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Der Konsument im Fokus

Interview mit Shane McGuill und Spiros Malandrakis

Shane McGuill, Globaler Leiter Nikotin & Cannabis, und Spiros Malandrakis, Forschungsleiter Alkoholische Getränke & Cannabis, analysieren seit fünf Jahren Daten zum Cannabismarkt für das Marktforschungsunternehmen Euromonitor International. Während dieser Zeit haben sie den Eindruck gewonnen, dass die Cannabisbranche noch viel über ihre Zielgruppen lernen muss, wenn sie eine solide Verbraucherbasis aufbauen möchte. CannaVision hat mit den Marktanalysten darüber gesprochen, wieso der Konsument in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt werden sollte. Von Rebekka Nurkanovic

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Was interessiert Sie an der Cannabisbranche besonders?

McGuill: Ich komme ursprünglich aus der Tabakindustrie und Spiros aus der Alkoholindustrie. Vor etwa fünf Jahren begannen wir, die Legalisierung von Cannabis zu untersuchen, wir wollten wissen, was die Auswirkungen auf unsere jeweiligen Branchen waren. Wir kamen schnell zu dem Schluss, dass dieses Produkt sehr schnell wachsen und in etliche Lebensbereiche der Menschen eindringen würde. Es entsprach vielen der Verbraucherbedürfnisse, die wir beobachteten, welche unsere Branchen bremsten. Wenn man sich die übergeordneten Verbrauchertrends und die Kräfte ansieht, die den Verbraucher des 21. Jahrhunderts antreiben, wie Personalisierung, Wunsch nach authentischeren Markenangeboten, nuanciertere Ausgestaltung in Bezug auf die Produkte, die sie verwenden, haben Cannabisprodukte die Kraft und die Fähigkeit, all diese Punkte anzusprechen.

Malandrakis: Die meisten Verbraucher, vor allem die jüngeren, trinken immer weniger Alkohol oder versuchen alkoholfreie Getränke zu kaufen. Ich habe mich mit diesem Thema befasst und erkannt, dass Cannabis ein ideales Epizentrum der Innovation werden kann, durch die Möglichkeiten, Angebote für Gesundheit und Wellness mit CBD und all den anderen kleinen Cannabinoiden zu bündeln. Es gibt in der Cannabisbranche nicht genug Diskussionen über die Angebote für die Verbraucher, die Verbraucherstandorte und die Verbraucherprodukte selbst. Ich denke, das ist eine große Lücke, und deshalb nähern wir uns dieser Lücke vor dem Hintergrund in unseren jeweiligen Branchen.

Welche Chancen und Hindernisse sehen Sie für die Branche?

McGuill: Wie Spiros bereits erwähnte, gibt es eine Fülle unterschiedlicher Bedürfnisse und Anlässe, die mit diesem Produkt abgedeckt werden können, und wir glauben, dass dies auch der Fall sein wird, wenn man die unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten in Bezug auf die regulatorische Entwicklung in den verschiedenen Teilen der Welt überwunden hat. Die Legalisierung bzw. die umfassendere Liberalisierung von Cannabis ist meiner Meinung nach in den meisten Teilen der Welt unvermeidlich, aber was mir in Bezug auf das Wachstum Sorgen bereitet, ist die Akzeptanz beim Verbraucher. Die Branche sollte sich jetzt vielmehr auf die Positionierung ihrer Produkte konzentrieren. Wenn wir wollen, dass Verbraucher die Produkte annehmen und sie konsequent nutzen, muss die Kommunikation hinsichtlich der Produkte und ihrer Qualität gestärkt werden.

Malandrakis: Ich habe einmal auf einer Versammlung von großen deutschen Bierherstellern vorgetragen, dass Lifestyle-Assoziationen und Branding wesentliche Instrumente für die Ausweitung von demografischen Zielgruppen sind. Sie sahen mich an und sagten: „Was redest du da, Spiros? Wir verkaufen nur Bier.“ Sie waren der Meinung, dass Bier in Deutschland nur billig sein und in großen Kisten verkauft werden muss, damit die Leute es leichter tragen können. Wenn man den Vertretern eines der größten Biermärkte auf dem Planeten die Bedeutung von Lifestyle-Branding als Teil der Verbraucherreise erklären muss, dann ist das das Problem, das sie zurückhält, nicht irgendein Gesetz. Das lässt sich auf die Cannabisbranche übertragen und illustriert meine Überzeugung, dass wir anfangen müssen, über Cannabis als eine riesige Industrie des 21. Jahrhunderts zu diskutieren, gerade weil es so viele verschiedene Produkte ermöglichen kann, von Pflegemitteln über Tiernahrung bis hin zu Getränken und vieles mehr. Wir vermissen diesen Punkt in den meisten Gesprächen, die wir z. B. auf Konferenzen führen. Die Leute reden hauptsächlich über Investitionen oder Stolpersteine, wie die Frage, wo das Investitionsgeld herkommt, aber niemand spricht wirklich über Produkte. Die Tatsache, dass diese Art von Fehlern in Branchen ohne rechtliche Probleme auch gemacht wird, zeigt, dass es manchmal einfach an mangelnden Perspektiven liegt.

Welche Perspektive sollten Firmen denn einnehmen?

Malandrakis: Wellness und Freizeit sind interessante Perspektiven. Ich habe eine persönliche Abneigung dagegen, wenn Leute Angst haben, den Freizeitaspekt zu erwähnen. Bei Alkohol ist man stolz darauf, dass es sich um ein Freizeitvergnügen handelt, was ein wesentlicher Teil der menschlichen Erfahrung ist. Wir haben in den letzten Jahren eine Art von Unterscheidung zwischen gutem und schlechtem Cannabis gesehen, die Shane weiter erläutern kann. Und damit sind wir nicht einverstanden, denn es ist alles das Gleiche. Es sollte uns also nicht erlaubt sein, nur über Medizin zu sprechen und gleichzeitig zu versuchen, alles, was mit Erholung oder anderen Absichten zu tun hat, als etwas von Natur aus Gefährliches oder Schlechtes darzustellen, denn damit erweist man auch der Branche einen Bärendienst. Es ist nichts Schlimmes daran. Es ist keine Schande!

McGuill: Ich würde das so beschreiben, dass die Branche derzeit manchmal segmentiert, wenn sie nicht segmentieren sollte, und nicht segmentiert, wenn sie es sollte. Es gibt z. B. eine Neigung, Cannabis in verschiedene Arten aufzuteilen. Medizinisches Cannabis wird als eine besondere Art von Cannabis betrachtet und seine Nutzer als von Natur aus gut in ihrem Cannabiskonsum. Ich habe den Eindruck, dass diese Einstellung letztendlich den Fortschritt in Bezug auf Legalisierung und Normalisierung verlangsamt, weil es den Cannabiskonsum in gute und schlechte Arten des Gebrauchs einteilt. Wir sind der Meinung, dass sie ganzheitlichere Argumente vorbringen sollten. Das übergreifende Argument ist, dass Shane McGuill, Globaler Leiter Nikotin bis für eine Reihe von verschiedenen Dingen verwendet werden kann. Die Betonung sollte auf der essentiellen Menschlichkeit der Pflanze liegen, die den vielen verschiedenen Dimensionen entspricht, die wir als Gesellschaft und als Individuen haben. Menschen können beides sein, Gut und Böse. Das ist aus meiner Sicht auch die Schlüsseleigenschaft der Cannabispflanze. Ich glaube, diese Botschaft wird nicht ausreichend vermittelt. Auf der anderen Seite steht jedoch fehlende Segmentierung. Wenn man sich die Art und Spiros Malandrakis, Forschungsleiter Alkoholische Getränke und Cannabis, Weise anschaut, wie die Industrie ihre Produkte in Nordamerika verkauft, dann sieht Euromonitor International. jede Apotheke jetzt wie ein Laden von Apple aus, egal ob an der Ostküste oder an der Westküste. Wir sind der Meinung, dass man sich wieder dem Verbraucher und seinen verschiedenen Bedürfnissen zuwenden sollte, so dass man verstehen kann, wie man unterschiedliche Verbraucher anzieht. Hier wäre eine stärkere Segmentierung nützlich, die sich ein wenig mehr auf den Endverbraucher des Produkts konzentriert und Angebote schafft.

Es gibt in der Cannabisbranche nicht genug Diskussionen über die Angebote für die Verbraucher, die Verbraucherstandorte und die Verbraucherprodukte selbst.

Spiros Malandrakis

Die Industrie sollte jetzt darüber nachdenken, wie sie die Verbraucher dazu bringen kann, die Branche und ihre Produkte zu akzeptieren.

Shane McGuill

Wie kann man sich gelungene bzw. misslungene Segmentierung vorstellen?

McGuill: Ein Produkt aus den USA für Hundespaziergänger ist ein wunderbares Beispiel für gelungene Segmentierung. Der Hundespaziergang ist eine Gelegenheit, bei der Menschen nach Stimulation suchen und es ist ein Anlass, bei dem sie unauffällig, aber intensiv die emotionale Verbindung mit ihrem Haustier ausleben. Cannabis ist in der Lage, diesen Moment für den Verbraucher in einer Weise zu erfüllen, wie es andere Arten von Produkten nicht können. Das ist ein gutes Beispiel für ein Unternehmen, das ein Kundenbedürfnis auf sehr kreative Art und Weise segmentiert und Cannabinoide einsetzt, um darauf zu reagieren und es zu bedienen. Wir sind der Meinung, dass die Branche über verschiedene Anlässe segmentieren sollte. Diese Art der Segmentierung mag für die Cannabisindustrie überraschend erscheinen. Aber letztlich funktionieren alle Branchen so. Man kreiert keine Kekse für alle Kekse liebenden Menschen. Man kreiert Kekse für bestimmte demografische Gruppen. Ein Beispiel aus dem CBD-Bereich für eine unzureichende Segmentierung oder Profilierung ist die Abbildung von Marihuanablättern auf CBD-Produkten. Wir sind der Meinung, dass die Art und Weise, wie man diese Produkte für den langfristigen Gebrauch beim Verbraucher positioniert, wirklich retro ist. Wenn man über CBD spricht, sollte es meiner Meinung nach nicht mit der traditionellen Cannabis-Ikonographie in Verbindung gebracht werden. Das heißt nicht, dass CBD-Produzenten sich des Ursprungs schämen sollten. Es geht nur darum, die richtige Art der Positionierung, die richtige Symbolik für die Verbraucher zu nutzen.

Malandrakis: Genau, Verbraucher sehen die Blätter auf der Verpackung, sie verstehen nicht viel von Cannabinoid-Aufschlüsselungen und denken, dass sie eine ähnliche oder vergleichbare Erfahrung zu dem Cannabisprodukt aus dem illegalen Handel bekommen. Sie kaufen dieses Produkt, probieren es aus und dann passiert nichts Erstaunliches. Also fangen sie an, sich von CBD oder ganz von Cannabis abzuwenden, was schlecht für die gesamte Branche ist. Daher sind solche Verpackungen irreführend und deshalb ist es wichtig, Verbraucher über die Zusammenhänge aufzuklären.

Was kann die Branchenentwicklung beschleunigen?

Malandrakis: Die Dinge entwickeln sich viel langsamer, als wir erwartet haben, aber sobald die vollständige Legalisierung auf Bundesebene in den USA oder eine Legalisierung in Deutschland eintreten, werden sie als Katalysatoren fungieren und die Entwicklung stark beschleunigen.

McGuill: Ja. Und in gewisser Weise ist es egal, wann genau es soweit sein wird. Die Industrie sollte jetzt darüber nachdenken, wie sie die Verbraucher dazu bringen kann, die Branche und ihre Produkte zu akzeptieren. Für mich ist Verbraucheraufklärung ein Schlüsselelement. Es ist auch notwendig, ein Markenangebot zu schaffen. Das wird in gewisser Weise vom richtigen Umfeld abhängen, aber es gibt hier auch eine Spannung zwischen den lokalen Marken, die die lokalen Cannabiskulturen berücksichtigen, und den globalen Marken. Ich persönlich interessiere mich mehr für die eher gewöhnlichen und etablierten Cannabismarken. Es wäre für mich ein echtes Zeichen von Erfolg und Normalisierung in der Branche, wenn es globale Cannabismarken gibt, die jeder hasst.

Malandrakis: Wenn das passiert, dann fängt man unweigerlich an, die Herausforderungen der Marken zu sehen. Die generischen Giganten, wie Shane sie beschreibt, sind dazu da, den Weg für alles andere zu ebnen. Die Leute gewöhnen sich so daran, sie konsumieren ein- oder zweimal, und dann wollen sie das, was sie tun, mit einem Mehrwert versehen oder die lokalen Anbieter unterstützen, oder ein ungewöhnliches Angebot finden. Aber dazu muss man mit den großen Akteuren beginnen.

Hätten Sie noch einen Ratschlag für die Schritte, die unternommen werden sollten?

Malandrakis: Es gibt ein Hauptproblem, das wir beispielsweise aus Kanada kennen. Ein Grund, warum viele der großen Unternehmen sowohl bei den Aktienkursen als auch bei den Umsätzen einbrechen ist, dass sie versucht haben, allgemeine Cannabisunternehmen zu sein, sich also auf nichts spezialisiert haben. Sie haben versucht, in jeder einzelnen Sparte innovativ zu sein und Produkte zu entwickeln, sogar in den Randbereichen. Wenn jemand alles gleichzeitig macht, schafft er aber am Ende nichts richtig. Also, wählen Sie Ihre Seite, wählen Sie Ihre Zielgruppe. Wählen Sie das Problem, das Sie lösen wollen, und lösen Sie es. Versuchen Sie nicht, alles für alle gleichzeitig zu sein, denn ich habe noch niemanden erlebt, der so am Ende wirklich zufrieden mit den Ergebnissen war.

McGuill: Es geht darum, sich Gedanken zu machen über das Verbraucherproblem, das man zu lösen versucht, das Bedürfnis, das man zu erfüllen versucht, und zu überlegen, welche Art von Cannabinoid-Produkt das leisten kann. Und erst dann überlegt man sich, welcher Formfaktor das leisten kann. Man muss also über das Verbraucherprofil nachdenken. Der Unterschied zu anderen Branchen ist, dass man ein größeres Spektrum hat – an Verbraucherbedürfnissen und an Problemen, die man lösen kann. In gewisser Hinsicht sollte es also einfacher für die Cannabisbranche sein, weil sich mehr Optionen bieten.

Vielen Dank für das Interview. ↙

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