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Absichtserklärung Genussmittelregulierung

Absichtserklärung Genussmittelregulierung

Cannabislegalisierung wird ein Marathon, kein Sprint

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“Der Schwarzmarkt wird sich schwarzärgern”, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, als er am 12. April 2023 gemeinsam mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das neue Eckpunktepapier zur Legalisierung in der Bundespressekonferenz vorgestellt hat. Ob dies wirklich so ist, muss sich noch zeigen und hängt stark von der konkreten Ausgestaltung des Gesetzesentwurfs ab. Für die Cannabiswirtschaft war dieser Tag weder ein Tag zum “Schwarz ärgern” noch zum Feiern. Er war vielmehr eine Zwischenetappe im Marathon „Cannabislegalisierung“ – und auch eher eine frühe.

Von Dirk Heitepriem und Jürgen Neumeyer

Das von den beiden Ministern vorgestellte Papier ist hierbei als Absichtserklärung zu verstehen, nicht als die finale Strategie der Bundesregierung. Denn einen neuen Kabinettsbeschluss hat es nicht gegeben und die Kabinettsposition ist weiterhin das Eckpunktepapier aus dem Herbst des vergangenen Jahres. Und natürlich gilt auch bei der Cannabislegalisierung das “Strucksche Gesetz”, dass Minister Özdemir selbst zitiert hat. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Peter Struck, hatte dies einmal formuliert: “Kein Gesetzentwurf verlässt den Bundestag so, wie er hereingekommen ist.” Somit bleiben viele Fragen offen und gleichzeitig zeigen sich viele Möglichkeiten, diesen Marathon so zu beenden, dass alle irgendwie Gewinner sein können – außer dem Schwarzmarkt natürlich. Vorgestellt wurde ein zwei Säulen Modell, was eigentlich eher ein drei Säulen Modell sein müsste. Denn nach der ersten Säule der Entkriminalisierung und des nicht-kommerziellen Anbaus und der zweiten Säule der wissenschaftlichen Modellprojekte kommt noch die dritte Säule. Diese wird aus der Zusammenarbeit mit anderen europäischen Partnern bestehen, um in Europa (und wohl auch international) einen Rahmen zu schaffen, in dem einzelne Mitgliedsstaaten der EU einen legalen Cannabismarkt aufbauen können. Die Cannabiswirtschaft hat die Vorschläge aus dem Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium begrüßt und als wichtigen Schritt in die richtige Richtung beschrieben. Dieser neue Vorschlag ist das klare Eingeständnis, dass die Prohibitionspolitik der vergangenen Jahrzehnte gescheitert ist und Konsumenten endlich in die Lage versetzt werden müssen, Cannabis legal zu konsumieren. Die Umsetzung der ersten Säule wird aber die Regierung, Politik und andere Akteure vor große Herausforderungen stellen.

Säule 1: Entkriminalisierung und nicht-kommerzieller Anbau

Die erste Säule soll, laut Lauterbach und Özdemir, schnellstmöglich – am besten noch in diesem Jahr – umgesetzt werden. Während hierbei die Entkriminalisierung und die Genehmigung des Eigenanbau relativ einfach umsetzbar sind, wird die Schaffung von Cannabis Anbau-Clubs regulatorisch und finanziell sicher größere Hürden auf die Marathonstrecke stellen. Fragen der Überwachung, Qualitätsanforderungen und -kontrolle sowie die Schaffung von Anbaumöglichkeiten auf die Länder und Kommunen zu übertragen, ist nicht so einfach. Personaldecken sind dünn, Erfahrung im Bereich Cannabis ebenfalls. Und ohne bundeseinheitliche Regeln entsteht das Risiko, ähnlich wie im Bereich des Medizinalcannabis, in verschiedenen Bundesländern verschiedene Regeln zu haben.

Gleichzeitig ist der Anbau von 300 kg Cannabis im Jahr (denn so viel könnte ein Cannabis Anbau-Club bei 500 Mitgliedern und 50 g Abgabe pro Monat und Mitglied maximal anbauen) mit größeren Investitionen verbunden. Neben der Suche nach geeigneten Standorten für den Anbau, werden umfangreiche Kosten für Lüftung, Klimatisierung, Beleuchtung und Bewässerung anfallen. Die Cannabiswirtschaft ist hier gern bereit sich einzubringen. Neben der Schaffung von maßgeschneiderten Angeboten für Clubs bei der Grundausstattung, wäre auch die Auftragsproduktion oder die Vermietung von voll ausgestatteten Pflanzräumen eine Möglichkeit die Clubs zu unterstützen und gleichzeitig Qualität und Konstanz zu garantieren. Dies ist aber nur möglich, wenn der Gesetzgeber im Gesetz eine Möglichkeit dafür schaffen würde.

Dieser neue Vorschlag ist das klare Eingeständnis, dass die Prohibitionspolitik der vergangenen Jahrzehnte gescheitert ist und Konsumenten endlich in die Lage versetzt werden müssen, Cannabis legal zu konsumieren.

Säule 2: wissenschaftliche Modellprojekte

Die zweite Säule soll zwar erst über den Sommer ausgearbeitet und damit deutlich nach der ersten Säule realisiert werden, soll aber gleichzeitig den entscheidenden Schritt darstellen, um langfristig einen legalen Markt für Cannabis in Deutschland und Europa zu schaffen. Dafür wurden in den vergangenen Monaten in den verschiedenen beteiligten Ministerien bereits wichtige Voraussetzungen geschaffen. Seit die Eckpunkte des Kabinetts im vergangenen Jahr beschlossen wurden, haben zahlreiche Ministerien an der Definition von Rahmenbedingungen für Anbau, Distribution und Verkauf gearbeitet. Eine zeitnahe Umsetzung ist daher nicht nur dringend erforderlich, sondern auch möglich. Leider sind die Vorstellungen über die wissenschaftlichen Modellprojekte im aktuellen Papier noch sehr unscharf umrissen. Für die Cannabiswirtschaft können diese Modellprojekte nur einen Einfluss auf den Schwarzmarkt haben, wenn sie flächendeckend eingeführt werden und möglichst vielen Konsumenten eine breite Produktpalette zur Verfügung stellt. Dafür braucht es einen bundesweit möglichen Anbau auf Basis von Anbaulizenzen, damit alle Projekte mit unterschiedlichen Sorten beliefern werden können.

Um den Einfluss auf den Schwarzmarkt auch wirklich messbar zu machen, ist die wissenschaftliche Begleitung der Projekte bundesweit einheitlich notwendig. Diese Begleitung muss auch eigentlich schon heute anfangen, um einen brauchbaren Startwert zu haben. Hierzu haben bereits zahlreiche Forschende einen gemeinsamen Vorschlag an die Bundesregierung gegeben. Offen bleibt auch die Frage, wie es nach den fünf Jahren Modellprojekt weitergehen soll. Ein Zurück zum Schwarzmarkt kann sicher nicht akzeptabel sein, vor allem da die Cannabislegalisierung vor allem ein Projekt zum Jugend- und Gesundheitsschutz ist.

Wichtige Punkte bleiben offen

Unser Marathon hat gerade erst angefangen, jedoch sind noch nicht alle Starter zugelassen worden. Die vorgestellten Strategien klammern noch immer entscheidende Punkte der Cannabiswirtschaft aus. Leider sehen wir auch noch keine Neuigkeiten zu Themen wie Medizinalcannabis, Nutzhanf, Lebensmittel oder CBD, die eigentlich eine jeweils eigenständige Regelung benötigen – wie auch im Eckpunktepapier aus dem Herbst 2022 angekündigt war.

Wenn Cannabis, und hier vor allem THC, in Deutschland legal wird, müssen auch die Rahmenbedingungen der anderen Bereiche überarbeitet werden. Ziel des Cannabis als Medizin-Gesetzes war einst unter anderen, Patienten weg vom Schwarzmarkt oder Eigenanbau, hin zu qualitätskontrollierten Produkten in der Apotheke und unter ärztlicher Anleitung zu bringen. Aufgrund der hohen Ablehnungsquote bei den Krankenkassen, gibt es eine große Zahl Selbstzahler-Patienten, die womöglich aufgrund der Kosten in die Cannabis Clubs wechseln. Um dies zu verhindern, muss unter anderem der Genehmigungsvorbehalt abgeschafft und deutlicher Bürokratieabbau bei Verschreibung und Kostenbewilligung realisiert werden.

Dirk Heitepriem ist Vizepräsident des Branchenverbandes Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW) und koordiniert dort den Fachbereich “Genussmittelregulierung”. Er arbeitet als Vice President External Affairs bei Aurora Europe, die in Kanada bereits Cannabis als Genussmittel produzieren und in Deutschland eine der drei Lizenzen für die Herstellung von Cannabis als Arzneimittel haben.

Jürgen Neumeyer war nach seinem Abschluss als Dipl.-Pol. ehrenamtlich zehn Jahre Referent für Drogenpolitik bei den Bundes-Jusos und beruflich 17 Jahre als Mitarbeiter im Bundestag. Nach einer langjährigen Tätigkeit als selbständiger Politikberater, Headhunter und Lobbyist, setzt er sich heute als Geschäftsführer des Branchenverbandes Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW) für die Interessen der Cannabiswirtschaft ein.

Aufmacher: Leonid Andronov/stock.adobe.com

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