitwachsen, so der Viromed-Chef Uwe Perbandt: ‚‚Der Markt mit CBD Produkten befindet

anzuvertrauen. Natürlich müssen wir zunächst abwarten, ob sich die bisherigen Annahmen in den Ergebnissen entsprechender Studien widerspiegeln, wir sind aber optimistisch, dass uns diese Technologie in der Entwicklung unserer Medikamente einen entscheidenden Schritt voranbringt.‘‘ Endosane beschäftigt sich mit der Erforschung, Entwicklung und Vermarktung von Arzneimitteln und pharmazeutischen Produkten für die Behandlung verschiedener Indikationen, durch die direkte oder indirekte Ansprache des menschlichen Endocannabinoid-Systems. PreveCeutical Medical Inc. verspricht sich indes eine erleichterte Kommerzialisierung. Zudem sollen die Weiterentwicklung und neuere Studien den Wert der Sol-Gel-Technologie signifikant erhöhen.

Quelle: Sanity Group

das Unternehmen sein Wachstum als europäischer Akteur bei registrierten Arzneimitteln auf Cannabisbasis beschleunigen, Patientenbedürfnisse bedienen und die Qualitäts- und Sicherheitsstandards in Europa und in ausgewählten Regionen

sich in Europa in einer starken Wachstumsphase. Wir sehen perspektivisch großes Potential in dieser Beteiligung und werden das Geschäftsfeld in den kommenden Monaten sukzessive weiter ausbauen. Darüber hinaus wird sich Viromed zukünftig auch im Produktbereich Cannabiskonsum signifikant engagieren.‘‘

Quelle: Viromed Medical GmbH

erfüllen. Laut Avextra wird die Finanzierung verwendet, um den Vertrieb des aktuellen Produktportfolios auf neue Märkte in ganz Europa auszudehnen und die Marktentwicklung in Deutschland weiter zu verbessern.

Quelle: Avextra AG

AUF EINEN BLICK 2023_01 | 5
Branchenticker
Bild: Sanity Group

Whitepaper zur wissenschaftlichen Begleitung der Cannabislegalisierung Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen haben ein Whitepaper zur Evaluation der Einführung der regulierten Cannabisvergabe an Erwachsene zu Genusszwecken in Deutschland veröffentlicht.

[1] Darin stellen sie die aus ihrer Sicht zentralen Forschungsfelder vor, die im Rahmen einer Evaluation des Übergangs vom Verbot zur regulierten Abgabe von Cannabis untersucht werden sollten und betonen die Wichtigkeit einer frühzeitigen Datenerhebung sowie der Beteiligung von Forschenden aus unterschiedlichen institutionellen und disziplinären Bereichen. Eine regelmäßige Datenerhebung, bereits im Vorfeld der rechtlichen Änderung, sei erforderlich, um eine Grundlage für spätere Nachjustierungen des Gesetzes zu schaffen und Auswirkungen der Änderungen einschätzen zu können.

Das Whitepaper listet Kernfragen zu neun Forschungsfeldern auf, deren Beantwortung Ziel der Evaluation sein sollte:

1. Cannabiskonsum bei Erwachsenen vor und nach der Einführung einer regulierten Abgabe

2. Veränderungen des (illegalen) Marktes für Cannabis

3. Finanzielle und soziale Kosten der Prohibition

4. Jugendschutz und Prävention

5. Gesundheitsversorgung, Verbraucherschutz und Gesundheitsförderung

6. Straßenverkehr

7. Ökologische Dimensionen

8. Meinungen und Akzeptanz in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen

9. Sozioökonomische Dimensionen, fiskalische Effekte und Arbeitsmarkteffekte

Das Forschungsfeld Cannabiskonsum bei Erwachsenen vor und nach der Einführung einer regulierten Abgabe sollte beispielsweise unter anderem die Beobachtung des Cannabiskonsums unter Erwachsenen, die Erfassung der Wissensbestände zu Cannabiskonsum und die Entwicklung des Konsumverhaltens von anderen Substanzen parallel zum Cannabisgebrauch umfassen.

Um Jugendschutz und Prävention erfolgreich gestalten zu können, müsse das Konsumverhalten von Jugendlichen verstanden werden. Auch ihre Bewertung von Risiken und Präventionsbotschaften und weitere Aspekte müssten fortlaufend untersucht werden. Der Bereich Gesundheitsversorgung, Verbraucherschutz und Gesundheitsförderung sollte eine Fülle von Untersuchungsgegenständen berücksichtigen, darunter die Entwicklung cannabisbezogener Behandlungszahlen, Produktinformationen und Qualitätskontrolle. Hinsichtlich des Straßenverkehrs gelte es zum Beispiel, Fahrgewohnheiten bei Cannabis-Konsumierenden und cannabisbezogene Unfälle unter unterschiedlichen rechtlichen Bedingungen zu erheben und auszuwerten. Der Aspekt Ökologische Dimensionen soll die Anbaubedingungen und-prozesse für legales Cannabis beleuchten, insbesondere im Hinblick auf Klimaneutralität. Bei Meinungen und Akzeptanz in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen steht zum einen die Frage im Vordergrund, wie sich die generelle soziale Akzeptanz des Freizeitkonsums von Cannabis in der Bevölkerung entwickelt. Zum anderen soll beleuchtet werden, welchen Einfluss die Akzeptanz von Cannabis als Genussmittel in der Freizeit auf verschiedene Lebensbereiche der Konsumenten hat. Der Bereich sozioökonomische Dimensionen, fiskalische Effekte und Arbeitsmarkteffekte soll Steuereinnahmen, gesundheitspolitische Lenkungseffekte, Zahl und Art geschaffener Arbeitsplätze und einen Vergleich der fiskalischen und ökonomischen Effekte auf lokaler, regionaler und Bundesländer Ebene unter die Lupe nehmen.

Die Wissenschaftler fordern, bereits jetzt möglichst umfassend finanzielle Mittel aus allen relevanten Ressorts zur Verfügung zu stellen. Dies sei zwingend erforderlich, damit ‚Baseline‘- Erhebungen der zu untersuchenden Aspekte mit genügend Vorlauf geplant und durchgeführt werden können. Das Whitepaper kann auf der Webseite des Instituts für Public Health und

Pflegeforschung der Universität Bremen auf der Seite von Prof. Dr. Henning SchmidtSemisch, Abteilung Gesundheit und Gesellschaft, heruntergeladen werden.

[1] Whitepaper zur Evaluation der Einführung der regulierten Cannabisvergabe an Erwachsene zu Genusszwecken in Deutschland, Stand 28. März 2023. https://www.public-health.uni-bremen.de/ mitglieder/henning-schmidt-semisch/

AUF EINEN BLICK 6 | 2023_01
Aus der Wissenschaft

Wie Retipping die Effizienz im Cannabisanbau verbessert

Laut einer kürzlich in HortScience veröffentlichten Studie der University of Connecticut (UConn), USA, funktioniert eine neuartige Methode zur Erzeugung neuer Cannabispflanzen genauso gut wie herkömmliche Methoden auf weniger Raum. Bei der neuen Methode, die als „Retipping“ bekannt ist, werden Stecklinge von kräftigen, krankheitsfreien „Mutterpflanzen“ genommen, die in einem kontrollierten Labor mikroskopisch vermehrt wurden. Das Retipping habe das Potenzial, neunmal so viele Pflanzen auf ähnlichem Raum zu produzieren wie Stammstecklinge von herkömmlichen Mutterpflanzen, sagt Dr. Jessica LubellBrand, Professorin für Gartenbau am College of Agriculture, Health and Natural Resources der UConn und Hauptforscherin des Projekts. Diese Methode könnte den Anbaubetrieben dabei helfen, mehr auf weniger Raum anzubauen und gleichzeitig die Qualität des Endprodukts zu erhalten. Das Forschungsteam untersuchte das Wachstum von Pflanzen in einem Gewächshaus, um festzustellen, ob es Unterschiede zwischen drei Methoden gibt: Mikrostecklinge, Stammstecklinge und Stecklinge aus Stecklingen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass alle drei Methoden zur Herstellung neuer Pflanzen eine ähnliche Pflanzengröße und das gleiche chemische Profil aufwiesen. Auch das Endprodukt, in diesem Fall die Cannabisblüten, unterschied sich nicht zwischen den drei Methoden. Während die Erträge ähnlich waren, benötigte das Retipping den geringsten Platz für die Vermehrung und würde somit Anbaubetrieben ermöglichen, mehr Starterpflanzen in ihren Einrichtungen anzubauen. Heute verlassen sich die meisten Cannabisanbaubetriebe auf große, konventionell gezüchtete Mutterpflanzen und Stammstecklinge, um neue, identische Pflanzen zu erzeugen. Das Problem

Guindon von der TTUHSC erhält internationale Auszeichnung für Cannabinoid-Forschung

In der Cannabispflanze sind mehr als 480 natürlich vorkommende Verbindungen

UConn-Forscher arbeiten mit Cannabis im Gewächshaus. Bild: Jason Sheldon/UConn

dabei ist nach Angaben der Forscher, dass Mutterpflanzen viel Platz in Anspruch nehmen, sich Krankheiten ansammeln und sie mit der Zeit an Kraft verlieren. Die in dieser Studie verwendeten mikrokultivierten Mutterpflanzen wurden im Labor gezüchtet und bringen identische Pflanzen hervor, die frei von Krankheiten sind und kräftig wachsen. Sie werden in kleinen Behältern unter sterilen Bedingungen gezüchtet und benötigen weniger Platz als herkömmliche Pflanzen. Beim Retipping verwenden die Forscher kürzlich mikrovermehrte Mutterpflanzen und ernten Stecklinge von Pflanzen, die an Bedingungen außerhalb des Labors gewöhnt wurden. Durch das Retipping kann der Ertrag des Mikrovermehrungsprozesses gesteigert werden, indem die Pflanzen als Mutterpflanzen verwendet werden, anstatt sie als Produktionspflanzen für die Blumenzucht zu nutzen oder zusätzlich dazu.

„Nicht jeder Anbaubetrieb hat die Mittel,

ein Labor zu bauen und mikrovermehrte Pflanzen anzubauen“, sagt Lubell-Brand. „Es gibt jedoch Gärtnereien mit Laboratorien, die einspringen können, um sie zu liefern, insbesondere da der Cannabisanbau in immer mehr Staaten legal wird. Diese Lieferkettenstrategie wird im Zierpflanzenbau häufig angewandt“.

Das Forschungsteam erklärt, dass die jahrzehntelange Prohibition von Cannabis zwar landesweit zu Ende geht, es aber noch viel zu lernen gibt. „Die legale Cannabisindustrie eilt der Wissenschaft voraus“, sagt Kurtz. „Unser Labor trägt dazu bei, die Lücke zu schließen und evidenzbasierte Strategien zur Verbesserung des Anbaus bereitzustellen.“

DOI 10.21273/HORTSCI16890-22

Quelle: University of Connecticut

enthalten, von denen mehr als 100 als Cannabinoide gelten. Trotz der Verbreitung von Cannabidiol (CBD) sind Cannabinoide im Allgemeinen ein relativ neues Forschungsgebiet, auf dem Josee Guindon, DVM, Ph.D.,

ihre Forschungskarriere aufgebaut hat. Für diese Bemühungen wurde sie von der International Cannabinoid Research Society (ICRS) mit dem William A Devane Young Investigator Award 2023 ausgezeichnet.

AUF EINEN BLICK 2023_01 | 7
Aus der Wissenschaft

Aus der Wissenschaft

Guindon, eine fest angestellte außerordentliche Professorin in der Abteilung für Pharmakologie und Neurowissenschaften an der Texas Tech University Health Sciences Center School of Medicine, wird die Auszeichnung offiziell auf dem 33. jährlichen Symposium der International Cannabinoid Research Society (ICRS) vom 24. bis 29. Juni in Toronto entgegennehmen. Der Preis zeichnet Forscher aus, die bei der Untersuchung und Erforschung des Endocannabinoid-Systems Hingabe, Ausdauer und Kompetenz bewiesen haben. Mit dieser einzigartigen und angesehenen internationalen Auszeichnung werden Forscher geehrt, die innerhalb von 15 Jahren nach ihrer Promotion herausragende Beiträge zum Cannabinoidbereich geleistet haben. „Der Preis wird für Forscher am Anfang ihrer Karriere verliehen, aber er liegt in meinem Fachgebiet“, sagte Guindon. „Diese Auszeichnung ist schwer zu bekommen, denn man konkurriert mit allen anderen internationalen Forschern auf diesem Gebiet, und Cannabinoide sind jetzt ein wirklich wichtiges und wachsendes Gebiet“. CBD wurde ursprünglich in den 1940er Jahren aus der Cannabispflanze isoliert, wurde aber weitgehend ignoriert, da es keine psychoaktiven Eigenschaften aufwies. Im Jahr 1964 isolierten israelische Forscher dann erstmals die Struktur von Delta-9-Tetrahydrocannabinol oder THC, dem am häufigsten vorkommenden Cannabinoid in der Cannabispflanze und demjenigen, das am besten für seine psychoaktiven Wirkungen auf die Konsumenten bekannt ist. „Im Bereich der Cannabinoide begann alles 1964, als man entdeckte, dass Delta-9 THC der Hauptbestandteil ist, der die analgetische (schmerzstillende) Wirkung erzeugt“, erklärt Guindon. „Damit habe ich mich beschäftigt.“

Guindons allgemeines Interesse an der Cannabinoid-Forschung begann als Doktorandin in den frühen 2000er Jahren, als sich ihre Arbeit auf das Verständnis der Wechselwirkung zwischen Endocannabinoiden und nichtsteroidalen entzündungshemmenden Medikamenten (NSAIDS) wie Ibuprofen unter Verwendung von Entzündungs- und neuropathischen Schmerzmodellen konzentrierte. In dieser Zeit verwendete und optimierte sie Modelle für

entzündliche und neuropathische Schmerzen und zeigte, dass die Kombination von Endocannabinoiden mit NSAIDS additive antinozizeptive Wirkungen hat und zu erhöhten Endocannabinoidspiegeln führt. Außerdem gab es damals nur etwa 350 veröffentlichte Manuskripte zum Thema Cannabinoide; heute sind es Tausende. Da Guindon bereits Tierärztin war, wusste sie, dass es bei männlichen und weiblichen Tieren Unterschiede gibt, die sich auf die Art und Weise auswirken, wie sie bei bestimmten Krankheiten und Leiden behandelt werden. Als sie jedoch ihre Doktorarbeit begann, wurde sie angewiesen, sich nur auf die Auswirkungen von Cannabinoiden bei männlichen Tieren zu konzentrieren. „Ich fragte meinen Berater immer wieder, warum wir uns auf Männchen konzentrierten“, erinnert sich Guindon. „Da ich Tierarzt bin, hatte ich Katzen, Hunde, Kälber und andere Tiere behandelt, und zwar beide Geschlechter. Von daher wusste ich, dass wir die Dosierung anpassen mussten, genau wie bei einem Stier und einer Kuh. Später in meiner Karriere, als ich mein eigenes Labor hatte, galt mein Interesse und mein Schwerpunkt den Geschlechtsunterschieden.“

Guindons Interesse an der Beziehung zwischen Cannabinoiden und Schmerz- und

Krebsbehandlung verstärkte sich einige Jahre später, als sie ihrer Mutter im Kampf gegen den Krebs half. Heute untersucht sie auch die Unterschiede bei der Behandlung von Schmerzen und Krebs bei älteren Patienten im Vergleich zu jungen Patienten, einschließlich der Frage, wie sich Geschlechtsunterschiede weiterhin auf die Art und Weise auswirken, wie Männer und Frauen im Alter behandelt werden. Drei ihrer jüngsten Veröffentlichungen, die von Experten begutachtet wurden, zeigen die Rolle von Sexualhormonen und Cannabinoiden bei Schmerzen (Blanton et al., 2021), bei der Regulierung des Tumorwachstums bei Brust- und Eierstockkrebs (McHann et al., 2021) und wie Cannabinoide das Wachstum von Eierstocktumoren beeinflussen (Blanton et al., 2022). „Es handelt sich um ein sehr vielseitiges Gebiet, das einen großen Aufschwung erlebt, und ein großer Teil der NIH-Mittel fließt in die Cannabinoide, weil sie in vielen Staaten legalisiert wurden“, sagte Guindon. „Grundsätzlich liegt der Schwerpunkt auf dem medizinischen Bereich und dem Freizeitbereich, aber viele Studien versuchen jetzt, unser Verständnis der physiologischen Wirkungen von Cannabinoiden in verschiedenen Disziplinen zu verbessern. Es ist ein großes, boomendes Feld und ein Thema, über das ich ewig reden kann, weil es klinisch relevant und wirklich wichtig ist und ich mich sehr dafür interessiere.“

Quelle: Texas Tech University Health Sciences Center

AUF EINEN BLICK 8 | 2023_01
Josee Guindon, DVM, Ph.D., von der TTUHSC School of Medicine wurde von der International Cannabinoid Research Society mit dem William A Devane Young Investigator Award 2023 ausgezeichnet. Bild: TTUHSC

BvCW aktuell

Cannabiswirtschaft legt Konzept für lizenzierte Verkaufspunkte vor Der Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW) hat mit seinem Positionspapier für “lizenzierte Verkaufspunkte” (Fachgeschäfte) ein Konzept vorgelegt, dass mögliche Rahmenbedingungen für die zukünftigen Verkaufsstellen von Genusscannabis enthält. Statt dem aktuell unkontrollierten Verkauf ohne Altersbegrenzung auf dem Schwarzmarkt sollen der Zutritt zu den lizenzierten Verkaufspunkten einem

Mindestalter unterliegen, Sozialkonzepte, Aufklärungsangebote und Jugendschutzmaßnahmen Pflicht werden, der kontrollierte Onlinehandel – ähnlich wie bereits bei Medizinalcannabis der Fall – und die Kommunikation von Produktinformationen ermöglicht werden. Zudem spricht sich der BvCW dafür aus, dass Cannabis – unter Beachtung der geltenden Nichtraucherschutzgesetze, z. B. über Essen und Trinken – auch in der Gastronomie konsumiert werden darf. Der Geschäftsführer des BvCW,

Jürgen Neumeyer macht hierzu deutlich: “Wir wünschen uns klare Regelungen in einem kontrollierten Markt mit effektiven Sanktionsstrukturen bei Nichteinhaltung. Diese Regeln sollten bundesweit möglichst einheitlich gestaltet werden.” Dirk Heitepriem, Fachbereichskoordinator Genussmittelregulierung im BvCW, ergänzt: “Die Lizenzen für die Verkaufspunkte sollten in unbegrenzter Zahl vergeben werden und die Lizenzgebühren die Kosten der Verwaltung nicht übersteigen.”

Fachverbände zu G-BA Beschluss Medizinalcannabis

“Die intensive Befassung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und die gestrige Entscheidung zur Arzneimittelrichtlinie bezüglich Medizinalcannabis zeigt, wie relevant eine sichere Versorgung von Patienten ist, aber auch welche Komplexität das Thema aufweist. Wir rufen den Gesetzgeber und die Bundesregierung auf, für Rechts- und Versorgungssicherheit für die Patienten zu sorgen, indem das “Cannabis als Medizin”-Gesetz noch in diesem Jahr überarbeitet wird”, so das erste gemeinsame Fazit von Fachverbänden von Patienten, Ärzten, Apothekern und der Cannabiswirtschaft auf die Ergebnisse der Sitzung des G-BA am 16. März 2023.

Hierbei sei vor allem die explizite Orientierung am Gesetzestext hervorzuheben. Der Willen des Gesetzgebers war es, mit dem

“Cannabis als Medizin”-Gesetz von 2017 den Zugang zu Medizinalcannabis für Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen möglichst unbürokratisch und gleichzeitig sicher zu gestalten. Dem hat der G-BA aus Sicht der Fachverbände Rechnung getragen.

Im Beschlusstext bleibt jedoch eine Formulierung unklar (§44 Abs. 2).[1] Während in der Sitzung des G-BA vermittelt wurde, dass der Einsatz von Cannabis als getrocknete Blüten und als standardisierte Extrakte nicht nachrangig zu behandeln ist, umfasst der finale Text nun eine generelle Nachrangigkeit in der Verordnung von Rezepturarzneimitteln im Vergleich zu cannabisbasierten Fertigarzneimitteln, welche nicht vom Gesetzgeber vorgesehen war. Dies wird zusätzlich durch den letzten Satz des Absatzes verschärft, der, trotz anderslautender Diskussion im Plenum, nur auf

die Begründung für die Verordnung der Blüte abzielt. Eine Klarstellung sei hier notwendig, um in der Praxis keine zusätzlichen Hürden zu schaffen.

Im Vorfeld der Sitzung am 16. März wurde ein umfangreiches Anhörungsverfahren durchgeführt, welches nach den Worten des unparteiischen Vorsitzenden Prof. Hecken sehr wertvoll war. Für die Möglichkeit der Beteiligung an diesem Verfahren und den professionellen Diskurs sind die Fachverbände sehr dankbar. Es sei vor allem zu begrüßen, dass die Versorgung der Patienten jederzeit im Mittelpunkt der Diskussion gestanden habe und hier eine dem Gesetz entsprechende Regelung gefunden wurde. Gleichzeitig sei in diesem Prozess erneut deutlich geworden, dass nach sechs Jahren “Cannabis als Medizin” in Deutschland die gesetzlichen Regelungen großen Optimierungsbedarf aufweisen. So führe der Genehmigungsvorbehalt weiterhin zu Ablehnungsquoten von 30 – 40 %, obwohl das Gesetz Ablehnungen nur im Ausnahmefall vorsieht. Die Verbände befürchten, dass die jetzt vorgelegte Arzneimittelrichtlinie nicht zu einer Entbürokratisierung für Patienten und Ärzten führt, sondern auch durch zusätzlich geschaffene Unsicherheiten eher dem entgegenläuft.

[¹] 44 Abs. 2: “Vor einer Verordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten ist zu prüfen, ob andere cannabishaltige Fertigarzneimittel zur Verfügung stehen, die zur Behandlung geeignet sind. Die Verordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten ist zu begründen.”

AUF EINEN BLICK 2023_01 | 9

Vorgestellt

Der BvCW-Fachbereich „Genussmittelregulierung“

Als der jüngste von fünf Fachbereichen des Branchenverbandes Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW) arbeitet der Fachbereich Genussmittelregulierung an der Schaffung der gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für eine Freigabe von Cannabis für den Genussmittelmarkt. Die aktuellen Entwicklungen zeigen klar, dass auch weiterhin ein großer Bedarf an Expertise seitens der Politik vorhanden sein wird.

Ein wichtiger Treiber für die Gründung des Fachbereiches Genussmittelregulierung war das im Koalitionsvertrag (2021) der aktuellen Bundesregierung verankerte Ziel, Cannabis zu Genusszwecken legalisieren zu wollen. Dieses Vorhaben bedeutet eine grundlegende Umstrukturierung der Drogenpolitik. Der Fachbereich Genussmittelregulierung wurde gegründet, um für die Cannabisindustrie zu diesen gesellschaftlichen Herausforderungen Positionen zu finden und zu einem erfolgreichen Gelingen der Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken beizutragen. Ein adäquater Umgang mit den Bedürfnissen, Chancen und Risiken für den erwartbaren gesellschaftlichen Umbruch durch eine Legalisierung setzt voraus, dass Vertreter aller Teilbereiche der Cannabisindustrie ihre Expertise in den Diskurs einbringen. Auch bestand aus Sicht des Verbandes eine Notwendigkeit, die vielen Partikularinteressen aller anhänglichen Wirtschaftszweige zu vereinen. Für den BvCW war es deshalb ein Anliegen, diesem Vakuum mit der Eta-

blierung des Fachbereiches Genussmittelregulierung entgegenzutreten.

Der Fachbereich Genussmittelregulierung veröffentlichte im Zuge der Debatte um eine Ausarbeitung eines neuen Cannabisgesetzes am 03.02.2022 ein erstes Eckpunktepapier, welches zentrale Herausforderungen einer Cannabislegalisierung in Deutschland adressiert. Andere Fachbereiche der Cannabiswirtschaft (Medizin, Analytik, Technik, CBD, Handel und Anbau) haben ebenfalls an dem Papier mitgewirkt. Ebenso wie das gut ein Jahr später am 03.02.2023 veröffentlichte Positionspapier zu Qualitätsanforderungen für Genusscannabis im Falle einer Legalisierung, wurde es von der (medialen) Öffentlichkeit stark wahrgenommen.

Neben vielen Branchenvertretern war auch die Bundesregierung an der Arbeit des BvCW interessiert. In der Folge fanden im Juni 2022 Expertenanhörungen für eine Cannabislegalisierung mit dem Gesundheitsministerium statt, in der auch die vom BvCW als Stellvertreter der Cannabiswirtschaft kommunizierten Anliegen Gehör fanden. Für uns lag der Fokus hierbei vor allem auf den Qualitätsanforderungen, die im Falle einer Legalisierung von Cannabis an d as Genussmittel gestellt werden sollten. Damit einhergehend brachte der BvCW auch Ideen ein, wie der Anbau von Cannabis im Falle einer Legalisierung gehandhabt werden müsste, um einen höchstmöglichen Standard für Genussmittel Cannabis zu

erreichen. Nicht zuletzt beteiligte sich der BvCW ebenso an der Ausformulierung eines geeigneten Lizenzsystems, um einen missbräuchlichen Handel mit Cannabis auszuschließen und Transparenz für den Verbraucher sicherzustellen.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass mit der Gründung des Fachbereiches Genussmittelregulierung eine sinnvolle Ergänzung zu bereits bestehenden Fachbereichen im BvCW erfolgte. Die noch vor uns liegenden Aufgaben im Zuge einer Legalisierung in Deutschland werden die Notwendigkeit des Fachbereiches weiter unterstreichen. Wir freuen uns sehr, dass wir diesen spannenden sowie komplexen Vorgang zur Neustrukturierung der Drogenpolitik in Deutschland so maßgeblich mitgestalten können und blicken mit großer Erwartung auf die kommenden Monate.

Bei Fragen können Sie sich an den Fachbereichskoordinator Dirk Heitepriem (Aurora Europe GmbH, dh@cannabiswirtschaft.de) oder an den Verbandsrefenten Michael Greif (mg@cannabiswirtschaft.de) wenden. ↙

BVCW BRANCHENBLICK 10 | 2023_01
Fachbereichskoordinator Dirk Heitepriem.

Erster Parlamentarischer Abend der Cannabiswirtschaft

Am 30.03.2023 fand die ausgebuchte Veranstaltung des BvCW im Haus der Land- und Ernährungswirtschaft in Berlin statt. Den rund 200 Teilnehmenden – fast die Hälfte davon aus der Politik – wurden, moderiert von BvCW-Geschäftsführer Jürgen Neumeyer, Impulsvorträge von Prof. Dr. Christian Ulrichs (Dekan Humboldt Universität zu Berlin, Dekan Lebenswissen-

schaftliche Fakultät), BvCW-Präsident

Dr. Stefan Meyer sowie durch die BvCWFachbereichskoordinator/innen Lisa Haag, Dr. Armin Prasch, Dirk Heitepriem und Benjamin Patock, geboten. Das hanfbasierte Buffet kam bei den Gästen sehr gut an und es gab – begleitet von Hanfbier und weiteren Getränken – viel Zeit zur Vernetzung und für tiefergehende Gespräche.

Link zu weiteren Impressionen des Abends.

1: Gruppenfoto der BvCW-Mitglieder. 2: Viel Zeit für Gespräche. 3: Goodie Bags für die Gäste.

4: Impulsvortrag von Prof. Dr. Christian Ulrichs (Dekan Humboldt Universität zu Berlin, Lebenswissenschaftliche Fakultät). 5: Dirk Heidenblut (MdB), Dirk Heitepriem, Carmen Wegge (MdB), Jürgen Neumeyer, Dr. Daniela De Ridder (MdB), Dr. Stefan Meyer. 6: V.l.n.r.: Benjamin Patock, Jürgen Neumeyer, Kristine Lütke (MdB), Dr. Stefan Meyer, Dirk Heitepriem

BVCW BRANCHENBLICK 2023_01 | 11
4 1 2 5 6
3

Verbrauchersicherheit durch Rückverfolgbarkeit

Transparenz in der Cannabis Lieferkette fördert Qualität und Sicherheit der Produkte

Egal ob Sie in der Cannabis- oder in einer anderen Industrie arbeiten und dort Ihr Geld verdienen, jeder von uns ist in irgendeiner Branche Konsument oder Verbraucher. Dabei möchten wir sichere Produkte kaufen und vor allem konsumieren. Verbrauchersicherheit bedeutet, dass Kunden darauf vertrauen, dass sie immer wieder ein Produkt in einer bestimmten Qualität erhalten und konsumieren können. Eine Möglichkeit, dies zu gewährleisten, ist die vollständige Rückverfolgbarkeit und Transparenz in der Lieferkette. Von Luc Richner

WISSENSCHAFT + PRAXIS 12 | 2023_01

Die Zeiten, in denen ein Kunde einfach alles kaufte, sind vorbei. Die Verbraucher sind heute viel anspruchsvoller als früher und erwarten von ihren Produkten mehr als die bloße Behauptung „das ist das Beste, was Sie je probiert haben“, die niemand mehr glaubt. Nachhaltigkeit ist in der heutigen Gesellschaft ein wichtiges und unverzichtbares Thema, dem sich Unternehmen stellen müssen. Dazu gehört auch, dass Verbraucher wissen wollen, woher ihre Produkte stammen. Und es ist nicht nur so, dass die Kunden immer höhere Ansprüche haben, auch die Spielregeln werden immer weiter verschärft.

Die regulierte Cannabis-Industrie

Die Cannabisindustrie, vor allem in Europa, entwickelt sich in rasantem Tempo und diejenigen, die sich an die Praktiken der Vergangenheit klammern, werden vergessen. Die Branche wird moderner, spezifiziert und sogar teilweise harmonisiert. In dem

Grundsätzlich gelten die GACP-Regeln für den Anbau der Pflanzen und die GMPRegeln für die Behandlung des Cannabis

Maße, in dem sich die Länder in Richtung Legalisierung und Entkriminalisierung oder Pilotprogramme und Sozialclubs bewegen, gibt es laufend neue Vorschriften, an die sich die Unternehmen halten müssen. Dies erhöht die Komplexität der Branche und macht es wichtig, die Professionalität ständig zu erhöhen.

Um sich für die Lieferung von medizinischem Cannabis zu validieren, gelten in der EU sehr strenge Richtlinien, die denen f ür jedes andere verschriebene Medikament ähneln, das heißt die Ernte von Cannabis unterliegt unter Umständen denselben Regeln wie die für andere Arzneimittel. Diese Regeln legen fest, wie die Pflanzen in jeder Phase des Anbaus zu behandeln sind und unterliegen den von der EU-GMP (Good Manufacturing Practices) und der EU-GACP (Good Agriculture & Collection Practices) vorgeschriebenen Richtlinien. Grundsätzlich gelten die GACP-Regeln für den Anbau der Pflanzen u nd die GMP-Regeln für die Behandlung des Cannabis nach der Ernte, wobei es zu gewissen Überschneidungen kommt. Die Regeln stellen sicher, dass es ein System von Kontrollen

WISSENSCHAFT + PRAXIS 2023_01 | 13
nach der Ernte, wobei es zu gewissen Überschneidungen kommt.

und Gegenkontrollen für jeden Schritt des Prozesses gibt. Halten sich die Hersteller an diese Richtlinien, können sie Cannabis kultivieren beziehungsweise Produkte herstellen, die durchgehend eine gleich hohe Qualität aufweisen. Wenn Patienten Medikamente in irgendeiner Form verwenden, vertrauen sie ihnen instinktiv, weil sie sich der strengen Qualitätskontrollen der Pharmaindustrie bewusst sind. Cannabis, welches in die Lieferkette der Medikamente eingespeist wird, unterliegt denselben Regeln und sollte daher auch das gleiche Vertrauen geniessen.

Zusammenfassend geht es bei EU-GACP und EU-GMP um den Verbraucher- respektive den Patientenschutz. GACP- und GMPRichtlinien helfen Anbauern und Produzenten, ihre Arbeit zu strukturieren. Denn sie schützen diejenigen, denen das Cannabis hilft: die Patienten.

Der Markt für den Freizeitgebrauch

Doch wie sieht es mit den Richtlinien für Cannabis für den Freizeitgebrauch aus? Dieser Zweig der Cannabisindustrie genießt oft das Vertrauen der Bevölkerung noch nicht – dies vor allem auch, weil dieser Teil der Industrie noch nicht gleich reguliert ist wie der medizinische Bereich.

Wo bereits Regeln für den Anbau sowie den Verkauf von Cannabis für den Freizeitgebrauch bestehen, ist bei den derzeit in der Schweiz laufenden Pilotprojekten. Dazu gehören Vorschriften, wo der Anbau stattfinden muss, zur Verwendung von Düngemitteln und Zusatzstoffen sowie zur Quantifizierung des THC-Gehalts.

Im Mai 2021 wurde eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vom Schweizer Parlament verabschiedet, welche die Pilotprojekte überhaupt ermöglichte. Der Start des ersten Versuchs Ende Januar 2023 in Basel markierte schliesslich das allererste Mal, dass Cannabis für den Freizeitgebrauch in der Schweiz legal erworben werden konnte und war auch der erste landesweite Legalisierungsversuch in Europa. Neben dem Projekt in Basel sind mittlerweile auch Projekte in Zürich und in Lausanne vom

WISSENSCHAFT + PRAXIS 14 | 2023_01
Anbauer nutzen Track & Trace Software, um Details zu allen Pflanzen zu dokumentieren, nachzuvollziehen und Arbeitsabläufe zu organisieren.
Die einzige Möglichkeit, alle Vorschriften einzuhalten und die volle Sicherheit der Verbraucher zu gewährleisten besteht in vollständiger Transparenz und Rückverfolgbarkeit […].

Schweizer Bundesamt für Gesundheit freigegeben. Diese und zukünftige Pilotprojekte haben das Ziel, in den nächsten zehn Jahren Erkenntnisse über die Auswirkungen eines kontrollierten Zugangs zu Cannabis zu generieren sowie das Verständnis für alternative Regulierungsformen, wie den regulierten Verkauf in Apotheken, zu verbessern. Die Studien bilden somit eine Grundlage für eine zukünftige, vertrauensvolle Gesetzgebung.

Da es sich beim verkauften Cannabis innerhalb der Pilotprojekte immer noch um ein Betäubungsmittel handelt sowie aufgrund der Verordnung der Pilotversuche, wie zum Beispiel das Einhalten der maximalen Abgabemenge an Teilnehmende, wird höchste Konformität und Transparenz auf allen Ebenen entlang der Wertschöpfungskette erwartet. Wichtig ist es, dass die Sicherheit der Teilnehmenden im Vordergrund steht und diese wissen, was sie konsumieren sowie auch das Bundesamt für Gesundheit respektive die Leiter der einzelnen Projekte wissen, wie viel Cannabis im Umlauf ist. Kurz gesagt, braucht es maximale Transparenz und Rückverfolgbarkeit innerhalb der Lieferkette.

Als Partner des Bundesamts für Gesundheit hat das Schweizer Unternehmen Vigia AG die Aufgabe für die Rückverfolgbarkeit der Pilotprojekte übernommen. Mit ihrer bestehenden Software Cannavigia und dem neu entwickelten Cannabis Dispensary System stellt das Unternehmen den verschiedenen beteiligten Akteuren die notwendigen Werkzeuge zur Verfügung, um jeden Schritt entlang der Lieferkette zu verfolgen und zu dokumentieren.

Rückverfolgbarkeit und Transparenz

Heutzutage ist es wichtig geworden, dass jedes Detail der Ernte bis hin zu den Samen zurückverfolgt werden kann. Wenn Sie zum Beispiel Käse im Supermarkt Ihres Vertrauens kaufen, kann jede Charge bis zu einem bestimmten Herkunfts- und Herstellungsort zurückverfolgt werden. Wenn mit dem Käse etwas n icht in Ordnung ist, können diese Informationen dazu verwendet werden, alle Käselaibe zurückzurufen, bei denen das gleiche Problem aufgetreten ist. Dasselbe soll und wird auch von C annabis erwartet.

Die einzige Möglichkeit, alle Vorschriften einzuhalten und die volle Sicherheit der Verbraucher zu gewährleisten besteht in vollständiger Transparenz und Rückverfolgbarkeit – so wie es bei den Pilotprojekten geschieht und die Regulierungen im medizinischen Bereich dafür die Grundlage bieten. Dies ermöglicht es den Regulierungsbehörden, die gesamte Lieferkette zu durchlaufen sowie die Qualitätssicherung und die Stabilität der Produkte zu überprüfen. Wenn eine bestimmte Charge Cannabis bei einer bestimmten Krankheit hilft, muss die nächste Charge genau dasselbe bewirken. Das gleiche gilt auch für den Freizeitmarkt. Damit Cannabis zu einem hausüblichen Produkt wird, muss Vertrauen bei den Konsumenten geschaffen und ihnen die Gewissheit gegeben werden, dass sie jedes Mal, wenn sie dieses Produkt kaufen, die gleichen Erfahrungen machen und dieselbe Qualität erhalten.

Bei den Schweizer Pilotprojekten (s. auch Seite 22) wird die Rückverfolgung und Transparenz wie erwähnt durch Technologie unterstützt. Die Anbauer des Cannabis nutzen die Canna-

An der Schnittstelle zum Verbraucher, z. B. in Apotheken, kann Track & Trace Software verwendet werden, um Abgabevorgänge zu protokollieren.

vigia Software, um ihre Pflanzen und Prozesse zu dokumentieren sowie Qualitätstests zu erfassen, um den Abgabestellen konsistente und sichere Produkte zu liefern. Die Abgabestellen wiederum erfassen die Produkte im Cannabis Dispensary System und verfolgen ihren Bestand an Betäubungsmitteln sowie die Verkäufe und spezifischen Mengen, die an die Teilnehmenden abgegeben werden. So können sie sicherstellen, dass nur berechtigte Personen die Produkte kaufen können. Der gesamte Prozess gewährleistet einerseits die Sicherheit der Teilnehmenden, andererseits die vollständige Rückverfolgung der Produkte entlang der Lieferkette. Die Zeiten der Verbrauchersicherheit ändern sich und das gilt auch für die Cannabisbranche. Wenn Unternehmen ihre Produkte rückverfolgbar machen, wird dies schließlich auch ihnen zugutekommen. Denn der einfachste Weg, das Vertrauen der Verbraucher in ein Produkt zu stärken, ist, die Lieferkette transparent und rückverfolgbar zu machen. All dies mag im Moment gerade für den Cannabismarkt erst am Anfang sein, wird sich aber in naher Zukunft rasant weiterentwickeln, wenn die Legalisierung und Entkriminalisierung in Europa ihren vollen Lauf nimmt. ↙

Luc Richner

CEO Cannavigia/Vigia, hat einen breiten Hintergrund in der Logistik- und Management-Branche, welche er sich bei seinem eigenen Beratungsunternehmen, seinem Farm-to-Table-Restaurant und weiteren Stationen in Asien und in der Schweiz aneignete. Unterstützend dazu absolvierte er erfolgreich das erste Executive MBA Digital Leadership Programm an der HWZ, Hochschule für Wirtschaft, in Zürich. Basierend auf seiner Erfahrung und seinem Wissen über effiziente und transparente Lieferketten und Logistik hat Luc Richner als CEO die Vigia AG mitgegründet. Das Unternehmen hat die Softwareplattform Cannavigia für mehr Transparenz und Compliance in den globalen und lokalen Lieferketten entwickelt. www. cannavigia.com.

WISSENSCHAFT + PRAXIS 2023_01 | 15

CBD nachhaltig verpacken

Schutz nach innen und Kommunikation nach außen

Verpackungen sind oft notwendig, gelten aber in Zeiten von drohendem Klimawandel als schwere Kost. Dabei kann die Verpackung der Schlüssel zu einem nachhaltigen Produktstatement sein und Wettbewerbsvorteile sichern. Von Felix Bischopink

WISSENSCHAFT + PRAXIS 16 | 2023_01

Zum Beispiel Mode. Was hat mehr Sex – Fast Fashion oder eine Markenkollektion? Mode aus Chemie oder aus Naturrohstoffen? Billige Schnelldreher legen naturgemäß kaum Wert auf kostenintensivere Ökoprodukte; Markenhersteller kommen jedoch kaum noch darum herum. Einige gehen auch proaktiv vor, etwa wenn ein Popstar wie Pharrell Williams für adidas eine Kollektion aus Ozean-Plastikmüll entwirft. Denn Kunden, ob bei Mode oder etwas Anderem, wollen mittlerweile die Auswirkungen der eigenen Lebensführung bestimmen. Wenn Pharrell Williams jetzt Modechef bei Louis Vuitton wird, ist das vielleicht ein gutes Zeichen für Nachhaltigkeit. Das klingt teuer, muss es aber nicht sein. Vor allem zahlt es sich aus, denn Nachhaltigkeit signalisiert Kunden den Sprung von der linearen in die zirkuläre Wirtschaft und in entsprechende ehrliche Kommunikation. Nachhaltigkeit ist ein Wettbewerbsvorteil, der irgendwann Standard wird, analog zur Legalisierung von CBD. Die ehemals einseitige Nachfrage mutiert von „Das kriegen wir hin“ zu „Selbstverständlich, welche Größe hätten’s denn gerne?“. CBD vollzieht den Sprung in die analogen und virtuellen Regale der Welt, wie auch Nachhaltigkeit zur Selbstverständlichkeit wird. Als industrielles Gut muss CBD allerdings besser transportiert, gelagert und geschützt werden als von der Hosentasche in die Hand.

tät (weswegen etwa Glas nicht die ideale CBD-Verpackung ist). Umgekehrt muss der Feuchtigkeitsgrad immer zwischen 59 % und 63 % liegen – niedrigere Werte lassen CBD trocknen, höhere Werte locken Schadstoffe an. Gegen diese unterschiedlichen Herausforderungen stellen sich Verpackungen als unterschätzte, pardon, „Wundertüte“ heraus, die im Inneren Gutes tut. Nach außen hin dient die Verpackung als „stummer Verkäufer“, der mittlerweile einen Paradigmenwechsel vollzogen hat: vom glatten Lügner über den Anpreiser zum Gesprächspartner auf Augenhöhe. Aber „beurteile ein Buch nicht nach seinem Einband“: Eine Verpackung sollte halten, was sie verspricht, doch oft genug ist es umgekehrt. Die Verpackungsinformation verspricht etwas, was der Inhalt nicht hält. (Dafür gibt es sogar einen Preis, die „Mogelpackung des Jahres“). Statt schlechte Eigenschaften vorzuenthalten, kann man gute Qualität und Nachhaltigkeit mit Stolz nach außen kommunizieren. Nachhaltige Konfektionierung kann also nach innen die Qualität und nach außen den Verbraucher unterstützen. Und es ist nicht der Inhalt, es ist die Verpackung, die man als Kunde als erstes wahrnimmt: Ihre Aufmachung, Farben, Texte, Logos, Effekte. Nicht nur in Geschäften, sondern auch auf der Website, dem iPad und dem Smartphone, in virtuellen Stores, Social Media, als Bild oder in Reels.

Für CBD-Verpackungen kommen besondere Ansprüche hinzu. Möglicherweise irreführende Claims und Formulierungen wie „gesund“, „medizinisch“ oder „natürlich“ können schnell zu Abmahnungen führen. Je nach Design können CBD-Verpackungen in sozialen Medien gesperrt werden. Wenn sich Kinderschutz durchsetzt, ist ein kindersicherer Verschluss Pflicht. Schließlich muss jeder CBD-Hersteller seine Verpackung lizensieren. Alle diese Bedingungen sind aufwendig. Aber Nachhaltigkeit zahlt sich sogar aus: je nachhaltiger und leichter die Verpackung, um so preiswerter wird es.

Endverbraucher fordern Nachhaltigkeit ein

Nachhaltigkeit ist ein Argument. Im Text oder als aufgedrucktes Siegel, ist „Sustainability“ das klare Signal nach außen, dass der Hersteller statt altes (lineares) neues (zirkuläres) Denken in sein Wirtschaften einbezieht. Eine nachhaltige Verpackung verdient daher ein „gutes Cover“ mit entsprechender Kommunikation für ihre achtsame Klientel.

Verpackungen schützen nach innen und kommunizieren nach außen

Eine Verpackung hat zwei Seiten: nach innen und nach außen. Nach innen soll sie schützen, nach außen kann sie kommunizieren. CBD stellt besondere Schutzansprüche. Um Aroma und Geschmack zu bewahren, ist es entscheidend, keinen Sauerstoff in die Verpackung eintreten zu lassen. Hohe Barriereeigenschaften des Materials sind ideale Torwächter, auch für den CBD-Qualitätskiller UV-Licht. Einfallende UV-Strahlung sowie hohe Temperaturen sorgen schnell für eine Degradierung der CBD-Quali-

„Der Kunde ist kein Idiot. Sie ist deine Frau“, sagte Werbe-Guru David Ogilvy schon vor sechzig Jahren. Aktueller denn je sind Kunden aufgeklärt gegenüber dem, was sie kaufen. Sie wollen auf Verpackungen lesen, ob der Inhalt mit ihrem Lebensstil übereinstimmt. Dazu passt das Ergebnis von Studien, dass über 70 % aller Endverbraucher bereit sind, für nachhaltig abgepackte Produkte sogar etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Ob Hipster oder Hausmann: Mann/Frau will umweltbewusst leben – und wenn eine schützende Verpackung sein muss, soll sie nachhaltig sein. Das ist gut so, weil sie dann erstens aus ökologisch möglichst astreinem Material besteht, zweitens deshalb idealerweise nicht auf der Deponie landet (das wäre linear) und drittens dem Wertstoffkreislauf erhalten bleibt (zirkulär).

WISSENSCHAFT + PRAXIS 2023_01 | 17
Der Kunde ist kein Idiot. Sie ist deine Frau“, sagte Werbe-Guru David Ogilvy schon vor sechzig Jahren.

Zusammen mit ihrem Design und ihren Informationen sind nachhaltige Verpackungen letztendlich selbst ein Argument. Im Idealfall schützt die Verpackung nach innen ein großartiges Produkt, damit kann man die Außenwand plakatieren und wenn auch das Material großartig ist, wird die Verpackung selbst zur Botschaft.

Wer früh genug Nachhaltigkeit einpreist, ist im Vorteil, bevor es für alle zum Standard wird. Wenn man heute einen Traum von einer Bar realisiert, würde man sie ja auch nicht mehr mit dunklen Butzenscheiben, sondern offen, einladend und hell gestalten. Desgleichen machen es sich Supermärkte ohne Bio- oder Restaurants ohne Veggie-Angebot nicht gerade leichter. Deshalb nachhaltige Verpackungen: schon um zu zeigen, dass man nichts zu verbergen hat. Doch da gibt es ein paar Dinge zu beachten.

Was macht die nachhaltige Verpackung „ready for recycling“?

Was macht aber eine Verpackung besonders nachhaltig? Dass sie recycelbar ist. „Recyceltes“ Material ist noch lange nicht fit für die Wiederaufbereitung, gerade bei der Verarbeitung zu CBD-Verpackungen, die ähnlich hohe Anforderungen wie Lebensmittel haben. Altpapiertaugliche Verpackungen und solche, die aus nur einer Kunststoffart bestehen, sind recycelbar. Bei Papier ist entscheidend, dass es zu Altpapier werden kann – sonst wird es linear abgewickelt und am Ende der Kette „thermisch entsorgt“ (verbrannt). Kunststoff hat wiederum begrifflich ein schlechtes Image; wenn es sich aber um eine „Monostruktur“ handelt (also nur eine Kunststoffart wie PE oder PP), ist das Material „ready for recycling“. In anderen Fällen würde die Verpackung wieder auf der Deponie enden. Ein Monokunststoff bleibt dem Verwertungskreislauf erhalten.

Jede Einsparung zahlt auf Nachhaltigkeit ein

Glas ist zwar auch eine schöne Verpackung, im großen Rahmen der CO2-Vermeidung aufgrund seines Gewichts und der Entsorgung jedoch wesentlich aufwendiger. Wegen seiner Schwere fallen viel höhere Transportkosten an, sowie CO2-lastige Benzinverbrennung. Das Einschmelzen von Glas bindet mehr Energie als die Wiederaufbereitung von Papier- oder Kunststoffbeuteln. Im Digitaldruckverfahren kann die Verpackung direkt bedruckt statt extra etikettiert werden; das vermeidet zum Beispiel Beklebung. Wird eine Verpackung mit einem Etikett aus einem anderen Material beklebt als die Verpackung, purzelt sie schon wie-

WISSENSCHAFT + PRAXIS 18 | 2023_01
[…] Nachhaltigkeit signalisiert Kunden den Sprung von der linearen in die zirkuläre Wirtschaft und in entsprechende ehrliche Kommunikation.

der aus der ökologischen Zirkularwirtschaft. Nutzer nachhaltiger Verpackungen können dagegen das anerkannte interseroh+-Siegel „made for recycling“ auf der Verpackung verwenden. Digitaldruck ermöglicht weiterhin kleinteilige Parzellierungen und kann die gesamte Verpackungsfläche zum Bedrucken nutzen – und das auch bei kleinen Auflagen. Somit ist er ideal für StartUps. Dabei reduzieren sich etliche analoge Arbeitsschritte wie Etikettenkleben, möglicherweise noch manuell. Zudem entfällt der hohe Dispositionsaufwand im Falle von großen Auflagen, gerade bei der Lagerung und dem Transport. Auch kann der gesamte Prozess vom Bestellen bis zum Drucken online abgewickelt werden.

Auf einer entsprechenden Online-Plattform werden Verpackungstyp und -größe ausgewählt, das Design hochgeladen, konfiguriert, bestellt und die fertige Verpackung vor die Tür geliefert wie bei einem klassischen Versender. Am besten wird die Verpackung noch von möglichst nahegelegenen Partnern gedruckt.

Natürlich fallen auch hier noch CO2-lastige Lager- und Transporteinheiten an. Auch wenn man als Hersteller nachhaltiger Verpackungen viel Mühe auf leichtes Material, hohe Schutzeigenschaften und eine ideale Gesamtbilanz verwendet, sollte man nie von

Verpackungen politisch betrachtet

Der Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW) hat in den ELEMENTE Bänden 20, 28 und 29 sowie in seinem Positionspapier zur Prävention und Risikominimierung dargelegt, welche Anforderungen Verpackungen aus Sicht der Cannabiswirtschaft erfüllen sollten.

Zur Qualitätssicherung sollten Cannabisverpackungen so konstruiert sein, dass sie einen Schutz vor Schimmelbildung gewähren und das Produkt bis zum Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums in gleichbleibender Qualität erhalten. Hierbei sollte ein Gasaustausch mit der Umgebungsluft auf ein Minimum reduziert werden und Möglichkeiten zur Feuchtigkeitsregulierung innerhalb der Verpackungen erlaubt sein.

Eine Verbringung in eine blickdichte und neutrale Umverpackung vor dem Verlassen des Verkaufspunktes sei zu befürworten, eine einheitliche Verpackungsvorgabe lehnt der Verband hingegen ab. Für BvCW-Geschäftsführer Jürgen Neumeyer wäre eine solche Vorgabe marktschwächend: „Eine einheitliche Verpackungsvorgabe halten wir in Hinblick auf die Konkurrenzfähigkeit mit dem unkontrollierten Schwarzmarkt, auf dem es bereits professionell gelayoutete Verpackungen gibt, für eine unnötige Schwächung des regulierten Marktes, zumal die Cannabisprodukte im Gegensatz zu Tabak oder Alkohol einzig in geschlossenen Verkaufsräumen angeboten werden.“

Generell sollte jedes Verkaufsprodukt über ein Etikett mit gut lesbaren Hinweisen zu der vertreibenden Firma, An-

„100 % nachhaltig“ sprechen, sondern immer überlegen, was man noch besser machen kann.

Wo wir wieder beim Thema wären: Die nachhaltige Verpackung verspricht nicht. Sie spricht. Im Idealfall passt zwischen Nachhaltigkeit und Aufrichtigkeit gerade mal ein Blatt Papier. Oder Monokunststoff. Hauptsache recycelbar. Und zur Aufrichtigkeit gehört auch die unverpackte Botschaft, dass niemand zu „100 %“ perfekt ist. ↙

ist Managing Director Packiro/Siegwerk Ventures. Er begann seine berufliche Karriere in einem kreativen Umfeld. Als Gründer eines Kunst-StartUps lernte er schnell die Herausforderungen in der Verpackungsbranche am eigenen Leib kennen. So entstand das neue Projekt, ein modernes Geschäftsmodell strategisch zu entwickeln. Die Idee, individuelle Verpackungen über eine digitale Plattform für alle Kunden zugänglich zu machen und dabei nicht nur diverse Produkte der Kunden zu schützen, sondern ebenfalls die Umwelt, wurde 2020 umgesetzt. Das war der Ursprung von Packiro. www.packiro.com

bauland, Gewicht, Erntedatum, Sortenbezeichnung, MHD, eventuellen Zusatzstoffen und des THC- und CBD-Gehaltes in Prozent und mg-Gesamtmengen (einem THC oder CBDGehalt über 1 %) verfügen. Darüberhinausgehende Informationen zu den Produkten, beispielsweise weitere Cannabinoide, Terpenprofile etc., sollten zulässig sein.

Als Sicherheitsmaßnahme, sollte die Abgabe von Cannabis nur in kindersicheren Behältnissen erlaubt sein. Zusätzlich sollten Warnhinweise auf der Verpackung aufgebracht werden, welche sich thematisch mit den Risiken der Abhängigkeit, Beeinträchtigung der Entwicklung, Verbot des Konsums von Minderjährigen, Verbot des Führens eines Fahrzeugs bei Fahruntüchtigkeit, sowie der Warnung vor dem Konsum während einer Schwangerschaft oder der Stillzeit auseinandersetzt. Diese Hinweise können in Form von Piktogrammen dargestellt werden. ↙

WISSENSCHAFT + PRAXIS 2023_01 | 19

Absichtserklärung Genussmittelregulierung

Cannabislegalisierung wird ein Marathon, kein Sprint

“Der Schwarzmarkt wird sich schwarzärgern”, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, als er am 12. April 2023 gemeinsam mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das neue Eckpunktepapier zur Legalisierung in der Bundespressekonferenz vorgestellt hat. Ob dies wirklich so ist, muss sich noch zeigen und hängt stark von der konkreten Ausgestaltung des Gesetzesentwurfs ab. Für die Cannabiswirtschaft war dieser Tag weder ein Tag zum “Schwarz ärgern” noch zum Feiern. Er war vielmehr eine Zwischenetappe im Marathon „Cannabislegalisierung“ – und auch eher eine frühe. Von Dirk Heitepriem und Jürgen

Das von den beiden Ministern vorgestellte Papier ist hierbei als Absichtserklärung zu verstehen, nicht als die finale Strategie der Bundesregierung. Denn einen neuen Kabinettsbeschluss hat es nicht gegeben und die Kabinettsposition ist weiterhin das Eckpunktepapier aus dem Herbst des vergangenen Jahres. Und natürlich gilt auch bei der Cannabislegalisierung das “Strucksche Gesetz”, dass Minister Özdemir selbst zitiert hat. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Peter Struck, hatte dies einmal formuliert: “Kein Gesetzentwurf verlässt den Bundestag so, wie er hereingekommen ist.” Somit bleiben viele Fragen offen und gleichzeitig zeigen sich viele Möglichkeiten, diesen Marathon so zu beenden, dass alle irgendwie Gewinner sein können – außer dem Schwarzmarkt natürlich. Vorgestellt wurde ein zwei Säulen Modell, was eigentlich eher ein drei Säulen Modell sein müsste. Denn nach der ersten Säule der Entkriminalisierung und des nicht-kommerziellen Anbaus und der zweiten Säule der wissenschaftlichen Modellprojekte kommt noch die dritte Säule. Diese wird aus der Zusammenarbeit mit anderen europäischen Partnern bestehen, um in Europa (und wohl auch international) einen Rahmen zu schaffen, in dem einzelne Mitgliedsstaaten der EU einen legalen Cannabis-

markt aufbauen können. Die Cannabiswirtschaft hat die Vorschläge aus dem Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium begrüßt und als wichtigen Schritt in die richtige Richtung beschrieben. Dieser neue Vorschlag ist das klare Eingeständnis, dass die Prohibitionspolitik der vergangenen Jahrzehnte gescheitert ist und Konsumenten endlich in die Lage versetzt werden müssen, Cannabis legal zu konsumieren. Die Umsetzung der ersten Säule wird aber die Regierung, Politik und andere Akteure vor große Herausforderungen stellen.

Säule 1: Entkriminalisierung und nicht-kommerzieller Anbau

Die erste Säule soll, laut Lauterbach und Özdemir, schnellstmöglich – am besten noch in diesem Jahr – umgesetzt werden. Während hierbei die Entkriminalisierung und die Genehmigung des Eigenanbau relativ einfach umsetzbar sind, wird die Schaffung von Cannabis Anbau-Clubs regulatorisch und finanziell sicher größere Hürden auf die Marathonstrecke stellen. Fragen der Überwachung, Qualitätsanforderungen und -kontrolle sowie die Schaffung von Anbaumöglichkeiten auf die Länder und Kommunen zu übertragen, ist nicht so einfach. Personaldecken sind dünn, Erfahrung im Bereich Cannabis ebenfalls. Und ohne bundeseinheitliche Regeln entsteht das Risiko, ähnlich wie im Be-

RECHT + POLITIK 20 | 2023_01

reich des Medizinalcannabis, in verschiedenen Bundesländern verschiedene Regeln zu haben.

Gleichzeitig ist der Anbau von 300 kg Cannabis im Jahr (denn so viel könnte ein Cannabis Anbau-Club bei 500 Mitgliedern und 50 g Abgabe pro Monat und Mitglied maximal anbauen) mit größeren Investitionen verbunden. Neben der Suche nach geeigneten Standorten für den Anbau, werden umfangreiche Kosten für Lüftung, Klimatisierung, Beleuchtung und Bewässerung anfallen. Die Cannabiswirtschaft ist hier gern bereit sich einzubringen. Neben der Schaffung von maßgeschneiderten Angeboten für Clubs bei der Grundausstattung, wäre auch die Auftragsproduktion oder die Vermietung von voll ausgestatteten Pflanzräumen eine Möglichkeit die Clubs zu unterstützen und gleichzeitig Qualität und Konstanz zu garantieren. Dies ist aber nur möglich, wenn der Gesetzgeber im Gesetz eine Möglichkeit dafür schaffen würde.

Dieser neue Vorschlag ist das klare Eingeständnis, dass die Prohibitionspolitik der vergangenen Jahrzehnte gescheitert ist und Konsumenten endlich in die Lage versetzt werden müssen, Cannabis legal zu konsumieren.

Säule 2: wissenschaftliche Modellprojekte

Die zweite Säule soll zwar erst über den Sommer ausgearbeitet und damit deutlich nach der ersten Säule realisiert werden, soll aber gleichzeitig den entscheidenden Schritt darstellen, um langfristig einen legalen Markt für Cannabis in Deutschland und Europa zu schaffen. Dafür wurden in den vergangenen Monaten in den verschiedenen beteiligten Ministerien bereits wichtige Voraussetzungen geschaffen. Seit die Eckpunkte des Kabinetts im vergangenen Jahr beschlossen wurden, haben zahlreiche Ministerien an der Definition von Rahmenbedingungen für Anbau, Distribution und Verkauf gearbeitet. Eine zeitnahe Umsetzung ist daher nicht nur dringend erforderlich, sondern auch möglich. Leider sind die Vorstellungen über die wissenschaftlichen Modellprojekte im aktuellen Papier noch sehr unscharf umrissen. Für die Cannabiswirtschaft können diese Modellprojekte nur einen Einfluss auf den Schwarzmarkt haben, wenn sie flächendeckend eingeführt werden und möglichst vielen Konsumenten eine breite Produktpalette zur Verfügung stellt. Dafür braucht es einen bundesweit möglichen Anbau auf Basis von Anbaulizenzen, damit alle Projekte mit unterschiedlichen Sorten beliefern werden können.

Um den Einfluss auf den Schwarzmarkt auch wirklich messbar zu machen, ist die wissenschaftliche Begleitung der Projekte bundesweit einheitlich notwendig. Diese Begleitung muss auch eigentlich schon heute anfangen, um einen brauchbaren Startwert zu haben. Hierzu haben bereits zahlreiche Forschende einen gemeinsamen Vorschlag an die Bundesregierung gegeben. Offen bleibt auch die Frage, wie es nach den fünf Jahren Modellprojekt weitergehen soll. Ein Zurück zum Schwarzmarkt kann sicher nicht akzeptabel sein, vor allem da die Cannabislegalisierung vor allem ein Projekt zum Jugend- und Gesundheitsschutz ist.

Wichtige Punkte bleiben offen

Unser Marathon hat gerade erst angefangen, jedoch sind noch nicht alle Starter zugelassen worden. Die vorgestellten Strategien klammern noch immer entscheidende Punkte der Cannabiswirtschaft aus. Leider sehen wir auch noch keine Neuigkeiten zu Themen wie Medizinalcannabis, Nutzhanf, Lebensmittel oder CBD, die eigentlich eine jeweils eigenständige Regelung benötigen – wie auch im Eckpunktepapier aus dem Herbst 2022 angekündigt war.

Wenn Cannabis, und hier vor allem THC, in Deutschland legal wird, müssen auch die Rahmenbedingungen der anderen Bereiche überarbeitet werden. Ziel des Cannabis als Medizin-Gesetzes war einst unter anderen, Patienten weg vom Schwarzmarkt oder Eigenanbau, hin zu qualitätskontrollierten Produkten in der Apotheke und unter ärztlicher Anleitung zu bringen. Aufgrund der hohen Ablehnungsquote bei den Krankenkassen, gibt es eine große Zahl Selbstzahler-Patienten, die womöglich aufgrund der Kosten in die Cannabis Clubs wechseln. Um dies zu verhindern, muss unter anderem der Genehmigungsvorbehalt abgeschafft und deutlicher Bürokratieabbau bei Verschreibung und Kostenbewilligung realisiert werden.

Abschließend ist absolut fragwürdig, dass während THC-haltige Produkte legalisiert werden sollen, Hanfbauern und CBD-Unternehmen noch immer Gefahr laufen, sich strafbar zu machen oder zumindest von Staatsanwälten verfolgt zu werden. Daher sollten wir auch eine nullte Säule schaffen: Deutliche Erleichterungen beim Nutzhanf und klare Legalisierung von CBD. Die Vorschläge dafür liegen seit langer Zeit auf dem Tisch und könnten sehr kurzfristig – auch ohne Gesetzesänderung – umgesetzt werden. Die Cannabiswirtschaft steht bereit, alle Säulen zu unterstützen und zum Erfolg zu führen. In den vergangenen Jahren haben wir nicht nur viel Know-How aufgebaut, sondern ebenfalls eine gute Kondition, um den Marathon auch zu Ende zu führen. ↙

Dirk Heitepriem

Dirk Heitepriem ist Vizepräsident des Branchenverbandes Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW) und koordiniert dort den Fachbereich “Genussmittelregulierung”. Er arbeitet als Vice President External Affairs bei Aurora Europe, die in Kanada bereits Cannabis als Genussmittel produzieren und in Deutschland eine der drei Lizenzen für die Herstellung von Cannabis als Arzneimittel haben.

Jürgen Neumeyer

Jürgen Neumeyer war nach seinem Abschluss als Dipl.-Pol. ehrenamtlich zehn Jahre Referent für Drogenpolitik bei den Bundes-Jusos und beruflich 17 Jahre als Mitarbeiter im Bundestag. Nach einer langjährigen Tätigkeit als selbständiger Politikberater, Headhunter und Lobbyist, setzt er sich heute als Geschäftsführer des Branchenverbandes Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW) für die Interessen der Cannabiswirtschaft ein.

RECHT + POLITIK 2023_01 | 21

Guter Start für Schweizer Pilotprojekt No. 1

Weed Care-Studie zum legalen Cannabisverkauf angelaufen

Als erster vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit bewilligter Feldversuch zum Umgang mit einer kontrollierten Cannabisabgabe ist die sogenannte „Weed Care“-Studie angelaufen. Sie untersucht seit Anfang des Jahres den Verkauf von Cannabis in neun Basler Apotheken und soll Erkenntnisse liefern, die der weiteren Cannabislegalisierung in der Schweiz dienen könnten.

Hintergrund

Das Pilotprojekt Weed Care ist ein Gemeinschaftsprojekt des Gesundheitsdepartementes Basel-Stadt, der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel, der Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG) und der Universität Basel. Die Studie ist auf 2,5 Jahre ausgelegt. Studienbeginn war der 30. Januar 2023. Die Cannabisstudie wird vom Gesundheitsdepartement Kanton Basel-Stadt durchgeführt und von Prof. Dr. med. Marc Walter, Klinikleiter und Chefarzt Psychiatrie, Psychiatrische Dienste Aargau, als Projektleiter begleitet.

Um in der Schweiz eine wissenschaftliche Grundlage für künftige politische Regelungen zum Verkauf von Cannabis zu haben, sind seit 2021 zunächst für die Dauer von zehn Jahren Pilotprojekte erlaubt. Diese wissenschaftlichen Pilotversuche mit Cannabis sind örtlich und zeitlich begrenzt. Die Cannabisstudie Weed Care hatte als erstes dieser Projekte die Bewilligung des nationalen Bundesamtes für Gesundheit erhalten und ist nun angelaufen.

Seit 30. Januar kann die erste Studiengruppe in neun teilnehmenden Basler Apotheken nach Vorweisen des Studienausweises ganz legal Cannabis beziehen. Sechs Produkte des Schweizer Anbieters Pure Production (Laufenburg) kommen bei der Studie zum Einsatz – davon zwei Haschisch- und vier Cannabisblütenprodukte mit jeweils unterschiedlichem THC-/CBD-Gehalt. Der THC-Gehalt beginnt bei 4,5 %, das am höchsten dosierteste Produkt enthält den gesetzlich festgelegten Maximalgehalt von 20 % THC. Die Teilnehmer können sich das Produkt ihrer Wahl holen, die maximale Menge ist jedoch auf 10 g THC-Gesamtmenge pro Monat begrenzt. Wie Regine Steinauer, MSc, Leiterin Abteilung Sucht vom Gesundheitsdepartement Kanton Basel-Stadt, CannaVision auf Nachfrage mitteilte, nehmen 374 Probanden insgesamt an der

IM RAMPENLICHT 22 | 2023_01
Aus diesen sechs Cannabisprodukten können Teilnehmer der Weed Care-Studie auswählen. Bild: Gesundheitsdepartement Basel-Stadt

Studie teil. Darunter befinden sich 302 Männer, 66 Frauen und sechs non-binäre Personen. Der jüngste Teilnehmer ist 18 Jahre alt, die älteste Person 76. Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmenden beträgt 36 Jahre. „Alle haben den ersten Fragebogen ausgefüllt. Aktuell läuft die zweite Online-Befragung“, erklärt Regine Steinauer den aktuellen Stand der Dinge. 187 Teilnehmende sind es in der ersten Studienphase, die bereits legal Cannabis beziehen dürfen.

Die zweite Teilnehmergruppe, die eine Kontrollgruppe im Rahmen der wissenschaftlichen Studie darstellt, startet sechs Monate später. Auch sie werden im Abstand von zwei Monaten Fragebögen zu ihrem Konsumverhalten und ihrer Gesundheit erhalten, die sie online ausfüllen müssen.

Das erwartbar große Medieninteresse

Die Teilnahme an der vielbeachteten Pilotstudie unterliegt strengem Jugendschutz. Es dürfen nur Erwachsene teilnehmen, die ihren ständigen Wohnsitz im Kanton Basel haben. Diese müssen über Grundkenntnisse in Deutsch verfügen. Außerdem kamen nur Personen in Betracht, die während der vergangenen sechs Monate vor der Teilnahme an der Studie mindestens einmal im Monat Cannabis konsumiert haben, was per Urin-Probe kontrolliert wurde. Da die Befragungen online erfolgen, müssen Teilnehmende ebenfalls über eine E-Mail-Adresse und ein Online-fähiges Endgerät wie PC, Laptop, Smartphone oder Tablet verfügen. Insgesamt ist die Studiendauer auf 2,5 Jahre festgelegt, sodass Mitte 2025 die Ergebnisse feststehen, auf deren Grundlage zukünftige politische Entscheidungen in der Schweiz stattfinden sollen. Auch das rege Medienecho spricht eine eindeutige Sprache, was die Erwartungen und Neugierde an das (aller)erste Pilotprojekt angeht: „Sowohl regionale, nationale wie auch internationale Medienschaffende haben Interviews mit dem Kanton als Auftraggeber der Studie, der Projektleitung, dem Produzenten wie auch mit Teilnehmenden geführt“, teilt Regine Steinauer mit und fährt fort: „Es sind zahlreiche Berichte in Printmedien, Online-Medien, Fernsehen und Radio erschienen. Das Interesse hält weiter an. Dabei ist aufgefallen, dass die Berichterstattung sehr fachlich und informativ erfolgt ist“, berichtet Regine Steinauer.

Nach dem Start der Studie gefragt, spricht der Projektleiter Prof. Dr. Marc Walter von einem guten und insgesamt problemlosen Projektbeginn. So konnten etwa auch die Studienausweise, die zum Erwerb der Cannabisprodukte in den teilnehmenden Apotheken befähigen, ausnahmslos an alle Teilnehmenden ausgehändigt werden. Hierzu habe auch die transparente Information

im Netz und Schulung des Personals beigetragen: „Die Weed Care Website mit Fragen an die Studienärzte wurde rege genutzt und offene Fragen zum Start konnten darüber beantwortet werden. Auch wurden die Apotheken umfassend im Umgang mit den Teilnehmenden sowie der Technik zur Erfassung der Produkte geschult“, so Prof. Walter. Von den Teilnehmenden habe es bisher auch nur positives Feedback gegeben, sowohl zu den Produkten („keinerlei Reklamationen“) als auch zu dem Ablauf der Studie. Und auch die von einigen Gegnern im Vorfeld geäußerten Befürchtungen über kriminelle Zwischenfälle im Rahmen der Besorgung haben sich als unbegründet erwiesen. Weder von der Polizei noch von den Apothekern gab es diesbezüglich Meldungen.

Der Studienleiter berichtet zudem, dass in den ersten beiden Monaten seit dem Start ungefähr 5.000 g Cannabis verkauft werden konnten. Darunter allein 2.000 g von dem Blütenprodukt mit 16 % THC-Gehalt, welches sich damit als bislang beliebtestes Produkt der Teilnehmenden herauskristallisiert. Darüber hinaus wurden ca. 1.000 g von dem Haschischprodukt mit 20 % THC-Gehalt verkauft. Die beiden Produkte mit dem höchsten THC-Gehalt sind also die gefragtesten in den Basler Apotheken.

Wissenschaftliche Grundlagen schaffen

Die Auswahl der Cannabisprodukte im Verlauf der Studie sehen die Verantwortlichen als zielführenden Faktor an. Ändert sich womöglich das Konsumverhalten mit der Zeit, sodass Probanden von niedrigeren zu höheren Produkten wechseln – oder umgekehrt? Wird wegen der begrenzten monatlichen Maximalmenge oder auch aufgrund des vorgegebenen Produktangebots noch zusätzlich auf dem Schwarzmarkt gekauft oder nicht? Als weiteren inhaltlichen Aspekt bringt der Studienleiter das Thema Gesundheit ins Spiel: „Interessant wird auch zu sehen, ob sich der Verlauf ein Jahr nach Studienbeginn positiv auf die psychische Gesundheit der Teilnehmenden ausgewirkt hat und ob weniger oder mehr Cannabis konsumiert worden ist“, so Prof. Walter. Diese Fragen sind es, die mit Aufschluss geben sollen über die weiteren Schritte in Bezug auf die Legalisierung in der Schweiz. Wohlgemerkt. Denn die Weed Care-Studie ist nur das erste solcher Projekte, das anhand von wissenschaftlichen Grundlagen dabei helfen soll, der Öffentlichkeit ein Bild zu verschaffen über den legalen Verkauf von Cannabis im Vergleich zum Status quo. Zusammen mit den Erkenntnissen aus weiteren „Feldversuchen“ wird es Impulse für die politische Diskussion einer zukünftigen Cannabispolitik liefern.

Erste handfeste Zwischenergebnisse der Weed Care-Studie sind für Januar 2024 angekündigt. ↙

IM RAMPENLICHT 2023_01 | 23
Prof. Dr. Marc Walter Foto: PDAG Regine Steinauer Foto: Gesundheitsdepartement Basel-Stadt

Hanf als Kompass im System-Reset

Interview mit Maren Krings

Auf einer sechsjährigen Recherchereise zur weltweiten Wiederentdeckung von Industriehanf hat die Fotografin und Journalistin Maren Krings 26 Länder und vier Kontinente besucht. Dabei hat sie mehr als 200 Projekte fotografiert und zahlreiche Branchenexperten interviewt, um das Potenzial der Hanfpflanze zur Milderung der sozio-ökologischen Krise aufzuzeigen. Die Ergebnisse sind in dem enzyklopädischen Buch ‚H is for Hemp‘ zusammengeführt, in dem Krings Bilder, Geschichten, Experteninterviews und Grafiken mit tagebuchartigen Anekdoten verbindet. Im Interview mit CannaVision spricht die Autorin über ihre Recherchen zur Hanfpflanze. Von Rebekka Nurkanovic

Wie sind Sie dazu gekommen, ‚H is for Hemp‘ zu verfassen und wen wollen sie damit erreichen?

‚H is for Hemp‘ war ein Teil einer sehr langen Reise und Teilabschnitt eines Gesamtprojektes oder einer Gesamtmission. Die Hanfpflanze ist ein holistischer Begleiter der Menschheit und während meiner Arbeit an den Schwerpunkten Klimakrise und Flüchtlingskrise stieß ich immer wieder auf Themen, die mich zu Hanf führten. Irgendwann musste ich mich einfach fragen, warum das Thema Hanf mich immer wieder von der Story abbrachte, an der ich eigentlich gerade arbeitete.

Ich habe dann erkannt, dass Hanf für die Krisen, mit denen ich mich beschäftigte, Lösungsansätze bot und es wurde mir relativ schnell klar, dass ich dem Thema meine gesamte Aufmerksamkeit schenken musste, denn Hanf ist sehr komplex. Selbst innerhalb der Hanf- und Cannabisindustrie herrscht nicht immer Klarheit über die verschiedenen Industriezweige und die Pflanze ist auch in der Verarbeitung extrem komplex, so dass nur Nischenexperten sich in den Teilbereichen wirklich auskennen.

IM RAMPENLICHT 24 | 2023_01

Für mich war die Mission, ein Werk zu verfassen, das kurz und klar, aber trotzdem in einer gewissen Tiefe, Informationen für jeden Bereich des Handwerkes liefert. Das Wissen, das ich zusammengetragen habe, ist so vielschichtig, dass ich mich für das Medium Buch entschieden habe, um es übersichtlich darzustellen. Mir war wichtig, dass es auch für Leser außerhalb der Cannabisindustrie leicht zugänglich ist und so kam die Idee, eine Enzyklopädie zu erstellen, so dass man nicht gezwungen ist in einer vorgegebenen Reihenfolge zu lesen. Bei der Betrachtung des Themas habe ich die Donut Economy von Kate Raworth als Einstieg gewählt, in der es darum geht, die sozialen Grundlagen und die planetaren Grenzen zu definieren – ich wollte wissen, wo Hanf dabei ins Spiel kommt.

Sie sagen, dass Hanf dazu beitragen kann, einen System-Reset in der heutigen Welt zu schaffen. Was meinen Sie mit SystemReset und welche Rolle kann Hanf dabei spielen?

System Reset betrifft die globalen Industrien. Wir wissen alle, dass wir ein Problem haben, weil wir momentan mehr Ressourcen verbrauchen als unser Planet auf natürliche Weise nachwachsen lassen kann. Mit Hanf habe ich die Möglichkeit, mich dem Verständnis dieser Problematik auf eine Art und Weise zu widmen, durch die ich zunächst die Wurzeln des Problems erkennen und dann schauen kann, ob diese Pflanze dazu einen Lösungsbeitrag bietet. Hanf kann natürlich nicht die Lösung für alles sein, aber er war innerhalb dieser Problematik mein Kompass, und hat mich durch alle Industriebereiche geführt. Wir haben keine Industrie, die nicht in irgendeiner Form mit Hanf in Verbindung steht. Das betrifft naheliegende Industrien wie Bau-, Papier-, Textil- oder Kosmetikindustrie, und solche, an die man nicht auf Anhieb denkt. So kommt Hanf mit Schwerindustrien in Verbindung, wenn es um die Reinigung verseuchter Böden geht, zum Beispiel im Umfeld von Stahlwerken oder Goldminen, sogar bei Uranbelastung. Hanf hat für mich auch Symbolcharakter, weil er daran erinnert, dass es in der Natur kein ständiges Wachstum gibt, sondern Zyklen, von denen nur anderthalb oder zwei dem Wachstum gewidmet sind. Unser Streben nach ständigem Wachstum ist insofern unnatürlich.

Hanf erfordert auch einiges an Handarbeit und damit steigt das Verständnis eines Produktes, man versteht den erforderlichen Aufwand und bekommt mehr Respekt für die Prozesse. Ohne dieses Verständnis gibt es eine gewisse Entfremdung. Im Buch versuche ich über sehr persönliche Geschichten, zum Beispiel auch Tagebucheinträge von mir, solch ein Verständnis zu vermitteln.

Ich denke also, dass Hanf ein System Reset begünstigen kann, indem er dazu anregt, unsere gesamte Industrie und Lebensstile zu hinterfragen und nach Alternativen zu suchen.

Wo sehen Sie das größte Potenzial der Pflanze, Wirtschaftlichkeit, Ökologie und soziale Beteiligung zu fördern?

Dinge wie Wirtschaftlichkeit, Ökologie und soziale Beteiligung sind ein bisschen wie die Erwartung, Norden, Süden, Westen und Osten in einer Seefahrt mit einem gesetzten Segel zu erreichen. Das System Reset sollte im Optimalfall beinhalten, dass wir überdenken, was Wirtschaftlichkeit bedeutet. Geht es darum, dass der finanzielle Reichtum auf dem Bankkonto wächst oder liegt die Wirtschaftlichkeit einer Unternehmung darin, dass ich etwas erstelle, was sich in Harmonie mit meinem gesamten Umfeld, der gesamten Natur befindet?

Unsere indigenen Bevölkerungsgruppen leben seit Jahrtausenden nach dem Prinzip, dass man bei einer Entscheidung die Auswirkungen für kommende Generationen mitbedenken muss. Die westlichen Kulturen haben neue Systeme entworfen, die leider nicht auf Nachhaltigkeit oder Lebensbejahung gründen. Hanf hat eine positive ökologische Bilanz und ich hoffe, dass unsere Politik zu der Erkenntnis kommt, dass die Besteuerung von Waren mehr nach den ökologischen Auswirkungen verfasst werden muss als nach dem Einkommen auf dem Bankkonto.

Hanf hat außerdem so viele nützliche Bestandteile, dass es eine Gemeinschaft braucht, um alle sinnvoll zu verwerten. Die Pflanze kann uns wieder beibringen, Ökologie und soziale Inklusion als Teil unserer Wirtschaftlichkeit zu betrachten. Er zwingt uns in zirkuläre Kreislaufökonomien einzugehen, die sich kaum ohne die Menschen, die dazu gehören, kreieren lassen, denn die Menschen müssen sich koordinieren und aufeinander getaktet auf die natürlichen Prozesse einstellen. Ein Faktor für soziale Beteiligung ist also, dass wir zusammenkommen und wieder lernen, dass wir Teil der Natur sind.

Ich bin für meine Recherchen viel gereist und das hat mir geholfen, zu verstehen, dass in unterschiedlichen Regionen auch unterschiedliche Nutzungen von Hanf sinnvoll sind. Das ist ein Punkt, den die Hanfindustrie immer im Hinterkopf behalten sollte. Macht es beispielsweise Sinn, Hanf für Textil in Deutschland anzubauen, wo wir kürzere Sommer haben als im Süden und die Pflanze oft nicht die nötige Wachstumshöhe erlangen kann? Auch Winterhanf wird in Deutschland wahrscheinlich immer schwieriger bleiben als in nördlicheren Regionen wie Finnland, Lettland, Estland und Litauen, die noch richtig kalte und trockene Winter haben. Generell bildet sich der Hanf als Textilfaser in den Ländern stärker heraus, wo er höher wachsen

IM RAMPENLICHT 2023_01 | 25
Mare n K rings
Durch die Prohibition haben wir eine Art Kollektivlöschung unseres Gedächtnisses erhalten.

Europäische Nachhaltigkeitsmanager und Unternehmensleiter trafen sich 2019 im italienischen Piemont, um über die Ausrichtung der Outdoor-Branche in Zeiten der Klimakrise zu diskutieren. Um ihre Kohlenstoffemissionen auf dem Weg dorthin auszugleichen, pflanzten alle Teilnehmer vor Beginn der offiziellen Workshop-Reihe Hanf an. Für Maren Krings zeigt das Bild symbolisch, dass jeder die Möglichkeit hat, einen Schritt in eine neue Richtung zu tun: einfach einen Samen nehmen, in die Erde stecken und schauen, was Gutes dabei herauskommen kann. Bild: Maren Krings Photography

kann, die Hanfgenetik dazu passt und wo auch das Wissen erhalten wurde, wie die Faser weiterverarbeitet werden kann. Durch die Prohibition haben wir eine Art Kollektivlöschung unseres Gedächtnisses erhalten. Manche alte Menschen können aber noch auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückblicken und es ist wichtig, dass wir dieses Wissen zusammentragen, bevor es komplett mit unserer älteren Generation zu Grabe getragen wird, um es dann in einer neuen Form aufzuarbeiten.

Was behindert aus Ihrer Sicht die sozio-ökologisch bestmögliche Nutzung von Hanf?

Ich bin der Meinung, dass unsere Politik gerade mit Förderungen im landwirtschaftlichen Bereich oder Besteuerungen eingreifen müsste. Gäbe es eine CO 2 Steuer, würde unsere Welt völlig anders ausschauen und der Hanf wäre auf einmal attraktiv und wahrscheinlich von heute auf morgen wieder das meistgenutzte Pflänzlein, weil er uns erlaubt, in vielen Dingen sehr sparsam

und nachhaltig zu wirtschaften. Für die Förderung von Hanfpapier wäre es auch hilfreich, wenn wir viel stärkere Regulierungen für unsere kranken und anfälligen Wälder hätten.

Es war Ihnen wichtig, dass ‚H is for Hemp‘ auf Hanfpapier gedruckt wurde, aber das war leichter gesagt als getan. Wo lag das Problem und wie haben Sie es schließlich gelöst?

Ich habe über zwei Jahre hinweg versucht, Hanfpapier zu finden und musste feststellen, dass kein wirklich industriell gefertigtes Hanfpapier zur Verfügung stand. Es gab zwar zwei deutsche Papier-Manufakturen, aber nichts, das für Buchdruck geeignet gewesen wäre. Ich habe mich als Autorin mit einem so speziellen Papierwunsch auch in der Verantwortung gesehen, dem Drucker sagen zu können, dass das Papier über seine Presse laufen kann, ohne einen 100.000 € Schaden zu hinterlassen, weil die Druckköpfe kaputt gehen. Am Ende bin ich mit der Papiermanufaktur Hahnemühle zusammengekommen, die bereits ein Hanf-

IM RAMPENLICHT 26 | 2023_01

papier für den Kunstbereich herstellte. Daher wusste sie, was auf sie zukommen würde und war bereit, den Versuch zu wagen. Es war eine große Herausforderung, auch weil wir uns für Digitaldruck entschieden haben, um keine exorbitant große Auflage von Büchern produzieren zu müssen, die bei so einem teuren Papier unter Umständen das ganze Unternehmen ad acta gelegt hätte.

Ich bezweifle, dass man bei diesem Buch von Kosteneffizienz sprechen kann. Es war horrend teuer in allen Schritten, aber es war mir die Sache wert, weil ich nicht wollte, dass mein Buch eines von vielen ist, bei denen im Impressum steht, „wir wollten gerne auf Hanfpapier drucken, aber ging nicht“. Es war ein gewagter Schritt für die Papiermanufaktur und für mich als Künstlerin, dieses Experiment umzusetzen und es war kein einfacher Weg. Es gab viele technische Probleme, aber das gehört dazu, wenn man Pionierarbeit macht und hinterher waren wir alle, milde gesagt, froh, stolz und erleichtert.

Ich bin dankbar für die Erfahrungen, die ich habe sammeln dürfen, aber oft nicht ganz so dankbar dafür, dass das Buch jetzt auch den entsprechenden Verkaufspreis hat. Dadurch ist meine ursprüngliche Mission, Open Source Wissen zur Verfügung zu stellen, leider ein bisschen gescheitert. Das sehe ich jedoch als ein temporäres Problem, denn ich nutze auch andere Wege, das Wissen zur Verfügung zu stellen und plane, das Buch als nächsten Schritt im E-Book Format herauszugeben.

Schon allein die Tatsache, dass jetzt gesagt werden kann, es gibt wieder ein Hanfpapier, ist positiv. Die Lieferketten sind bei Papier zurzeit hochproblematisch. Viele Verlage publizieren momentan keine Bücher mehr, weil sie sich nicht einmal mehr das Papier von Bäumen leisten können. Wir sind also an einem Scheidepunkt, an dem Hanfpapier relevanter werden kann. Wenn Papier mehr kosten muss, dann soll es bitte aus Hanf sein, weil der zumindest nicht auf Kosten unserer Ökosysteme geht.

Gab es ein Projekt, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist? Da fallen mir zwei Dinge ein, die im kompletten Extrembereich liegen. Das eine habe ich am Anfang meiner Geschichte mit Hanf erlebt, in einem kleinen Südtiroler Dorf, wo ein Baustoffberater und Bergbauer über Jahre hinweg im Hinterhof herumexperimentiert hat, bis er einen marktfähigen Baustoff erfunden hat. Die ersten Hanfpflanzen kamen von seinem Bauernhof und er musste jede Pflanze gegen die Carabinieri verteidigen, weil sie dachten, er pflanze Marihuana an.

Das andere war eine der letzten Geschichten, auf die ich während meiner Recherchen gestoßen bin. Dabei geht es um das Thema Bodenreinigung oder Phytoremediation mit Hanf. Eine Wissenschaftlergruppe in Südafrika reinigt alte Goldminen mit Hanf von Schwermetallen und Uran. Sie machen das im Schulterschluss mit Pelindaba, dem ehemaligen Nuklearprogramm Südafrikas, um die Pflanzen auch sicher auslöschen zu können. Diese beiden Beispiele zeigen sehr schön, dass Hanf sowohl ganz kleine als auch ganz große Projekte umfassen kann.

Ihr großes Buchprojekt zu Hanf ist abgeschlossen. Werden Sie das Thema weiterverfolgen?

Ja, ganz klar, das Thema begleitet mich weiter. Im nächsten Projektschritt möchte ich Film integrieren und es wird eine große Wanderausstellung geben, um dieses Thema neuen Zielgruppen nahe zu bringen, auf eine persönliche und inspirierende Weise, entgegengesetzt zur Belehrung mit erhobenem Zeigefinger.

Ich möchte außerdem selber einen Beitrag für soziale Gleichheit und Klimagerechtigkeit leisten und habe knapp 50 Bücher aus dem Kontingent für ein Book-Buddy Programm beiseitegelegt. In vielen Ländern herrscht noch ein großes Verständnisproblem, der Unterschied zwischen Marihuana und Hanf ist einfach nicht bekannt. Dort ist es wichtig, dass die Menschen bei ihrer Lobbyarbeit ein physisches Buch in der Hand haben und sagen können, schau‘ das ist aus Hanf Papier und darin steht, was man noch alles aus Hanf machen kann. Für das Programm suche ich Sponsoren, die jeweils ein Buch für ein afrikanisches Land ihrer Wahl kaufen sowie den Versand bezahlen. Ich selber werde das Buch in das gewählte Land liefern und Kontakt zwischen den Sponsoren und Partnern in den jeweiligen Ländern herstellen. Davon verspreche ich mir den Beginn eines Austausches auf wirtschaftlicher Interessenebene und auch auf menschlicher Ebene. Zwischen Kenia und Dänemark haben wir schon ein erstes Buch über das Book-Buddy Programm bestellt und ich hoffe, mit der Zeit entsteht ein ganzes Netzwerk.

Danke für das Interview. ↙

IM RAMPENLICHT 2023_01 | 27
Ich denke, dass Hanf ein System Reset begünstigen kann, indem er dazu anregt, unsere gesamte Industrie und Lebensstile zu hinterfragen und nach Alternativen zu suchen.

Umwelt, Soziales und Unternehmensführung

Operationalisierung von ESG in der Cannabis-Industrie

Während der Cannabissektor heranreift, muss er sich auf den Schock der breiteren institutionellen Anforderungen einstellen. Seit der Verabschiedung der Proposition 215 in Kalifornien sind nun 27 Jahre vergangen. Vor fünf Jahren hat Kanada Cannabis für Erwachsene legalisiert und aktuell befinden sich mehrere europäische Länder in unterschiedlichen Phasen des Legalisierungsprozesses.

Vor vier Jahren engagierte sich Constellation Brands mit 4 Mrd. CAD in der kanadischen Cannabisindustrie, und vor weniger als einem Jahr schrieb das Unternehmen 1,1 Mrd. CAD dieser Investition in Canopy Growth (CGC) ab. Die Aktie von CGC bewegt sich derzeit oberhalb der 1 CAD-Marke und ist von einem Allzeithoch von 56,89 CAD heruntergekommen. Die Gründungsjahre von Cannabis haben viele Fälle von unternehmerischem Versagen hervorgebracht. Negative Schlagzeilen machten unter anderem kanadische multinationale Unternehmen, USamerikanische Multi-State-Operatoren, medizinische Start-ups aus der EU und nicht zu vergessen ein saftiger (Juicy) Finanzskandal. Fragwürdige Wachstumsprognosen, aufgeblähte Bewertungen, fehlerhafte Annahmen, mangelnde Sorgfaltspflicht und ein gewisses Maß an Fehlverhalten waren die Zutaten. Der übliche Cocktail von Problemen, den man in sich entwickelnden Sektoren erlebt, aber mit einer schwerwiegenden Wendung zusätzlicher Komplexität, denn Cannabis ist eine seit dem frühen 20. Jahrhundert verbotene Ware. Eine Prohibitionspolitik, die eine starke rassistische und diskriminierende Komponente aufwies, was zu einer fabrizierten gesellschaftlichen Stigmatisierung und zum Verlust von Generationen durch den „Krieg gegen Drogen“ führte.

BETRIEB + MARKETING 28 | 2023_01

Die unternehmerischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, denen sich Cannabis stellen muss, sind einzigartig. Nachdem es die Zyklen des Scheiterns, der Fusionen und Übernahmen und der Konsolidierung durchlaufen hat, sollte sich Cannabis als eine echte Branche begreifen und seinen eigenen Platz und seine eigene Stimme finden. Letztendlich sollte sich der Cannabissektor als Mitgestalter an sich entwickelnden regulatorischen Rahmenbedingungen und als Akteur auf den globalen Kapitalmärkten sehen. Das Rad muss nicht neu erfunden werden, damit der Cannabissektor richtig läuft, es braucht nur ein paar kleine Veränderungen, um ihn zu verbessern. Diese Verschiebungen können direkt auf die Variablen innerhalb der ESG-Kennzahlen und die inhärenten Berichtsanforderungen zurückgeführt werden. ESG als Rahmenwerk befindet sich auf seinem eigenen Weg zur Reife und sucht nach seinen Vorreitern und Modellen, die sektorübergreifend reproduziert werden können. Genau hier kann eine aufstrebende Branche nicht nur einen neuen Weg einschlagen, sondern von Anfang an operative Daten sammeln und nutzen, um langfristige Nachhaltigkeit zu gewährleisten.

Eine kurze Geschichte –Die Genese des Risikomanagements der ESG

Rahmenwerke für Umwelt-, Soziales- und Unternehmensführung, kurz ESG (Environmental, Social, and Governance) gibt es schon seit fast zwanzig Jahren. Bei der Entstehung des Begriffs im Jahr 2004 stellte ESG einen Rahmen für die Unternehmensbewertung dar. Angeregt durch eine Liste von Unterzeichnern, zu denen einige der weltweit führenden Finanzunternehmen gehörten, war ESG ein Vorschlag für ein zukunftsfähiges Risikomanagement nach den Schlagzeilen machenden Unternehmensskandalen der frühen 2000er Jahre.

Als Rentengelder aufgrund unternehmerischer Nachlässigkeit verloren gingen, war eine öffentliche Abrechnung unausweichlich. Und so nahm der Governance-Teil der heute akzeptierten ESG-Rahmenwerke aus den Folgen des Sarbanes-Oxley Act von 2002 Gestalt an.

Mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens (PKA) im Jahr 2015 richtete sich die weltweite Aufmerksamkeit auf Umweltziele. Dies beinhaltete eine erneute Konzentration auf Ziele zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen (CO2e) und den Mechanismus, mit dem die Bemühungen auf globaler Ebene über die Märkte koordiniert werden können. Das Ergebnis war die Verbreitung von Märkten für Emissionsgutschriften sowie die Umweltbilanzierung von Unternehmen, um Szenarien für eine globale Erwärmung von weniger als 1,5 °C zu erfüllen. Das „E“ von „ESG“ nahm allmählich Gestalt an.

Die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG), die im selben Jahr veröffentlicht wurden, sorgten für maximale Unruhe. Während die Unterzeichnerstaaten des PKA und der SDG-Verpflichtungen an die UNO gebunden waren, wuchs der öffentliche Druck auf die Unternehmen, ihren Teil beizutragen, welcher durch die sozialen Medien noch verstärkt wurde. In diesem Zusammenhang erwiesen sich die ESG als ein geeignetes Instrument, um den Grad der Reaktion der Unternehmen auf die zunehmenden Bedenken der Öffentlichkeit zu messen, hinsichtlich der Klimakrise, sozialer Ungerechtigkeiten und der Verantwortung der Unternehmen in diesen Fragen.

Klimakrise, soziale Ungerechtigkeiten und Verantwortung der Unternehmen

ESG-konforme Unternehmen „schaffen“, um die ESG-Kapitalallokation zu berücksichtigen – ESG-Ratings & Greenwashing

Börsennotierte multinationale Unternehmen waren die ersten, die die Einhaltung der ESG-Richtlinien nachwiesen. Im Jahr 2021 veröffentlichten 86 % der S&P-500-Unternehmen regelmäßig eine Art von ESG-Bericht, 2010 waren es noch 35 %. Der Finanzsektor war führend, da er bereits gesetzlich zur Einhaltung des Sarbanes-Oxley-Gesetzes verpflichtet war, das einen Rahmen für die Messung und Offenlegung von ESG-Aspekten enthält.

Als der Druck auf die Kapitalmärkte zunahm, die Portfolios gemäß den neu eingeführten ESG-Informationen zu verwalten, gab es einen raschen Anstieg der ESG-konformen und -ausge-

BETRIEB + MARKETING 2023_01 | 29
Cannabis ist eine seit dem frühen 20. Jahrhundert verbotene Ware. Eine Prohibitionspolitik, die eine starke rassistische und diskriminierende Komponente aufwies, was zu einer fabrizierten gesellschaftlichen Stigmatisierung und zum Verlust von Generationen durch den „Krieg gegen Drogen“ führte. Die unternehmerischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, denen sich Cannabis stellen muss, sind einzigartig.

Welche ESG-Implementierungsstrategie bietet den besten Weg zu Kapital und nachhaltigem Wachstum für

mein Unternehmen?

richteten Anlagemöglichkeiten, d. h. ESG-konforme Unternehmen, Wertpapiere und ETFs (Exchange Traded Fund/börsengehandelter Indexfonds). Infolgedessen entwickelten sich „ESG-Ratings“ zu einem entscheidenden Bindeglied zwischen Kapital und ESG-konformen Investitionen. Die Ratings haben die Aufgabe, das ESG-Risikoprofil und die Leistung eines Unternehmens oder Portfolios zu quantifizieren und gleichzeitig den Kapitalmärkten eine Anlageempfehlung zu geben.

ESG-Ratings können oft als Deckmantel für Greenwashing dienen oder zumindest zukünftige Übergangspläne mit der aktuellen ESG-Leistung verwechseln. Nehmen wir als Beispiel Pepsico, das auf der Yahoo Finance Top ESG-Rangliste für 2022 auf Platz 11 steht. Pepsico führt die Ausweitung der regenerativen Landwirtschaft an und plant, bis 2040 zu 100 % recycelbaren/biologisch abbaubaren und CO2-neutralen Produkten überzugehen. Aber so wie es aussieht, hat Pepsico 2019 57 Millionen Tonnen CO2e emittiert und plant, bis 2029 weitere 26 Millionen Tonnen zu emittieren.

Das alte Händlersprichwort „Aktien sind zukunftsorientiert, während die Anleihemärkte die Geschichte der aktuellen Wirtschaft erzählen“ scheint in diesem Fall sicherlich zuzutreffen, doch sind die sogenannten grünen Anleihen nicht unumstritten. Der gesamte Lebenszyklus der Projekte, die grünen Anleihen zugrunde liegen, wird selten untersucht, und es gibt auch keine

hen. Sie können Daten nutzen, um weit über die Einhaltung von Vorschriften hinaus einen tatsächlichen Wandel und einen systemischen Paradigmenwechsel zu erreichen.

Screening von Anlageportfolios vs. Unternehmensmanagement – Top Down vs. Bottom Up Anwendungen von ESG

Bei der Untersuchung der Entstehung und Entwicklung von ESG werden zwei Druck- und Anwendungspunkte deutlich, die die Operationalisierung von ESG beeinflussen. Einerseits der Druck von oben, der von den Märkten, Investoren und Regulierungsbehörden ausgeht, um Kapitalbewegungen in Richtung von Vermögenswerten zu beeinflussen, die neben positiven Finanzergebnissen auch eine positive nichtfinanzielle Bilanz aufweisen. Andererseits entsteht der Druck von unten nach oben durch die Umsetzung von ESG durch die Unternehmen selbst.

Aus Unternehmenssicht sind ESG sowohl eine gesetzliche Anforderung als auch ein wirksames Managementinstrument. Die Frage, die Gründer und Führungskräfte von (Cannabis-)Unternehmen beantworten müssen, lautet, „Welche ESG-Implementierungsstrategie bietet den besten Weg zu Kapital und nachhaltigem Wachstum für mein Unternehmen?“

Der Begriff „nachhaltiges Wachstum“ wird hier in einem weiteren Sinne verwendet, d. h. als langfristiges Wachstum, das die Zeit überdauert, und bezieht sich nicht auf eng gefasste Umweltziele (z. B. Verwendung oder Nichtverwendung von Plastikverpackungen usw.).

Der öffentliche Diskurs zu ESG ist eher auf Top-Down-Überlegungen ausgerichtet, wobei makroregulatorische Themen dominieren. Die Debatte dreht sich größtenteils um Ratings, Portfolio-Performance, Kapitalströme und die Performance von Anlageklassen. Es wird jedoch wenig aus der Perspektive des Unternehmens gesagt – vor allem bei jungen, in Privatbesitz befindlichen Start-ups, w ie es bei den meisten Cannabisunternehmen der Fall ist.

festgelegten Standards für die Definition oder die Sorgfaltspflicht bei der Zeichnung von grünen Anleihen. Mangelnde Transparenz und Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen haben die Branche ebenfalls geplagt, wobei Experten darauf hinweisen, dass man sich zu sehr auf die Bewertungen Dritter verlässt.

Aufstrebende Branchen wie Cannabis, die nicht an etablierte Kapital- und Einflussquellen gebunden und in der Lage sind, neue Grundlagen zu schaffen, sind am besten positioniert, um maximalen Nutzen aus der Einführung von ESG-Kennzahlen zu zie-

ESG und Cannabis: eine unbequeme Realität Umweltbelastungen

Die anfängliche Entwicklung von Cannabis zu einer legal produzierten Ware ist zu einem großen Teil den alten Betreibern zu verdanken, die gleichzeitig auf einen staatlich regulierten Anbau umstellten und Gewohnheiten verlernten, die den Anforderungen des illegalen Anbaus unterlagen. Von Bewässerungspraktiken über Standards für die Abwasserentsorgung bis hin zu Auswahl der Genetik, Blütedauer und den damit verbunde-

BETRIEB + MARKETING 30 | 2023_01

nen Energieverbrauch – viele Standardabläufe (Standard Operating Procedures SOP) der Branche könnten und sollten unter eine umweltkritische Lupe genommen werden.

Betrachtet man die Evulotion dieser Entwicklungen in den etablierten Märkten, ergibt sich ein trauriges Bild. Da 80 % des USCannabis in Innenräumen angebaut wird, benötigt diese relativ kleine Branche einen unverhältnismäßig großen Anteil des Energienetzes. Sie verbraucht oft zwischen zwei bis acht Prozent der Energieversorgung eines Staates zu einem beliebigen Zeitpunkt. Multipliziert man dies mit den 37 Bundesstaaten, in denen der Cannabisanbau in irgendeiner Form erlaubt ist, hat man die Grundlage für einen nationalen Notstand.

Mit der Verabschiedung strenger Auslegungen der GACP- und EU-GMP-Produktionsstandards tappt die europäische medizinische Cannabisindustrie in die gleiche Falle. Protektionistische nationale Wirtschaftspolitiken im sonnenarmen Nordeuropa haben ebenfalls das Potenzial, tickende Zeitbomben für die Energienetze ihrer Länder darzustellen, da Deutschland, Dänemark und die Niederlande einen größeren Anteil an der europäischen Cannabisproduktion haben.

Gesellschaftliche Gefährdungen

Die fragmentierte regulatorische Realität der Cannabisbranche hat Bedingungen geschaffen, die eine durch Fusionen und Übernahmen getriebene Expansion gegenüber organischem Wachstum begünstigen. Curaleaf, einer der größten internationalen Akteure in der Cannabisbranche, war in den letzten zehn Jahren an nicht weniger als 14 M&A-Transaktionen beteiligt. Bei Canopy Growth waren es im gleichen Zeitraum sage und schreibe 17 Transaktionen. Solche rasanten Expansionsraten in Verbindung mit einem Mangel an angemessenen Ressourcen für die Integration und unzusammenhängenden regionalen Lieferketten führten zu einem Abwärtsrennen bei den sozialen Aspekten. Kurze Unternehmensberichtszyklen und eine auf Umsatzwachstum ausgerichtete Vergütung der Führungskräfte lassen die Arbeitnehmer oft die Hauptlast der Versäumnisse tragen. Grundsätzlich besteht das Risiko darin, dass eine Trennung zwischen der Entscheidungsfindung im Unternehmen und dem Personal entsteht. Eine solche Fragmentierung kann zu Problemen mit der Mitarbeiterbindung, „Burnout“ und der allgemeinen Arbeitsmoral führen. Im schlimmsten Fall können die Risiken zu Sammelklagen und Anzeigen wegen widerrechtlicher Tötung durch die Strafverfolgungsbehörden führen.

Obwohl viele dieser Risiken durch die bestehenden europäischen Rahmenbedingungen für die pharmazeutische Industrie gemildert werden können und sollten, müssen die Aufsichtsbehörden in dem Maße, in dem die Lieferketten globalisiert werden und Pilotprogramme für den Gebrauch durch Erwachsene in Europa beginnen, ihre Aufsichtspflicht stets im Auge behalten.

Undurchsichtige Unternehmensführung

Aufgrund des oben genannten Drucks, der sich aus den alten Ursprüngen der Branche und der schnellen, durch Fusionen und Übernahmen getriebenen Expansion ergibt, fehlt es vielen Cannabisunternehmen an den notwendigen Führungsstrukturen, die von reifen Branchen erwartet werden. Beispiele hierfür sind:

unattraktive Cap-Tabellen mit einer endlosen Liste von Anbietern, Freunden oder Darlehensgebern; undurchsichtige Verhältnisse in Bezug auf wirtschaftlich Berechtigte (Ultimate Beneficial Ownership) und fehlende Legitimationsprüfungen (KYC due diligence), um diese Variablen genau zu erfassen; und asymmetrische Aktienklassen, die zu Unstimmigkeiten zwischen verschiedenen Interessengruppen führen.

Da viele börsennotierte Cannabisunternehmen bereits den Druck der ESG-Compliance spüren, war es aufschlussreich, ihre Reaktion zu beobachten. Die meisten lizenzierten Produzenten (LP) haben sich dafür entschieden, die Karten der Unternehmensführung nicht zu offen zu legen und sich stattdessen darauf zu konzentrieren, gute soziale Arbeit in der Gemeinschaft zu betonen und sich mit der zunehmenden Umweltverantwortung zu brüsten. Der Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung der ESGStrategie ist jedoch die Rechenschaftspflicht. Ohne die Verankerung von ESG in der Entscheidungs- und Verantwortungsmatrix des Führungsteams und des Verwaltungsrats kann keine sinnvolle Veränderung der Unternehmenstätigkeit oder -kultur erwartet werden.

Speziell mit Blick auf die bald vorgeschriebenen TCFD (Task Force on Climate Related Financial Disclosures) -Offenlegungen, die sich auf mehrere Börsen auswirken, darunter auch auf kanadische und britische Notierungen, wird die Unternehmensführung zunehmend zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Die Übertragung der Verantwortung für das Management der Klimarisiken eines Unternehmens auf die Führungskräfte ist ein wichtiger regulatorischer Schritt, um die Rechenschaftspflicht mit der Entscheidungsfindung zu verknüpfen.

ESG und Cannabis: Wo entsteht der Druck?

Top Down – Öffentliche Märkte, TCFD, SEC & CSRD

Regulierungsbehörden und Börsen haben weitreichende Pläne für verpflichtende ESG- oder klimabezogene Angaben angekündigt. Da sich die kanadischen und britischen Börsen für die TCFD entschieden haben und die US-Börsen sich an den neuen SEC-Anforderungen orientieren, werden alle börsennotierten Cannabisunternehmen, die die Mindestkapitalisierungsanforderungen erfüllen, bald in der Pflicht sein.

BETRIEB + MARKETING 2023_01 | 31

Die Verabschiedung der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) im November 2022 durch das Europäische Parlament bringt die ESG-Berichtsanforderungen noch näher an die Cannabisbranche heran. Während die TCFDund SEC-Offenlegungen börsennotierte Unternehmen betreffen, sind die CSRD-Richtlinien auf eine breitere Untergruppe von Unternehmen ausgerichtet, die die Anforderungen an Größe und Kapitalisierung erfüllen. Wenn zwei der folgenden Bedingungen erfüllt sind, sind Nicht-EU-Unternehmen mit EU-Beteiligungen an die CSRD-Berichtspflicht gebunden: eine Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro, ein Nettoumsatz von mehr als 4 Millionen Euro und mehr als 250 Beschäftigte im Durchschnitt des Geschäftsjahres. Angesichts des Umfangs der Fusionen und Übernahmen von europäischen Cannabisunternehmen mit nordamerikanischen Unternehmen in den letzten fünf Jahren kann man davon ausgehen, dass viele multinationale Unternehmen bald in gewissem Umfang berichtspflichtig sein werden. Gründer, die ein schrittweises Vorgehen bei der Mittelbeschaffung anstreben, müssen ESG-Risiken früher berücksichtigen, um die Anforderungen der Investoren zu erfüllen. Während die Kosten und der Zugang zu Kapital weiterhin die wichtigsten Faktoren für die Einführung von ESG sind, sollten die einfache Einhaltung von Vorschriften und die schrittweise Integration nicht unterschätzt werden. Die meisten Gründer in der Cannabisbranche dürften den Ehrgeiz haben, zwei der drei CSRD-Schwellenwerte in relativ kurzer Zeit zu erreichen, was den Aufbau ihres Unternehmens auf einer soliden ESG-Basis gewährleistet.

Bottom Up und sektorspezifisch – Physische Risiken, Betriebskosten, Zielpublikum und Übergänge

Die mit dem Klimawandel verbundenen physischen Risiken sind allgegenwärtig. Die sich ändernden Wettermuster wirken sich auf die Niederschlagsmengen, die Luftfeuchtigkeit, die Häufigkeit extremer Wetterereignisse und vieles mehr aus. Verantwortungsbewusstes Management hängt zunehmend von der Modellierung von Unternehmensdaten im Hinblick auf Klimaszenarien und die damit verbundenen physischen Risiken ab. Während sich die Befürwortung globalisierter, voneinander abhängiger Lieferketten positiv auf die Verringerung physischer Risiken für

die Cannabisbranche auswirken kann, fördert das derzeitige uneinheitliche Rechtssystem die Lokalisierung, bei der physische Risiken unvermeidlich sein können.

Makroelemente wie die Geopolitik und sich verändernde Arbeitsmarktmuster zwingen die Unternehmen ebenfalls zu einem umsichtigeren und datengesteuerten Management. Wenn Sanktionen gegen ausländische Energieunternehmen die Betriebskosten in die Höhe treiben, kann eine ESG-Datenstrategie den Unterschied zwischen Überleben und Konkurs ausmachen. Ähnliche Lehren lassen sich aus den Arbeitsstatistiken ziehen und für eine vorausschauende Entscheidungsfindung nutzen. Man denke an einen Unterschied von 1000 % bei den Arbeitskosten zwischen der Schweiz und Nordmazedonien und die Auswirkungen dieser Variable auf die Kosten pro Gramm EU-GMPzertifizierter Blüten. Diese Ungleichheiten und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Ergebnisse stehen im Mittelpunkt der Datenanalyse, die von ganzheitlichen Rahmenwerken wie ESG erfasst wird.

Ein kürzlich veröffentlichter Headset-Bericht zeigt, dass die Mehrheit der Cannabiskonsumenten in Nordamerika Millenials und Gen Zs sind ( ca. 70 %). Diese demografische Gruppe gilt als der Verbraucher mit dem größten sozialen Bewusstsein und treibt die persönlichen Ausgaben auf der Grundlage der Wahrnehmung einer wertorientierten Ausrichtung an. Da die Cannabisbranche zusammen mit ihrem Kundenstamm heranreift, ist es für Unternehmen ratsam, die Übergangsrisiken, die diese einzigartige Branche mit sich bringt, genau zu messen und sich darauf einzustellen.

Operationalisierung der ESG: eine Vision für messbare Auswirkungen

Im Kern ist ESG ein Rahmen zur Messung von Übergangsrisiken – sowohl auf Mikro- als auch auf Makroebene. Einige Risiken sind offensichtlicher als andere. Das erhöhte Risiko von Wirbelstürmen und die Verunreinigung von Süßwasserbecken könnte einige Cannabisanbauanlagen in Florida unbrauchbar machen. Wie viel des Unternehmenswertes ist durch dieses Klimarisiko gefährdet? Wie viele Mitarbeiter müssen evakuiert werden und welche Haftung besteht für das Unternehmen? Die gleiche Frage könnte man auch den niederländischen Erzeugern mit ihrem er-

BETRIEB + MARKETING 32 | 2023_01
Wie gestaltet beispielsweise ein dänischer Hersteller von Medizinprodukten seine Umstellung von HPS auf LED angesichts der steigenden Energiepreise? Die Grenze zwischen einer effektiven datengestützten Entscheidungsfindung und der obligatorischen Berichterstattung über Scope-1- und Scope-2-Emissionen ist oft sehr schmal.

höhten Überschwemmungsrisiko oder den Erzeugern in Oklahoma mit ihrem Hurrikanrisiko stellen. Wenn Daten eine Veränderung bestimmter Umweltbedingungen bestätigen, ist ein Unternehmen dafür verantwortlich, dieses Risiko zu messen und seine Interessengruppen transparent zu informieren. Wie gestaltet beispielsweise ein dänischer Hersteller von Medizinprodukten seine Umstellung von HPS auf LED angesichts der steigenden Energiepreise? Die Grenze zwischen einer effektiven datengestützten Entscheidungsfindung und der obligatorischen Berichterstattung über Scope-1- und Scope-2-Emissionen ist oft sehr schmal.

Die Risiken des gesellschaftlichen Wandels sind ebenso folgenreich. Wie passt ein Unternehmen seine Kultur an die gesellschaftlichen Veränderungen an, um Talente zu halten und anzuziehen, Resonanz bei den Kunden zu erzeugen und in der öffentlichen Meinung auf der positiven Seite zu bleiben? Ein beliebtes Thema für diese Debatte in der Cannabisbranche ist die Position eines Unternehmens zum Recht auf Eigenanbau. Allein dieses polarisierende Thema birgt ein erhebliches Risiko, sowohl interne Mitarbeiter als auch potenzielle Kunden zu verprellen. ESG und die damit verbundene Notwendigkeit, bestimmte Parameter zu verfolgen und zu messen, ist ein natürlicher Sammeltopf für Daten, die optimal für die Entscheidungsfindung des Unternehmens genutzt werden sollten. Der Einsatz einer konsistenten datengesteuerten ESG-Strategie ermöglicht es einer Organisation, physische Risiken und Übergangsrisiken zu antizipieren, anstatt auf sie zu reagieren, sobald sie sich entwickeln. Eine konsistente Strategie setzt ein ESG-Toolkit ein, das hauptsächlich aus folgenden Elementen besteht:

• Wesentlichkeitsanalysen

(interne, externe, doppelte Wesentlichkeit)

• A nalyse des physischen Risikos und des Übergangsrisikos

• Kartierung der Lieferkette

• Lebenszyklus-Analysen (LCAs)

• Mechanismen der Rechenschaftspflicht der Unternehmensführung (Rechenschaftspflicht des Verwaltungsrats in Bezug auf nicht-finanzielle Ergebnisse)

• Konsistente KPI (Key Performance Indicators)-Berichterstattung.

Die Grundsätze eines soliden Managements, die Erfassung von Kennzahlen und die kontinuierliche Überprüfung und Bewertung sind die Eckpfeiler der ESG-Strategie. Aber sind dies nicht die Eckpfeiler eines jeden modernen, gut geführten, datengesteuerten Unternehmens – eines Unternehmens, das die Erfassung von Daten standardisiert und sie als Grundlage für künftige Entscheidungen nutzt? Ist dies nicht deckungsgleich mit den formell anerkannten Grundsätzen von ISO und GMP?

Es stimmt, dass ESG-Rahmenwerke Überlegungen einbeziehen können, die bisher nicht in den Bereich der Unternehmensbeobachtung fielen. Angesichts moderner Systeme und Datenerfassungsmechanismen sollte dies jedoch nur wenig zusätzliche Ressourcen erfordern. In der Praxis ist es so einfach wie das Hinzufügen zusätzlicher Module und Dashboards zu einer bestehenden ERP-Software.

Die Akronyme, die zur Bezeichnung dieser Initiativen und ihrer Berichtsstrukturen verwendet werden, haben sich geändert und werden sich wahrscheinlich auch weiterhin ändern. Selbst das mächtige „ESG“ wird eines Tages weichen! Das älteste derzeit anerkannte ESG-Rahmenwerk, die SASB-Standards, wurden erst 2011 veröffentlicht, und es lässt sich nicht sagen, ob diese Standards weiterhin führend sein werden. Die Kernprinzipien des KPI-gesteuerten Managements, das auf kontinuierlicher Beobachtung und Analyse beruht, werden jedoch zweifelsohne bestehen bleiben. Unter dem einen oder anderen Titel.

Schlussfolgerung: Medizinische LPs und Distributoren haben bereits einen Vorteil bei wertbasierten ESG-Ansätzen

Die Anpassung der Cannabis-Wertschöpfungsketten mittels ESGzentrierter Datenerfassungspraktiken wird sich langfristig positiv auf den Geschäftsbetrieb auswirken. Von unmittelbaren Zusammenhängen zwischen aktuellen Erträgen und Qualitätsparametern bis hin zu den genauen Energie-, Arbeits- und Gesamtressourcen, die für die Produktion eines Gramms Blüte verwendet werden – diese Branche ist bereit für eine GreenTech-Revolution! Stellen Sie sich den Aspekt der Berichterstattung über die ESG als gesunden Nebeneffekt einer soliden Geschäftstätigkeit vor, nicht als Endziel, auf das es sich lohnt hinzuarbeiten. Dies gilt bereits für Hersteller mit medizinischer Zulassung. Unternehmen, die die GACP-, EU-GMP-, ICU-, ISO- und andere Regulierungsstandards einhalten müssen, sind bereits auf eine fortschrittliche Datenerfassung und -aufzeichnung vorbereitet. Die Erweiterung dieses Datensatzes eröffnet ein zusätzliches Fenster der Möglichkeiten. Angesichts knapper werdender Margen in der gesamten Branche und steigender Kapitalkosten wäre es ein erhebliches Risiko für die Nachhaltigkeit eines jeden Cannabisunternehmens, diese Chance nicht zu nutzen. ↙

Leonid (Leo) Kotlyar ist Mitbegründer und Geschäftsführer von DéWarrior Unlimited B.V., einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Unternehmensberatung mit Hauptsitz in den Niederlanden. DéWarrior (www.dewarrior.com) bietet seine Beratungsdienste in den Bereichen ESG, Fusionen und Übernahmen sowie Unternehmensberatung an und nutzt dabei umfassende Datenerhebungen und fortschrittliche Modellierungstechniken, um integrierte Entscheidungsprozesse zu fördern. Vor der Gründung von DéWarrior war Leo zwölf Jahre lang im Bereich der institutionellen Aktienderivate tätig, wo er die ersten Eckpfeiler von ESG für seinen Kundenstamm aus Pensionsplänen, Versicherern und Staatsfonds entwickelte und bereitstellte.

BETRIEB + MARKETING 2023_01 | 33

Neokoloniale Aspekte der Cannabislegalisierung in Afrika

Cannabis als Nutzpflanze hat auf dem afrikanischen Kontinent eine lange und abwechslungsreiche Geschichte und die derzeitigen Legalisierungsbemühungen in vielen Ländern der Welt betreffen auch afrikanische Länder. Chris S. Duvall, Professor und Vorsitzender der Abteilung für Geographie und Umweltstudien an der Universität von New Mexico in Albuquerque (USA), hat neokoloniale Aspekte im Prozess der Cannabislegalisierung auf dem Kontinent beobachtet. Im Interview mit CannaVision erläuterte er die Ursprünge dieser Faktoren und ihre Auswirkungen auf die Bürger vor Ort. Von Rebekka Nurkanovic

Wie kamen Sie dazu, die landwirtschaftliche Geschichte von Cannabis in Afrika zu untersuchen?

Ich bin Geograph und untersuche hauptsächlich die Wechselwirkungen zwischen Menschen und Pflanzen. Bei meinen Nachforschungen über die Verwendung von Pflanzen in der afrikanischen Diaspora stieß ich auf eine umfangreiche Literatur über die Geschichte von Cannabis in Afrika und insbesondere über die Verwendung von Cannabis durch versklavte Afrikaner rund um den Südatlantik. Für mich begann die Betrachtung von Cannabis in der Gegenwart damit, dass ich verstehen wollte, wie historische Muster in praktisch allen Fällen bis 1925 fortbestanden, als Cannabis unter internationale Kontrolle geriet.

In den späten 1800er Jahren gab es einen offiziellen kommerziellen Handel mit Cannabis und Marihuana von Angola aus, wo der Begriff Marihuana seinen Ursprung hat. Von dort aus gelangte es über den Atlantik bis nach Brasilien. Betrachtet man jedoch die heutigen Bedingungen in Angola, so findet man dort kein Interesse und keine Bewegung in Richtung Legalisierung. Ähnliches ist in anderen Teilen des Kontinents zu beobachten, wo der historische Handel mit Cannabis und dessen Wert verloren gegangen sind.

INTERNATIONAL 34 | 2023_01

In einigen Ländern wie Südafrika gab es erhebliche Veränderungen bei der gesetzlichen Kontrolle von Cannabis, und ich versuche zu verstehen, wie das mit der Vergangenheit zusammenhängt. Interessanterweise habe ich festgestellt, dass es g rößtenteils keine Verbindung zur Vergangenheit gibt, abgesehen von der Tatsache, dass man mit der Pflanze vertraut ist, aber die eigentlichen Legalisierungsprozesse sind von der Geschichte und von den Ressourcen, die potenziell für die Entwicklung dieser neuen Wirtschaft genutzt werden könnten, abgekoppelt.

Sie haben Ihre Untersuchungsergebnisse in einem Artikel zur landwirtschaftlichen Geschichte von Cannabis in Afrika1 vorgestellt. Welche Rolle spielt Cannabis als Kulturpflanze in Afrika?

Cannabis hat auf einer sehr grundlegenden Ebene mindestens zwei Wirtschaftszweige: den illegalen und den legalen Wirtschaftszweig. Vor der weltweiten Reform der Marihuana-Kontrollgesetze, die vor etwa 20 Jahren begann, gab es Schätzungen, dass Afrika etwa ein Viertel der weltweiten Cannabisernte produzierte. Dies ist mit Sicherheit eine Unterschätzung, da die Statistik nur auf Erfassungen der Drogenkontrollbehörden beruhte. Die Menschen haben Cannabis verwendet und als Nutzpflanze angebaut und es in verschiedenen Teilen des Kontinents auf vielfältige Weise genutzt, zum Beispiel an der Suaheli-Küste bis hinunter nach Madagaskar in Ostafrika, wo es vor mindestens tausend Jahren aus Südasien auf den Kontinent kam. Die Pflanze war in vielen Gesellschaften von großer Bedeutung, vergleichbar mit dem Tabak in manchen Epochen. In anderen Teilen Afrikas, wie den meisten Teilen Westafrikas, wird sie erst seit 200 Jahren verwendet. Cannabis ist nicht so wichtig wie der Anbau von Nahrungsmitteln, aber es hatte immer eine lebhafte Handels- und Geldwirtschaft. Nach der Zeit in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, als es unter den Kolonialregierungen in vielen, wenn nicht den meisten Teilen Afrikas illegal wurde, blieb diese lebendige Wirtschaft bestehen – sie wurde nur illegal. Viele Menschen verdienten damit ihr Geld, ähnlich wie bei der Drogenwirtschaft anderswo. Die Menschen, die das Risiko des Anbaus eingehen, verdienen im Allgemeinen nicht viel. Das meiste Geld verdienen die Transporteure

und Verkäufer, die in der Regel recht gut vernetzt sind und innerhalb der Machtsysteme geschützt werden, sei es durch organisierte Verbrecherbanden oder – in vielen Fällen – durch das Militär oder Regierungsbeamte. Diese illegale Wirtschaft ist produktiv und unterstützt viele Menschen.

Wo steht die Cannabislegalisierung in Afrika? Legalisierung ist in Bezug auf Cannabis in Afrika ein schwieriger Begriff, aber es beginnt sich eine autorisierte Wirtschaft zu entwickeln. Autorisiert bedeutet in vielen Fällen legal, denn die meisten der Drogenkontrollgesetze, die ich finden und verstehen konnte – in der Regel im frühen 20. Jahrhundert unter den Kolonialmächten erlassen – enthielten eine Ausnahmeklausel für Apotheker. Anfang des 20. Jahrhunderts betrafen viele der Gesetze die Apothekenpraxis und spiegelten die Haltung der Kolonialherren gegenüber dem wider, was sie als Pseudo-Apotheken oder Hexendoktoren ansahen. Im Rahmen all dieser Gesetze war es technisch immer möglich, Cannabis für pharmazeutische Zwecke legal anzubauen, zu produzieren und zu verkaufen; es wurde nur nie autorisiert. Daher ist es ein wenig zu vereinfachend, in afrikanischen Ländern von legal und illegal zu sprechen.

Im zentralen und südlichen Afrika hat sich eine autorisierte Cannabiswirtschaft entwickelt, mit unterschiedlichem Erfolg. Lesotho machte 2017 weltweit Schlagzeilen, als es einem kanadischen Unternehmen die Genehmigung erteilte, mit der Produktion für den Export zu beginnen, und eine Reihe anderer Länder folgten. – Malawi, Eswatini, Simbabwe, Uganda und die Demokratische Republik Kongo (DR). Weitere Länder haben dies in Erwägung gezogen. Die Genehmigung hat sich nicht als sehr lukrativ erwiesen, da ihre Bedingungen meist den externen Unternehmen zugutekommen. Südafrika ist ein anderer Fall, denn das dortige Verfassungsgericht entschied 2018, dass die Südafrikaner das Recht haben, Cannabis anzubauen, zu besitzen und zu konsumieren; es gibt dort einen heimischen medizinischen Markt, aber das Land hat die Kommerzialisierung nicht wie die Nachbarländer vorangetrieben. Angesichts der wirtschaftlichen Stärke Südafrikas in der Region gibt es illegale Importe aus den Nachbarländern, und sie hatten Erfolg bei der Herstellung von Paraphernalia. In vielen afrikanischen Ländern wird Material mit hohem CBD- und THC-Gehalt für den Export angebaut, und einige Länder, vor allem Malawi, wollen Hanffasern herstellen. In den einzelnen Ländern gibt es verschiedene politische und wirtschaftliche Dynamiken. Soweit ich weiß, haben sich Ghana und Marokko am stärksten in Richtung Legalisierung bewegt, seit ich diese Arbeit im Jahr 2019 geschrieben habe. Der ghanaische Fall unterscheidet sich ein wenig von den anderen, da sich das Land zwar formal in Richtung Legalisierung bewegt, es aber nicht bis dahin geschafft hat. Im Jahr 2020 verabschiedete das Parlament ein neues Drogenkontrollgesetz, das die lizenzierte medizinische Produktion erlaubte, aber es wurde nie in Kraft gesetzt, weil es rechtlich angefochten wurde und der Oberste Gerichtshof das Gesetz letzten Herbst aufhob.

In Marokko wurden die Produktion und der kontrollierte Verkauf legalisiert, doch man hat aus einer Reihe von Gründen keinen Weg gefunden, sie umzusetzen. Die Erzeuger in der wichtigen

INTERNATIONAL 2023_01 | 35
Begriff,
Wirtschaft
Legalisierung ist in Bezug auf Cannabis in Afrika ein schwieriger
aber es beginnt sich eine autorisierte
zu entwickeln.
Chris D uvall 1 Duvall, Chris. (2019). A brief agricultural history of cannabis in Africa, from prehistory to canna-colony. EchoGéo. article 4. 10.4000/echogeo.17599.

Produktionszone des Rifgebirges, die von der Legalisierung profitieren könnten, trauen der Regierung einfach nicht. Deshalb beteiligen sie sich nicht an der legalen Wirtschaft, sondern bleiben in der illegalen Wirtschaft tätig. Ich bin sicher, dass diese Art von Misstrauen weit verbreitet ist, aber in Marokko hat sie eine sehr lange Geschichte, die bis in die Kolonialzeit und die vorkoloniale Zeit zurückreicht. In der Vergangenheit hat Marokko von illegalen Exporten nach Europa profitiert, aber das ist rückläufig, weil die legale Produktion in Europa selbst zugenommen hat.

Welche neokolonialen Machtstrukturen haben Sie im Prozess der Cannabislegalisierung beobachtet?

Als Außenstehender ist es schwer, die soziale Dynamik in afrikanischen Ländern zu verstehen, aber die Ungleichheiten, die im Großen und Ganzen in der Gesellschaft und speziell in der Cannabisbranche bestehen, sind bemerkenswert. In den Vereinigten Staaten gibt es ein großes Interesse an Gleichberechtigung in den aufstrebenden Märkten, und es wird versucht, einer breiten Vielfalt von Menschen den Zugang zu diesen Branchen zu ermöglichen. Soweit ich weiß, spielt dies in Afrika südlich der Sahara nirgends eine Rolle.

„Neokolonial“ bedeutet, dass ein ausländisches Unternehmen eine Regierung dafür bezahlt, dass sie ihre Gesetze oder ihre Politik zum Vorteil des Unternehmens ändert. In allen Fällen, außer in Südafrika, ist die „Legalisierung“ nur deshalb erfolgt, weil ein nicht-afrikanisches Unternehmen oder ein Geschäftsmann zu einer Regierung ging und fragte, wie viel es kosten würde, eine Lizenz für den Anbau im Rahmen der bestehenden Drogenkontrollgesetze zu erhalten. Die Lizenzkosten waren für die meisten Afrikaner astronomisch hoch, für die Unternehmen außerhalb des Landes jedoch ziemlich gering im Vergleich zu den Cannabiswirtschaften in Ländern wie Kanada, den USA oder Westeuropa. In Simbabwe beispielsweise konnte ein kanadisches Unternehmen Mitte der 2010er Jahre mit der Regierung eine Lizenz für rund 75.000 US-Dollar aushandeln, ein Betrag, der für die meisten Simbabwer unmöglich zu zahlen wäre. Es sorgte international für Schlagzeilen, dass Simbabwe Cannabis „legalisiert“ hat, aber es hat sich nicht wirklich etwas geändert, sondern es wurde lediglich eine Lizenz im Rahmen der bestehenden Gesetze verkauft. Ähnliches ist mit kanadischen Unternehmen in den meisten anderen Ländern geschehen, insbesondere in Lesotho und Eswatini. Es gibt viele Fälle, in denen gewählte oder nicht gewählte Beamte, die Lizenzen für Unternehmen zur Produktion und zum Export von Cannabis absegnen, ausdrücklich gesagt haben, dass die traditionelle Verwendung von Cannabis in ihren Ländern absolut nicht in ihre Politik einbezogen wird, weil die einheimischen Nutzungen und Pflanzen als etwas völlig anderes und inakzeptabel dargestellt werden. Das ist ein sehr starker Kontrast in Bezug auf Gerechtigkeitsüberlegungen. Natürlich werden diese Gesetze in vielen Ländern nicht wirksam durchgesetzt, es sei denn, sie sind opportun, aber das Prinzip ist immer noch vorhanden.

Welche Auswirkungen haben diese Strukturen auf die afrikanischen Wirtschaften?

Menschen, die nicht in der legalen, international vernetzten Wirtschaft tätig sind, werden wahrscheinlich kein CBD-armes Mate-

rial anbauen, da afrikanisches Cannabis schon immer einen hohen THC-Gehalt hatte. In der legalen Wirtschaft werden alle Pflanzen aus Samen oder Klonen gezüchtet, die von Züchtern aus Europa, vor allem aus den Niederlanden, importiert werden, und die Produktionsmittel sind hochtechnisch. Das Fachwissen der Afrikaner über die einheimische Cannabis-Landwirtschaft –Pflanzenzüchtungen, Produktion und Verarbeitung – wird nicht geschätzt oder in das System integriert. Tatsächlich sind die meisten Afrikaner von der legalen Wirtschaft ausgeschlossen, weil sie nicht über das notwendige Fachwissen verfügen, um Pflanzen auf hochtechnische Weise zu produzieren. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wird ihnen keine Ausbildung angeboten, und diese wenigen Ausnahmen sind die geringe Anzahl von Menschen, die von den ausländischen Unternehmen beschäftigt werden. Diese Strukturen lassen keine gerechte Entwicklung von Reichtum und Macht in diesen Ländern zu und ermöglichen es ausländischen Unternehmen, die Ressourcen abzubauen. Im Allgemeinen ist es wie bei jeder kolonialen Struktur. In der DR gab die Regierung beispielsweise bekannt, dass sie internationalen Unternehmen Lizenzen für die Produktion erteilt und riesige Landflächen für 99 Jahre verpachtet hat. Dies geschah, bevor bekannt wurde, dass dies nach kongolesischem Recht und nach den Regeln für die Vergabe von Lizenzen tatsächlich legal war. Erst anderthalb Jahre nach der Verpachtung des Landes sagten sie: „Wir haben übrigens beschlossen, dass wir das tun können“. Meines Wissens wusste nur ein sehr kleiner Teil der Machthaber, ob in Regierungs- oder Militärpositionen, von der legalen Möglichkeit, Cannabis zu produzieren. Während die externen Unternehmen eine Öffnung erhielten, gab es immer noch eine aktive Strafverfolgung wegen Cannabis gegen gewöhnliche Kongolesen.

Dies ist konzeptionell identisch mit der Ölindustrie und Orten wie dem Nigerdelta in Nigeria, wenn auch in einem ganz anderen Maßstab und mit einer anderen Politik. In Bezug auf Cannabis liegt das Problem in den rechtlichen Verpflichtungen oder Schwachstellen für Menschen, die versuchen, sich durch den Anbau und Verkauf von Cannabis zu ernähren oder ihre Interessen durch den Konsum von Cannabis zu verfolgen, aber keine Unterstützung von ihren Regierungen erhalten, um diese Dinge zu tun.

Wohin entwickelt sich die afrikanische Cannabiswirtschaft Ihrer Meinung nach derzeit?

In einigen Ländern, vor allem in Nigeria und Tansania, gibt es Politiker, die offen sagen, dass sie Cannabis legalisieren würden, wenn sie gewählt würden, und zwar aus den genannten Gründen – soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Entwicklung und nationale Souveränität.

Soweit ich weiß, gibt es nicht viel Aktivismus in Bezug auf die Legalisierung von Cannabis in Afrika, aber es gibt Nachrichtenberichte, in denen Menschen vor Ort interviewt werden, die sagen, dass es nicht fair ist, dass die Legalisierung nur dem Export nach Europa oder Nordamerika zugutekommt, und fordern, dass sie auch ohne Angst anbauen können sollten.

Gleichzeitig gibt es Fälle, in denen prominente Personen die Verbotsrhetorik des zwanzigsten Jahrhunderts gegen Cannabis auf-

INTERNATIONAL 36 | 2023_01

Wir sind die Stimme der Cannabiswirtschaft Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V.

5 FACHBEREICHE - IHRE BRANCHE

IHRE VORTEILE

• Informa�onszugang

• Poli�sche Einflussnahme

• Fachliche Beratung

• Repräsenta�on

• Marktbeobachtungen

• Veranstaltungen

ETABLIERT

ZUKÜNFTIG

• Ermäßigungen

• PR & PA Arbeit

• Qualitätssicherung

• Forschung & Wissenscha�

• Stellenbörse

UNSERE LEISTUNGEN

• Kontakt zu Poli�k & Behörden

• Starke Medienpräsenz

• Wöchentlicher kostenloser Business-Newsle�er

• Publika�onsreihe „ELEMENTE“

• Regelmäßige Treffen aller fünf Fachbereiche

• Website & fünf Social-Media-Seiten

• Interne Veranstaltungen

• Kon�nuierliche Lobbyarbeit

• Einführung von Qualitätssiegeln

• Cannabis Branchenverzeichnis & vieles mehr

Ohne Mitgliedscha� ist eine Unterstützung ab 365 € p.A. möglich.

Alle Informa�onen zum Mitmachen finden Sie unter:

www.cannabiswirtschaft.de/#mitgliedschaft

Kontak�eren Sie uns für weitere Informa�onen über kontakt@cannabiswirtscha�.de

Branchenverband Cannabiswirtscha� e.V. · Luisenstr. 54 · 10117 Berlin

Genussmi�elRegulierung Medizinalcannabis Nutzhanf & Lebensmi�el CBD & weitere Cannabinoide Technik, Handel & Dienstleistung

rechterhalten. Im Jahr 2019 bezeichnete Ugandas First Lady die Zulassung der Cannabisproduktion als „satanischen“ Akt, nachdem ein israelisches Unternehmen eine Lizenz für den Anbau von THC-reichen Pflanzen erhalten hatte. Wie in allen Gesellschaften weltweit gibt es auch in Afrika viele Menschen, die Cannabis ablehnen, und es gibt viele Orte, an denen Anti-Cannabis-Gesetze streng durchgesetzt werden.

Es ist Sache jedes Landes, zu entscheiden, was es will. Ich kann etwas über die Geschichte von Cannabis in vielen afrikanischen Ländern sagen und feststellen, dass die heutige B edeutung von Cannabis das Ergebnis einer realen und gehaltvollen Geschichte ist. In Sierra Leone zum Beispiel gibt es s eit Mitte des 18. Jahrhunderts eine gut dokumentierte Cannabiswirtschaft. Von dort aus verbreitete sich Cannabis in den Senegal, nach Ghana und in andere westafrikanische Länder. Doch heute ist Cannabis dort zu hundert Prozent illegal. Ein zu berücksichtigender Faktor ist, dass in Sierra L eone und Liberia Cannabis zusammen mit anderen Drogen von Kämpfern während der Bürgerkriege in den 1980er bis 2000er Jahren verwendet wurde. Daher ist die Droge mit vielen Altlasten behaftet, die aus ihrer Sicht bedeuten könnten, d ass Cannabis illegal bleiben muss.

Als Außenstehender frage ich mich, ob Cannabis wegen der Macht des internationalen Drogenkontrollsystems illegal bleibt. Afrikanische Länder sind meist arm und haben nicht die Möglichkeit, internationale Gesetze zu ignorieren, wie es mächtigere und reichere Länder tun, indem sie Cannabis innerhalb ihrer Grenzen legalisieren. Vielerorts ist es klar, dass die Menschen Cannabis legalisieren wollen, weil sie persönliche und potenzielle wirtschaftliche Vorteile sehen, aber es ist ein langsamer Prozess.

Wie müsste die afrikanische Cannabispolitik gestaltet sein, damit sie den afrikanischen Bürgern zugutekommt?

Es ist wichtig zu erkennen, dass afrikanisches Cannabis hoch geschätzte Sativa-Sorten hat, die weltweit bekannt sind, z. B. Durban Poison und Malawi Gold. Professionelle Züchter, meist aus den Niederlanden, gehen auf Expeditionen in verschiedene Teile Afrikas, um Landrace-Sorten mit einer Genetik zu finden, die in kommerziellen Sorten nicht vertreten ist.

Diese fließen in hochwertige Züchtungsprogramme ein, aus denen Saatgut gewonnen wird, das an kommerzielle Erzeuger weltweit verkauft wird. Die Menschen in einer afrikanischen Aufzuchtanlage könnten Samen aus Amsterdam kaufen, die aus Saatgut hervorgegangen sind, das in demselben L and gesammelt wurde, in dem sie jetzt wachsen. Dies zeigt, warum mehr Schutz für geistiges Eigentum und genetische Ressourcen notwendig ist. Ich denke zum Beispiel, dass Durban Poison, Malawi Gold oder Angola Red geschützt werden s ollten. Wenn Sie in der Branche tätig sind, wissen Sie, dass es sich um geschätzte Namen handelt, und die betreffenden Länder sollten sie schützen, so wie viele europäische Länder bestimmte Herkunftsbezeichnungen für Lebensmittel wie Parmesan oder Champagner geschützt haben. Soweit ich weiß, ist Jamaika das einzige Land, das Schritte unternommen hat, um die Herkunftsbezeichnung einer Cannabissorte, Jamaican Ganja, zu schützen.

Maßnahmen zur Liberalisierung von Cannabis. Diese Karte basiert auf veröffentlichten Nachrichtenberichten über Entwicklungen seit 2010. Quelle: Duvall, unveröffentlichte Daten.

Was die Menschen in Afrika betrifft, so sollte es Lizenzen geben, die erschwinglich genug sind, um den Menschen die Teilnahme an legalen Industrien zu ermöglichen. Eine umfassendere Änderung, die sich positiv auf die Menschen auswirken würde, wäre die Abschaffung der meisten gesetzlichen Kontrollen, so dass eine Person, deren Vorfahren seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten Cannabis anbauen, ohne Angst vor Strafverfolgung in ihrem Hinterhof pflanzen kann.

Was den internationalen Kontext anbelangt, so entspricht das internationale Drogenkontrollsystem insgesamt nicht den heutigen Erfordernissen, und afrikanische Länder haben eine Rolle zu spielen, wenn es darum geht, den Prozess der Veränderung voranzutreiben. Die afrikanischen Länder haben wenig Einfluss, aber sie könnten sich die Maßnahmen ansehen, die in Ländern wie den USA, Kanada, verschiedenen Teilen Europas und Uruguay eingeführt wurden, und verstehen, wie diese Länder die Umgehung der internationalen Regeln rechtfertigen. Sie könnten dann dasselbe tun und argumentieren, dass die gleichen Regeln für alle gelten sollten.

Es wäre besonders wichtig, einen Blick auf Uruguay zu werfen, wo die Regierung eine Kosten-Nutzen-Analyse durchführte: Welche Kosten und Vorteile bringt es, diese Gesetze durchzusetzen, und welche Kosten und Vorteile hätte es, diese Gesetze abzulehnen? Das internationale Drogenkontrollregime sah, was Uruguay tat, und war entsetzt, aber es hatte keine wirklichen Auswirkungen auf das Land, trotz seiner relativ geringen Machtposition im globalen Kontext. Jedes Land hat eine andere politische und wirtschaftliche Dynamik, aber ich denke, Uruguay ist ein interessantes Beispiel, das sich viele Länder im globalen Süden ansehen sollten, um zu verstehen, was sie davon lernen können.

Danke für das Interview. ↙

INTERNATIONAL 38 | 2023_01

SUSTAINABLE PACKAGING

FIRMENINDEX 2023_01 | 39 TERMINE CannaTrade www.cannatrade.ch/de 12.-14. Mai Zürich CannabisCON live www.dfvcg-events.de/cannabis-con 24. Mai Frankfurt a. M. Cannabis Business Europe www.worldclassbusinessleaders.com/events/CBE23 25.-26. Mai Frankfurt a. M. Mary Jane Berlin www.maryjane-berlin.com 23.-25. Juni Berlin ICBC Berlin www.internationalcbc.com/berlin 29.-30. Juni Berlin Hamcan www.hamcan.de 28.-30. Juli Hamburg CB X InterTabac Dortmund www.intertabac.de 14.-16. September Dortmund Anzeige DIE ALTERNATIVE LÖSUNG FÜR DEINE TÜTE. KRÄUTER STATT TABAK! tuetenfutter2021 www.tuetenfutter.de 1 Modul (60 x 80 mm) pro Jahr für € 490,Kontakt: info@cannavision.eu 23.02.22 13:38 Ed Rosenthals MARIJUANAGROWERS Handbuch Ed Rosenthals Lerne eine ganz neue Welt kennen! • DieWahlderrichtigenPflanze • DieWahldesrichtigenSystems • DasrichtigeEquipment • ErhöhediePotenz Vom glaubwürdigsten lehrer überhaupt Growdirdiegrößten,harzigstenundpotentestenBuds! Dieses Buch mehr 500 Seiten enthält das ganze aktuelle Wissen zum MarijuanaGrowing,zudenWerkzeugenundMethoden.FürdenIndoor-undOutdooranbau.Lernedie effizientestenTechnikenkennen,umZeit,KraftundEnergiezusparen! Füralle!–FürAnfängerundfortgeschritteneGrower derkompletteFührerfür marijuana-anbau medizinische hedonistischeZwecke OFFICIAL COURSE BOOK Andi Haller Hausgemachtes Haschisch und andere Methoden zurCannabis-Verarbeitung CannabisbücherdiesemSmartbookpräsentierenwireinesderfrühen ausden90erJahren einemPionier derdeutschsprachigenHanfliteratur neuemGewand. wurdeumaktuelleTechnologien Haschisch-bzw.ExtraktherstellungergänztundbieteteineleichtverständlicheAnleitungzurHeimproduktionvonHanfharz. InZeitenderallmählichenLegalisierungundvermehrten medizinischenNutzungvonCannabiskanndieserpraktischeLeitfadenhelfen,hochwertigesHaschischaus(selbstgezogenem)MarihuanaundErnteresten gewinnen. Andi Haller Hausgemachtes Haschisch und ander Methoden zur Cannabis-Verarbeitung cover_hasch_GzD.indd 13:07

AUSGEWÄHLT VERPACKT

www.ausgewaehlt.com

Verpackungen

Model (Name des Produktes)

Faltschachteln

Blechdosen

Material Chromosulfatkarton (weiß) oder Kraftkarton (braun) Weißblech

Material-Zertifikat

Form (Beutel, Flasche, etc.)

Faltschachtel

Blechdosen mit Bügelverschluss oder Stülpdeckel

Aufhängung (ja oder nein) mit oder ohne Euroloch nein

Füllgröße mit Maßeinheit je nach Format je nach Format

Eigengewicht mit Maßeinheit je nach Format je nach Format

Farbe je nach Material: Grundfarbe weiß oder braun Grundfarbe silber

Verschluss Einstecklaschen Bügelverschluss oder Stülpdeckel

Design-Option

inkl. bedruckbaren Etiketten oder bedruckbaren Banderolen

Lichtschutz (ja oder nein) ja ja

Thermischer Schutz (ja oder nein)

Kindersicher (ja oder nein)

Geeignet für… als Umverpackung für Öle, Liquids, Cremes, Seifen, Tees … als Produktverpackung für trockene Lebensmittel wie Tees

Lebensmittelqualität (ja oder nein)

hergestellt in (Land)

Weitere Informationen

maßgeschneidert für das jeweilige Produkt; verschiedene Bodenvarianten; auch kleine Mengen; schnelle Lieferzeit

ja

große Vielfalt an Formen und Größen; auch kleine Mengen; schnelle Lieferzeit

MARKTÜBERSICHT 40 | 2023_01
Individuell bedruckbar
Funktion Umverpackung Produktverpackung
nein nein
nein nein
nein
Deutschland Deutschland

Kunststoff

Kunststoff Papier

Kunststoff-Monomaterial (PP), recycelbarKunststoff-Monomaterial (PP), recycelbar FSC-zertifiziertes Papier, recycelbar

Flachbeutel, Standbodenbeutel, Blockbodenbeutel

Flachbeutel, Standbodenbeutel: ja

Blockbodenbeutel: nein

Flachbeutel, Standbodenbeutel, Blockbodenbeutel

Flachbeutel, Standbodenbeutel: ja

Flachbeutel, Standbodenbeutel

Blockbodenbeutel: nein nein

abhängig vom Füllgut abhängig vom Füllgut abhängig vom Füllgut

individuell individuell individuell

beliebig viele (Digitaldruck) beliebig viele (Digitaldruck) beliebig viele (Digitaldruck)

optional Zippverschluss, Euroloch optional Zippverschluss, Euroloch Einreißkerbe

individuell bedruckbar, Sondereffekt (Metallic) individuell bedruckbar, Sondereffekt (Transparenz) individuell bedruckbar, Papier-Effekt

Standbodenbeutel, Flachbeutel: hocheffektiv gegen UV-Strahlung, Sauerstoff und Feuchtigkeit Blockbodenbeutel: hocheffektiv gegen UV-Strahlung, Sauerstoff und Feuchtigkeit + Aromaschutzventil

Standbodenbeutel, Flachbeutel: hocheffektiv gegen UV-Strahlung und Feuchtigkeit

Deutschland und EU-Nachbarländer Deutschland und EU-Nachbarländer

Im Digitaldruck komplett bedruckbar ab einer Bestellmenge ab 500 Stk. - 10 Mio. Stk. pro Design

Im Digitaldruck komplett bedruckbar ab einer Bestellmenge ab 500 Stk. - 10 Mio. Stk. pro Design

Deutschland und EU-Nachbarländer

Im Digitaldruck komplett bedruckbar ab einer Bestellmenge ab 500 Stk. - 10 Mio. Stk. pro Design

MARKTÜBERSICHT 2023_01 | 41 Packiro GmbH www.packiro.com
Martha Toni Nils
ja
ja nein nein nein zukünftig
verfügbar zukünftig optional verfügbar nein Blüten Blüten Blüten
je nach Bedruckung
optional
ja ja ja
Alle Informationen beruhen auf Firmenangaben und wurden keiner unabhängigen Prüfung unterzogen.

Dr. Adrian Fischer

Pionier der deutschen Cannabisproduktion

Dr. Adrian Fischer hat nach seinem Medizinstudium als Neurowissenschaftler über neurophysiologische Grundlagen von menschlichem Lernen und Entscheiden geforscht und promoviert. Seit 2019 ist der Geschäftsführer von Demecan verantwortlich für den Aufbau der ersten deutschen medizinischen Cannabisproduktion. Zu den Freizeitinteressen des 39-Jährigen gehören Gärtnern, Lesen, Laufen, Klavierspielen und Programmieren.

Wenn Sie eine Sache auf der Welt ändern könnten, was wäre das?

Die Klimakatastrophe aufhalten, aber wenn es etwas Realistischeres sein soll, dann würde ich die Stigmatisierung und Kriminalisierung von Cannabis abschaffen, um Menschen den Zugang zu seinen medizinischen und therapeutischen Vorteilen zu ermöglichen.

Welchen Film/Buch sollte Ihrer Meinung nach jeder gesehen/gelesen haben?

Jeder sollte den Film „The Big Lebowski“ mehrfach gesehen und das Buch „The Botany of Desire“ von Michael Pollan gelesen haben, um das komplexe Zusammenspiel von Pflanzen und menschlicher Kultur besser zu verstehen.

Wenn Ihr Leben verfilmt würde, welcher Schauspieler sollte Ihre Rolle spielen?

James Franco sollte meine Rolle spielen, da er ein talentierter Schauspieler ist, der bereits Erfahrung mit der Darstellung von Cannabis-affinen Charakteren hat.

Wie sieht für Sie ein perfekter Tag aus?

Ein perfekter Tag beginnt mit einem guten Buch und einer Tasse Kaffee, gefolgt von einem Spaziergang durch die Natur mit

meinen Zwillingen und unserer Hündin Dora und endet mit einem entspannten Abend mit Freunden und Familie.

Wenn Sie Superheldenkräfte hätten, welche wären das und warum?

Ich würde die Fähigkeit zur Photosynthese und Teleportation wählen, um überall hingehen zu können und nachhaltig zu leben.

Was darf im Reisegepäck nicht fehlen?

Ein gutes Buch über Botanik und mein Stethoskop, falls ich als Arzt gebraucht werde.

Welche Sache wird Ihrer Meinung nach völlig überbewertet?

Der Hype um Influencer-Kultur, die oft von Oberflächlichkeit geprägt ist.

Was ist das Beste an Ihrem Beruf?

Dass ich Menschen helfen kann, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden durch den Einsatz von Cannabis als Medizin zu verbessern.

Was ist das Beste an ihrer Branche?

Die innovative und engagierte Gemeinschaft, die ständig neue Anwendungsmöglichkeiten und Verbesserungen erforscht.

Wann waren Sie das letzte Mal von Ihrem Job genervt?

Das war, als ich aufgrund von bürokratischen Hürden Schwierigkeiten hatte, medizinisches Cannabis an einen Patienten zu verschreiben.

Was bedeutet ein neuer Kunde für Sie? Eine weitere Gelegenheit, jemandem zu helfen, ein besseres Leben mit Hilfe von Cannabis zu führen.

Was war das letzte Ereignis, das Sie tief bewegt hat?

Das letzte Ereignis, das mich tief bewegt hat, war die Geburt meiner Zwillinge.

Welches ist Ihr Lieblingsort auf der Welt? Die Olivenhänge in Ligurien.

Welche Bedeutung hat Cannabis für Sie? Cannabis hat für mich eine große Bedeutung, da es nicht nur ein Symbol für persönliche Freiheit und Selbstbestimmung ist, sondern auch ein faszinierendes und vielseitiges Heilmittel, das das Potenzial hat, das Leben vieler Menschen positiv zu beeinflussen. Außerdem ist die Pflanze faszinierend mit ihren vielschichtigen Geruchsvarianten und Inhaltsstoffen.

DAS BESTE ZUM SCHLUSS 42 | 2023_01
Online www.cannavision.eu DAS MAGAZIN FÜR DIE CANNABISWIRTSCHAFT
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.