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Zu Besuch bei MH medical hemp

Joscha Krauß, Geschäftsführer MH medical hemp, vor dem BTM Tresor.

Fest verwurzelt und hoch hinaus

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MH medical hemp hat große Pläne

Seit der Gründung der MH medical hemp GmbH im Oktober 2014 hat sich bei dem Unternehmen viel getan. Wie alle Spieler in der Cannabisbranche muss MH medical hemp geschickt mit den Unwägbarkeiten der Politik und des Marktes umgehen. Dank einem großen Erfahrungsschatz, überzeugtem Pragmatismus und einer Portion Humor konnte die Firma bisher allen Herausforderungen trotzen und ist heute einer der größten Hersteller und Händler von CBD-Rohstoffen in Deutschland. Eine Erweiterung des Geschäftsfeldes steht bereits in den Startlöchern. Von Rebekka Nurkanovic

Seinen Ursprung hat MH medical hemp im Unternehmergeist von Daniel Kruse, einem Urgestein der deutschen Cannabiswirtschaft. Kruse gründete bereits 1995 das Einzelhandelsgeschäft HanfHaus in Düsseldorf. Mit dem Ziel, Ökologie und Ökonomie zu verbinden und langfristig die gesamte Lieferkette rund um Hanf zu bedienen, also „vom Saatgut bis ins Verkaufsregal“, hat er seitdem mehrere Firmen ins Leben gerufen. MH medical hemp gehört gemeinsam mit Hempro Int., Hemp Factory und Hanf Farm zur Hemp Holding Gruppe – nach eigenen Angaben einer der größten Hanfproduzenten Europas. Von der Hanf Farm bezieht MH medical hemp einen großen Teil ihrer in Europa angebauten Nutzhanf-Rohstoffe. Die Firmen der Gruppe arbeiten eng zusammen und profitieren von synergistischen Effekten, sei es beim Austausch von Erfahrung oder Produkt- und Marktinformationen. Gemeinsam können sie auf fast 30 Jahre Erfahrung zurückgreifen und lange erprobte Netzwerke nutzen. Die gebündelte Erfahrung sehen sie als Basis, auf der sie frühzeitig Trends erkennen und vorausschauend handeln können.

Die Branche voran bringen

In den Anfangsjahren kamen die Kunden der Gruppe ausschließlich aus den USA. Die Amerikaner hatten in den Jahren 2012 bis 2015/2016 einen großen Bedarf an Hanfextrakten aber noch kein eigenes Material und wandten sich an die zwar kleine, aber immerhin vorhandene, Hanfindustrie in Europa. „Daniel Kruse war einer der Ersten, der das Potential erkannt hat und schnell handelte. Er baute entsprechende Produktionskapazitäten auf und stellte ein Netzwerk sowie weitere Kundenkontakte her“, berichtet Joscha Krauß, der Geschäftsführer von MH medical hemp. Seither haben sich die Zeiten gewandelt und das Kerngeschäft der Gruppe hat sich nach Europa verlagert während Lateinamerika und Asien als potentielle Märkte ins Visier gerückt sind. Krauß ist schon seit den Anfängen von MH medical hemp dabei und hat den Wandel der Branche und des Unternehmens begleitet. Nach seinem Studium der Forstwissenschaften an der Universität Freising und dem anschließenden Studium der Ökologie in Wien, begann er mehr oder weniger zufällig seine Karriere in der Cannabisbranche. Ein Studentenjob in einem Hanfgeschäft in Wien hatte ihm bereits die Augen für das wirtschaftliche Potential der Pflanze geöffnet. Seine damalige Freundin war im Qualitätsmanagement bei Hempro Int. tätig und nahm ihn zu einem Arbeitsessen mit Daniel Kruse mit, der ihm von der frisch gegründeten MH medical hemp GmbH erzählte. Joscha Krauß‘ Interesse war geweckt und so hat er 2015 als General Manager, oder wie er selber es nennt „Mädchen für Alles“, dort angefangen und die Firma mitaufgebaut. Seit 2017 leitet er als Geschäftsführer die Geschicke von MH medical hemp. Das Engagement des Unternehmens für die Cannabiswirtschaft macht nicht vor den Firmentüren halt, sondern erstreckt sich auf die Mitarbeit in Verbänden und Initiativen. Krauß sitzt im Vorstand von Medicinal Cannabis Europe, dem Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW) und weiterer Initiativen. Sie alle haben die Harmonisierung von Regularien im Fokus und wollen durch Transparenz und Aufklärung Vertrauen schaffen und alle Stakeholder einbinden. Daneben geht es auch um die Schaffung von deutschlandweiten bzw. EU-weiten harmonisierten rechtlichen Rahmenbedingungen, die die Herstellung, den Vertrieb und den Verkauf von Cannabis-Produkten erleichtert. Für Krauß ist auch wichtig, dass der BvCW die Entwicklung eigener Qualitätsstandards und -siegel vorantreibt, die über die Selbstverpflichtung hinausgehen. „Die Regulation soll auch ein deutliches Signal an den Markt und die Politik senden, dass man sich von den schwarzen Schafen, die es in jedem Markt gibt – und die die derzeitigen Unklarheiten ausnutzen – abgrenzt“, betont er. Auch im Bereich Bildung ist Krauß nicht untätig und setzt seine Kenntnisse als Berater der Masterclass Medicinal Cannabis von Arno Hazekamp ein.

Stabil auf mehreren Standbeinen

MH medical hemp ist auf die Herstellung, Produktion und weltweite Vermarktung von Cannabinoiden, vor allem von CBD spezialisiert. Das Umsatzvolumen lag 2019 bei vier Millionen Euro und auch das Liefervolumen kann sich sehen lassen: 4,7 Tonnen Hanf-Extrakt/CBD-Öl in 2018 und 4,6 Tonnen in 2019. Neben den Ölen, Destillaten, Extrakten und Isolaten auf CBDBasis, die (meist im Tonnenbereich) zur Weiterverarbeitung vor allem an Großkunden in Deutschland und Europa geliefert werden, hat MH medical hemp seit 2018 die eigene CBD-Kosmetiklinie Phytalize im Programm, die im Einzelhandel erhältlich ist. Auch CBD-Öle zur Aromatisierung von Lebensmitteln gehören zum Bestand. CBD-Öle sind aus Sicht von Herstellern und Konsumenten als Lebensmittel geeignet, doch da sie vor dem Stichtag 15. Mai 1997 noch nicht im Handel waren, fallen sie unter die Novel Food (neuartige Lebensmittel) -Verordnung der EU. Von der Anmeldung eines neuartigen Lebensmittels bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit bis zu seiner Anerkennung können gut drei Jahre vergehen, in denen durch kostspielige Studien nachgewiesen werden muss, dass das Lebensmittel die vorgeschriebenen Kriterien erfüllt. MH medical hemp gehört zu einem Konsortium aus Mitgliedern der European Industrial Hemp Association (EIHA), das sich die Kosten für entsprechende Studien teilt. Damit möchten die Firmen natürlich ihre Geschäftsgrundlage erhalten, aber auch die Bereitschaft signalisieren, sich den Wünschen der Regulierungsbehörden anzupassen. Auch wenn Joscha Krauß klar sagt, dass ihnen die Einordnung bei den CBDWerten von traditionellem Nutzhanf (unter 5 % oder mindestens 3 %) im Grunde nicht sinnvoll und angemessen erscheint, da CBD schon immer Bestandteil der Hanfpflanze war und als solcher von Menschen verzehrt wurde. Während die Etablierung des CBD-Sortiments im Lebensmittelmarkt zurzeit durch die „Novel Food Hürde“ ausgebremst ist, steht eine bedeutende Geschäftsfelderweiterung unmittelbar bevor, denn MH medical hemp ist dabei, als Produzent in den pharmazeutischen Cannabisbereich vorzustoßen. Die reiche Erfahrung mit CO2-basierter Extraktion fließt also bald auch in die Extraktherstellung von medizinischem Cannabis ein. Standardisierte Extrakte mit festgelegten THC- und CBD-Werten sollen Patienten mit kostengünstigen Cannabinoid-Arzneimitteln versorgen. Die erforderliche Betäubungsmittellizenz sowie die Großhandelserlaubnis, die es ermöglicht, medizinische Cannabisblüten zu importieren und an deutsche Apotheken abzugeben, liegen vor. Auch die Pharmazeutische Herstellungserlaubnis für Importe aus Nicht-EU-Ländern ist vorhanden und der Antrag für die Lizenz zur Herstellung von Arzneimittelwirkstoffen wird für die erste Jahreshälfte 2022 erwartet. Krauß verspricht sich viel von dem Eintritt in den pharmazeutischen Bereich, da er die Nachfrage von standardisierten medizinischen Cannabisextrakten als steigend einschätzt. Er beobachtet, dass Cannabisblüten sowohl für Ärzte und Apotheker als auch für Patienten ungewohnt und schwierig in der Handhabung sind. Zudem stünden die Krankenversicherungen standardisierten Extrakten weniger skeptisch gegenüber. Bei der Herstellung ist es MH medical hemp wichtig, hauptsächlich medizinische Cannabisblüten aus der EU zu nutzen. Einmal, weil der Warenverkehr innerhalb der EU einfacher ist, aber auch, um die junge Industrie in der EU zu stärken. „Wenn sie schon dieses Abenteuer und die Arbeit auf sich nehmen, sollte man sie auch unterstützen“, findet Krauß. Beim Volumen denkt er an eine Produktion von Gramm bis Tonnen, wobei er generell, egal ob bei Nutzhanfpräparaten oder solchen aus medizinischem Cannabis, lieber Tonnen zu geringeren Margen als einzelne Kilos mit höheren Margen verkauft, da der Beratungsbedarf vieler kleinerer Kunden sehr viel Arbeitszeit bindet. MH medical hemp hat sich auf die Fahne geschrieben, dass bei allen Produkten die Qualität im Vordergrund stehen soll. Dabei liegt das größte Augenmerk auf der Qualität der Ausgangsware – vor allem auf den CBD- und THC-Verhältnissen. „Es muss Bioware sein und die CBD-, THC-Werte müssen stimmen“, sagt Krauß und erklärt, dass es bei jedem Schritt die Erfahrung aller Beteiligten zählt: „Die richtige Erntetechnik ist wichtig, die Extraktionsparameter sind wichtig und auch bei der Weiterverarbeitung von Extrakten und dem Mischen von Ölen ist Erfahrung gefragt.“

Firmenzentrale in Düsseldorf

Ursprünglich in Berlin beheimatet, liegt das Herz der MH medical hemp GmbH seit Januar 2020 in einem Mini-Industriehof im Norden von Düsseldorf. Die Verwaltung ist gemeinsam mit der Schwesterfirma Hempro Int. in einem ehemaligen Fitnessstudio untergebracht. Von dem vorherigen Verwendungszweck des Gebäudes zeugen noch einige Spinde, Trainingsgeräte und eine Sauna, die heute von den Mitarbeitern genutzt werden können. Das Untergeschoss beherbergt eines von mehreren Lagern der Firmengruppe. Auf der anderen Seite des Hofes befinden sich zwei Labore und der 12 m² große BTM- Tresor, der genug Platz für den gesamten Bestand hat. Das ca. 200 m² große neue Labor wurde nach GMP-Standard fertiggestellt. Hier findet die Analyse (HPLC + GC) und Extraktion medizinischer Cannabisextrakte statt. Für die nähere Zukunft ist auch der Einsatz chromatographischer Systeme für die Aufbereitung geplant, mit denen aus einem Vielstoffgemisch reine Präparate, d. h. reines CBD oder THC, gewonnen werden kann. Automation spielt bei der Herstellung noch gar keine Rolle, jeder Schritt findet in Handarbeit statt. „Für industrielle Maßstäbe ist die Nachfrage im Markt derzeit nicht groß genug. Wenn der Markt wächst, wird MH sich organisch an die Entwicklung anpassen. Wir wollen lieber in Schichten produzieren, als große, teure Maschinen untätig rumstehen zu lassen“, erklärt Krauß. Diese bodenständige Haltung zeigt sich auch in der sorgfältigen Auswahl von Investitionspartnern. Das Unternehmen hat klare Zukunftsvisionen und -pläne, von denen es nicht abweichen möchte. “Man hat schließlich etwas aufgebaut, an dem das Herzblut hängt und möchte es langfristig in guten Händen wissen und nachhaltig gestalten, “ sagt Krauß. Im November 2021 hat die börsengelistete Unternehmensgruppe SynBiotic SE 50,1 % der Unternehmensgruppe von Daniel Kruse übernommen und sich

Mitarbeiter von MH bei der Arbeit im Labor. Über der Tür im Hintergrund befindet sich eine Notfalldusche, falls es einmal zu Kontamination mit hautschädlichen Stoffen kommt. Foto: MH medical hemp

Im Lager stehen die Rohstoffe für ihre Weiterverarbeitung bereit.

per Option den späteren Erwerb der restlichen 49,9 % gesichert. Unter dem Schirm von SynBiotic wird MH medical hemp auch weiterhin der Firmenphilosophie treu bleiben, bekräftigt der Geschäftsführer: “Wir wollen das Potenzial der Pflanze Cannabis Sativa ergründen und entfalten, um weltweit der Hanfexperte im Life Science Bereich zu werden. Unser Wissen und die ständige Bereitschaft von der Natur zu lernen, treiben uns an. Als Teil der SynBiotic-Gruppe haben wir die besten Voraussetzungen unsere Ziele fokussiert zu verfolgen.“

Produktion und Forschung

Bei der Produktion von CBD-Öl und Hanfextrakten wird auf die Kapazitäten eines Lohnfertigers zurückgegriffen, wodurch die große Nachfrage bedient werden kann. Auch im Bereich Forschung und Entwicklung werden derzeit externe Experten herangezogen. Im Moment sind es vor allem zwei ZIM (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand) -Projekte, die das Unternehmen beschäftigen. Mit dem Innovationsnetzwerk Innohemp will MH medical hemp eine analytische Methode zur Quantifizierung und qualitativen Beurteilung der gängigsten Cannabinoide mit guter chromatographischer Auflösung entwickeln. Das Projekt des Netzwerks Pharmaproduktionstechnologie (ProPharm), steht kurz vor der Antragsphase und soll in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Braunschweig durchgeführt werden. Ziel ist, eine Produktplattform für Nutzhanf im Kosmetikbereich zu entwerfen. Dabei soll die ganze Pflanze betrachtet werden, nicht nur Blüten und Blätter sondern auch die Wurzel oder die Samen und ihre Schalen. Zudem wird der Lehrstuhl für Dermatologie der Uni Freiburg Anwendungsmöglichkeiten von Extrakten auf der Haut untersuchen. „Wenn wir dabei etwas Spannendes entdecken, werden wir natürlich ein Kosmetikprodukt daraus entwickeln. Das könnte z. B. ein Produkt gegen Sonnenbrand werden oder zur Pflege einer frischen Tätowierung“, stellt Krauß fest. Auch die Sortenentwicklung ist Gegenstand der Forschungsaktivitäten von MH medical hemp. Der CBD-Hersteller ist an laufenden Studien zu Sorten mit höheren Werten beteiligt. Ergebnisse sind für 2022 zu erwarten, so dass 2023 die erste Sorte mit höheren CBD-Werten auf dem Markt erhältlich sein dürfte. Für die Zukunft hat MH großes Interesse daran, noch mehr zu forschen. Ein Augenmerk liegt auf der weiteren Betrachtung von Cannabis Sativa, über CBD und THC hinaus. „Es gibt etwa 130 Cannabinoide, von denen nur THC und CBD gut erforscht sind. Das Forschungspotential bei Cannabinoiden ist also enorm und dasselbe gilt für Terpene und Flavonoide“, erläutert Krauß. Langfristig will MH medical hemp außerdem auch andere Pflanzen ins Visier nehmen. „Ich finde die vielen anderen Pflanzenwirkstoffe, z. B. Kakao oder Echinacea, interessant, die auf das Endocannabinoid-System Einfluss haben und sehe da Potential. Auch das weite Reich der Pilze könnte in der ferneren Zukunft Aufmerksamkeit verdienen, von Vitalstoffen bis hin zu Alkaloiden.“ Mit Begeisterung blickt er auf die Forschungsmöglichkeiten der kommenden Jahrzehnte und die Entdeckungen, die da warten könnten. Potential sieht er bei der Gabe von Pflanzencannabinoiden zum Ausgleich einer Endocannabinoid-Unterversorgung. Generell mangelt es MH medical hemp und ihrem Geschäftsführer nicht an Ideen. So denkt er auch darüber nach, im Bereich Verdampfer, Nahrungsergänzung für Sportler und Futterzusätze für Haustiere aktiv zu werden. Bei allen Zukunftsplänen ist Joscha Krauß sich stets bewusst, dass „die rechtliche Lage in allen Cannabisbelangen so verworren ist, dass man bei jedem Schritt mit Hindernissen rechnen muss und niemals die Geduld und den Humor verlieren darf, wenn man Zielen näher kommen und bereits Erreichtes erhalten möchte.“ Eine Tatsache, der sich seiner Meinung nach auch Branchenneulinge bewusst sein sollten, „Man braucht Durchhaltevermögen und darf sich von Rückschlägen nicht beeindrucken lassen, sonst ist man in dieser Industrie falsch. Man kann leicht unterschätzen, wieviel Leidenschaft und Herzblut darin steckt.“ ↙

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