6 minute read

Guter Start für Schweizer Pilotprojekt No. 1

Guter Start für Schweizer Pilotprojekt No. 1

Weed Care-Studie zum legalen Cannabisverkauf angelaufen

Als erster vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit bewilligter Feldversuch zum Umgang mit einer kontrollierten Cannabisabgabe ist die sogenannte „Weed Care“-Studie angelaufen. Sie untersucht seit Anfang des Jahres den Verkauf von Cannabis in neun Basler Apotheken und soll Erkenntnisse liefern, die der weiteren Cannabislegalisierung in der Schweiz dienen könnten. Von Daniel Groß

Um in der Schweiz eine wissenschaftliche Grundlage für künftige politische Regelungen zum Verkauf von Cannabis zu haben, sind seit 2021 zunächst für die Dauer von zehn Jahren Pilotprojekte erlaubt. Diese wissenschaftlichen Pilotversuche mit Cannabis sind örtlich und zeitlich begrenzt. Die Cannabisstudie Weed Care hatte als erstes dieser Projekte die Bewilligung des nationalen Bundesamtes für Gesundheit erhalten und ist nun angelaufen.

Hintergrund

Das Pilotprojekt Weed Care ist ein Gemeinschaftsprojekt des Gesundheitsdepartementes Basel-Stadt, der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel, der Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG) und der Universität Basel. Die Studie ist auf 2,5 Jahre ausgelegt. Studienbeginn war der 30. Januar 2023. Die Cannabisstudie wird vom Gesundheitsdepartement Kanton Basel-Stadt durchgeführt und von Prof. Dr. med. Marc Walter, Klinikleiter und Chefarzt Psychiatrie, Psychiatrische Dienste Aargau, als Projektleiter begleitet.

Seit 30. Januar kann die erste Studiengruppe in neun teilnehmenden Basler Apotheken nach Vorweisen des Studienausweises ganz legal Cannabis beziehen. Sechs Produkte des Schweizer Anbieters Pure Production (Laufenburg) kommen bei der Studie zum Einsatz – davon zwei Haschisch- und vier Cannabisblütenprodukte mit jeweils unterschiedlichem THC-/CBD-Gehalt. Der THC-Gehalt beginnt bei 4,5 %, das am höchsten dosierteste Produkt enthält den gesetzlich festgelegten Maximalgehalt von 20 % THC. Die Teilnehmer können sich das Produkt ihrer Wahl holen, die maximale Menge ist jedoch auf 10 g THC-Gesamtmenge pro Monat begrenzt. Wie Regine Steinauer, MSc, Leiterin Abteilung Sucht vom Gesundheitsdepartement Kanton Basel-Stadt, CannaVision auf Nachfrage mitteilte, nehmen 374 Probanden insgesamt an der Studie teil. Darunter befinden sich 302 Männer, 66 Frauen und sechs non-binäre Personen. Der jüngste Teilnehmer ist 18 Jahre alt, die älteste Person 76. Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmenden beträgt 36 Jahre. „Alle haben den ersten Fragebogen ausgefüllt. Aktuell läuft die zweite Online-Befragung“, erklärt Regine Steinauer den aktuellen Stand der Dinge. 187 Teilnehmende sind es in der ersten Studienphase, die bereits legal Cannabis beziehen dürfen.

Die zweite Teilnehmergruppe, die eine Kontrollgruppe im Rahmen der wissenschaftlichen Studie darstellt, startet sechs Monate später. Auch sie werden im Abstand von zwei Monaten Fragebögen zu ihrem Konsumverhalten und ihrer Gesundheit erhalten, die sie online ausfüllen müssen.

Das erwartbar große Medieninteresse

Die Teilnahme an der vielbeachteten Pilotstudie unterliegt strengem Jugendschutz. Es dürfen nur Erwachsene teilnehmen, die ihren ständigen Wohnsitz im Kanton Basel haben. Diese müssen über Grundkenntnisse in Deutsch verfügen. Außerdem kamen nur Personen in Betracht, die während der vergangenen sechs Monate vor der Teilnahme an der Studie mindestens einmal im Monat Cannabis konsumiert haben, was per Urin-Probe kontrolliert wurde. Da die Befragungen online erfolgen, müssen Teilnehmende ebenfalls über eine E-Mail-Adresse und ein Online-fähiges Endgerät wie PC, Laptop, Smartphone oder Tablet verfügen. Insgesamt ist die Studiendauer auf 2,5 Jahre festgelegt, sodass Mitte 2025 die Ergebnisse feststehen, auf deren Grundlage zukünftige politische Entscheidungen in der Schweiz stattfinden sollen. Auch das rege Medienecho spricht eine eindeutige Sprache, was die Erwartungen und Neugierde an das (aller)erste Pilotprojekt angeht: „Sowohl regionale, nationale wie auch internationale Medienschaffende haben Interviews mit dem Kanton als Auftraggeber der Studie, der Projektleitung, dem Produzenten wie auch mit Teilnehmenden geführt“, teilt Regine Steinauer mit und fährt fort: „Es sind zahlreiche Berichte in Printmedien, Online-Medien, Fernsehen und Radio erschienen. Das Interesse hält weiter an. Dabei ist aufgefallen, dass die Berichterstattung sehr fachlich und informativ erfolgt ist“, berichtet Regine Steinauer.

Nach dem Start der Studie gefragt, spricht der Projektleiter Prof. Dr. Marc Walter von einem guten und insgesamt problemlosen Projektbeginn. So konnten etwa auch die Studienausweise, die zum Erwerb der Cannabisprodukte in den teilnehmenden Apotheken befähigen, ausnahmslos an alle Teilnehmenden ausgehändigt werden. Hierzu habe auch die transparente Information im Netz und Schulung des Personals beigetragen: „Die Weed Care Website mit Fragen an die Studienärzte wurde rege genutzt und offene Fragen zum Start konnten darüber beantwortet werden. Auch wurden die Apotheken umfassend im Umgang mit den Teilnehmenden sowie der Technik zur Erfassung der Produkte geschult“, so Prof. Walter. Von den Teilnehmenden habe es bisher auch nur positives Feedback gegeben, sowohl zu den Produkten („keinerlei Reklamationen“) als auch zu dem Ablauf der Studie. Und auch die von einigen Gegnern im Vorfeld geäußerten Befürchtungen über kriminelle Zwischenfälle im Rahmen der Besorgung haben sich als unbegründet erwiesen. Weder von der Polizei noch von den Apothekern gab es diesbezüglich Meldungen.

Der Studienleiter berichtet zudem, dass in den ersten beiden Monaten seit dem Start ungefähr 5.000 g Cannabis verkauft werden konnten. Darunter allein 2.000 g von dem Blütenprodukt mit 16 % THC-Gehalt, welches sich damit als bislang beliebtestes Produkt der Teilnehmenden herauskristallisiert. Darüber hinaus wurden ca. 1.000 g von dem Haschischprodukt mit 20 % THC-Gehalt verkauft. Die beiden Produkte mit dem höchsten THC-Gehalt sind also die gefragtesten in den Basler Apotheken.

Wissenschaftliche Grundlagen schaffen

Die Auswahl der Cannabisprodukte im Verlauf der Studie sehen die Verantwortlichen als zielführenden Faktor an. Ändert sich womöglich das Konsumverhalten mit der Zeit, sodass Probanden von niedrigeren zu höheren Produkten wechseln – oder umgekehrt? Wird wegen der begrenzten monatlichen Maximalmenge oder auch aufgrund des vorgegebenen Produktangebots noch zusätzlich auf dem Schwarzmarkt gekauft oder nicht? Als weiteren inhaltlichen Aspekt bringt der Studienleiter das Thema Gesundheit ins Spiel: „Interessant wird auch zu sehen, ob sich der Verlauf ein Jahr nach Studienbeginn positiv auf die psychische Gesundheit der Teilnehmenden ausgewirkt hat und ob weniger oder mehr Cannabis konsumiert worden ist“, so Prof. Walter. Diese Fragen sind es, die mit Aufschluss geben sollen über die weiteren Schritte in Bezug auf die Legalisierung in der Schweiz. Wohlgemerkt. Denn die Weed Care-Studie ist nur das erste solcher Projekte, das anhand von wissenschaftlichen Grundlagen dabei helfen soll, der Öffentlichkeit ein Bild zu verschaffen über den legalen Verkauf von Cannabis im Vergleich zum Status quo. Zusammen mit den Erkenntnissen aus weiteren „Feldversuchen“ wird es Impulse für die politische Diskussion einer zukünftigen Cannabispolitik liefern.

Erste handfeste Zwischenergebnisse der Weed Care-Studie sind für Januar 2024 angekündigt. ↙

Regine Steinauer
Foto: Gesundheitsdepartement Basel-Stadt
Prof. Dr. Marc Walter
Foto: PDAG
This article is from: