sn | supporters news #82

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supporters news # 82 | 04.2016

Das Magazin des HSV Supporters Club

Mode von der Insel Kiebitze am Volkspark Heimat für Flüchtlinge

Allzeit HSV Der Fußballreisende Thomas von Heesen

Preis: 2,00 Euro



INTRO

Editorial

Moin! Tim-Oliver Horn

Herzlich willkommen zur 82. Ausgabe der supporters news. Knapp vier Monate sind seit der letzten Ausgabe vergangen. Genug Zeit, das neue Magazin mit viel Stoff zu füllen. Sportlich stehen wir – endlich mal, möchte ich sagen – im Niemandsland. Die einen sind unzufrieden (zu Recht), weil wir die gefühlt einfachen Spiele verlieren, die anderen sind zufrieden (auch zu Recht) weil wir immer dann, wenn wir Gefahr laufen, in den Abstiegsstrudel gerissen zu werden, die wichtigen Spiele gewinnen. Eigentlich brauche ich in diesem Editorial aber gar nicht so viel zu schreiben, denn Axel Formeseyn hat mit seinem Intro „Wie ich es sehe“ eine sehr schöne Einleitung für diese Ausgabe gefunden. Hamburg ist das Tor zur Welt, und wie gut das funktionieren kann, zeigt in diesem Magazin auch der Bericht über den FC Hamburger Berg. Des Weiteren erwartet Euch in der sn – die Titelseite verrät es – ein großes Interview mit Thomas von Heesen über seine Zeit im Aufsichtsrat und „Cross Scouting“ für den HSV. Mode und Fußball gehören immer mehr zusammen. Gehörte früher die Kutte zum guten Ton in der Kurve, ist es heute teure Markenkleidung. Wir haben dazu mit Mirko Beyer gesprochen, der die Fußballmode zu seinem Beruf gemacht hat. Nur einmal umblättern, und Ihr erfahrt zudem, wo Ihr die richtige HSV-Frisur bekommt. „Freiheit für die Jungs“ war vor zehn Jahren ein großes Thema vor allem in der HSVFanszene. Untersuchungshaft für eine Schlägerei, die nie stattgefunden hat. Wie es den Beteiligten heute geht, erfahrt ihr im Bericht von Nils Bethge. Gänsehaut ist garantiert. Selbstverständlich thematisieren wir zudem die Korruption im Fußball, werfen einen Blick auf die letzte Mitgliederversammlung und lesen gespannt, was Klößchen in mehr als fünfzig HSV-Spielen (in verschiedenen Sportarten) in den letzten drei Monaten erlebt hat. Zu guter Letzt noch ein paar Worte in eigener Sache. Ich möchte mich auch an dieser Stelle noch einmal für das Engagement von Thomas Kerfin bedanken, der im Januar von seinem Amt als Mitglied der Abteilungsleitung zurückgetreten ist. Wir wünschen Dir alles Gute für die Zukunft, Thomas. Wir sehen uns in der Kurve. Und wir freuen uns über engagierte HSVer, die sich auf der Versammlung im Herbst zur Wahl stellen, um den frei gewordenen Platz in der Abteilungsleitung einzunehmen. Leider mussten wir uns im März auch von Simon verabschieden, der den Kampf gegen den Krebs verloren hat. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und seiner Freundin. Ruhe in Frieden. Wir wünschen Euch viel Spaß mit der neuen supporters news und würden uns freuen, wenn Ihr uns unter www.hsv-sc.de/sn-umfrage Eure Meinung zur sn hinterlasst. Unter allen Teilnehmern verlosen wir einen schönen Preis, und vielleicht können wir auch durch Deine Meinung die sn immer wieder ein Stück besser machen. Alle Mann an Bord – für den HSV Supporters Club Euer

Tim-Oliver Horn

Titelbild: Roman Pawlowski

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INTRO

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Inhalt 74

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Inhalt

INTRO

Die dunkle Seite des Spiels

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Editorial 3

Sportjournalist Thomas Kistner über Korruption im Profifußball.

Meinung 6

Heimat für Flüchtlinge

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In Gedenken: R. I. P., Simon 8

Der FC Hamburger Berg startete 2014 als Hobbyteam. Mittlerweile spielen dort mehr als 300 Flüchtlinge.

Kurzmeldungen 10

Auf Achse

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TRIBÜNE Laufsteg Fankurve

Casuals haben die Mode im Fußball verändert – auch abseits der Stadien.

Nur der Haar-SV!

Ernst Schmidt arbeitet mit neunzig Jahren noch als Friseur. In seinem Salon geht’s nur um den HSV.

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Mehr als fünfzig Spiele hat Andreas Kloß in drei Monaten besucht.

VEREIN Der Koch des HSV

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90 Minuten live: Das Netradio

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Seit einem Jahr steht Mario Mosa beim HSV an den Töpfen. Beim Verein ist er aber schon viel länger.

Wer zahlt für Polizeipräsenz?

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Versammlung mit Gänsehautmoment

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Die Nummer eins im Norden

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Mehr als 300 Jahre Mitglied

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Fans kündigen Dialog mit dem DFB

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HSV plus: Eine Bestandsaufnahme

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Base, Base, wir brauchen Base!

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Kurzes aus dem Verein

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Verwandlung eines Teams

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Die Stadt Bremen will Polizeikosten an die Deutsche Fußball Liga abwälzen. Ein fragwürdiges Unikum.

In Schleswig-Holstein hat der HSV die meisten Fanclubs. Woran liegt’s?

Trainingskiebitze 26 Sie meckern, loben und sammeln Autogramme: Besuch bei den Zaungästen auf dem Trainingsplatz.

„Freiheit für die Jungs“

Vor zehn Jahren kamen zwei HSVer unschuldig in Untersuchungshaft. Was ist seitdem geschehen?

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Fan-Mitsprache bei den Rangers

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News aus den Fanclubs

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Die Organisation Rangers First kauft Anteile der Glasgow Rangers. Das Ziel: mehr Mitsprache.

Zu vier geehrten Jubilaren zählen auch Uwe Seeler und Manfred Kaltz.

Weshalb sind Base- und Softball in den USA so beliebt? Und wie sind überhaupt die Regeln? Die HSV-Abteilung erklärt es.

Das Erfolgsgeheimnis vom HSV III.

SCHLUSSPHASE Siebenmal deutscher Meister

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HSV kompakt

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Man wird ja wohl noch träumen dürfen …

SPIELFELD Allzeit HSV

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Der Volkspark in Zahlen

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Thomas von Heesen über seine Zeit im Aufsichtsrat und „Cross-Scouting“ für den HSV.

Die Fananleihe ist nicht in Gefahr, verspricht Dietmar Beiersdorfer den HSV-Mitgliedern.

Impressum

Herausgeber: Hamburger Sport-Verein e. V., Supporters Club, Sylvesterallee 7 , 22525 Hamburg, Telefon: 040/41 55-15 00, Fax: -15 10 Verantwortlich für die Inhalte: Abteilungsleiter Tim-Oliver Horn (V. i. S. d. P.), Stellvertreter Martin Oetjens sowie der Beisitzer Mathias Helbing Erscheinungsweise: vierteljährlich | Auflage: 56.000 Exemplare Autoren: Klaus Baumann, Axel Formeseyn, Otto Gruhn, Andreas Kloß, Johannes Kühner, Tina Kuttig, Thorsten Langenbahn, Stephanie Lehnert, Jan-Walter Möller, Jörg Niederoth, Alexander Nortrup, Mathis Paus, Lars Wegener Fotografen: Andreas Kloß, Marco Kopp, Johannes Kühner, Roman Pawlowski, Lucas Wahl, Witters Sport-Presse und sonstige genannte Bildquellen | Illustrationen: Jenny Adam Koordination und Realisierung: publish!, Hannover | Druck: Quensen Druck+Verlag, Hildesheim Namentlich gekennzeichnete Artikel, Leserbriefe und Kommentare geben nicht unbedingt die Meinung der Abteilungsleitung des Supporters Clubs als Herausgeber der supporters news wieder. Wir bitten freundlichst um Beachtung der Anzeigen und danken allen Anzeigenkunden für ihre Treue.

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INTRO

Foto: Witters

Wie ich es sehe: Axel Formeseyn (er nu’ wieder!)

Warum Nazis und Rassisten niemals echte HSVer sein können! und solche, die sich so aufführen,

Eine kleine Nachhilfestunde in Sachen „HSV-Geschichte“

D

ie Geschichte ging nach dem 3:0-Auswärtssieg in Hannover rum. Drei besoffene Volltrottel hatten im Auswärtsblock stumpfeste Naziparolen gegrölt. Die Mehrheit der anwesenden HSV-Fans nahm dieses ungeheuerliche Verhalten offenbar gelassen bis ignorant, vielleicht ängstlich (oder gar zustimmend?) zur Kenntnis und hielt es nicht für nötig, die Nazidödel hochkant aus dem Gästeblock zu schmeißen. Ich habe von alldem zwar unmittelbar nichts mitbekommen, will und werde hier aber dennoch (m)eine ganz klare Meinung dazu kundtun. Ich habe nämlich ab und zu das Gefühl, als wäre manchen ‚Fans‘ vielleicht gar nicht so klar, welchen Lieblings­ verein sie sich da mit dem HSV überhaupt auserkoren haben … Vorweg (und Achtung, jetzt kommt ein langer Satz, aber – sorry – scheiß drauf, ich krieg das einfach nicht kürzer hin!): Wer dumpfen, rassistischen Nazischrott in der Birne hat und/ oder öffentlich von sich gibt, egal ob nüchtern, besoffen, bekifft oder in welchem Zustand auch immer, wer Gut nicht von Böse unterscheiden kann, wer für eigenes Versagen stets andere Sündenböcke braucht, wer immer noch an Herrenrassen glaubt, wer allem Fremden grundsätzlich ablehnend und hasserfüllt gegenübersteht, wem das positive Ansehen seines vermeintlichen Lieblings­ vereins nicht über alles geht, der (oder die) mag vielleicht einen HSV-Schal, vielleicht auch einen dusseligen blau-weiß-schwarzen Zylinder, Schalrock, eine Basecap, einen Schlafanzug, was auch immer tragen, der (oder die) mag meinetwegen sogar landauf, landab alle Spiele der blau-weiß-schwarzen Gurk… äh … Götter gucken,

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der (oder die) mag sich vielleicht sogar ‚stolzer HSV-Fan‘ nennen und was von ‚Treue‘ und ‚Ehre‘ faseln, okay, okay! Das lässt sich nicht ändern. Volkssport Fußball … Abbild der Gesellschaft … seufz! ABER, und genau DARUM geht es mir hier: Er (oder auch sie) wird niemals (und wenn ich ‚niemals‘ schreibe, dann meine ich auch NIEMALS!) ein ECHTER HSVer, ein ECHTER HANSEAT sein! Verstanden? NIEMALS!!! ECHTE HSVer bekennen sich nämlich nicht nur zu bedingungsloser Hingabe, schier endloses, uninspiriertes Gebolze auf dem Rasen und jahrelanges Herumdilettieren neben dem Platz hin oder her! ECHTE HSVer bekennen sich zur RAUTE! ZUM BLAUEN PETER! (HALLO?!? ALLE Mann an Bord?!?) DIE ELBE! SCHIFFFAHRT! DEN HAFEN! HANSESTADT! WELTSTADT! MEIN HAMBURG LIEB ICH SEHR! TOR ZUR WELT! WELTOFFENHEIT! DAFÜR STEHEN WIR HSVER!!! ÜBRIGENS SCHON IMMER!!! Die Seelers, die Dörfels, unsere Meistermannschaft von 1960! ­A lles fantastische Fußballer aus einfachsten Verhältnissen, die bei Niederlagen keine Ausreden oder Sündenböcke gesucht, sondern immer alles gegeben, ihr Schicksal in die eigenen Hände


Meinung

genommen und dabei niemals Menschlichkeit und Fremdenfreundlichkeit vergessen haben!

weiterhin zu uns einluden, soll an dieser Stelle nur der FC Santos mit dem fabulösen Pelé genannt werden.

All die Trainer, all die Spieler aus nahezu aller Herren Länder, die auf unserer Bank saßen, die unser weißes Trikot, unsere Rot­ hose, unsere blau-weiß-schwarzen Stutzen trugen und tragen! ­Gestern, heute, morgen!

Es wird an dieser Stelle nicht verwundern, dass wir auch der erste Klub waren, der seine Nazivergangenheit im Rahmen einer Ausstellung in unserem wunderbaren HSV-Museum aufarbeitete. Besonders die aufwühlende Geschichte des SS-Mannes Tull Harder und des norwegischen Widerstandskämpfers Assi Halvorsen – beide zu aktiven, Vor-Nazi-HSV-Zeiten übrigens noch beste Kumpel – gibt in diesem Zusammenhang zu denken.

Selbst in unruhigen politischen Zeiten, zwischen den Welt­ kriegen, luden wir stets internationale Gegner zu Freundschaftsspielen ein! Wir hatten mit Emil Martens einen verdienstvollen, schwulen Präsidenten, der von den Nazis weggesperrt wurde! Unsere Heimat Hamburg-Rotherbaum war vielleicht DAS Zen­ trum jüdischen Lebens in Hamburg! Im Vergleich zum Bevölkerungsanteil von Juden in Hamburg hatte der HSV Anfang der 1930er-Jahre doppelt so viele jüdische Mitglieder! Viele Jahre, bevor die Nazis dort einmarschierten, gastierten wir in freundschaftlicher Mission – übrigens auf Einladung eines jüdischen HSV-Gönners – in Frankreich, in Paris! Wir waren der erste deutsche Klub überhaupt, der nach dem Krieg im Ausland – in Portugal – spielen durfte! Auch in England trat nach dem Krieg welcher deutsche Klub zuerst gegen eine britische Profimannschaft an? Richtig, unser HSV! Fast selbstredend waren wir auch der erste deutsche Klub, der freundschaftsspielenderweise, allen Ressentiments den Deutschen gegenüber zum Trotz, durch Amerika tourte! Von all den Teams, die wir in der schwierigen Nachkriegszeit

Lange Rede, kurzer Sinn: ECHTE HSVer sind sich der Geschichte unseres Klubs bewusst! Und ich kann und will an dieser Stelle nur an ebenjene ECHTEN HSVerinnen und HSVer appellieren, unserer bewegten Geschichte Rechnung zu tragen und ­u nsere hanseatischen, unsere HSV-Werte im Alltag, vorm und im ­Stadion vehement zu verteidigen und sich in aller Konsequenz – auch heute, gerade heute – jeglichen rassistischen, stumpf nationalistischen, menschenverachtenden Tendenzen mutig entgegenzustellen! ‚Keep politics out of football‘? Meinetwegen! Dann aber auch bitte konsequent: Nazis und solche, die sich so verhalten, haben beim HSV rein GAR NICHTS verloren! Dieser Text sollte dafür Beweis genug und gleichzeitig Ansporn sein, den Mund aufzumachen, wenn die Werte, die unser Klub seit jeher verkörpert, von (bislang hoffentlich nur) einigen ­Wenigen mit Füßen getreten werden! Für immer erste Liga! Für immer weltoffen! Für immer HSV!

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INTRO

Die Welt steht still … 8


In Gedenken

… und uns fehlen die Worte. Seit über einem Jahr hat Simon gegen den Krebs gekämpft. Er hat nicht nur für sein eigenes Schicksal, sondern für alle Krebspatienten den Kampf aufgenommen. Seine lebensfrohe und humor­volle Art hat vielen Betroffenen Mut gemacht, hat wachgerüttelt und die Menschen verbunden. Von Simons Schicksal berührt, haben wir vor knapp einem Jahr eine der größten Typi­ sierungsaktionen der Bundesliga­geschichte durchgeführt. Der Zusammenhalt der HSVFamilie war einzigartig. S ­ imon wird immer ein Teil dieser Familie sein. Foto: Matthias Scharf

Tief betroffen müssen wir jetzt Abschied nehmen. Unser Mitgefühl gilt seiner ­Familie, seinen Freunden und allen, die in den letzten Monaten mit ihm gehofft, gebangt und gebetet haben. Ruhe in Frieden, Simon. |

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INTRO

Foto: Miroslav Menschenkind

Schweren Herzens zurückgetreten: Thomas Kerfin vom Supporters Club.

Danke, Thomas!

Ob Regionalbetreuer, Fanclub-Vorsitzender oder die Abteilungsleitung des Supporters Clubs: Tag für Tag, Woche für Woche, Saison für Saison betreiben die Ehrenamtlichen einen riesigen zeitlichen Aufwand für den HSV, trotz aller anderen Verpflichtungen im Privat- wie Berufsleben. Auch Thomas Kerfin gehörte zu diesem Kern der Freiwilligen und hatte in den vergangenen Monaten im Supporters Club

Hit für Hit nur der HSV „… Vol. 2 lässt Platz für Vol. 3 …“, hieß es im Vorwort des zweiten „Supporters Underground Samplers“. Und siehe da: Fünf Jahre später ist die Nachfolge-CD auf dem Markt. Dieses neue musikalische Werk ist ein tolles Zeichen dafür, dass Fan- und Subkultur beim HSV noch lange nicht tot sind – trotz allem, was in den vergangenen Jahren passiert ist und den Verein verändert hat. Es gibt sie immer noch, die alten Haudegen der Szene wie Abschlach!, die Hamburger Jungz, selbstverständlich Elvis und auch die Maggers United. All diese Bands sind mit neuen Songs auf dieser CD, aber natürlich gibt es auch haufenweise Material von neuen HSV-Musikern. Angefangen bei Standardsituation und Billy King über Paul Strumpf, Hummels & Mors und Nothahn bis hin zu Acts wie Front Orchester, Daweed, Fresh L., Lukas Vinzens und Rio & Die Schnarchlappen (mit einem Song zu Ehren der verstorbenen Fanlegende Rainer Becker Barmbek) und allen voran Herbie Kopp. Sie alle vereint die Liebe und die Leidenschaft zum HSV, welche sie in ihren musikalischen Werken präsentieren. Ganz besonders erfreulich ist die Tatsache, dass mit dem alten Hit „Trotzdem HSV“ von Norbert & Die Feiglinge ein ganz besonderer Klassiker auf der Platte ist! Der

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unter anderem federführend die Neuaufstellung und Ausrichtung der regionalen Ansprechpartner vorangetrieben. Nun ist er schweren Herzens von seinem Amt als Mitglied der Abteilungsleitung zurückgetreten. „Meine familiären Verpflichtungen lassen es nicht mehr zu, meinem Ehrenamt vollumfänglich nachgehen zu können“, begründete er seine Entscheidung.

Text ist in diesen Zeiten ja sogar aktueller denn je … Erfreulich: Der HSV hat seit geraumer Zeit ein offenes Ohr für Musikkultur – mehr, als es in früheren Jahren der Fall war. Zu jedem Heimspiel wird der Fansong des Tages gewählt, Abschlach!s Hymne „Mein Hamburg lieb ich sehr“ läuft regelmäßig durch die Boxen im Stadion, und Videoclips unter anderem von Elvis & Pape sind auf der Leinwand zu sehen. In diesem Sinne: weiter so! Und sicher gibt’s irgendwann auch die Vol. 4 des „Underground Samplers“. |

Abteilungsleiter Timo Horn hat vollstes Verständnis für seinen bisherigen Mitstreiter: „Es ist sehr schade, dass wir Thomas in unserer Abteilungsleitung verlieren. Aber wenn der Spagat zwischen Familie, Beruf und Ehrenamt zu groß wird, ist dies ein verständlicher Schritt.“ Auch auf diesem Wege noch einmal ein großes Dankeschön für die geleistete ­A rbeit! |

Heimspiel im Ausland

Zu beneiden sind sie ja nicht gerade, die Fans der französischen Supercup-Finalisten. Denn wenn der Meister der Ligue 1 auf den Pokalsieger trifft, geht die Reise seit 2009 in ausländische Stadien. Kanada, T ­ unesien, Marokko, USA, Gabun, China und zuletzt wieder Kanada – das waren die Stationen der vergangenen sieben Jahre. Welcher Fan kann sich das denn leisten?! Immerhin: In dieser Saison hat der französische Verband ein Einsehen und bleibt zumindest in Europa – das Finale findet am 6. August im Wörthersee-Stadion in Klagenfurt (Österreich) statt. Ideen wie die französischen Funktionäre hat auch HSV-Marketing-Vorstand ­Joachim Hilke. In ausländischen Märkten sieht er das größte Wachstumspotenzial für die Bundesliga. „Darmstadt gegen HSV in Shanghai klingt erst einmal verrückt und wirkt treulos den heimischen Fans gegenüber“, sagte er in einem Interview mit HSV.de. „Diese Überlegungen sind jedoch alles andere als neu und nur Ausdruck einer konsequenten Entwicklung. Die englische Premier League diskutiert diese seit Längerem.“ Dann mal schön weiterdiskutieren – und immer im Hinterkopf behalten: Die Stimmung im Stadion von Shanghai wird sicher bombe sein … |


Kurzes

Die Raute: Gefällt mir! Ein bisschen überraschend ist es ja schon: Außerhalb Deutschlands hat der HSV die meisten Facebook-Fans in Brasilien. Liegt’s an Zé Roberto und Cléber Reis, die ihre Landsleute anlockten? Wir können nur mutmaßen; ebenso wie über die 10.000 Follower aus der Türkei: Vielleicht erfüllt das Winter-Trainingslager ja seinen Zweck; oder Hakan Çalhanogu hat noch seine Finger im Spiel. Weshalb die Niederlande mit knapp über 2831 Followern jedoch nur auf Platz 34 von 45 Ländern liegen – trotz Ruud van Nistelrooy und Rafael van der Vaart: Wir schieben es mal darauf, dass das Land so klein ist. Nachfolgend die Top Ten. | Deutsch

Stadionrenovierung auf Crowdfunding: Fans können zwischen 5 und 2000 Pfund spenden. Wird das Ziel – 250.000

nach Höhe ihres Einsatzes ein Ticket, ein signiertes Trikot – In

15

ten

13.91

Bradford City AFC setzt bei der

reicht, bekommen Spender je

17.692 Ägy p

+++ Der englische Dritt­l igist

Pfund (rund 320.000 Euro) – er-

land

467.270

Brasilien

Ticker

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oder Spielerbesuch beim nächsdo

n .07 e s ie n 1

ten Kindergeburtstag. +++ Beim 150. Belgrader Stadtderby zwischen Roter Stern und Partizan flog ein eher ungewöhnliches Wurfgeschoss in Richtung des vom Feld gestellten Heim-

Thailand

Algerien

11 .496

USA

10.703

kapitäns Aleksandar Lukovic: Gästefans bewarfen ihn

10.525

mit Feuerzeugen, Münzen – und mindestens einem Smart-

Ma

rk 9.9 ei 58

ro 9.4 kko 31

Polen

9.702

phone. Den Täter aufzuspüren dürfte keine Schwierigkeit gewesen sein. +++ Weil sie ein „außergewöhnlich hohes Aggressionspotenzial“ haben sollen, bittet die Stadt Oberhausen 15 Mitglieder der Rot-Weiß-Ult-

FACEBOOK-FANS SIND KEINE VERBRECHER!

ras „Semper Fidelis“ zur medizinisch-psychologischen Untersuchung, bekannt als Idiotentest. Die Anschuldigungen stützen sich jedoch überwiegend auf „Erkenntnisse“, nicht aber auf Verurteilungen. 13 Mitglieder haben lupenreine polizei-

Umfrage zur supporters news

Im Dezember 2014 hat die sn einen Relaunch erhalten – mit neuem Layout und neuen Inhalten. Jetzt wollen wir wissen: Wie gefällt euch die neue sn? Welche Anmerkungen und Vorschläge möchtet ihr machen? Die Teilnahme an unserer Onlineumfrage dauert nur drei Minuten. Wer uns zusätzlich noch seine E-Mail-Adresse verrät, hat die Chance auf ein Trikot mit allen Unterschriften der aktuellen Profi­f uß­ball­mann­schaft. Alle Angaben bleiben auch bei Nennung der E-Mail-Adresse anonym. Teilnahme über unten stehenden QR-Code beziehungsweise den nachfolgenden Link: www.hsv-ev.de/sn-umfrage | supporters news # 80 | 10.2015

Preis: 2,00 Euro

supporters news # 81 | 12.2015

Preis: 2,00 Euro

liche Führungszeugnisse. +++ „Wir werden auf ewig hinter uns bleiben“ prangte jüngst riesengroß auf einem Spruchband im Fanblock des VfL Wolfsburg. Zu dem Banner bekannte sich die „Kleinstadtgang Ultras 2015“, die sich aufrichtig entschuldigte und direkt auflöste. +++ Vier Gäste kommen zum nächsten Tankstellentalk am 3. Mai im Sportpub Tank-

Das Magazin des HSV Supporters Club

Das Magazin des HSV Supporters Club

Eintrittspreise: Ist Fußball noch bezahlbar?

Abgetaucht: Der tiefe Fall von Nottingham Forest

Interview mit Geschäftsführer Jörn Spuida

Seitenlinie: Jeder kann Trainer werden

Foto-Reportage: „Am Stellinger“

Tradition: Eishockey im HSV

stelle (Gerhardstraße/Nähe Hans-Albers-Platz): Team-Manager Bernd Wehmeyer, Nordtribüne-Vorsänger Patrick Schiller, Mediendirektor Jörn Wolff

Grantler mit Herz Bernd Wehmeyer spricht über Ernst Happel

Tatort Stadion Bjarne Mädel über seinen HSV

und Nils Kuhlwein, Inhaber von 1887-Street-Wear. Start ist – wie immer – um 18.87 Uhr. +++

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INTRO

Andreas Schier: „Horst ­Hrubesch. Die ­Biografie“, 304 Seiten, Güters­loher Verlagshaus, ISBN 978-3-57-907059-9

Der Mensch dahinter Eine Biografie? Bloß nicht! So dachte Horst Hrubesch lange Zeit. Nun ist es aber doch passiert – auch wenn das Kopfball-Ungeheuer, so schreibt Autor Andreas Schier in seinem Nachwort, erst überzeugt werden musste. Und Hrubesch machte Vorgaben: Er vermittelte 200 Kontakte zu sportlichen Weggefährten, zu seiner Familie, zu Freunden – und Autor Andreas Schier sollte sie alle besuchen. Herausgekommen ist ein Werk, das authentisch und tief eintaucht in das (Seelen-)Leben des Familien­menschen Horst Hrubesch. Da erzählt seine Mutter von ihrem lausbubenhaften Sohn, der einmal die Badewanne mit Kaulquappen füllte (weil der Nachbar versprochen hatte, für jedes Tier fünf Pfennig zu zahlen). Oder es erzählt Hrubesch, wie sein Nachbar ausschlaggebend dafür war, „dass ich den Weg zum Fußballprofi gegangen bin“. Franz Beckenbauer berichtet, wie er zu HSV-Zeiten wegen eines Zusammenpralls mit Hrubesch zehn Tage ins Krankenhaus musste (Hrubesch damals: „Was hätte ich denn machen sollen? Ich musste dich doch aus dem Weg räumen!“), und Günter Netzer beschreibt in einem anderen Kapitel, welche Vorwürfe Hrubesch sich deswegen machte. Aber auch wenn es um Spiel­berichte geht: In ihrem Mittelpunkt stehen stets Anekdoten um Horst Hrubesch – und wie zur EM 1980 in Italien auch Nebenschauplätze wie ein zufälliges Treffen mit dem Papst im Petersdom. Insgesamt zeichnet Andreas Schier auf 304 Seiten ein sehr umfassendes Bild eines „Geistes der Mannschaft“, eines Familienmenschen, eines Mannes mit teils ungewöhnlichen Hobbys (Angeln, Reiten). Zum Glück ließ sich Hrubesch von dieser Biografie überzeugen. |

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Neu aufgelegt

Das aktuelle Album „Meist kommt’s anders“ von Abschlach! ist noch kein halbes Jahr alt, hat den Sprung in die Top 100 der deutschen Albumcharts geschafft und auch die aktuelle Live-DVD „10 Jahre ­Abschlach! – Live in Hamburg“ ist noch in aller Munde, da kommt direkt der nächste Silberling auf den Markt: die Neuauflage des alten Klassikers und Dauerhits „Mein Hamburg lieb ich sehr“. Neu aufgenommen und produziert in den Mono­ chrom-Studios Hamburg, läuft diese Stadion­version inzwischen bei jedem HSV-Heimspiel durch die Boxen im weiten Rund, kurz bevor Barde Lotto King Karl auf seinem Kran vor der Fankurve aufsteigt. Die sechs Punkrocker haben den Song inzwischen sogar live im Innenraum des Stadions performt, zudem ein Video dieses Auftritts im Internet veröffentlicht. Als Bonussong ist die zweite Single-Auskopplung des aktuellen Albums enthalten. Mit „Samstagnacht“ steht eine weitere, neue Ballade über Hamburg, den Hafen und das Meer in den Startlöchern. |

Gäste zahlen weniger

Premier-League-Klubs schwimmen dank hoher Summen aus TV-Einnahmen ja nur so im Geld – und verlangten bislang trotzdem teils horrende Summen für Eintrittskarten. Zur kommenden Saison haben alle Vereine zumindest eine Preis­ober­grenze für Gäste­ fans beschlossen. Diese seien für die Atmo­ sphäre im Stadion besonders wichtig und durch Anfahrt sowie Verpflegung sowieso schon genug belastet. Wer seine Mannschaft also auswärts begleitet, muss in den nächsten drei Jahren – so lange gilt die Vereinbarung vorerst – nie mehr als 30 Pfund (rund 38 Euro) bezahlen. Das ist zwar nicht ganz der Betrag, den die Football

Teamgeist läuft mit

Die jungen Spieler des FC Kopenhagen wirkten irgendwie, als sei es ihnen zu laut zwischen all den Fans um sie herum. Beim Auswärtsspiel beim Aarhus GF hatte sich das Team kollektiv bereiterklärt, bei einem Fußmarsch zum Stadion mitzulaufen, den die Fans des FCK organisiert hatten. Also stiegen die Jungs um den ehemaligen Kölner Trainer Ståle Solbakken aus dem Mannschaftsbus, versammelten sich hinter e ­ inem breiten Banner in den Vereins­farben und schlichen los – wirkten dabei aber wie eingeschüchterte Rehe, die von laut donnernden Jagdgewehren vor sich her­getrieben werden. Teamgeister, könnte man sagen. Sei’s drum: Für die Fans war die A ­ ktion ein voller Erfolg. Über Social-­Media-Kanäle verbreitete sich ein Video ­i hrer Aktion tausendfach. Aufs Spielfeld hat sich die Euphorie der Fans hingegen nicht übertragen: Der Tabellen­f ührer schaffte gegen Aarhus GF nur ein mageres 0:0. |

Supporters’ Federation erreichen wollte – das Ziel dieser Initiative waren 20 Pfund. Dennoch ist das Entgegenkommen ein Erfolg. Für Heimmannschaften gilt die Vereinbarung der Premier-League-Klubs jedoch nicht. Proteste wie in Liverpool dürfte es also wohl weiterhin geben: Dort hatten 10.000 Fans gegen eine geplante Preiserhöhung von 59 auf 77 Pfund protes­ tiert und im Spiel gegen Sunderland in der 77. Minute das Stadion verlassen (aus einem 2:0-Vorsprung wurde noch ein 2:2). Liverpool verstand das Signal und zog seine ­Pläne zurück. Fanprotest kann halt doch einiges bewirken … |


Kurzes

Foto: Witters

Foto: Witters

Text: Mathis Paus · Fotos: Lucas Wahl

„Wenn du so gern Fähnchen schwenkst, such dir doch ’nen Job beim Flughafen.“ (Erik Meijer über einen Linienrichter)

Lautstärkepegel

Was wäre ein Stadion nur ohne seine Vor­ sänger! Sie heizen die Stimmung einer ganzen Arena an – so wie Poptown im Block 25A des Volksparkstadions. Bis vor einem Jahr lief das alles über Megafon, seitdem gibt es eine fest installierte Anlage. Ob deren Lautstärke ausreicht? Das wollte die Fanbetreuung von den Dauerkarteninhabern des A-Rangs und in den Blöcken 24 bis 26 jetzt wissen. Das Ergebnis: Ein Viertel der 1600 Befragten findet die Anlage zu laut, ein Viertel hält sie für genau richtig, und etwas mehr als ein Viertel (35 Prozent) empfindet sie als zu leise. Die restlichen 15 Prozent hatten keine Meinung. Weil es keine klare Tendenz gibt, wird der HSV an der aktuellen Lautstärke nichts ändern. Auf dass der Support nie verklingt! |

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TRIBÜNE

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Casual Look

Text: Mathis Paus · Illustrationen: Jenny Adam

Laufsteg Fankurve Casuals haben die Mode in den Fußball transferiert und ganz nebenbei einen Look kreiert, der auch abseits der Stadien salonfähig ist. Auch beim HSV ist der modebewusste Fußballfan anzutreffen.

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napp 1000 Euro kostet der s­ andfarbene Stoff aus einem speziellen Polyester­ gemisch. Einfache Form, schlichter Schnitt, nur die integrierte Rennfahrerbrille in der Kapuze sorgt für Aufsehen. Die Jacke der italienischen Traditionsmarke C. P. Company ist keine Kleidung von der Stange. Auf einem Holzbügel scheint sie mehr erhaben zu thronen, als dass sie einfach nur ­darüber hängt. So zumindest sieht es eine besondere Anhängerschaft von Fußballfans: die Casuals. In der Hamburger Neustadt gibt es die Jacken der italienischen Nobelmarke gleich im Dutzend. Mirko Beyer steht hinter seinem Tresen. Mit rotem Samt bezogene Barhocker, ein Snookertisch und vier Zapfhähne sorgen für britische Pub-Atmosphäre. Statt Pints verkauft Beyer gemeinsam mit seinem aus Großbritannien stammenden Partner Robert aber Kleidung, Kleidung

für den modebewussten Fußballfan. Das gesamte Sortiment ist auf den Football-Casual-Lifestyle abgestimmt und bedient damit ein wachsendes Verlangen nach seltener, qualitativ hochwertiger und meist hochpreisiger Markenkleidung. Beyer, Typ Schwiegersohn, akkurater Haarschnitt, Baumwollpullover, darunter kariertes Hemd, ist HSV-Fan und noch mehr ein Casual. Der Begriff bedeutet so viel wie lässig, locker oder ­leger. Er stammt aus England und ist in den späten Siebzigerjahren auf den Tribünen der Anfield Road in Liverpool geboren worden. Casual beschreibt die Kunst des zwanglosen und doch sehr smarten optischen Auftretens. Britische Jugendliche mit einem gepflegten Äußeren sowie kostspieliger Kleidung bevölkerten auf einmal die Stadien. Trikots und Schals, die Devo­tio­ nalien der Arbeiterklasse, galt es hinter sich zu lassen.

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TRIBÜNE

Das neue Motto: auffallen durch Nichtauffallen. Die Subkultur verbreitete sich rasant und e ­ rgriff schon bald die gesamte Insel. Das Bild der Zuschauerränge änderte sich grundlegend. Fußballfans sahen aus, als ob sie gerade auf den Weg in den Tennis- oder Golfklub wären, statt im Stadion ihre Mannschaft nach vorn zu schreien. Bis heute hat sich das Tragen bestimmter Modemarken in der Szene etabliert. C. P. Company, Stone Island, Penfield, Lyle & Scott, Fila, ­Ellesse, Fred Perry, Adidas Originals, um nur einige zu nennen, gehören zu den beliebtesten Labels, die Prestige­objekt und Erkennungszeichen zugleich sind. Der Casual Look beeinflusste Autoren wie Hornby und Welsh Beyer ist seit Mitte der Neunzigerjahre dem britisch geprägten Modestil verfallen. Seine Liebe zur FußballFashion gipfelte darin, dass er im vergangenen Jahr seinen eigenen Laden namens „Casual Couture Hamburg“ eröffnete. „Wir haben schon immer diese Marken getragen, aber an die Labels kam man nur schwer heran. Da hab ich es einfach selbst in die Hand genommen“, erzählt Beyer. Casual, das sei für ihn ein Gesamt­ konzept, bei dem neben Mode und Fußball auch andere Themen wie Literatur und Musik dazugehören. So verwundert es nicht, dass die Literatur von Bestsellerautoren wie Nick Hornby und Irvine Welsh von den modebewussten Fußballfans beeinflusst wurde oder sie gar selbst Teil dieser Subkultur waren. Mit der Zeit

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erlangte der Stil ungeahnte Attraktivität unter den britischen Jugendlichen und schwappte von den Tribünen in das gesellschaftliche Leben. Während in England Fußballbegeisterte im edelsten Zwirn das Stadionerlebnis wie eine Matinee zelebrierten, entwickelte sich der deutsche Zuschauer in den Siebzigerjahren erst zum Fan. Waren Gesänge und Fanartikel nur sporadisch zu hören und zu sehen, etablierten sich nach und nach die Kutten auf den Rängen. Die Jeansweste sorgte erstmals auch optisch für Identifikation mit den Farben und Symbolen des Heimatvereins. Auch beim HSV sollten die Westen, die der Rockerszene entlehnt sind, auf Jahre das Stadionbild prägen. Erst später taten es deutsche Fans den englischen Casuals gleich. Durch Fanfreundschaften mit den Glasgow Rangers oder dem FC Millwall gelangte die britische Fußballkultur immer stärker in die Hansestadt. Statt mit Vereinsschal sind die Leute in Zivil ins Stadion gegangen, sodass keiner wusste, welcher Mannschaft man die Daumen drückt. Weniger amüsiert darüber war die Polizei. Denn schon wie zuvor in England, entdeckten auch Krawallmacher für sich den speziellen Look und gelangten so unerkannt auf die Tribünen. In einigen Pubs in London waren Marken wie Stone Island nicht mehr gern gesehen und der Träger, ob zu Recht oder Unrecht, erhielt Hausverbot. Längst ist die modische Maskerade den Ordnungshütern bekannt und bestimmte Labels stehen bei


Casual Look

Fußballspielen auf roten Listen. Zum Leidwesen der anderen Casuals, die einfach nur ihre sorgfältig ausgewählten Outfits im Block präsentieren wollen. Der Nachwuchs-Casual kommt mit Mama und Papa Passt die rote Trainingsjacke zu den blauen Turn­ schuhen? Sollte das Hemd lieber mit einem ­P ullover mit Rundhalskragen oder V-Ausschnitt kombiniert werden? Ein Casual überlässt nichts dem Zufall, die Gesamtoptik muss stimmen, dafür verwendet er viel Zeit und Geld. Heute versuchen sie den Retrolook aus den Achtzigerjahren wieder aufleben zu lassen, weiß Beyer: „Auf Originalstücke wird viel Wert gelegt.“ Je seltener, desto besser – und bestenfalls einzigartig –, so lautet die Formel. Trotz einer gewissen Uniformität in der Gruppe sei Individualität sehr wichtig. ­„Casuals suchen Einzelstücke von Marken, die andere nicht haben.“ Das soll beeindrucken und das eigene Stil­ bewusstsein untermauern. Der Modefetisch geht so weit, dass Kenner nicht nur die Gründer und ­Designer ihrer Lieblingslabels aufzählen können, sondern auch, wann, wo und in welcher Stückzahl eine s­ pezielle Schuhkollektion erstmals erschienen ist. Dass d ­ arum eine regelrechte Industrie entstand, ist in der Logik von Unternehmen nur folgerichtig. Neben speziellen Modemagazinen setzen Bekleidungsfirmen wie Fred

Perry in ihren Werbekampagnen nicht selten auf ein Fußballumfeld. Für Mirko Beyer ist die voranschreitende Kommerzialisierung der Casuals ein zweischneidiges Schwert. Einerseits verdient er mit den markenbewussten Fans sein Einkommen, andererseits soll die Exklusivität gewahrt bleiben. „Die Nachfrage ist hoch. Die Leute kommen mittlerweile aus ganz Deutschland zu uns. Auch der Nachwuchs-Casual: Der kommt mit Mama und Papa und erhält seine Geburtstagsgeschenke bei uns.“ Angst vorm Ausverkauf hat Beyer daher nicht, denn in der Regel regulieren die hohen Preise den Zulauf von ganz allein und die Vielzahl der Marken bewahrt die Einzigartigkeit. Und so halten die Auswirkungen der modischen ­Revolution auf den Fußballtribünen bis heute an. Mehr noch: Sie sind auch abseits der Spielstätten ­präsent und verbreiteter denn je. Der ewige CasualKreislauf aus anprobieren und verwerfen wird sich ­weiterdrehen. |

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TRIBÜNE

Friseur

Text & Foto: Johannes Kühner

Nur der Haar-SV! Text: Frank Willig

Er ist der wohl älteste Friseur Hamburgs: Mit neunzig Jahren steht Ernst Schmidt nach wie vor fast täglich in seinem Salon. Und beim Frisieren gibt’s fast nur ein Thema: den HSV. Guten Tag – ich denke mal, hier bin ich richtig beim HSV-Friseur? Schmidt: Ja. Obwohl: Es kommen immer wieder Menschen rein, die denken, hier sei eine Vorverkaufsstelle des HSV. Woran das liegt, wird schnell klar, wenn der Blick durch den Salon schweift: Im Schaufenster klebt mehrfach die Raute, in einem Modell des Volksparkstadions brennt blaues Licht, über den Spiegeln hängen HSVFahnen, Ernst Schmidt trägt ein Hemd mit Raute auf der Brusttasche und einen Ring mit Raute am Finger, sogar das SchaumaShampoo ist zufällig blau-weiß-schwarz. Rechts der Spiegel zeigt ein Bilderrahmen die Feier zu seinem achtzigsten Geburtstag im Volksparkstadion, zwischen den Spiegeln hängt ein Plakat von seinem neunzigsten Geburtstag im Februar mit Gratulant Dietmar Beiersdorfer, links sind Fotos von Schmidt mit Uwe Seeler und Hermann Rieger aufgehängt. Haben Sie denen die Haare geschnitten? Schmidt: Nur dem Hermann Rieger. Früher kam regelmäßig Torwart Horst Schnoor. Uwe Seeler habe ich nur mal zufällig im Stadion getroffen. Die heutigen Spieler haben ja alle ihre eigenen Friseure. Was sagen Sie denn zu deren Frisuren? Schmidt (macht eine wegwerfende Handbewegung): Furchtbar, manchmal. Aber das hat die Zeit halt so mit sich gebracht.

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Weshalb nennt man Sie dann den HSV-Friseur? Schmidt: 1948 bin ich aus Freiburg an der Elbe nach Hamburg gezogen. Anfangs arbeitete ich in einem Salon am Rathaus und habe auch Bürgermeister Paul Never­ mann die Haare geschnitten; dann habe ich mich selbstständig gemacht. Irgendwann habe ich begonnen, meinen Salon zu schmücken. Warum? Seit ich hier wohne, gehe ich zu jedem HSV-Heimspiel, bin bei allen Versammlungen dabei, mein Autokennzeichen beginnt mit HH-SV … Stammkunde Klaus Petermann, der gerade im Salon sitzt, mischt sich ein. Petermann: … und als er wegen seines Knies im Krankenhaus war, hat er selbst dort seinen HSV-Trainingsanzug getragen. Schmidt: Später kam mein Arzt im Salon vorbei. Der ist jetzt auch Kunde bei mir. Petermann: Und wenn der HSV spielt, dann muss schon was Besonderes sein, dass Ernst sich das nicht anschaut. Es ist offensichtlich: Da sitzen zwei, die den HSV mögen. Petermann und Schmidt spielen sich die Bälle zu; kein Wunder, seit 35 Jahren sind sie befreundet. Petermann: Es gab damals eine Behelfs­ geschäftsstelle. Die Warteschlange für

Dauerkarten war ewig lang, Ernst stand in der Reihe direkt hinter mir. Wir kamen ins Gespräch, seitdem sind wir gute Freunde. Schmidt: Er kennt sogar meine Familie. Petermann: Ernst hat Sky, da schauen wir manchmal alle zusammen. Schmidt: Da benehmen wir uns aber normal. Petermann: Wenn ich ein Spiel nicht sehen kann, gibt er mir immer einen Spielbericht am Telefon durch. Schmidt: Und im Stadion sitzen wir auf der Südtribüne, ein paar Reihen auseinander. Petermann: Ernst mit seinem Sohn und seinem Enkel … Da schnacken sie wieder; über Fußball im Allgemeinen, über den HSV im Speziellen, über die Atmosphäre im Stadion. Petermann: Die Sprechchöre sind weniger geworden. Schmidt (nachdenklich): Ja, das ist mir auch aufgefallen. Petermann: Aber „Hamburg, meine Perle“ … Schmidt: … da kommen mir immer fast die Tränen. Petermann: Ja, das ist immer ganz toll, wenn das kommt. In diesem Moment geht kurz die Tür auf. Ein Kunde: Alles Gute! Schmidt: Ebenso – erfolgreiches Wochenende! Der Kunde: Man darf die Hoffnung nie aufgeben. Mit diesen Worten schließt er wieder die Tür, und mit der Hoffnung meint er den HSV vor seinem nächsten Heimspiel gegen Ingolstadt (es wird 1:1 ausgehen). Kommen hier denn auch Leute rein, die nichts mit dem HSV zu tun haben? Schmidt: Ja, auch. Wenn einer reinkommt, dann frage ich erst: Wie heißt du? Und dann: Bist du HSVer? Wenn nicht, dann finden wir andere Gesprächsthemen. Die meisten sind ohnehin Stammkunden. Leider werden es immer weniger; im Laufe der Jahre sind viele gestorben. Denken Sie nie ans Aufhören? Schmidt: Nein, der Salon ist wie mein zweites Wohnzimmer. Ich bin gern in meinem Beruf und würde ihn jederzeit wieder wählen. |


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TRIBÜNE

Bremer Sackgasse Das Derby zwischen Werder und dem HSV vom 19. April 2015 in Bremen sorgt noch immer für Spannung. Grund: Die Stadt Bremen hat beschlossen, die Polizeikosten der Deutschen Fußball Liga in Rechnung zu stellen. Ein rechtlich fragwürdiges Unikum in der Bundesligageschichte.


Kosten für Polizeieinsatz

Text: Jörg Niederoth · Foto: Witters

B

remen hat Anfang November 2014 die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, kommerzielle Großveranstalter an Kosten für Polizeieinsätze beteiligen zu können. Grund für diesen kontrovers diskutierten Gesetzesvorstoß war das Anliegen des Bremer Senats, zukünftig nicht mehr allein auf den rund 300.000 Euro Mehrkosten sitzen zu bleiben, die bei Risikospielen des SV Werder Bremens durch erhöhte Polizeipräsens rund um das Weserstadion entstehen. Zwar ist der Gesetzeswortlaut allgemein formuliert und wendet sich an alle „Veranstalter von gewinn­ orientierten Veranstaltungen, bei denen es erfahrungsgemäß zu Gewalthandlungen kommt“. Dass die Gesetzesschreiber dabei aber vor allem den Fußball im Sinn hatten, zeigte die Anhörung im Haushaltsund Finanzausschuss am 17. Oktober 2014. Vertreter von DFB, DFL und des SV Werder Bremen waren geladen und durften ihre Stellungnahmen abgeben. Dabei kündigte die DFL bereits im Gesetzgebungsverfahren an, dass sie Kostenbescheide im Innenverhältnis an die Grün-Weißen weiterleiten werde – also ein Bremer Bumerang. Auch verbandspolitisch hatte der Senatsvorstoß schnell weitreichende Folgen: So entzog der DFB der Hansestadt das für November 2014 angesetzte EM-Qualifikationsspiel gegen Gibraltar. Staatsaufgabe Sicherheit In der öffentlichen Diskussion scheint weitgehende Einigkeit zu bestehen, dass bei Fußballspielen die Kosten auch für Polizeieinsätze außerhalb der Stadien von den Veranstaltern getragen werden müssen. Schließlich wird im Fußballbusiness viel Geld verdient, wohin­ gegen die öffentlichen Kassen leer sind. Im ersten Moment ist dieser Gedankengang sogar nachvollziehbar, juristisch ist er jedoch irrelevant, denn mit polizeirechtlichen Grundsätzen ist diese Argumentation nicht vereinbar. Grundsätzlich richten sich nach den Polizeigesetzen von Bund und Ländern polizeiliche Maßnahmen an diejenigen, die mit ihren Handlungen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verursachen oder für den polizeiwidrigen Zustand einer Sache verantwortlich sind. Nur wenn diese Handlungsoder Zustandsstörer nicht greifbar sind, kann die Polizei unter engen Voraussetzungen auch sogenannte Nichtstörer belangen. Die Fußballvereine und -verbände verursachen die von vermeintlichen Fußballfans ausgeübte Randale und Gewalt im öffentlichen Raum im räumlichen und zeitlichen Umfeld von Fußballspielen jedoch nicht.

Auch die Rechtsfigur des sogenannten Zweckveranlassers kann zur Verantwortlichkeit der Vereine für Remmidemmi vor den Stadiontoren nicht herangezogen werden. Mit Fußballspielen wird weder subjektiv noch objektiv eine Lage geschaffen, die Dritte zu Gewalthandlungen herausfordert. Im Gegenteil – die ­Vereine haben ein fundamentales Interesse daran, dass es nicht nur im Stadion, sondern auch auf dem Hin- und Rückweg für die Fans beider Mannschaften friedlich bleibt. Aktiv wird mit Fanprojektförderungen, Reduzierungen des Gästeticketkontingentes, Stadionverboten sowie verstärkten Einsätzen von Ordnerdiensten versucht, die Gefahr von Gewaltausschreitungen zu minimieren. Wenn sich daraus jedoch ergibt, dass eine rechtliche Verantwortlichkeit der Fußballvereine und -verbände für verstärkte Polizeieinsätze vor dem Stadion nicht besteht, können ihnen auch die Kosten dafür nicht in Rechnung gestellt werden. Rechtliche Bedenken bei Bremer Gebührenvorschrift Auch an weiteren Stellen hinterlässt die Bremer Gebührenvorschrift einen bitteren rechtlichen Beigeschmack. So muss der Wortlaut eines Gesetzes hinreichend bestimmt und klar formuliert sein – eine Folge des Rechtsstaatsgebotes. Der vorgestellte Gesetzestext verwendet allerdings den konturenlosen und weit gefassten Begriff „Gewalthandlungen“. Was ist darunter zu verstehen? Fallen darunter bereits Bagatellstraftaten oder müssen schwerwiegende Gewalthandlungen befürchtet werden, um vom Veranstalter Gebühren erheben zu können? Wessen Perspektive ist eigentlich für die Gefahrenprognose maßgeblich und warum fallen allein Veranstaltungen mit den gesetzlich willkürlich festgelegten mehr als 5000 Besuchern unter eine mögliche Zahlungsverpflichtung? Auch, wer Veranstalter ist, wird in der Vorschrift nicht näher bestimmt. Als Spielveranstalter des letztjährigen Nordderbys wird man die DFL kaum ansehen können, und dass die Bremer Verwaltung ihren heimischen Verein finanziell belasten will, dürfte zu bezweifeln sein. Die Bremer Kostenvorschrift stößt somit auf eine Reihe gewichtiger rechtlicher Bedenken. Deshalb sollte auch in Bremen der Grundsatz weiterhin Geltung behalten, dass die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum allein Staatsangelegenheit und damit allein aus dem Steueraufkommen zu finanzieren ist. |

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TRIBÜNE

Niebüll Flensburg Text: Jan Walter Möller

Die Nummer eins im Norden

Schleswig Husum

Friedrichstadt

Heide

In keinem anderen Bundesland hat der HSV so viele Fanclubs wie in Schleswig-Holstein. Die Gründe dafür liegen in der geografischen Lage, dem Mangel an Alternativen – und dem Bekenntnis zu Traditionen.

„S

eht Ihr die Fans dort in der Kurve, das sind die Fans vom HSV. Das sind die Fans aus Schleswig-Holstein. Schleswig-Holstein und der HSV!“ Diese Textzeile eines bekannten Fanliedes über den HSV stammt von ideenreichen Fans aus Schleswig-Holstein, die das Original mit dem Titel „La ballade des gens heureux“ des französischen Schlagersängers Gérard Lenorman vor mehr als vierzig Jahren umgedichtet haben – in mehrere Varianten. Es findet seine bekannteste Version darin, dass alle Spieler der Europapokalmannschaft von 1983 besungen werden – und zum Abschluss die Fans aus dem nördlichsten Bundesland. Das Lied ist bei manchen Fans in Vergessenheit geraten, wird aber regelmäßig bei Auswärtsfahrten von Schlachtenbummlern aus Heide, Kiel, Friedrichstadt und Flensburg aus der geistigen Jukebox geholt und voller Inbrunst gesungen.

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Um die Beziehung der Fans zwischen Westerland und Timmendorfer Strand sowie Brunsbüttel und Glücksburg zum HSV zu beschreiben, ist ein Blick auf die Geografie und die übrigen Sportvereine notwendig. So sind die fußballinteressierten Fans im Westen und Osten durch die Nord- und Ostsee begrenzt. Im Norden begrüßen einen die dänischen Nachbarn. So bleibt durch diesen natürlichen „Trichter“ nur die Hansestadt Hamburg mit unserem Hamburger Sport-Verein, dem sich sehr viele Anhänger verschrieben haben. Natürlich findet man auch Fans anderer Vereine, insbesondere von den erfolgreichen wie FC Bayern und Borussia Dortmund sowie vom Stadtrivalen FC St. Pauli. Übrige Vereine sind nur in sehr geringen Zahlen vertreten, sodass die Zahl achtzig Prozent, die dem HSV die Daumen drücken, realistisch ist; in einigen Gegenden dürfte sie sogar noch höher liegen. Die beiden großen benachbarten Fußballvereine in Schleswig-Holstein,

Itzehoe


Schleswig-Holstein

Rendsburg

VfB Lübeck (Regionalliga Nord) und Holstein Kiel (dritte Liga), stehen sportlich, fantechnisch und wirtschaftlich, obwohl geringe freundschaftliche Schnittmengen vorhanden sind, in nicht nennenswerter Beziehung und Konkurrenz zum HSV und rekrutieren ihre Anhänger in ihrer jeweiligen Stadt und innerhalb eines überschaubaren Umkreises darüber hinaus. Ähnlich verhält es sich mit den beiden sehr erfolgreichen Handballvereinen, SG Flensburg-Handewitt und THW Kiel, die in der Handballbundesliga und auch in den europäischen Wettbewerben regelmäßig ganz oben zu finden sind. Aber, um nur noch einmal die Maßstäbe zu verdeutlichen und ohne die beachtlichen Leistungen der Nachbarvereine zu diskreditieren: der HSV hat mehr als 800 Fanclubs, die dem Verein in der Saison 2014/2015 zu einem Zuschauerschnitt von 53.000 verhalfen. Die vier oben genannten Fußund Handballvereine weisen in Summe in der Statistik vierzig Fanclubs mit einem Zuschauerschnitt von 22.000 Anhängern aus. Schaut man in die übrigen und benachbarten Bundesländer, so findet man 180 Kilometer Richtung Osten den letzten DDR-Meister und Pokalsieger von 1991, den

Kiel

Neustadt/Holstein Neumünster

Lübeck

Elmshorn Pinneberg

Ahrensburg

Wedel

Reinbek Geestacht

Keinerlei Schnittmenge mit Wolfsburg F. C. Hansa Rostock. Natürlich gibt es auch hier Schnittmengen, die aber recht überschaubar sind. Wenn überhaupt, dann „wildert“ der HSV um Fans in Mecklenburg. In Hamburg und im Umkreis lebende Hansafans rekrutieren sich größtenteils aus Anhängern, die der Arbeit wegen in die „große“ Hansestadt gezogen sind. Unter der älteren Generation ist das Verhältnis neu­ tral bis freundschaftlich, zum Teil noch begründet aus der Zeit einer, ehrlicherweise sehr kurzen, Fanfreundschaft Anfang der Neunzigerjahre. Die jüngere, insbesondere die Ultrageneration, sieht es hier etwas sportlicher. Grundsätzlich ist aber gegenseitiger Respekt vorhanden. Das Verhältnis zu den drei niedersächsischen Erstligisten könnte unterschiedlicher nicht sein. Zum VfL Wolfsburg besteht keines, die Anhänger aus Schleswig-Holstein nehmen die Werkself kaum wahr und noch weniger ernst. Zu offensichtlich ist der Versuch, eine Fußballmannschaft mit Unsummen an ­Ablösen und Gehältern zu etablieren, wodurch es auch logisch erscheinen muss, dass die Fanszene nicht mitwachsen konnte und sich regional eher wie der THW Kiel

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TRIBÜNE

Schleswig-Holstein

versteht. Achtzig Kilometer weiter westlich ist die Heimat von Hannover 96, zu deren Anhängern auf verschiedenen Ebenen ein freundschaftliches Verhältnis besteht. Fans der „Roten“ wird man im nördlichsten Bundesland eher weniger finden. Und zum Verein an der Weser ist alles bekannt und gesagt: Eine gegenseitige und gesunde Abneigung prägt das Bild auf beiden Seiten. Jeweils auf halber Strecke beginnen die Schnittmengen zu Hannover und Bremen fanseitig. Beim VfL Wolfsburg handelt es sich eher um ein lokales Phänomen mit eigenem Betriebsfanclub. Wie schon beim

Beispiel Rostock beschrieben, sind die niedersächsischen Vereine kilometermäßig und emotional zu weit weg, als das hier personell eine Beziehung in nennenswerter Zahl aufgebaut werden konnte. Nach diesem Umriss der sportlichen und geografischen Lage scheint es klar zu sein, dass für die überwiegende Mehrheit der Fußballfans aus SchleswigHolstein nur der Hamburger SV infrage kommt – und weshalb mehr als 200 Fanclubs mit Tausenden Mitgliedern unserem Verein dort seit Jahrzehnten die Treue halten. |

„Der HSV-Virus wird vererbt“ Im nordfriesländischen Friedrichstadt drückt Heinz Claussen dem HSV seit vielen Jahren die Daumen. Im sn-Interview erzählt er, warum.

Schleswig-Holstein gilt bekanntermaßen als das Bundesland mit dem größten Zuspruch an HSV-Fans. Wenn man über die Dörfer fährt, sieht man sehr viele HSV-Fahnen an den Häusern wehen. Wie sieht es bei Euch in Friedrichstadt (südliches Nordfriesland an Eider und Treene gelegen, Anm. d. Red.) genau aus? Auch in Friedrichstadt ist der HSV sehr gut vertreten und ich denke, auch klar

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Trotz aller Rückschläge in den letzten Jahren und dem letzten Titel, welcher knapp dreißig Jahre her ist und den viele jüngere Fans nicht aktiv mehr erlebt haben: Unser Verein besitzt immer noch eine immense Strahlkraft. Warum scheint dies gerade in Schleswig-Holstein so aufzufallen? Ich glaube, dass der „HSV-Virus“, auch ohne sportlichen Erfolg, wie ebenfalls in meiner Familie, vererbt wird. Ich lebe es vor, wie geil es ist, zur HSV-Familie dazuzugehören, da spielt der sportliche Erfolg eine untergeordnete Rolle. Dazu kommt, dass wir Schleswig-Holsteiner besonders heimatverbunden, treu, geradlinig sind und Tradition lieben. Da kommt man am HSV einfach nicht vorbei. Was sind Deine Wünsche für die Zukunft unseres Vereins? Wenn ich mich in Deinem Wohnzimmer umsehe, kommt man in schöne Träume an längst vergangene Zeiten … Du sprichst sicherlich die große Foto­lein­ wand von unseren 83er-Landes­pokal­ siegern in meinem Wohnzimmer an. Sicher wünscht man sich Erfolg, träumt von Pokalen und Meisterschaften. Ich freue mich schon mal darüber, dass Ruhe im Verein herrscht, dass die Zeiten

vorbei sind, als in der Zeitung mehr über den Aufsichtsrat stand als über die Mannschaft. Und sportlich ist die Talsohle mit zwei Relegationen in Folge denke ich durchschritten, und so freue ich mich einfach über jedes Tor und über jeden Sieg, den ich im Volkspark bejubeln darf. Und grundsätzlich mal ganz ehrlich: Ich glaube nicht, dass es emotionaler geht als die letzten Wochen der letzten Spielzeit mit dem absoluten Höhepunkt in Karlsruhe. Diese Emotion und diese Freude können bei dem Gewinn der Meisterschaft oder Ähnlichem gar nicht größer sein. |

Der Friedrich­städter Heinz Claussen mit seiner Tochter Anna

Foto: privat

Heinz, kannst Du Dich und Deine HSVHistorie kurz vorstellen? Ich komme aus Friedrichstadt, einigen vermutlich als Holländerstädtchen in Nordfriesland bekannt, bin 45 Jahre, verheiratet und habe zwei Töchter im Alter von 12 und 17 Jahren. Beruflich bin ich selbstständiger Kaufmann mit einem Großhandel für Haustechnik und Stahl an den Standorten Friedrichstadt und Heide. Von klein auf bin ich Fußballer, sowohl aktiv als auch passiv als Fan. Anfangs fand ich noch den VfB Stuttgart ganz gut, wurde dann durch meinen Vater und den sportlichen Erfolg unter Klein, Netzer und Zebec/Happel zügig auf die richtige Bahn gebracht. Spiele wie zum Beispiel die Partie gegen Madrid 1980 im Halbfinale des Landesmeisterpokals sind es, die dich zum Fan werden lassen. Seit vielen Jahren bin ich HSV-Mitglied, Dauerkartenbesitzer und habe die „Raute im Herzen“.

an Nummer eins positioniert. Trotzdem ist auch hier die Rivalität mit den anderen Nordklubs, besonders mit dem Stadtteilklub aus Hamburg und dem Verein aus der verbotenen Stadt, sehr ausgeprägt.


Fandialog

Text: Tina Kuttig

Im Oktober haben Pro Fans, Unsere Kurve, Queer Football Fanclubs und F_in Netzwerk Frauen im Fußball dem DFB den Dialog in der AG Fanbelange aufgekündigt. Sie fordern eine Reform des Miteinanders.

B

egonnen hat alles mit einem bundesweiten Fankongress im Juni 2007: Gemeinsam von Deutschem Fußball-Bund (DFB), Deutscher Fußball Liga (DFL), Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) sowie Fanbeauftragten, Fanprojekten und Fanvertretern wurde beschlossen, eine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, die einen Dialog zwischen Fanorganisationen und dem DFB über Fanbelange und rele­vante Fragestellungen ermöglicht. Ein engagiertes Ziel, das sogleich in Angriff ­genommen wurde. Im September 2007 wurde die AG Fandialog gegründet. Aus der AG Fandialog ist dann die AG Fanbelange hervorgegangen, und der DFB beschloss im Dezember 2011, diese als offi­ ziellen Teil der Kommission Prävention und Sicherheit zu etablieren. So wurde nach Meinung des DFB „eine verbindliche Plattform für einen direkten Fan­d ialog geschaffen“. Gut möglich, dass dies ernst gemeint war, ja sogar mit sehr guten Absichten so geschehen ist. Leider mussten die ehrenamtlichen Fanvertreter dann eine etwas andere Erfahrung machen. Die Hauptkritikpunkte waren fehlende Wertschätzung und die als eingeschränkt wahrgenommene ergebnisorientierte Gesprächsbereitschaft seitens des DFB. Als eines der eindrucksvollsten Beispiele kann hier das Gespräch über Fanutensilien genannt werden. Empfohlen wurde hier von

den involvierten Fans eine Freigabe von Schwenkfahnen, Choreomaterialien und Trommeln. Ein Arbeitspapier wurde erstellt, auf Wunsch des DFB sogar noch ein Glossar angehängt. Unzufriedenheit über den DFB Das Papier tauchte allerdings erst einmal ein ganzes Jahr lang in den bürokratischen Strukturen des DFB unter. Ebenso vermied es der Verband, Ergebnisse der Zusammenarbeit in der Öffentlichkeit bekannt zu geben oder auch nur zu erwähnen. Für die Fanvertreter, die an einigen Fronten ohnehin schon große Schwierigkeiten hatten, anderen Fans den Sinn des Dialogs zu vermitteln, ein unnötiges und zusätzliches Hindernis. Die Außenwirkung war verheerend. Aus Unzufriedenheit über dieses Verhalten übten die Fanprojekte Druck auf den DFB aus, doch wenigstens die gemeinsame Arbeit an dem Papier publik zu machen. Was daraufhin auch geschah, aller­d ings nur, um umgehend wieder kleingeredet zu werden vom DFB-Sicherheitsbeauftragten Hendrik Große Lefert. Große Lefert nahm zwar an Sitzungen der AG Fanbelange, die drei- bis viermal im Jahr in Frankfurt stattfanden, teil, aber häufig ohne ausreichend informiert zu sein. Ob das Versäumnis hier bei ihm zu suchen war oder in der Informations­kette des DFB, ließ sich für die Beteiligten nur schwer feststellen.

Darüber hinaus kämpften die Fanvertreter beim DFB auch für ein Gespräch über Kombitickets, Sicherheitsfragen und die Praktiken des DFB Strafgerichts. Um dem entgegenzuwirken, veranstaltete der DFB Anfang 2015 eine Informationsveranstaltung zu seinem Strafensystem an der Universität Köln. Für mehr Klarheit sorgte dieser Abend aber nicht. Ungeachtet des Verhaltens der Verantwortlichen beim DFB gegenüber der AG Fanbelange, wurde unter anderem der damalige Präsident Wolfgang Niersbach nicht müde, die Wichtigkeit des Fandialogs zu betonen. Dass er selbst, trotz Bitten, nie an einem Treffen teilgenommen hat, verschwieg er dabei lieber. Nicht zuletzt sein Fernbleiben führte zum Abbruch der Gespräche. Trotz des Bruchs bleiben die Fanorganisationen offen für eine Fortsetzung des Dia­logs, jedoch unter deutlich veränderten Bedingungen. Der DFB scheint die Lage noch nicht verstanden zu haben und sieht auf Anfrage lediglich „ein kleines ­P roblem in der Kommunikation“. Schade, dass der Verband nicht erkennt, dass diese Einstellung weit weg von seiner selbst ausgegebenen Idee ist, nämlich „Konflikte zu entschärfen und verfestigte Feindbilder abzubauen. Im Wissen um die unterschiedlichen Perspektiven und die potenziell auch konträr bleibenden Standpunkte … dauerhaft einen belastbaren Dialog zu etablieren.“ |

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TRIBÜNE

Text: Mathis Paus · Fotos: Lucas Wahl

Zaungäste

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Trainingskiebitze

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TRIBÜNE

Beobachter am Spielfeldrand: Uwe Dieckmann (rechts) gefällt die Einstellung der Spieler.

Ein Kiebitz kann das Meckern nicht lassen, weil er im Grunde immer das Beste für seinen Verein will. Im Volkspark ist diese Art der ruppigen Zuneigung besonders schön zu beobachten: bei einem Besuch auf dem Trainingsplatz.

G

ut, dass es Bruno Labbadia gibt, sagt Uwe Dieckmann. Der 78-jährige Rentner trägt einen schwarzen Mantel, den Kragen aufgestellt bis zu den Ohren, Rauschebart, Brille und Seemannsmütze. Von der Max-Schmeling-Straße aus hat er trotz des Zauns gute Sicht auf das Trainingsgelände, ­einer Anhöhe und dem tiefer gelegenen Fußballplatz sei Dank. Gegenüber thront das Volksparkstadion. Dieckmann pafft genüsslich seine Pfeife und beobachtet die Spieler, die sich in grellen Leibchen auf dem Rasen

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tummeln. Die Jungs seien gut in Form, sagt er. „Wenn ich hier so stehe, dann weiß ich gar nicht, wen ich im nächsten Spiel aufstellen sollte. Aber unser Trainer wird es schon richtig machen.“ Für die Kiebitze gibt es in diesen Tagen nicht viel zu meckern. Der HSV spielt solide und verliert ­weniger Spiele als in der letzten Saison. Nach zwei Fast-­ Abstiegen ist man an der Elbe bescheiden geworden. Die Ruhe nach Jahren des Sturms hat die Fans zahm und müde gemacht. An diesem Dienstagabend im ­Februar tummeln sich nur 19 Zaungäste auf dem Trainingsareal. Vielleicht ist aber auch einfach nur das Wetter schuld, denn die Temperatur ist nahe dem Gefrierpunkt. Als Dieckmann Lewis Holtby mit kurzer Hose auf dem Spielfeld entdeckt, nickt er anerkennend. Die Einstellung gefällt ihm. Während Kotrainer Bernhard Trares die Mannschaft zum Aufwärmen über kleine Hütchen und Stangen springen lässt, jongliert Chefcoach Labbadia mit dem Ball. Der ehemalige Stürmer hat es geschafft, aus einem losen Haufen von Individualisten eine Einheit zu formen, so die einhellige Meinung rund um den Platz. Auf den Trainer lässt auch Erbse nichts kommen. Das Schwergewicht lehnt an einem Metallgeländer, immer die Bundesligatabelle im Kopf – und vor allem die Vergangenheit. Die letzten Jahre haben Risse im HSV-Herz


Trainingskiebitze

An kalten Tagen kommen nur wenige Zuschauer zum Training. Aber Kommentare vom Spielfeldrand gibt’s zu jeder Jahreszeit.

hinterlassen, aber mit Labbadia sei alles besser geworden, erklärt Erbse im Hamburger Schnack. „Unter den anderen Trainern, besonders unter Veh, war die Kameradschaft nicht gut. Da fehlte was.“ Er muss es wissen, schließlich beobachtet er drei-, viermal im Monat das Training – und das seit Jahr und Tag. Auch die ehemaligen Sorgenkinder Ilicevic und Rudnevs hat der Trainer wieder in die Spur gebracht, gibt Erbse zu bedenken. „Der Rudnevs hat sich nie hängen lassen, ein guter Typ“, findet er. Es gibt immer was zu meckern Weniger gute Typen, findet Erbse, sind die beiden RTLReporter, die um die Zaungäste herumschwirren. Die stellen doofe Fragen über das Rekordminus von fast 17 Millionen Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr und ob die Spieler zu viel Geld verdienen würden. Erbse hat dazu seine ganz eigene Meinung: „Angebot und Nachfrage, sag ich. Wenn ich die Kohle hätte, würde ich auch ein dickes Auto fahren.“ Basta! Kiebitze bleiben unter ihresgleichen am Spielfeldrand. Sie sprechen nicht über Zahlen, sie machen sich ein Bild vom aktuellen Leistungsstand der Mannschaft. Und der ist derzeit ganz zufriedenstellend. Aber Kiebitze wären nicht Kiebitze, wenn sie überhaupt nichts mehr auszusetzen hätten. Schließlich

sind sie es, die jeden Tag am Trainingsplatz ausharren, beobachten und wissen, wo es hakt. Lukas, ein Jungkiebitz von gerade einmal neun Jahren, schaut konzentriert. Durch seine Brille hat er alles ganz genau im Blick. Die Spieler, die Trainer, manchmal sogar die Ordner. Am meisten interessiert er sich aber für die Torhüter, denn die sind im Fußball von entscheidender Bedeutung, sagt Lukas fachkundig. Mit René Adler und Jaroslav Drobný habe der HSV ein gutes Gespann, aber da gibt es eine Sache, die Lukas sehr stört und die in seinen Augen eine große Ungerechtigkeit darstellt. „Der René ist unsere Nummer eins, warum hat ­Drobný die dann auf seinem Trikot?“ Die Frage beschäftigte ihn so lange, bis er eines Tages den Trainer damit konfrontierte. „Bruno hat gesagt, dass Drobný älter ist und schon länger beim HSV spielt. Darum darf er die Nummer eins auch behalten“, berichtet Lukas. Die Antwort hat der Junge verstanden, akzeptiert hat er sie nicht – es geht schließlich um seinen Lieblings­spieler René Adler. Auf dem Rasen freuen sich die Kollegen mit Nicolai Müller, der gerade Abwehrspieler Cléber mit dem Ball getunnelt hat. Nur Sturmtank Lasogga ist nicht nach Jubeln zumute. Mit hängenden Schultern trottet er über das Spielfeld. Vor ein paar Wochen musste er seinen angestammten Lebensraum, den Strafraum,

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TRIBÜNE

Weshalb hat René Adler nicht die Nummer eins auf dem Trikot? Fragen wie diese stellt Lukas den Spielern und dem Trainer einfach persönlich.

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Trainingskiebitze

Kiebitze wie Erbse interessiert vor allem die Leistung der Spieler.

Zufrieden mit Bruno Labbadia: „Unser Trainer wird es schon richtig machen.“

räumen. Die Zwangsumsiedlung auf die Ersatzbank macht ihm seitdem zu schaffen. Und dann auch noch dieser in seinen Augen besonders lästige Kiebitz, der zwar nur das Beste für seinen Verein will, dessen Kommentare aber ein unangenehmes Grundrauschen verursachen. Peter ist der ewige Zaungast. Mütze, kräftiger Oberlippenbart Marke Heiner Brand, redselig. Als Rentner hat er Zeit, viel Zeit für seinen HSV. Aufmerksam verfolgt er das Trainingsspiel, mit dem Smartphone filmt er fleißig. „Videoanalyse“, sagt er und lacht diebisch. Der Kiebitz von heute geht mit der Zeit und setzt auf moderne Technik. „Na wunderbar! Schön weit vorbei, wie immer“, platzt es unvermittelt aus Peter heraus. Lasogga hat eine gute Torchance ausgelassen und den Ball mit Wucht weit über das Tor befördert. Die Schultern des Stürmers hängen noch tiefer als sonst in diesen Tagen. Peter legt die Latte schon hoch, jetzt tut ihm der Stürmer ein wenig leid. „Hau rein, Kapelle“, sagt er und meint es aufmunternd. Still flüstert er noch in sich hinein: „Wir wollen ja nicht lästern.“ Plötzlich macht sich am Spielfeldrand Unruhe breit, die Kiebitze versuchen, den Überblick zu behalten. Was ist passiert, wer liegt da hinten auf dem Boden? Trainingsdauergast Miguel hat eine Idee und funktioniert seine Digitalkamera kurzerhand zum Fernglas um.

Der Zoom sorgt für Durchblick. „Entwarnung“, sagt er in den Abendhimmel. „Den Ivica hat es nicht erwischt, ich glaube, das muss einer von den Amateuren sein.“ Der 28-Jährige wohnt unweit des Stadions und schaut, wann immer er Zeit hat, beim Training vorbei. Bei Heimspielen sitzt er in der ersten Reihe auf der Süd­ tribüne. Ahnung vom Fußball an sich hat er viel, ist nämlich selbst aktiver Kicker, aber über den HSV weiß er noch mehr. Derzeit treibt ihn die Frage um, warum der Labbadia den Sakai nicht auch mal auf der linken Seite bringt. „Der ist so kampfstark und läuferisch immer einer der besten Spieler.“ Wenn er Trainer wäre, würde er das mal ausprobieren. Das Training neigt sich dem Ende zu. Die Spieler ­bewegen sich Richtung Stadionkabine. Zuvor müssen sie aber noch an dem unruhigen Menschenschwarm vorbei, der nach Autogrammen und Fotos verlangt. Jungkiebitz Lukas lässt sich von seiner Mutter mit Lieblingsspieler René Adler knipsen. Zuvor hat er sogar die Handschuhe von Jaroslav Drobný geschenkt bekommen. Ist doch ein Guter. Erbse sammelt fleißig Unterschriften auf seinem Trikot. Jeder, der ihm entgegenkommt, muss unterschreiben. Nur Peter und Uwe halten sich aus dem Trubel heraus. Die beiden müssen fit bleiben und sich auf den morgigen Tag vorbereiten. Um zehn Uhr vormittags ist Training. |

Info: Die Trainingszeiten der ersten und zweiten Mannschaft stehen auf www.hsv.de/ news/trainingsplan

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TRIBÜNE

Text: Text: Nils Nils Bethge Bethge

10 Jahre: „Freiheit für die Jungs“ Drei Monate Untersuchungshaft für eine Schlägerei, die nie stattgefunden hat: Dieser Fall um zwei HSV-Fans machte im WM-Jahr 2006 bundesweit Schlagzeilen. Einer von ihnen erzählt, wie es ihm heute geht. Zum Jahreswechsel 2005/2006, im Vorfeld der Weltmeisterschaft in Deutschland, sorgte der Fall zweier HSV-Fans für deutschlandweites Aufsehen. Eine tagelange Odyssee per Gefangenentransport quer durch die Republik und mehrere Monate zermürbende Untersuchungshaft in der JVA München (Stadelheim) endeten mit Strafbefehlen. Ohne gerichtliche Hauptverhandlung. Medien wie „Spiegel Online“ und das „Hamburger Abendblatt“ berichteten umfangreich und hinterfragten die Praxis der bayerischen Justiz kritisch. Selbst verfeindete Fanszenen wie die des SV Werder Bremen und des FC St. Pauli solidarisierten sich mit den Inhaftierten und forderten „Freiheit für die Jungs“. Zehn Jahre danach erzählt Nils Bethge – einer der damals Inhaftierten –, wie es ihm heute geht. Man merkt, dass diese Zeit Spuren hinterlassen hat. Bis heute.

„D

a ist es, dieses Zittern, wenn die Wut wieder in ihm aufwallt.“ Mit diesem Satz leitete das „Hamburger Abendblatt“ im Juni 2006 den Artikel zu meinem „Fall“ ein. Jahrelang war dieses Zittern verschwunden. Verarbeitet, vergessen, verdrängt. Doch im Oktober 2015 durchzog es mich wieder. Plötzlich und absolut unerwartet stockte mir der Atem, und ich fühlte mich in den Dezember 2005 zurückversetzt. Was war geschehen? Ich arbeitete als Ordner beim Spiel der Eishockeymannschaft des HSV und

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bewachte den Spielereingang. Da stand er auf einmal wieder vor mir: Herr Zobel (Name geändert). Beamter der Hamburger Kriminalpolizei. Der Mann, der mit der Verlesung und Vollstreckung des Haftbefehls am 21. Dezember 2005 meinem Leben eine wohl für immer prägende Wendung gegeben hat. Lange hatte ich ihn nicht gesehen. 2010 im Gedränge des Stellinger Bahnhofs müsste es gewesen sein. Flüchtig. Im Vorbeigehen. Auf jeden Fall belanglos. Doch diesmal war es anders. Wir waren allein und blickten einander schweigend an. Nur wenige Sekunden, die mir allerdings wie eine Ewigkeit vorkamen. „Guten Abend, ich will nur eben meinen Sohn vom Training abholen“, waren die Worte seiner Begrüßung. Ich hatte das Gefühl, auch ihm schien dieses unerwartete Aufeinandertreffen irgendwie unangenehm zu sein. In diesem Moment war der Kleine auch schon bei uns. „Tschüss und ruhigen Dienst“, wünschte mir Zobel noch, und dann stiegen sein Sohn und er in ihren direkt vor dem Eingang geparkten Wagen. Der restliche Dienst war dann für mich nebensächlich. Meine Gedanken schweiften ab. Begriffe wie „Holstenglacis“, „Gefangenentransport“ und „Stadelheim“ schossen in der Folgezeit durch meinen Kopf. Und dann folgte das unvermeidliche und quälende „Warum?“. Im Gegensatz zu früher drehte sich die Frage allerdings nicht darum, warum das Ganze mir widerfährt,

warum man gerade an mir ein Exempel statuieren will. Sondern darum, warum mich solch eine simple Begegnung nach so langer Zeit weiterhin emotional dermaßen aufwühlt, warum ich dieses Kapitel anscheinend immer noch nicht abschließen kann. Verdammt viel hatte ich in den vergangenen Jahren erlebt. Beruflich, privat und natürlich auch mit meinem HSV. Manchester, Glasgow, Bremen, Fulham, Fürth und Karlsruhe waren nur einige der (wenn auch nicht immer positiven) Livegeschehnisse, die ich nach dem Jahr 2006 mit meinem Verein erleben durfte und erleiden musste. Auch beruflich alles im Reinen. So es denn die Weltwirtschaft will, werde ich 2017 mein zehnjähriges Jubiläum als Angestellter einer großen Hamburger Reederei feiern. Sogar die Bundeswehr hat mir „verziehen“ und mich nach langem Prüfen und Zögern letztlich doch zum Feldwebel der Reserve befördert. Und mein kleines Häuschen wächst und erfüllt mich jeden Tag aufs Neue mit ein klein wenig Stolz. Letztlich sollte ich eigentlich mit mir selbst im Reinen sein. Ich habe mich die letzten Jahre tadellos verhalten, viel erlebt und eine ganze Menge erreicht. Jahrelang habe ich dies geglaubt. Oder mir doch nur selbst vorgemacht? Es ist dieses Zittern, auch heute beim ­Schreiben, welches mich zweifeln lässt … |


Freiheit für die Jungs

Foto: privat

Die Vorgeschichte: Am 21. Januar 2005 organisiert Nils Bethge eine Busreise zum Bundesligaspiel des HSV beim FC Bayern München. Einer seiner Fanclubkumpel wird dort von Bayern-Fans verprügelt. 25 HSVer wollen sich revanchieren und verabreden sich mit M ­ ünchener Schlägern an einem Schnellimbiss. Bethge macht den Fehler, sich der Gruppe anzuschließen. Am vereinbarten Treffpunkt stoßen die 25 HSVFans auf eine überraschend große Zahl von BayernSchlägern. Sie ziehen sich in den Imbiss zurück, der Wirt macht die Tür dicht, die Schlägerei verläuft im Sande. Zehn Monate später schreibt ihm die Staatsanwaltschaft München: Aussagen eines Gastes des Schnellimbisses führen zu Ermittlungen wegen Landfriedensbruchs, Organisation einer Schlägerei und Rädelsführerschaft. Am 21. Dezember wird Bethge verhaftet.

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TRIBÜNE

Text: Nader Rafraf · Foto: Imago

Fan-Mitsprache bei den Rangers Die Glasgow Rangers sind in der Vergangenheit weniger mit sportlichen Schlagzeilen aufgefallen als mit finanziellen Schwierigkeiten. 2012 folgte die Insolvenz. Die Fanorganisation Rangers First will den Verein wieder auf den rechten Weg führen – und kauft sich in den Klub ein. 34


Glasgow Rangers

A

nlässlich der jahrzehntelangen Fanfreundschaft zwischen dem HSV und den Glasgow Rangers haben wir uns 2015 mit unserem OFC Hamburger Botschaft Hannover auf den Weg nach Schottland gemacht. Dabei lernten wir Ricki Neill kennen, einen der Vorsitzenden des Glasgow-Rangers-Fanfonds Rangers First. Rangers First ist eine NonProfit-Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, möglichst viele Anteile an den Glasgow Rangers zu erwerben. Nachdem es in der Vergangenheit viele Unregelmäßigkeiten im Verein gab, die unter anderem 2012 zur Insolvenz führten, und auch danach noch große Geldsummen veruntreut wurden, haben sich viele Anhänger vom Verein zurückgezogen. Rangers First versucht nun durch Einflussnahme am Vereinsgeschäft für größere Transparenz und Kontrolle zu sorgen. Der Fanfonds wurde im März 2014 gegründet und hat aktuell etwa 14.000 Mitglieder, denen 3,5 Prozent der Anteile des Klubs gehören. Entstanden ist das Ganze mit Unterstützung des Dachverbandes Supporters Direct, einer britischen Regierungsorganisation, die unter anderem auch so bekannte Fanprojekte wie den AFC Wimbledon und den FC United of Manchester betreut. Inzwischen unterstützen wir als OFC das Projekt, wie übrigens auch Jörg „Ali“ Albertz. Wir haben ein Gespräch mit Ricki zu diesem interessanten Thema geführt: Ricki, in Deutschland sind wir froh über die 50+1-Regel, in Großbritannien ist die Situation komplett anders. Kannst Du uns einen kleinen Überblick über Eure Ziele und die momentane Situation bei den Rangers geben? Fan-Eigentümergruppen sind ziemlich neu in Großbritannien und leider haben noch nicht viele Fans diese Idee aufgegriffen. Die Fans suchen meist erst nach Wegen, ihrem Verein zu helfen, wenn dieser in Probleme gerät. Mein persönliches Ziel für Rangers First wäre es, 25,1 Prozent der Anteile an den Glasgow Rangers zu erzielen. Das ist die Grenze, ab der wir über große finanzielle Transaktionen informiert werden müssten und, wenn nötig, unser Veto einlegen könnten. Zur sportlichen Situa­tion: Trainer Mark Warburton ist eine großartige Verpflichtung für die Rangers. Er hat damit begonnen, viele Dinge in Ibrox zu

ändern, angefangen bei der Jugendarbeit bis hoch zu den Profis. Sein Angriffsfußball kommt bei den Fans gut an und wir freuen uns darauf, nächstes Jahr endlich wieder gegen Celtic anzutreten. Die Glasgow Rangers wurden in den letzten Jahren von einigen finanziellen Katastrophen heimgesucht. War das Eure Motivation eine fanbasierte Eigentümergruppe zu bilden? Nachdem die Rangers das Insolvenzverfahren angemeldet hatten, hat sich eine Gruppe von Rangers-Fans zusammengetan, um Ideen zu sammeln, wie man den Verein wieder dahin zurückführt, wo er hingehört, an die Spitze der Liga und in die Qualifikation um die Champions-LeagueTeilnahme. Diese Gruppe hat sich eine Präsentation von Supporters Direct angehört und sich für diesen Weg entschieden. Die Firma Reflexblue, für die ich arbeite, hat bei der Vermarktung der Idee geholfen. Die Mitgliederentwicklung verlief anfangs etwas schleppend. Wir sind mit 400 Mitgliedern gestartet, aber mit jeder neuen schlechten Nachricht über die Rangers bekamen wir einen neuen Mitgliederschub. Ich habe dann für einen Vorstandsposten bei Rangers First kandidiert und wurde von den Mitgliedern gewählt. Mir persönlich war von Anfang an klar, wie groß Rangers First durch unseren tollen weltweiten Support werden könnte. In einem Jahr haben wir über 1,2 Millionen Pfund (circa 1,5 Millionen Euro; Anm. d. Red.) aufgebracht und 3,52 Prozent der Vereinsanteile gekauft. Das war ein wahnsinniger Erfolg für die Rangers-First-Mitglieder. Wie kommt Ihr an Eure Anteile? Kauft Ihr einfach Aktien an der Börse, oder seid Ihr darauf angewiesen, dass andere Anteilseigner verkaufen? Da die Rangers-Aktie momentan nicht an der Börse gelistet ist, wäre es ein wenig schwierig, Anteile zu erwerben, aber wir haben Vorstandsmitglieder, die ständig im Kontakt mit Börsenhändlern stehen und versuchen, neue Anteile zu kaufen. Wie stellt Ihr sicher, dass das gesammelte Geld im Sinne der Fans ausgegeben wird? Unser hauptsächliches Ziel ist es zunächst, Anteile zu kaufen. Wenn wir fünf Prozent erreicht haben, wird es Zeit, unsere Mitglieder über das weitere Vorgehen

Nader Rafraf mit Ricki Neill (links) vom Fanfonds.

zu befragen. Wir sind nicht darauf beschränkt, Anteile zu erwerben, wir könnten beispielsweise auch in Trainingsplätze oder Ähnliches investieren. Du bist einer der Vorstände von Rangers First. Bekommst Du diese Position noch mit Deiner hauptberuflichen Tätigkeit unter einen Hut? Ich bin in der glücklichen Lage, dass mich meine Familie sehr unterstützt, außerdem sind meine Freunde und mein Arbeitgeber großartig. Im Vorstand von Rangers First zu sein ist wie ein Ganztagsjob, aber es ist etwas, woran ich wirklich glaube. Ich hoffe, dass ich erneut gewählt werde und weiter dazu beitragen kann, die Rangers wieder nach oben zu bringen (Ricki wurde inzwischen wiedergewählt; Anm. d. Red.). Momentan haltet Ihr 3,5 Prozent der Rangers-Anteile und seid damit der achtgrößte Anteilseigner. Wie groß ist Euer Einfluss auf die Vereinsführung? Werdet Ihr als ernsthafte Mitwirkende wahrgenommen? Inzwischen haben wir regelmäßige Treffen mit dem Verein und ich hoffe, dass wir in Zukunft ein bedeutender Teil des Rangers FC werden, wenn wir mehr und mehr Anteile erwerben. Und bevor ich es vergesse: Ich möchte mich für die Unterstützung bedanken, die wir von Euch und generell aus Hamburg erhalten. Ich glaube, dass wir noch viel von den Hamburger Fangruppen lernen können. Es gab immer eine starke Verbindung zwischen den Rangers und dem HSV, und ich hoffe, dass wir auch in der Zukunft darauf bauen können. |

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TRIBÜNE

OFCNews Von Fans für Fans

Ihr tragt die Raute nicht nur allein im Herzen, sondern teilt die Leidenschaft für den HSV mit vielen Mitstreitern in Eurem Fanclub. Auf diesen Seiten kommen die OFCs des HSV zu Wort. Ihr seid herzlich eingeladen, uns mit interessanten Geschichten, lustigen Anekdoten und schönen ­Erlebnissen aus eurem Fancluballtag zu versorgen. Mailt uns Eure (bitte nicht allzu langen) Texte sowie Fotos an die Adresse s­ upporters@hsv.de. Wir freuen uns auf Eure hoffentlich zahlreichen Rückmeldungen und Euer Mitwirken. |

Der OFC Baccum blickt hinter die Kulissen des HSV.

OFC Baccum zu Gast bei Dietmar Beiersdorfer Vor dem Bundesligaspiel Hamburger SV gegen Hertha BSC war der HSV-Fanclub „Dünn vorher“ ’99 Baccum zu Besuch bei der Geschäftsstelle des Hamburger SV. Der Vorstandsvorsitzende der HSV Fußball AG, Dietmar Beiersdorfer, löste sein Versprechen ein und Empfing die Baccumer Jungs in seinem Büro. An dem Schreibtisch, an dem sonst Verträge verhandelt und unterschrieben werden, stellte sich „Didi“ den Fragen der Fanclubmitglieder und antwortete sehr offen. Als kleine Überraschung schloss sich spontan Horst Hrubesch der

Gesprächsrunde an. Für den Fanclub ein unvergessliches Erlebnis und ein einmaliger Blick „hinter die Kulissen“ des Hamburger Sport-Vereins. | Auf dem Foto: Burkhard Zwake (Fanclub), Stefan Hense (Kassenwart Fanclub), Dietmar Beiersdorfer (Vorstandsvorsitzender HSV Fußball AG), Christian Großepieper (Erster Vorsitzender Fanclub), Marco Mengering (Zweiter Vorsitzender Fanclub), Jürgen Seroka (Fahnenwart Fanclub). | Text: OFC Baccum

Besonderer Fanclub

Tipps für die Freundschaft

Fotos: privat

Dass der HSV ein Spiel verliert – das ist für Mirko Waraszik und seine Kumpel ausgeschlossen. Schlechter als ein Unentschieden schneiden die Rothosen bei ihnen niemals ab. Darauf haben sich die zehn Gründungsmitglieder des OFC Old Sailors geeinigt: eines Fanclubs, der vor genau zehn Jahren aus ihrer HSV-Tippgemeinschaft hervorgegangen ist. Die Gründung lag in einer Zeit – im Herbst 2006 –, als der HSV in der Tabelle ganz unten stand, gegen Energie Cottbus nur ein mageres 0:0 ablieferte und Trainer Thomas Doll entließ. Vorsitzender ­Waraszik: „Da haben wir uns gesagt: Jetzt erst recht!“ Die Jungs kennen sich vom SV Ahlerstedt/Ottendorf (siebzig Kilometer südwestlich von Hamburg), wo sie gemeinsam Fußball spielten, ihre Leidenschaft für den HSV teilten – und zwei Jahre zuvor eine Tippgemeinschaft gegründet hatten. Mit dem Ziel, auch nach ihrer aktiven Fußballzeit und Umzügen quer durch die Republik noch über den HSV in Kontakt zu bleiben.

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Das ist bis heute gelungen – auch dank ihrer Tipprunde. „Wir machen das noch sehr traditionell, nicht online: Daniel Schmetgens, der Zweite Vorsitzende unseres OFC, trägt alle Tipps von Hand zusammen. Das hat noch etwas sehr Ursprüngliches.“ Bei Gleichstand am Saisonende gewinnt, wer die meisten HSV-Ergebnisse richtig getippt hat. „Es ist schon vorgekommen, dass am letzten Spieltag noch drei Leute die Chance auf den Gesamtsieg hatten.“ Wer gewinnt, bekommt einen Wanderpokal; wer verliert, muss die Saison-Abschlussparty des nächsten Jahres organisieren. Neben den zehn Gründungsmitgliedern, die als einzige tippen dürfen, hat der Fanclub 16 weitere passive Mitglieder. Und zwei Ehrenmitglieder: Marcell Jansen und Paul Scharner, die 2008 beziehungsweise 2012 zu Spielerbesuchen nach Ahlerstedt gekommen sind. Auch in diesem Jahr bewerben sich die Old Sailors wieder. Unser Tipp: Zum zehnjährigen Jubiläum könnte was draus werden. | Text: J. Kühner


OFC-News

René Adler beim OFC Nordkurve Volkspark.

Der Fanclub 2010 Ried/Hessen hat 200 Euro an die Krebsinitiative „Du musst kämpfen“ gespendet.

René Adler zu Gast

2010 Ried/Hessen spendet und trauert

Wir sind ein kleiner, familiärer OFC mit gerade einmal dreizehn Mitgliedern – darunter drei Kinder –, der im Mai 2007 gegründet wurde. Wir treffen uns regelmäßig in unserem Stammlokal Il Cono in Hamburg-Langenfelde, unweit des Volksparkstadions. Als wir erfahren haben, dass wir einen HSV-Spieler empfangen dürfen, haben wir uns sehr gefreut. Als René Adler am 21. November zu uns kam, konnten wir unser Glück kaum fassen. Wir luden noch ein paar Familienmitglieder und Freunde ein, um den Nachmittag in gemütlicher Runde zu genießen. Nach kurzer Wartezeit ging es um kurz nach 13 Uhr los. Wir alle waren aufgeregt. Schließlich bekommt man nicht oft die Gelegenheit, einen HSV-Profi so nah zu erleben. Und dann auch noch in exklusiver, kleiner Runde. Es folgte die obligatorische Fragerunde: Egal ob Privates, Fragen zur Mannschaft, der Gesundheit oder allgemeinen Dingen, zum Fußball oder dem HSV – René hat alle geduldig beantwortet. So konnten wir einen guten Eindruck vom Tagesablauf eines Profifußballers gewinnen. Es wurde viel gelacht. René musste so viel erzählen, dass er nicht mal Gelegenheit hatte, den selbst gebackenen Kuchen zu probieren – für eine Saftschorle war aber Zeit. Apropos Zeit: Die verging wie im Flug und ruck, zuck waren zwei Stunden um. Am Ende gab René noch Autogramme und stand bereit für Erinnerungsfotos, bis jeder sein Wunschbild auf dem Smart­phone oder der Kamera hatte. Für unseren Fanclub überreichte René uns noch ein Bild mit Widmung, das wir im Il Cono an die Wand hängen, um uns an den Nachmittag zu erinnern. | Text: OFC Nordkurve Volkspark

„Johnny“ kennt man im Allgemeinen als Fan des SV Darmstadt 98, aber in seinem Herzen findet sich auch Platz für unsere Raute. Neben den „Lilien“ ist es der Hamburger SV, dem er die Daumen drückt. Als der HSV-Fanclub 2010 Ried/Hessen von Jonathan „Johnny“ Heimes Krebserkrankung erfuhr, entschloss man sich spontan, ihn und seine gemeinnützige GmbH „Du musst kämpfen“ zu unterstützen. Im Alter von gerade einmal 26 Jahren hat „Johnny“ nun seinen Kampf gegen den Krebs verloren. Der Darmstädter ist am 9. März „friedlich zu Hause eingeschlafen“, wie es auf seiner Facebook-Seite heißt. Wir trauern um Jonathan und sind in Gedanken bei seiner Familie.

Seine legendären Armbänder „Du musst kämpfen! Es ist noch nichts verloren“ wurden in unserem Fanclub angeboten und in großer Zahl verkauft. Außerdem wurde beschlossen, einen Betrag in Höhe von 200 Euro zu spenden. Leider konnte „Johnny“ schon damals bei der Spendenübergabe aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend sein. Geschäftsführer M ­ ichael Franken nahm unter Anwesenheit von vier Vertretern unseres Fanclubs, des HSVAnsprechpartners Rhein-Main Sven Ehrich sowie eines Darmstadt-Fans den Scheck entgegen. Spenden unter: www.dumusstkaempfen.de | Text: HSV-Fanclub 2010 Ried/Hessen

Fantreffen in Darmstadt Im Vorfeld des HSV-Auswärtsspiels im November vergangenen Jahres bei den Darmstädter „Lilien“ organisierten die beiden Fanclubs Rhein-Main-Löwen und die Hamburg 87ers ein Treffen für interessierte Fans und OFCs aus der Region. Begrüßen durften wir Joachim Ranau von der Fanbetreuung und Thomas Kerfin sowie Martin Oetjens von der Supporters-Club-Abteilungsleitung. Unserer Einladung folgten rund sechzig Fans aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg und Hamburg. Ein großes Dankeschön für die zahlreiche Teilnahme! Wenn wir gerade beim Dankesagen sind, dürfen wir den 1. FCA Darmstadt nicht vergessen, dessen Vereinsheim wir nutzen durften und dessen Vorsitzender Andreas Bergmann, natürlich HSV-Fan und Mitglied der RheinMain-Löwen, die angereisten Fans sehr herzlich begrüßte. Nach einem gemeinsamen Essen konnten die anwesenden Fans den Vorträgen unserer Gäste zuhören. So konnten einige

Zuständigkeitsfragen geklärt werden, da nach der Ausgliederung doch manche Fragen offen waren. Die noch recht neue SCAbteilungsleitung gab sehr interessante Einblicke in ihre Arbeit, und auch die Fanbetreuung konnte einige Dinge (Ticketproblematik, Fanclubbesuche und anderes) direkt mit den Fans klären. Wir sind immer noch völlig begeistert von dem großartigen Tag und hätten nie mit so vielen Teilnehmern gerechnet! Auch wenn das Spiel danach leider nur 1:1-Unentschieden endete, war es für die Rhein-Main-­ Löwen und die Hamburg 87ers ein mehr als gelungener Tag. Wir sehen Euch alle hoffentlich bei uns in der Region wieder, wenn wir in Frankfurt oder Mainz spielen. Eine Veranstaltung würden wir vorher ankündigen. Am Ende möchte ich, Sven Ehrich, AP Rhein-Main, noch einmal Thomas Höhne danken. Ohne Dch wäre die Veranstaltung nicht zu dem geworden, was sie war. Danke für Deinen großen Einsatz! |

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SPIELFELD

Interview: Thorsten Langenbahn 路 Fotos: Roman Pawlowski

Allzeit HSV

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Thomas von Heesen

Spricht Thomas von Heesen über den HSV, redet er von „unserem HSV“. Der gebürtige O ­ stwest­fale fühlt sich als h ­ undertprozentiger Hamburger und HSVer. Im ­sn-Interview spricht der frühere Mittelfeldregisseur über seine Zeit im Aufsichtsrat, flache Hierarchien und „Cross-Scouting“ zum Wohle des HSV.

Als Ikone aus der goldenen HSV-Ära: Wie oft werden Sie auf der Straße noch ­angesprochen, wenn Sie in der Hansestadt sind? Des Öfteren. Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, werde ich im Café auch mal von zehn-, elfjährigen Jungs angesprochen, die wahrscheinlich von ihren Väter instruiert wurden: „Guck mal, da vorn ist ein ehemaliger Spieler. Frag doch mal, ob Du ein Foto machen kannst.“ Aber es kommen auch häufig ältere Menschen, die uns noch aus der damaligen Zeit kennen. Die fragen dann auch schon mal: „He, Thommy. Sag mal, was ist denn los beim HSV?“ Worauf sprechen die Fans Sie am ­häufigsten an? Es geht natürlich um den Gewinn des Europapokals und um den DFB-Pokal, die beiden letzten Titel, auch um das damalige Duell Bayern München – HSV, nach dem Motto: „Das war ja super damals!“ Die Älteren wünschen sich, dass der HSV irgendwann wieder dahin kommt. Und zuletzt hieß es auch öfter: „Mensch, hoffentlich kriegen die das hin.“ Dann sind wir die Ansprechpartner, die auch Korrektiv sein können und sagen: „Ja klar, die Jungs geben alles und versuchen, alles rauszuholen.“ Ich diskutiere immer gern mit diesen Menschen, denn man merkt, dass sie einfach Sorgen um unseren HSV haben. Und wie oft werden Sie noch als van ­anstatt von Heesen angesprochen? Ganz selten. Die Älteren sagen auch einfach Thommy und nicht Herr von Heesen. Und ob van oder von, das nehme ich nicht so wichtig. Sie kommen gerade aus Irland, in Kürze geht’s nach Marokko. Wo treiben Sie sich so herum in der (Fußball-)Welt? Überall. (lacht) Ich bin immer super up to date, was in Europa gerade interessant ist, auch was an Talenten unterwegs ist. Das interessiert mich einfach. Ich gucke mir gern auch Spiele an, wenn ich die Zeit habe. Ich bin da ambivalent: Auf der einen Seite gibt es Geschäftsmodelle wie Startups, die ich begleite, unterstütze und an denen ich mich beteilige. Da geht es auch um andere Sachen als Fußball, deswegen war ich auch gerade in Irland. Auf der anderen Seite ist mein Interesse am Markt von Toptalenten supergroß. Es rufen mich

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SPIELFELD

so viele Leute an, die sagen: Da ist wieder ein super Spieler. Den schaue ich mir dann gern auch mal persönlich an. Das macht mir Spaß. Für den HSV ist es wichtig, dass er auch externe Informationen bekommt, also außerhalb des eigenen Scoutings, um nicht eventuell eine große Chance zu verpassen. Das war zum Beispiel bei ­Bakery Jatta der Fall, der ja bei keinem eigenen Scout auf der Liste stand. Dabei will ich gern behilflich sein und Informationen weitergeben.

ansehen, den Markt des Fußballs analysieren, gemeinsame strategische Projekte planen und mit Partnern weltweit entwickeln – also Networking betreiben. Das ist genau meine Welt. Wenn ich mal die Zeit habe, schaue ich gern mal ein Spiel des HSV, nicht nur gegen Topgegner, sondern vor allem gegen Mannschaften, die schwer zu knacken sind. Da entscheidet sich, welche taktische und Spielintelligenz eine Mannschaft entwickeln kann, wenn sie eine Aufgabe zu lösen hat.

Sie sehen sich aber nicht als ­Spielerberater oder -vermittler? Nein, gar nicht. Davon bin ich weit, weit entfernt. Ich habe nichts gegen Berater grundsätzlich. Spieler in der heutigen Zeit tun gut daran, seriöse Berater zu haben, gerade auch bei den medialen und wirtschaftlichen Interessen. Aber damit habe ich schon als Manager zu meiner Bielefelder Zeit meine Erfahrungen gemacht.

Als Weltreisender in Sachen Fußball ­waren Sie bis Anfang Dezember Trainer beim polnischen Erstligisten Lechia Danzig. Warum haben Sie das Engagement nach nur drei Monaten beendet? Das war eine Geschichte, bei der ich gemerkt habe: Wir kommen nicht richtig weiter. Mein Anspruch war und ist immer sehr hoch an die Spieler, egal wo man arbeitet und egal in welcher Liga. Da erwarte ich schon, dass Spieler nicht nur den Ball hochgeworfen bekommen wollen, sondern auch taktisch-strategische Dinge im Training aufnehmen, die am Wochenende gefragt sind, um Spiele zu gewinnen. Danzig ist auch eine besondere Konstellation: Der Klub gehört mehrheitlich einem Unternehmen. Damals war die Situation für Danzig relativ kritisch, da habe ich gesagt,

Was geben Sie denn als ­Berufsbezeichnung an? Lizenzierter Fußballtrainer. Und wo ist Ihr Lebensmittelpunkt? Der ist Hamburg – schon immer gewesen. Es sei denn, ich arbeite im Ausland. So wie auf Zypern, als ich dort Trainer war.

„Mein Interesse am Markt von Toptalenten ist supergroß.“ Dann lebe ich da, wo ich arbeite. Das habe ich immer so gemacht. Aber im Prinzip lebe ich immer in Hamburg, fühle mich als hundertprozentiger Hamburger und liebe es, hier zu sein – wenn ich nicht gerade weg bin. Wie oft kommen Sie noch ins Volksparkstadion, um die Spiele des HSV live zu verfolgen? Wenn ich kann, bin ich gern da, aber momentan bin ich einfach zu viel unterwegs. Ich mache beides gern: Durch die Weltgeschichte reisen, viele Projekte prüfen,

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ich schaue mal alles an und nach einem halben Jahr gibt es einen Überblick über den Status quo. Wenn dann die Ergebnisse nicht stimmen, ist es auch völlig egal, ob du in den Statistiken in der Liga bei allen Parametern auf Platz vier stehen müsstest. Und dann hatten wir das Gefühl, die Mannschaft braucht einen anderen Input. Das ist alles völlig harmonisch abgelaufen, im Sinne des Erfolges des Klubs, aber auch schon wieder Schnee von gestern. Im Gegensatz zum HSV. Dort waren Sie von Juli 2014 bis Ende Februar 2015

stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der HSV Fußball AG. Warum sind Sie nach knapp acht Monaten von Ihrem Amt zurückgetreten? Das war absolut planmäßig. Als die Geschichte damals entstand, waren wir vier Leute, die die Ausgliederung unterstützt haben: Ditmar Jakobs, Holger Hieronymus, Horst Hrubesch und ich. Beim Aufsichtsrat wussten wir alle nicht so genau, wie dieser in letzter Konsequenz besetzt wird. Und als man mich fragte, habe ich spontan zugesagt, allerdings vor dem Hintergrund, wieder auszutreten, wenn der Präsident des e. V. dort einen Sitz übernehmen wird. Es hat trotz der angespannten Situation Spaß gemacht, weil die Mitglieder des Aufsichtsrats einfach tolle und geradlinige Typen und Menschen sind. Und es spricht für die Klasse des Aufsichtsrates, dass ganz wenige Infos aus dem Aufsichtsrat an die Öffentlichkeit gelangen. Aber? Kein Aber. Wir wollten abseits des Tages­ geschäfts einfach ein Vehikel schaffen, das dem HSV ermöglicht, Finanzierungen nur für junge Talente zu bieten. Also eigentlich zukunftsbezogen Optionen zu schaffen, die bei hoher Qualität des Scoutings ein Preis-Wertentwicklungs-Potenzial von jungen Talenten bringen. Dann muss man nicht immer wieder viel Geld ausgeben, wenn man zeitlich zu spät dran ist wie in den letzten Jahren aufgrund der Relegationen, sondern greift auf im eigenen Klub ausgebildete Talente zurück, erwirbt Glaubwürdigkeit und bekommt immer wieder eine gewisse Frische in die Mannschaft. Ich nenne das Cross-Scouting, also Spieler oder Talente zu verpflichten, die niemand wirklich auf dem Zettel hat. Wir müssen mal versuchen, ein Modell zu finden, mit dem man auch junge Spieler, Toptalente bekommen kann, die nicht aus dem normalen Etat finanziert werden. Es wäre für mich aber nicht möglich gewesen, gleichzeitig im Aufsichtsrat zu sein und eine solche Geschichte zu installieren. Das ist die einfache Erklärung. Welche andere Funktion könnten Sie sich beim HSV vorstellen? Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich setze mich grundsätzlich immer mit dem Thema HSV auseinander. Auch weil Didi (HSV-Vorstandsvorsitzender Dietmar


Thomas von Heesen

Beiersdorfer; Anm. d. Red.) mir am Herzen liegt und ich ihm total wünsche, dass er erreicht, was er für sich als Ziel definiert hat. Er kniet sich hundertprozentig rein und dreht an allen Schrauben, um den Verein wieder dorthin zu bringen, wo die Supporters und alle Fans des HSV unseren Klub sehen wollen. Was ist aus der Idee mit den Toptalenten geworden? Wir hatten angefangen, an dieser Idee zu arbeiten, dann ist sie aber auf Eis gelegt worden, weil ich erst einmal nach Polen gegangen bin. Gerade hakt es ein bisschen, weil die zeitlichen Umstände zuletzt nicht passten. Der HSV hat im Tagesgeschäft zurzeit tausend andere Themen zu bearbeiten, auf der anderen Seite bin ich viel unterwegs und habe wenig Zeit, mich da richtig reinzuknien und zu sagen: So, jetzt habe ich mal drei, vier Wochen Zeit, dieses Thema mit den verantwortlichen Personen beim HSV anzugehen. Wobei ich dieses Thema als hoch spannend und wichtig ansehe. Welche konkreten Berührungspunkte zum HSV haben Sie noch?

Ich tausche mich mit Didi partiell aus. Wenn wir Zeit haben, versuchen wir auch mal, einen Kaffee trinken zu gehen, um einfach über tausend Dinge zu sprechen. Wir sind super befreundet, haben lange zusammen gespielt, wir schätzen einander sehr. Wenn man so ewig in diesem ­Konstrukt HSV arbeitet, braucht man vielleicht auch mal eine unabhängige und objektive Sichtweise von außen. Die kann auch mal völlig der internen Sichtweise und Wahrnehmung widersprechen. Ich glaube, dass Didi eine wahnsinnig große Aufgabe vor sich hat, um diesen Verein wieder aufzustellen, und auch schon einiges bearbeitet hat. Das kostet ihn wahrscheinlich eine Menge Power. Ich kann das auch nachempfinden: Er trägt zusammen mit den anderen Vorstandsmitgliedern eine immense Verantwortung. Was raten Sie ihm für diese Mammutaufgabe? Ich kann ihm nur raten: Sei immer ­Jäger und gehe nie in die Opferrolle, oder komm jetzt spätestens wieder aus dieser raus. So wie damals, als er Rafael van der Vaart und die anderen Jungs geholt hat. Da war er Jäger! Dazu braucht man natürlich

Ressourcen und finanzielle Möglichkeiten. Wenn die es nicht erlauben, reduzierst du dich selbst auf ein gewisses Niveau und musst mit der Normalität leben, das heißt, Spieler verpflichten, die vielleicht nicht den Unterschied machen, sondern als Komplementärspieler zu sehen sind. Dann gehst du Kompromisse ein, doch ein Kompromiss ist niemals zu einhundert Prozent die eigene Überzeugung, geschweige denn Entscheidung. Ich glaube, das widerspricht seiner Zielsetzung und auch grundsätzlich seiner inneren Haltung: Er will an die Spitze. Die Zielsetzung lautet, den Klub zurück in den europäischen Wettbewerb zu führen. So wie schon 2014 mit der Initiative HSV Plus, zu der auch Sie zählten. Inwiefern haben sich die Erwartungen durch die Ausgliederung der Profi-Fußball­ abteilung aus dem Gesamtverein erfüllt? Das ist ein langer, schwieriger Weg, der immer mit dem sportlichen Erfolg einhergeht. Und sportlicher Erfolg will ja immer kurzfristig erreicht werden. Das heißt: Je kurzfristiger du sportlichen Erfolg hast, desto leichter lassen sich Situationen wie finanzielle Engpässe lösen. Dann bist du

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SPIELFELD

auch viel handlungsfähiger, als wenn du – wie in den letzten zwei Jahren – in der Relegation antrittst. Das ist ja Wahnsinn. Jeder wünscht sich, dass man möglichst weit weg von den Abstiegsrängen ist, um einfach mal in Ruhe die Saison zu Ende spielen und auch mal rechtzeitig für die nächste Saison planen zu können. Das war in den letzten zwei Jahren nicht gegeben, was wiederum dazu führt, dass unsere Zielsetzung nach der Ausgliederung, nämlich relativ schnell in die stabile Phase zu kommen, nicht erreicht worden ist. Aber jetzt scheint der erste wichtige, stabile Abschnitt erreicht zu sein.

irgendwann mal den nächsten Schritt machen, in der Entwicklung der Mannschaft und auch, um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Ich bringe es mal auf den Punkt: Wenn du Spieler zwischen einer und zweieinhalb Millionen Euro holst, ist das ein Komplementärspieler; holst du einen zwischen drei und fünf Millionen, sollte es ein guter Spieler sein, der das Niveau des Teams durch individuelle Stärken hebt; Spieler ab sechs Millionen Euro aufwärts müssen schon den Unterschied machen. Das ist die Range, die du nach deinen finanziellen Möglichkeiten aufmachen kannst. Das ist eine Frage des Risikomanagements.

Wo liegt das Problem bei der Gewinnung von Spielern? Wenn ein Spieler nicht weiß, ob er erste oder zweite Liga spielt, ist es natürlich unheimlich schwierig, diese Topqualität zu bekommen, die man braucht, um den Unterschied zu machen zwischen Platz 14 oder 15 und Platz acht. Normalerweise kannst du bei einer stabilen Ligaposition im Dezember schon drei bis vier wichtige Transfers für die nächste Saison anpacken, damit man im Sommer eventuelle Entwicklungen wie Verletzungen oder Abgänge noch korrigieren kann. Und dass man nicht in die Situation kommt, am Ende der Transferperiode noch vier oder fünf Spieler verpflichten zu müssen, denn das wird in der Regel sehr und überzogen teuer.

Was spricht für ein junges Talent zurzeit dafür, zum HSV zu gehen? Alles. Vor allem die Möglichkeit, relativ schnell zu spielen, weil der Klub in der Zukunft auf junge Spieler setzen muss. Die Mannschaft ist nicht so besetzt, dass jeder Spieler Champions-League-Ansprüche an-

Wie schwer wiegt dabei der Ballast von neunzig Millionen Euro Schulden? Ich weiß nicht, ob das Schulden sind. Da muss man differenzieren zwischen kurz‑, lang- und mittelfristigen Verbindlichkeiten, siehe zum Beispiel beim Stadion. Ich glaube, mit Frank Wettstein hat man einen CFO, der in der Sache absolut top ist und genau weiß, wie sich der Verein in Zukunft finanziell aufstellen muss und was man darf oder lieber nicht machen sollte. Das führt dazu, dass der Handlungsspielraum für Transfers nicht groß ist. Es sei denn du hast Möglichkeiten, Spieler teuer zu verkaufen, um zu reinvestieren wie im Fall Jonathan Tah, wobei ich heute immer noch der Meinung bin, dass man ihn hätte halten müssen. Was spielt noch eine Rolle? Die Frage ist auch, was der Trainer für Vorstellungen hat. Ich denke, Bruno will auch

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Sie selbst kamen 1980 mit 18 Jahren zum HSV. Was hat Sie damals nach Hamburg gelockt? Das war eher zufällig. Bei mir war es so, dass Branko Zebec in Paderborn einen anderen Spieler scouten wollte, dann aber gesagt hat: Ich will den nicht, ich will den Kleinen. (lacht) Wer war der andere? Der hieß Wolfgang Pache und war ein großer Mittelstürmer. Ich war gerade 17, habe in der ersten Mannschaft von Paderborn gespielt. Manchmal habe ich morgens A‑Jugend gespielt, nachmittags saß ich bei der ersten Mannschaft auf der Bank. Als Zebec da war, habe ich aber gespielt und auch ein Tor gemacht, dann kam der Anruf von Günter Netzer: „Der Trainer möchte den Thomas verpflichten.“ „Aber der wollte doch …“ „Nee, nee, der will den Kleinen!“ So ging das.

„Die Mannschaft hat sich entwickelt und ist stabil geworden.“ melden könnte. Jeder Spieler hat die Chance, wenn er jung und dynamisch ist und sich nicht verrückt machen lässt. So wie jetzt Bakery Jatta, der mittrainiert hat, der losgelöst von allem einfach Fußball mit Freude und Willen spielt. Nach dem Motto: Ob ich jetzt bei Barcelona oder beim HSV bin, ich gebe hier Vollgas. Wenn man solche Spielertypen kriegt, die nicht kopfgesteuert sind, sondern einfach nur Spaß am Fußballspielen haben, die auch unterstützt und vom Trainer gepusht werden, dann kann man auch die Fans begeistern. Nur: Diese Jungs müssen die Chance bekommen, zu spielen, und dürfen auch Fehler machen, wie Gideon Jung zum Beispiel, der ein Riesenpotenzial hat. Man muss nur die richtige Situation abpassen, um das wagen zu können. Ich kann keinen jungen Spieler im Abstiegskampf verbrennen, der jede Woche denkt: Wenn wir verlieren, sind wir Letzter. Damit tue ich einem jungen Spieler keinen Gefallen.

Und dann in Hamburg? Nach kurzer Diskussion bin ich dann nach Hamburg gezogen, musste noch mein Abi machen. Unter Branko Zebec habe ich zunächst auf der Bank gesessen, wobei wir ja nur 16 Spieler im Kader waren. Das war die Erziehungsphase für mich. Horst Hrubesch, Felix Magath, Manni Kaltz, Ditmar Jakobs – das waren meine Vorbilder. So bin ich da hineingewachsen. Später kam Ernst Happel, dann ging es relativ zügig. Der hat mich reingeschmissen und immer gesagt: „Spiel einfach Fußball.“ Und die Großen haben mich geführt. Da hast du das getan, was sie gesagt haben. Das war eine Frage der Hierarchie. Gibt es heute noch eine Hierarchie in der HSV-Mannschaft, die so stark ausgeprägt ist wie damals? Ich glaube nicht. Die Hierarchie ist nach meinem Empfinden relativ flach beim HSV. Da hat man einen wie Emir Spahic,


Thomas von Heesen

bei dem hat man das Gefühl, der könnte mal draufhauen und richtig vorweggehen. Dann hat man auch Spieler, die sind relativ lieb und nicht kantig genug. Doch wenn es im Spiel richtig brennt, dann müssen auch drei oder vier Spieler mal sagen: Pass mal auf, bis hierhin und stopp. Haben Sie ein Beispiel parat? Zum Beispiel das 1:1 zu Hause gegen Ingolstadt. Wenn so eine Mannschaft kommt und es in der Halbzeit heißt: Jungs, die hauen uns hier auf die Füße. Dann muss man mal mit vier, fünf Leuten sagen: „Bis hierhin, aber jetzt ist Schluss. Wir nageln volles Rohr dagegen, und hier in unserem eigenen Stadion machen die heute nichts mehr! Bumms.“ Da müssen wir noch abgezockter werden und mehr Präsenz zeigen. Das ist eine Frage der Entwicklung von Führungsqualitäten. Ich bin ja auch mal jung gewesen und bin auch Führungsspieler geworden. Und wenn ich selbst mal Mist gespielt habe, musste ich trotzdem zu anderen sagen: „Jetzt geh mal richtig hin und geh mal drauf da!“ Daraus spricht auch der Trainer Thomas von Heesen. In Horst Hrubeschs Biografie kommt Franz Beckenbauer zu Wort, der ihn oft gefragt habe, warum er nie Trainer beim HSV geworden sei. Hrubeschs Antwort: „Weil ich nie gefragt wurde.“ Sind Sie schon mal gefragt worden? Jein. Aber ich glaube, dass es keinen Sinn macht, sich da reinzuquatschen. Das würde ich auch nie tun. Das ist immer situativ. Verantwortliche treffen ihre Entscheidungen immer mit vollster Überzeugung, wenn sie einen Trainer oder Manager verpflichten. Sie müssen es dann auch verantworten. Zu der Zeit, in der es ein bisschen eng wurde, da habe ich auch an Horst gedacht. Das ist ja noch gar nicht so lange her. In dieser Phase mit Zinnbauer und Co., da gab es situativ einige Diskussionen.

Zur Person:

Und Bruno Labbadia? Bruno war ein Topstürmer damals, hat über dreißig Tore gemacht. Jetzt, in der heutigen Zeit des HSV, spielt Bruno eine ganz wichtige Rolle. Er macht das super. Er lässt sich von außen nicht beeindrucken und geht seinen Weg. Die Mannschaft hat sich echt entwickelt, ist stabil geworden, hat eine gewisse Frische und Aggressivität, auch wenn es immer mal wieder kleinere Rückschläge gibt, aber das ist n ­ ormal. Insgesamt hat man den Eindruck, das passt und die Mannschaft kann immer etwas bewirken im Spiel. Genau das ist der nächste Schritt. Die Frage ist: Wenn Bruno den nächsten Schritt machen will, ob ihm das reicht mit diesen Mitteln und der Qualität der Spieler, um auch persönlich einen Schritt weiterzukommen.

Bundesligaspiele für

Reizt es Sie selbst, noch mal einen Trainer­job zu übernehmen? Es gibt immer mal wieder Anfragen, auch aus dem Ausland. Aber zu exotisch muss es auch nicht sein: China zum Beispiel würde ich nicht machen. Es ist immer problematisch, wenn du die Sprache nicht kannst. Im Moment bin ich so glücklich, wie ich jetzt lebe. Ich bin ja auch keine 35 mehr. Für mich steht auch die Familie im Vordergrund, ich habe zwei Töchter, die eine ist nahe dreißig und die andere wird zwölf, übrigens eine totale HSV-Anhängerin. Da gibt es wichtigere Ansätze, als wenn ich sagen würde, ich gehe jetzt als Trainer nach China. |

Thomas von Heesen kam 1980 ablösefrei vom 1. FC Paderborn zum HSV, wo er zur Ikone wurde. Nach Manfred Kaltz (581) hat er die meisten den HSV absolviert (368), nach Uwe Seeler (137 Treffer) die meisten Tore erzielt (99). 1982 und 1983 wurde der offensive Mittelfeldspieler mit dem HSV deutscher Meis­ter, 1983 Europa­pokalsieger der Landes­meister, 1987 DFB-Pokal­sieger. Nach 14 Jahren wechselte der Leistungsträger, Publikumsliebling und HSV-Kapitän noch einmal in seine ostwestfälische Hei­mat zu Arminia Biele­feld. Dort beendete von Heesen 1997 sei­ ne Spielerkarriere. Als Trainer oder Sportdirektor arbeitete der heute 54-­Jährige unter anderem bei Arminia Bielefeld, Hannover 96, dem 1. FC Nürnberg, dem Kapfenberger SV und Apollon Limassol.

Foto: Witters

Bruno Labbadia ist unter Ihnen als ­Trainer von Arminia Bielefeld in die ­erste Liga aufgestiegen, damals als Zweitliga-Torschützenkönig. Wie war das seinerzeit? Wir waren Vorletzter, alle im Stadium des Deliriums, dann gab es nur eine Chance: mit Vollgas in jedes Spiel, dann haben wir alles weggebombt. Wir hatten eine Mannschaft, da war außer dem Torwart keiner

über 1,80 Meter. Ansonsten waren alle zwischen 1,70 Meter und 1,78 Meter – und die haben spielerisch alle auseinander­ gespielt. Ich weiß noch, wir haben damals das alte Ajax-System 3-4-3 gespielt. Das war unglaublich.

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SPIELFELD Grafik: Kirsten Semmler

Unsere Heimat Zehntausende Fans pilgern Monat für Monat zu den Heimspielen im Volkspark. Aber wie viele finden maximal einen Platz? Mit welcher Lautstärke werden sie im Innenraum beschallt? Und wie groß ist eigentlich so ein Fußballfeld? Unsere Grafik verrät es.

Kapazität

10.000 Stehplätze

5500 Gästeplätze

47.000 Sitzplätze

5000 Businessplätze

50 Logen

75 Roll­stuhl­plätze


Dach

17 km Stahlseile; Gewicht

80 Membranfelder auf ca. 35.000 m²

Volkspark

Technik 2 Anzeigetafeln mit je 63 m²

Soundanlage 150 dB

Lauter als ein startendes Flugzeug

Flutlichtanlage 1500 Lux

Straßenbeleuchtung hat 10 Lux

Spielfeld

99,97 % Naturrasen

Tribüne

68 m

105 m

Neigungswinkel

max. 70 m Entfernung zum Spielfeld

0,03 % Fiberfasen

min. 8 m


SPIELFELD

Interview: Mathis Paus

Die dunkle Seite des Spiels Nie war der Fußball größer und nie war das Image der weltweit populärsten Sportart schlechter. Thomas Kistner, Sportjournalist und Autor der Bücher „Fifa-Mafia“ und „Schuss: Die Geheime Doping-Geschichte des Fußballs“, erklärt, warum Korruption im Profisport normal ist und er trotz aller Abgründe ein Fußballspiel vor dem Fernseher genießen kann.

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FuĂ&#x;ballsumpf

Foto: ProMotion - Adobe Stock

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SPIELFELD

Foto: Droemer Knaur / Markus Röleke

Doping und Korruption sind die Schwerpunkt-Themen von Sportjournalist Thomas Kistner.

Korruption, Geldwäsche, Spielmanipulationen, Doping: Hat der Fußball endgültig seine Glaubwürdig verloren, Herr Kistner? Jeder, der nicht nur aus der besinnungslosen Fansicht auf den Fußball schaut, nimmt auch die Skandale abseits des Spielfeldes wahr. Der Sport hat seine Glaubwürdigkeit verloren, als er zur Milliarden­ industrie wurde. Denn im Kern geht es nicht mehr um das reine Spiel, sondern ganz einfach um Geld. Je höher man im Fußball kommt, umso geschäftiger wird es. Der Otto Normalzuschauer redet sich dieses Gebaren schön – das geht mir ja selbst auch so. Wenn ich ein spannendes Spiel vor dem Fernseher schaue, dann interessiere ich mich nicht für die Schattenseiten. Ich habe gelernt, einen Trennstrich zwischen dem Fußball und dem Geschäft mit dem Fußball zu ziehen. Wer aber über den Tellerrand hinausblickt, der muss zu dem Schluss kommen, dass es nicht immer mit rechten Dingen zugeht. Dabei predigt der Fußball Werte wie Freiheit, Gleichheit und Fairness. Wie konnte es dennoch so weit kommen? Die Probleme im Fußball sind ­h istorisch gewachsen. Die Strukturen eines

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auto­nomen Verbandes außerhalb staatlicher Normen waren der Gründerzeit angemessen. Für den Amateursport mag das auch heute noch seine Gültigkeit haben, aber es passt schon lange nicht mehr zum Profisport. Denn dieser ist mittlerweile eine Unterhaltungsindustrie, die kon­trolliert werden muss. Absurderweise darf der Sport weiter seine eigenen Kontrollsysteme etablieren. Willkür und einer

lächerlich. Es gibt de facto keine unabhängige Kontrollinstanz im Sport, und so tradiert sich eine Systematik des Betrugs zwangsläufig. Für Funktionäre – ohne dass ich diese in Schutz nehmen möchte – ist es eine knallharte Charakterprobe. Überall stehen die Geldtöpfe herum und die Frage ist nur, ob ich hineingreife oder nicht. Wir kommen im Sport immer wieder zu der Frage: Wie anständig sind die Akteure?

„Im Kern geht es nicht mehr um das reine Spiel, sondern um Geld.“ strukturellen Vetternwirtschaft sind damit natürlich Tür und Tor geöffnet. Das ist dann so, als würden wir das Finanzamt abschaffen und jeder würde von einem Familien­m itglied die Steuer gemacht bekommen. Dann habe ich Einnahmen von 100 Euro im vergangenen Jahr. Davon führe ich 40 Euro an das Finanzamt ab und alles ist gut. Das ist natürlich vollkommen

Eine echte Kontrollfunktion gibt es nicht, und dieser Umstand lädt zur Korruption und zur Vetternwirtschaft ein. Und das zieht sich durch. Bekommt der Fußball zu viel Rücken­ deckung vonseiten der Politik? Absolut, die Politik ist dafür verantwortlich zu machen, dass der Sport diese


Fußballsumpf

Autonomie über Jahrzehnte hat behalten und vorantreiben können. Die Selbstbestimmtheit des Sports ist, wie bereits angedeutet, eine sinnvolle Geschichte. Wenn wir aber über Spitzensport reden, reden wir nicht über Sport, sondern über eine Industrie, die nur zufällig mit Sport zu tun hat. Und diese Industrie gehört so knallhart kontrolliert wie jedes andere Gewerbe. Die personellen Verflechtungen von Politik und Sport sind enorm, und das bringt eine regelrechte politische Schutzschicht für den Sport. Denken Sie nur an die Bilder von Politikern in der Kabine der Nationalmannschaft. Solange beide Seiten voneinander profitieren, sind Veränderungen nur mühselig zu erreichen. Sehen Sie in naher Zukunft Chancen auf Besserung? Schwierig, sehr schwierig. Was es braucht, ist die Erkenntnis, dass ein Weitermachen wie bisher den Fans und den Zuschauern nicht mehr vermittelbar ist. Der Fußball muss aufpassen, dass er sich nicht weiter entfremdet: Spielergehälter in zweifacher Millionenhöhe, exorbitante Ablösesummen und Fernsehgelder, die Milliarden in das System pumpen – da kommen die meisten nicht mehr mit. Es gilt, zur Besinnung zu kommen und sich nicht länger von der nackten Gier leiten zu lassen. Solange Fans aber diesen Irrsinn mitmachen, kann man es denjenigen nicht verübeln, die vom System profitieren. Die Fans haben offenbar kein Problem mit der Glaubwürdigkeit des Fußballs, denn die Stadien sind voll. Ist der Fan naiv oder will er von den Missständen nichts wissen? Ich glaube, den Fan an sich gibt es nicht. Man muss unterscheiden. Es gibt den Fußballinteressierten, der allein schon aus gesellschaftlichem Zwang nicht umhin­kommt, sich mit dem Sport zu beschäftigen. Dann gibt es den Event-­ Zuschauer, der Fußball als große Party erlebt, und zu guter Letzt den echten Fan, der auf Gedeih und Verderb mit dem Schicksal seines Vereins verbunden ist sowie im Rhythmus mit dem Spielkalender lebt und viel Geld in Tickets und Auswärtsfahrten investiert. Das ist die gesamte Bandbreite und es ist deutlich zu erkennen, wo die Trennlinien gezogen werden. Je nach Affärendichte im Fußball werden sich

Erstgenannte abwenden. Bevor sich die echten Fans abwenden, wollen sie Beweise haben. Da zählt nicht die Logik, sondern nur ein konkreter Fall. Erst dann gerät etwas in Schieflage. Welche Rolle spielen die Medien in diesem Geflecht aus Macht und Korruption, und warum lesen wir so wenig davon in den Zeitungen? Die Medien im Sport sind nicht zu vergleichen mit Medien in anderen Bereichen wie beispielweise in der Politik oder in der Wirtschaft. Der Sportjournalismus nimmt eine Sonderrolle ein, und in der Summe leider eine schlechte. Es fehlt der Wille zur Kontrollinstanz. Vor zwanzig, dreißig Jahren hat es vollkommen ausgereicht, wenn Fußballreporter die Abseitsregel erklären konnten und ein wenig Ahnung von Spielsystemen hatten. Das ist heute einfaches Basiswissen in dem Beruf, das setze ich voraus. Heutzutage ist der Fußball weit mehr als eine nette Freizeitbeschäftigung. Der Sport ist zu einem Gesellschafts­ phänomen geworden, dessen Auswirkungen in Politik, Wirtschaft und Medizin zu spüren sind. Diese Komplexität gilt es in der Berichterstattung widerzuspiegeln. Ich muss das nicht alles studiert haben, aber ich muss den Willen haben mich in die Themenbereiche einzuarbeiten. Es gibt leider Defizite in Ausbildung und Bildung, sodass kritischer Journalismus nur selten zu finden ist. Während der Sport im Laufe der Jahre immer professioneller geworden ist, hat sich die Sportberichterstattung kaum weiterentwickelt. Viele Sportjournalisten sind Fans geblieben, die es über die Absperrung geschafft haben und nun selbst ein Teil des Showbetriebs sind. Das ist sexy, das ist geil. Der Sport ist eine große Familie. Da gehört man dazu oder nicht. Und wenn man dazugehört, dann ist Blut dicker als Wasser. Durch meine sportjournalistische Karriere begleitet mich ein Satz: Niemand sägt an dem Ast, auf dem er selbst sitzt. Dass bei dieser Denke eine kritische Berichterstattung auf der Strecke bleibt, versteht sich von selbst. Können Sie trotz Ihrer Arbeit noch entspannt ein Fußballspiel anschauen? Problemlos. Fußball war immer Teil meines Privatlebens. Seit der D‑Jugend habe ich in sechs Vereinen gespielt, und auch heute noch spiele ich in meiner Freizeit

Fußball. Ich trainiere sogar eine Jugendmannschaft. Diese Perspektive ermöglicht mir einen gelassenen Blick auf ein Fußallspiel. Da kann ich berufliches und privates gut trennen. Es gibt für mich also keinen Grund, befangen an ein Spiel vor dem Fernseher heranzugehen. Dann würde mir der Sport auch keinen Spaß mehr machen. Aber es gibt Spiele, bei denen man sehr genau hinschaut, weil die Parameter im Umfeld – besondere Paarung, Schiedsrichteransetzung – darauf hinweisen, dass hier etwas passieren könnte. Da denke ich schon: Was ist da los? |

Info: Thomas Kistner, geboren 1958, ist Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“. Er wurde unter anderem mit dem Theodor-WolffPreis ausgezeichnet, war 2006 „Sportjournalist des Jahres“ und ist international einer der renommiertesten investigativen Journalisten im Bereich Sportpolitik und organisierte Kriminalität im Sport. Schwerpunkte in Kistners Arbeit sind die Themen Doping und Korruption im Fußball.

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SPIELFELD

Heimat beim Berg

BU

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FC Hamburger Berg

Text: Alexander Nortrup · Fotos: Roman Pawlowski

2014 haben Kiez-Türsteher in Hamburg zum Spaß einen Fußballverein gegründet. Inzwischen trainieren dort fast 300 Flüchtlinge, einer ihrer Trainer hat einst bei Ernst Happel gelernt. In dem Verein finden die Flüchtlinge aber mehr als nur eine sportliche Heimat. 51


SPIELFELD

Wer kann was? Casting f端r die zweite Mannschaft.

Voller Engagement bei der Sache: Trainer Hery Cortez.


FC Hamburger Berg

D

er Mann im Trainingsanzug wird langsam ungeduldig. Mit einer Plastiktüte in der Hand steht er mitten auf dem Aschenplatz an der Altonaer Memellandallee, gestikuliert wild und zischt energische Kommandos in einer Sprache, die wie selbst erfunden klingt. Gleich hinter einem Tor rauschen Autos auf der vierspurigen Kieler ­Straße vorbei, doch Hery Cortez hat nur Augen für das Geschehen auf dem Spielfeld. Und er schimpft wie ein Rohrspatz, weil er sich nicht so ausdrücken kann, wie er es gern täte: „Ich spreche Spanisch, Französisch, Italienisch und Deutsch“, flucht der 69-Jährige in Richtung seines neben ihm stehenden Neffen, der die Pfeife im Mund hat, auf einem Ball herumtritt und mit einem Auge das Trainingsspiel beobachtet. „Nur Englisch kann ich absolut nicht.“ Genau das bräuchte der Bolivianer aber. Denn seine im grauen Abendhimmel von Flutlicht erleuchteten Spieler haben so unterschiedliche Muttersprachen, von Arabisch bis Hausa, von Suaheli bis Farsi, dass nur Englisch, so mangelhaft es alle Beteiligten auch beherrschen, sie irgendwie zusammenführt. Hoffentlich. Arne, ein langer Kerl mit modischer Sportbrille und 22 Jahren Vereinsfußball-Erfahrung, hat heute Abend längst aufgegeben: „Ich schreie einfach ab und zu laut und hoffe, dass mich jemand versteht und den Ball weitergibt“, grinst er gütig. „Es sind einfach viele neue Spieler dabei, das muss sich alles erst noch finden.“ Coach Cortez hat indes Schwerstarbeit zu leisten: In Hamburgs Flüchtlingscamps hat sich inzwischen herumgesprochen, dass man in seinem Klub, dem FC Hamburger Berg, auf gutem Niveau Fußball trainieren und bei entsprechender Leistung auch Punktspiele absolvieren kann. Heute Abend ist Casting: Viele Spieler sind gekommen, die gern Teil der zweiten Mannschaft sein wollen. Doch ihr Spiel bringt den kräftigen Südamerikaner an den Rand der Verzweiflung: „Die meisten von denen

haben durchaus Potenzial“, sagt der Trainer. „Aber im Augenblick laufen sie wie ein Hühnerhaufen herum.“ Dass seine Spieler ganz grundlegender Einweisungen bedürfen, schreckt den Bolivianer nicht – im Gegenteil. Er hat in seiner sportlichen Biografie schon an vielen Orten vielen Kickern das Konzept der Viererkette erklärt: Cortez erwarb Trainerlizenzen in Bolivien und Frankreich, hospitierte in den Achtzigerjahren mehr als neun Monate bei Trainerlegende Ernst Happel, erlebte in einem anderen Praktikum Bernd Schuster als Barça-Spieler. Zwei Gemeinsamkeiten: Sie sind Flüchtlinge und mögen Fußball Vor dreißig Jahren kam der hauptberufliche Musiker nach Deutschland. Er hatte gerade einen Plattenvertrag mit seiner Anden-Folklore-Combo unterschrieben, bei der er Gitarrist, Sänger und Flötist ist, und blieb schließlich bei einer Europatournee in Hamburg hängen. Der Platz an der Seitenlinie blieb seine zweite, wenn auch meist gering entlohnte Leidenschaft, und so führte Cortez Kreisklasseklubs sensationell in die Landesliga. Nun steht der Weitgereiste auf ebenjenem Aschenplatz in Altona und kommandiert knapp 25 Spieler, die nur zwei Dinge miteinander gemeinsam haben: Sie sind als Flüchtlinge in Hamburg gestrandet. Und sie wollen unbedingt Fußball spielen. Fußball, Deutschland, Hamburg – der Klang dieser Worte lässt Daniel immer noch ungläubig staunen. Der Linksverteidiger mit Rastafari-Locken und eisenharter Wadenmuskulatur war 18 Jahre alt, als er aus seinem Heimatland, dem westafrikanischen Ghana, nach Libyen zog. In dem politisch turbulenten, aber wirtschaftlich dank des Öls boomenden Land gab es Arbeit und Geld, ganz im Gegenteil zu seinem Heimatdorf nahe Ghanas Hauptstadt Accra. Doch 2011 kamen der Bürgerkrieg und die Milizen, täglich hörten die Arbeitsmigranten in ihrem Lager Maschinengewehrsalven. Die Angst wuchs, die Hoffnung auf den Absprung nach Europa auch. Eines Tages folgte ­Daniel schließlich einer Gruppe zum Hafen von Tripolis und sprang in eines der voll besetzten Schlauchboote. „Die See war auf unserer Überfahrt sehr ruhig,

„Die See war ruhig – wir hatten großes Glück.“

Daniel: „Du kannst nicht nur Fußball spielen. Du brauchst einen Job, um dich als Mensch zu fühlen.“

es war genügend Benzin da – wir hatten großes Glück“, sagt der 28-Jährige heute. Die geglückte Flucht endete auf Lampedusa, es folgten sechs Monate in Italien, drei Jahre in Griechenland, zwei Monate Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich, schließlich endete die Odyssee über Frankfurt am Main in Hamburg. Bald bekommt er seine Aufenthaltserlaubnis und freut sich, dann endlich arbeiten zu dürfen: „Du kannst nicht nur essen, schlafen, spazieren gehen, Fußball spielen. Du brauchst einen Job, um dich ganz als Mensch zu fühlen.“ Alles begann mit einem Klub von Hobbykickern Der Höllentrip mit glücklichem Ausgang lässt Daniel nachts immer noch regelmäßig schweißgebadet wach werden. Doch seit knapp zwei Jahren gibt es noch etwas, das ihn in seinen Träumen begleitet: seine Fußballkarriere. Denn Daniel spielt beim FC Hamburger Berg, diesem ganz und gar nicht gewöhnlichen Klub. Erst 2014 haben ihn ein paar Freunde gegründet, die rund um die Kneipen­meile an der Straße Hamburger Berg gearbeitet haben, nicht weit von der Reeperbahn entfernt. „Als Gästeselektierer“, sagt Vereinspräsident Ralph Hoffmann, 42, und grinst bubenhaft. Als Türsteher, könnte man auch sagen. Die durchtrainierten Männer gründeten einen Klub, um sich auch jenseits der Arbeit zu sehen und gemeinsam zu kicken. „Als Verein bekommt man

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Trainingszeiten und kann sich mit anderen Sportverrückten messen. Das war unsere Motivation“, sagt Hoffmann. Und so entstand der FC Hamburger Berg im August 2014 aus höchst eigennützigen Gründen. Kaum dass der Klub allerdings gegründet war, flatterte eine Mail herein – mit dem Appell, Migranten beim Training zuzulassen, weil die Nachfrage so riesig sei. Und so öffneten die einstigen Türsteher die Pforten ihres nagelneuen Vereins für viele junge Männer, die auf ihrer Flucht aus Westafrika und Libyen in Hamburg gelandet waren. Bald wurde aus einem Verein, in dem auch Flüchtlinge spielten, ein Flüchtlingsverein. Von anfangs knapp zwanzig Mitgliedern wuchs er auf inzwischen fast 300 an. Mancher afrikanische Spieler beherrscht inzwischen mit feinem französischem Akzent durchsetztes Hochdeutsch und spricht wie selbstverständlich zärtlich von seiner „Mudder“. Andere sprechen erst seit Kurzem ein wenig Deutsch, viele noch gar nicht. Integration verläuft nicht gleichförmig, Coach Cortez kann ein Lied davon singen. Nicht nur alles Friede, Freude, Eierkuchen Die Entwicklung des Vereinsprojekts ist bei allem Schönen nicht nur eine romantische Erfolgsgeschichte: „Eine Handvoll“ Gründungsmitglieder sei gegangen, sagt Hoffmann, weil sie mit dem neuen Kurs nicht einverstanden gewesen seien.

Amir: „Hier sieht man in uns Fußballer, keine Flüchtlinge.“.

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„Fußball verbindet mein altes und neues Leben.“

Größeren Streit habe es nicht gegeben, allerdings habe er auch nicht versucht, sie umzustimmen: „Die dürfen doch denken, was sie wollen.“ Aus anfänglicher Euphorie wurde schnell harte Arbeit: Hoffmann besorgte zu Beginn Essen und Schlafplätze, kam später mit zu Asylanhörungen, organisierte einen Weltrekordversuch im Nonstop-Fußballspielen, um Geld zu sammeln für seine Jungs. Der Organisator, der viele seiner Flüchtlingskicker wie ein väterlicher Freund beim Training begrüßt und für sie Schuhe, Stutzen und Schienbeinschoner organisiert, trainiert nach wie vor regelmäßig mit – wenn er seinen Stammplatz in der zweiten Mannschaft inzwischen auch an einen jungen Verteidiger aus dem Flüchtlingslager verloren hat. Die Hinwendung zu der neuen Zielgruppe war für ihn anfangs überhaupt nicht absehbar: „Ich kannte Flüchtlinge nur aus der ‚Tagesschau‘. Und plötzlich standen die alle vor uns. Wir wollten doch eigentlich nur zum Spaß ein bisschen Fußball spielen.“ Letztlich kann Hoffmann, der Mann mit dem Bürstenhaarschnitt und hauptberuflicher Webdesigner, seine Begeisterung nicht verhehlen: „Die Jungs sind einfach geil. Ich weiß gar nicht, wie man es lassen könnte, denen zu helfen.“ Die Trainierenden strahlen eine unbändige Lust auf Bewegung und Wettkampf aus. Und doch: „Hurra schreien ist genauso grundverkehrt. Man muss genau hinsehen und klare Regeln haben.“ Wer in Hoffmanns Teams etwa rumpöbelt, fliegt raus. Und darf nicht wiederkommen. Punkt.

Von Libyen über Lampedusa und Paris nach Hamburg Daniels Mannschaftskollege Amir ist damit nicht gemeint. Viel zu groß ist seine Leidenschaft für Fußball. Stundenlang läuft er an der Alster und bolzt Kondition. Am Liebsten, sagt Amir, wäre er Fußballprofi, was sonst. Auch der junge Mann aus Niger arbeitete einst in Libyen, auch er floh vor dem Krieg nach Lampedusa, schlief in der U-Bahn in Rom und machte vor Hamburg Station in Paris, Malta, Belgien. Weil er ein Kind mit einer deutschen Frau hat, darf auch Amir vermutlich auf Dauer bleiben. Er schuftet täglich als Küchenhilfe

in einem albanischen Restaurant, gibt dazu Fitnesskurse und will sein Geld künftig nur mit dem Sport verdienen. „Ich habe schon als Zweijähriger Fußball gespielt“, sagt er. „Es ist das, was mein altes und mein neues Leben verbindet.“ Einen festen Halt in der neuen Heimat können Daniel und Amir gut gebrauchen: Amir hat seine Familie seit fünf Jahren nicht gesehen, Daniel sogar seit neun. Ihre zweite Familie, der Berg, spielt zwar bislang nur unterklassig, ein Heimspiel ging kürzlich mit 0:11 verloren, weil der Torwart fehlte. Das Wichtigste aber, die Lust darauf, nach vorn zu schauen, haben die Neubürger bereits gewonnen: „Wir wollen den Berg groß machen“, sagt Amir. „Denn hier sieht man in uns Fußballer, keine ­Flüchtlinge.“ |

Unterstützung: Wer die ehrenamtliche Arbeit vom FC Hamburger Berg unterstützen möchte, kann für 5 Euro im Monat Fördermitglied werden. Infos gibt es im Netz auf der Seite www.fc-hamburger-berg.de unter dem Menüpunkt „Verein“/­ „Refugees welcome“. „Die Flüchtlinge freuen sich auch immer über gebrauchte Fußballschuhe, Sportkleidung und Bälle“, sagt Vereinspräsident Ralph Hoffmann. Auch hierzu ist über die Website eine Kontaktaufnahme möglich.


FC Hamburger Berg

Begeistert von seinen Jungs: Vereinspräsident Ralph Hoffmann (Mitte, stehend).

Auch wenn es noch eine 0:11-Pleite hagelt: Die Flüchtlinge wollen den Berg groß machen.


SPIELFELD

Text und Fotos: Andreas Kloß

30.12.2015, Eishockey, Oberliga Nord, EHC Timmendorfer Strand 06 – HSV 3:4 (1:3, 1:0, 1:1) Einen Wahnsinns-Jahresabschluss boten uns unsere Eishockeyjungs in Timmendorfer Strand. Nicht nur, dass die Abteilung einen Fanbus spendierte, auch das Spiel hatte es in sich. Nach dem zwischenzeitlichen 3:1 für Timmendorfer Strand drehten wir in den letzten sieben Minuten das Spiel und gewannen kurz vor Schluss mit 4:3! Richtig geil!!

Überlebenstraining! Rund 150 HSV-Fans waren über die zehn Tage verteilt präsent. Bei mir im Hotel waren noch rund 15 weitere HSV-Fans. Das erste Testspiel gegen Ajax Amsterdam – Endstand 1:3 (0:1) – fand in der relativ großen Gloria-Arena in Belek statt und lockte einige Hundert Zuschauer, auch von anderen Vereinen. Nervig waren ein paar Rostocker, die dauerhaft pöbelten. Sportlich lief es gegen den niederländischen Tabellenführer mittelprächtig, erst zum Ende es Spiels konnten wir durch Hunt noch auf 1:3 verkürzen. Wenn man schon mal da ist, kann man ja auch ein „richtiges“ Fußball-

das Antalyaspor unter Trainer Samuel Eto’o mit 1:0 (1:0) für sich entschied. Wir passten uns indes an und futterten Sonnenblumenkerne, das ganze Stadion war voll mit den Schalen – nicht nur von uns! An meinem Geburtstag am 12. Januar hatte der HSV sein zweites Testspiel gegen RotWeiß Erfurt angesetzt, das der Drittligist mit 1:2 (0:1) gewann. Nach dem Spiel fand der traditionelle Fanabend im Spielerhotel statt. Rund hundert HSV-Fans sowie der komplette Kader und Betreuerstab hatten sich zu meiner Geburtstagsfeier eingefunden. Didi Beiersdorfer nahm dies dann tatsächlich zum Anlass, mir auf der Bühne ein

Auf Achse mit dem HSV Mehr als fünfzig HSV-Spiele sämtlicher Sportarten hat Andreas Kloß in den letzten drei Monaten besucht. Im Türkei-Trainingslager gab’s für ihn sogar ein Ständchen der Spieler. Ein Auszug aus seinem HSV-Tagebuch. Illustration: Franko Schiermeyer

6.1.–16.1.2016, Wintertrainingslager in Belek (Türkei) Groß war der Jubel, als der HSV verkündete, das Wintertrainingslager in der Türkei abzuhalten – denn preislich waren zehn Tage Urlaub im Fünf-Sterne-Hotel in Belek durchaus in einem vertretbaren Rahmen. Mein Hotel lag zwei Kilometer Luftlinie vom Spielerhotel entfernt: am Strand entlang circa dreißig Minuten Fußweg; wobei ich bei meinem ersten Strandgang bei Hochwasser und hohem Wellengang mehrfach bis zum Knie im Sand und Schlamm versunken bin und länger als eine Stunde unterwegs war. Gefühltes

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spiel gucken: Antalyaspor gegen Tuzla­spor im türkischen Pokal. Zu fünft wagten wir uns in das Verkehrschaos von Antalya. Hier mit dem Auto zu fahren stellte sich als gar nicht so einfach heraus: Wenn sich die Straße beispielsweise von drei Spuren auf eine Fahrbahn verengt, wird trotzdem munter weitergefahren, als gebe es nach wie vor drei Spuren. Da wir auch nicht die richtige Zufahrt zum Stadion fanden, parkten wir an einem Krankenhaus und liefen zwei Kilometer – unter anderem durch das Krankenhaus – zum Universitätsstadion. Rund tausend Zuschauer waren gekommen und sahen ein grauenvolles Gekicke,

paar Fragen zu stellen und den Saal „Happy Birthday“ singen zu lassen. Ein wenig unangenehm war mir das schon, trotzdem natürlich eine sehr nette Geste. Am letzten Tag des Trainingslagers gab es noch ein Testspiel gegen die Young Boys Bern. Nach zuvor zwei Niederlagen waren wir unter Zugzwang. Die Schweizer, immerhin Tabellendritter, machten uns das Leben aber schwer. Trotz einiger guter Möglichkeiten ging es mit 0:1 in die Pause. Richtig turbulent wurde es dann in der Schlussphase: erst der Ausgleich durch Rudnevs (76.), dann vergab Müller frei stehend keine fünf Meter vor der Torlinie (89.).


Tagebuch

Die letzte Ecke verwandelte Bern zum 1:2 (90.)! Sportlich war das Trainingslager nicht wirklich erfolgreich, insgesamt aber trotzdem mal wieder eine verdammt schöne Woche HSV-Urlaub mit vielen Eindrücken, neuen Freunden und viel Spaß! Auf ein Neues! 16.1.2016, Testspiel, HSV (A) – TSV Havelse 1:1 (0:0) Frisch aus dem Flieger ging es direkt weiter zum Testspiel der Amas gegen Havelse. Ich war schon auf dem Weg nach Norderstedt, als ich erfuhr, dass das Spiel auf den neuen Kunstrasen im Volkspark verlegt worden ist. Also raus aus der U-Bahn und kehrt marsch. Im immer dichter werdenden Schneetreiben nur mit Regen­ jacke und zwanzig Grad kälter als die Woche in Belek wahrlich (k)ein Genuss … 24.1.2016, Futsal Final Four, Halbfinale Rückspiel, St. Pauli – HSV 6:3 (3:0) Zwei für mich neue HSV-Sportarten an einem Tag: Los ging es in Wandsbek mit dem Futsal Final Four. Nach dem deutlichen Hinspielsieg (8:4) gegen die ach so anderen wurde es zwischenzeitlich doch recht knapp, aber wir erreichten trotzdem das Finale! 24.1.2016, Badminton, Oberliga, SG FTV/HSV/VfL 93 – SV Veldhausen 07 5:3 Vor dem Finale ging es aber noch zur nächsten Sportart, Badminton! Echt krass, wie schnell und dynamisch dieser Sport ist – ich selbst bin ja nur Federball spielen aus der Kindheit gewohnt. Bei zwei gleichzeitig stattfindenden Spielen ist es zwar nicht immer ganz einfach, dem Spielgeschehen zu folgen, aber mein letzter Besuch war es sicher nicht! 24.1.2016, Futsal Final Four, Finale, Hamburg Panthers – HSV 7:4 (3:2) Zurück ging es dann nach Wandsbek zum Finale! Gegen den hohen Favoriten führten wir recht schnell mit 2:0, mussten dann aber eine Sekunde vor der Pause die Führung der Panthers hinnehmen. Die zweite Halbzeit war überwiegend offen, aber am Ende verloren wir das Finale trotzdem etwas zu deutlich mit 7:4! Trotzdem Glückwunsch, Jungs! Hat Spaß gemacht!

24.1.2016, Eishockey, Oberliga Nord, HSV – Hannover Scorpions 1:2 n. P. (0:1, 0:0, 0:0, 1:0, 0:1) Der Tag war aber noch nicht zu Ende, denn es ging noch mal rüber zum Eis­ hockey in der Hagenbecktraße. Hier war uns nicht nur eine Verlängerung, sondern auch noch ein Penaltyschießen gegönnt, welches wir aber leider verloren. 30.1.2016, VfB Stuttgart – HSV 2:1 (0:0) Die Ansetzung des Spiels am Sonnabend um 18.30 Uhr ermöglichte uns, vorher noch ein weiteres Spiel im Süden zu sehen. Wir entschieden uns für die Partie VfR Aalen gegen die Stuttgarter Kickers. Ohne Probleme erreichten wir dann den Gästeblock beim VfB Stuttgart. Fußballerisch war hier wie so oft mal wieder mehr drin. 31.1.2016, Testspiel, HSV (A) – Heider SV 6:1 (1:1) HSV-Testspieltag heute. Den Beginn machten die Amas gegen den S-H-Ligisten Heider SV. Dieser zeigte sich am Anfang hoch motiviert und hatte mehrere Torchancen zur Führung, am Ende gab es aber einen standesgemäßen Sieg für den kleinen großen HSV. 31.1.2016, Testspiel, HSV III – Nyborg G & IF (DK) 1:2 (0:0) Weiter ging es in Ochsenzoll mit einem internationalen Testspiel der Dritten gegen Nyborg aus Dänemark. Leider konnte keiner genau sagen, in welcher Liga die spielen, vermutlich in der vierten Liga. Am Ende gab es eine nicht unverdiente Niederlage. Hoffentlich wurde an ein Rückspiel gedacht! Europapokal! 31.1.2016, Basketball, Oberliga, BG Hamburg-West II – HSV 76:82 n. V. (27:43) Der Tagesabschluss wurde dann doch spannender als zwischenzeitlich gedacht, denn trotz einer deutlichen Halbzeitführung mussten sich unsere Basketballer am Ende durch zwei (!) Verlängerungen zum Sieg kämpfen! 13.2.2016, Basketball, Oberliga, HSV – Rist Wedel III 80:71 (40:21) Geplant war, unsere Handballer im Abstiegskampf zu unterstützen. Das Spiel fiel aber aus, weil die Sporthalle verschlossen war. Kein Scherz. Also ab ins


SPIELFELD

Auto und rüber zum Basketball, wo das Topspiel Dritter gegen Erster anstand! Unsere Jungs legten los wie die Feuerwehr und lagen früh deutlich vorn. Ein richtig starker Heimerfolg gegen den Tabellenführer! 14.2.2016, HSV – Borussia Mönchengladbach 3:2 (2:1) Im Volkspark erlebten wir mal wieder ein mitreißendes und spannendes Spiel, das wir nach frühem Rückstand noch vor der Pause drehten und am Ende gewannen. Gegen die guten Mannschaften können wir es irgendwie immer besser – warum eigentlich? 20.2.2016, Tischfußball, Freundschaftsspiel, HSV – St. Pauli In Pinneberg stand die Einweihung des neuen HSV-Tischfußball-Leistungszentrums an. Durch TV und Presseinterviews sowie die Zugverspätung einiger HSV-Spieler verzögerte sich das Spiel gegen die ach so anderen leider so lange, dass ich mit dem ersten Ballwechsel los musste zum nächsten HSV-Spiel. 20.2.2016, Basketball, Bundesliga, BG Hamburg (HSV) – Mainhatten Skywheelers (Frankfurt) 79:54 Immer wieder krass, was die „Rollis“ leisten können. Gegen die Mainhatten Skywheelers gab es vor circa achtzig bis hundert Zuschauern einen nie gefährdeten Heimsieg in der neuen Sporthalle im Inselpark Wilhelmsburg.

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21.2.2016, Landesliga Hammonia, SC Alstertal-Langehorn – HSV II 1:2 (0:0) Aufgrund des strömenden Regens wurde das Spiel auf Kunstrasen verlegt. Nach der torlosen ersten Halbzeit ging der HSV mit 2:0 in Führung, sodass ich beruhigt ein paar Minuten früher abhauen konnte – und so den Anschlusstreffer von ­SCALA verpasste … 21.2.2016, Handball, Hamburg Liga, Hamburg Nord II – SG BSV/HSV 28:22 (13:12) Handball stand noch auf meinem Tagesprogramm. Unsere Jungs mussten in Poppenbüttel bei Hamburg Nord II antreten. Die erste Halbzeit war noch ausgeglichen, im zweiten Abschnitt machten wir uns das Leben mit (zu) vielen Zeitstrafen selbst schwer. 21.2.2016, Eishockey, Oberliga, HSV – FASS Berlin 3:4 (2:1, 0:2, 1:1) Von Poppenbüttel ging es dann noch weiter zur Hagenbeckstraße zum Eishockey. Wichtiges Spiel gegen einen der Mitkonkurrenten gegen den Abstieg. Leider boten wir heute kein gutes Spiel und mussten uns am Ende mit 3:4 geschlagen geben. So wird es immer schwerer, die Abstiegsrunde zu vermeiden … 24.2.2016, Alte Herren Kreisklasse, HSV – TuS Hemdingen/Bilden 9:1 (7:1) Einige ehemalige Spieler der Dritten haben vor Saisonbeginn die Alten Herren wieder auferstehen lassen – und da ich nicht Nein sagen kann, besuchte ich die „Jungs“ heute

auch mal. Schön, einige der alten Recken mal wieder spielen zu sehen! 2.3.2016, FC Schalke 04 – HSV 3:2 (1:1) Unter der Woche nach Gelsenkirchen zu fahren ist kein Geschenk, trotzdem ging es frühzeitig mit der Botschaft los – und kurz vor Osnabrück ging dann erst mal nichts mehr: mehrere Unfälle mit Verletzten und Vollsperrung. Rund zehn Krankenwagen, zwei Notärzte und zehn Abschleppwagen fuhren in zweieinhalb Stunden an uns vorbei. Erst um 19.15 Uhr waren wir am Stadion, schlängelten uns durch die Zuschauermassen („Jetzt bitte nicht von der Autokupplung rutschen“) und machten die Botschaft gar nicht erst auf. Das Spiel begann, und irgendwie hatte man das Gefühl, dass wir nach dem 0:1 nach drei Minuten direkt aufgehört haben, mitzuspielen. Mit etwas mehr Mumm wäre hier mehr drin gewesen. 4.3.2016, Eishockey, Oberliga Nord, EHC Timmendorfer Strand 06 – HSV 5:3 (2:2, 2:0, 1:0) Es ging um alles oder nichts, die Mannschaft spendierte einen Fanbus an die Ostsee. Der HSV spielte gut mit, vergaß aber leider das Toreschießen. Nun müssen wir also in der Abstiegsrunde um den Verbleib in der Oberliga kämpfen! 5.3.2016, Regionalliga Nord, HSV (A) – Eintracht Norderstedt 0:1 (0:0) Rund 350 Zuschauer waren bei diesem Nachbarschaftsduell anwesend,


Tagebuch

vermutlich die Hälfte aufseiten der Gäste, triste Veranstaltung an der Hagenbeckstraße. Spielten die Amas in der ersten Halbzeit noch einigermaßen gut mit, gewann Norderstedt das Spiel am Ende verdient. 5.3.2016, Eishockey, Oberliga Nord, Wedemark Scorpions – HSV 5:3 (1:0, 1:2, 3:1) Direkt nach dem Spiel ging es weiter in die Wedemark bei Hannover. Das letzte Spiel vor der Abstiegsrunde. Es ging um nichts mehr, und dementsprechend entspannt waren auch das Spiel und die Atmosphäre auf dem Eis.

6.3.2016, HSV – Hertha BSC 2:0 (0:0) Weiter ging es zum Spiel gegen die „Alte Dame“ aus Berlin. Vor enttäuschend wenigen Zuschauern spielte der HSV wie immer gegen die Mannschaften aus dem oberen Tabellendrittel sehr stark! Im Siegestaumel kam direkt die Hamburger Arroganz hoch und entlud sich in Gesängen wie „Ihr wollt unsere Hauptstadt sein?“ oder „Hamburg ist viel schöner als Berlin!“ – herrlich, einfach herrlich und verdient! 8.3.2016, Darts, zweite Liga, HSV – DVNB 11:1 Nachdem ich das letzte Mal beim Ab-

„Das Spiel fiel aus, weil die Halle verschlossen war. Kein Scherz.“ 6.3.2016, B-Jugend Bundesliga, HSV – FC CZ Jena 0:1 (0:0) Mal wieder ein Jugendspiel vor den Profis, diesmal die U-17-Bundesliga gegen den Tabellenletzten aus Jena. Überschattet von einer schweren Verletzung eines HSVSpielers (der Krankenwagen fuhr auf den Kunstrasenplatz) nutzten die Gäste einen direkten Freistoß zum Sieg. Bisher nicht mein Wochenende: viertes Spiel, vierte Niederlage …

stieg aus der ersten Liga anwesend war, ging es mal wieder zum Darts. Am Ende gab es aber einen deutlichen Heimsieg für den HSV. Übrigens nichts für totale Nicht­raucher  … 18.3.2016, Regionalliga Nord, SV Meppen – HSV (A) 1:1 (0:1) An einem Freitag nach Meppen zu fahren ist wahrlich kein Geschenk, aber was macht man nicht alles im Abstiegskampf!?

Vor allem im ersten Durchgang spielten unsere Youngsters gut und zielstrebig nach vorn. Mit Glück, Verstand und Hirzel konnten wir die Führung bis zur 82. Minute halten, dann mussten wir leider den Ausgleich hinnehmen. Da Meppen mit dem Punkt zufrieden schien, nahm der HSV noch einmal Fahrt auf. In der Nachspielzeit gab es noch ein Abseitstor, einen Pfostentreffer und eine weitere Riesenmöglichkeit. Schade – das hätte ein wichtiger Sieg im Abstiegskampf sein können! 20.3.2016, Landesliga Hammonia, FK Nikola Tesla – HSV III 1:2 (1:0) Etwa 150 Zuschauer, darunter vierzig HSVer und Gojko Kacar (habe ich aber nicht gesehen) sahen einen schlechten HSV in der ersten Halbzeit und die verdiente Führung für Tesla. Nach dem Wechsel dann deutlich mehr Schwung im Spiel der Rothosen, und begünstigt durch einen Platzverweis gegen den auffälligsten Spieler bei Tesla und einen starken Torwart ­Haerting (Happy Birthday!) drehten wir das Spiel! |

Info: Einen Liveticker und Bilder von Spielen, die Klößchen besucht, gibt es bei twitter.com/kloesschen1887 und facebook.com/kloesschenhsv

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VEREIN


Mario Mosa

Text und Foto: Johannes Kühner

Tausendsassa an den Töpfen Der kocht auch nur mit Wasser. Aber er macht es gut: Seit einem Jahr bereitet Mario Mosa die Mahlzeiten für Mannschaft und Trainerstab zu. Schon vor seiner Zeit als HSV-Koch hatte der Sizilianer einen guten Draht zu den Spielern – wenn auch mit einer anderen Aufgabe.

E

igentlich hat Mario Mosa gerade ein Bananenbrot im Ofen. Und er erwartet eine Lieferung: frische Ananas, Pilze, Gemüse, Eier. Außerdem will er Schaschlik vorbereiten – fürs Abendessen nach dem Heimspiel am nächsten Tag gegen Ingolstadt. Wäre da nicht dieser dringende Anruf gekommen. Ivo Ilicevic braucht stabile Stollen für seine neuen ­Schuhe. Also spaziert Mario Mosa durch den Pausenraum, an der Mannschaftskabine vorbei in die Katakomben unter der Osttribüne des Volksparkstadions, spannt den ersten Schuh in einen Schraubstock, schleift die Plastikstollen ab und befestigt welche aus Aluminium. Zwischendurch nimmt er den kurzen Weg durch die Garage zurück in die Küche, wirft einen zufriedenen Blick auf das Bananenbrot im Ofen und beendet, zurück an der Werkbank, seine Arbeit an Ilicevics Schuhen. Der Italiener strahlt dabei eine unglaubliche Gelassenheit aus, lässt hier mal ein paar lustige Worte fallen und erzählt da mal ein bisschen aus seiner Vergangenheit beim HSV. So sind sie halt, die Sizilianer: „Die Ruhe in Person.“ Warum er heute die Schuhe macht – er sei doch nicht mehr Zeugwart, sondern Koch? „Wir sind ein Team“, antwortet er schlicht. „Früher habe ich ausgeholfen, wenn der Koch krank war.“ Heute ist es halt mal andersherum. Angefangen hatte er im Volkspark nämlich nicht am Herd, sondern zunächst nebenberuflich als Security während eines Freundschaftsspiels zwischen Deutschland und den Niederlanden. Das war 1988. Zu dieser

Zeit machte er gerade eine Ausbildung zum Koch in einem Hotel, später sollte noch eine Ausbildung zum Fleischer beziehungsweise Feinkost- und Konservenhersteller hinzukommen. „Ich habe das alles gemacht, um Deutsch zu lernen.“ Denn erst 1986 war Mosa aus Ravanusa auf Sizilien nach Hamburg gezogen. Erst Security bei der Weltmeisterschaft 2006, dann Betreuer der zweiten und ersten Mannschaft Das Freundschaftsspiel öffnete ihm das Tor zum HSV: Als Security wachte er fortan über Heimspiele, bei der Weltmeisterschaft 2006 schaffte er es sogar zum Supervisor bei den beiden Italien-Partien im Volkspark gegen Tschechien und die Ukraine. Es sollte seine letzte Amtshandlung als Security sein – denn schon am 26. April 2006 hatte er als Betreuer der zweiten Mannschaft begonnen, als sein Vorgänger in Rente ging. „Mich kannten hier alle – und gerade in diesem Bereich braucht man eine Vertrauensperson.“ Weitere anderthalb Jahre später war Mario Mosa dann schon Zeugwart der ersten Mannschaft. Bis er sich vor zwei Jahren bei einem Sturz einen Trümmerbruch am Handgelenk zuzog. Schwere Kisten kann er seitdem nur noch unter Schmerzen tragen. Wieder wollte es der Zufall, dass gerade die Stelle des Kochs frei wurde. Ein Arbeitsplatz, an dem täglich Essen für bis zu sechzig Personen fertig werden muss. Kein Problem für Mosa: Bevor er zum HSV kam, arbeitete er jahrelang in einer Polizeikantine. „Da konnte es vorkommen, dass wir von jetzt auf gleich für 5000 Leute kochen mussten.“

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VEREIN

Mario Mosa

Dennoch weiß Mosa um die Unterschiede zwischen der Arbeit für Polizisten und der für Leistungssportler: „Selbst als gelernter Koch muss man sich da erst mal reinfuchsen.“ Ein Beispiel: Regelmäßig bespricht der Koch mit Trainer und Mannschaftsärzten, ob hartes Training ansteht oder eine Reha-Einheit. Im ersten Fall gibt es Mahlzeiten mit vielen Kohlehydraten, um die Kraftspeicher wieder aufzufüllen; im zweiten Fall stehen leichte Gerichte auf der Speisekarte, die nicht schwer im Magen liegen sollen. Auch zum Spieltag hin gibt es häufiger Nudeln oder Reis, damit die Spieler auf dem Feld genügend Reserven haben. Vögel aus Apfelstücken für den Spaß am Essen Hinzu kommen die Befindlichkeiten der Spieler. Afri­ kaner mögen lieber Reis statt Nudeln – dann kocht Mosa beides. Manch einer verträgt keine Laktose oder isst kein Schweinefleisch – also bietet Mosa Alternativen an. „Pute gibt’s relativ häufig. Damit das nicht langweilig wird, mache ich einfach Schaschlik draus – und schon ist es wieder ein spannendes Essen.“ Aus Eiern formt er Mäuse, aus Apfelstücken einen Vogel. „Ich mache viel fürs Auge, damit es appetitlich aussieht.“ Das Leibgericht der Mannschaft – ein Dauerbrenner – sieht hingegen gar nicht so spektakulär aus. Auf Mosas Spaghetti mit Tomaten, Basilikum und Chili fahren sie aber trotzdem alle ab. Prinzipiell setzt der Italiener

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überwiegend auf mediterrane Küche. Und es scheint zu schmecken: Nach Rückmeldungen muss Mosa gar nicht erst fragen. „Es ist immer alles leer. Das ist Rückmeldung genug“, sagt er und schmunzelt zufrieden. Sein Bananenbrot, das er gerade erst ofenfrisch in den Mannschaftsraum gelegt hat, ist auch schon angeschnitten ... Und was macht er denn da gerade in der Küche? Immer wieder schaut jemand rein zum „Sternekoch“ (Mosa zeigt auf den gelben Stern auf seinem HSV-Trikot), wie früher in Mamas Küche. In gewisser Weise ist der Mannschafts- und Pausenraum eben ein bisschen wie das Wohnzimmer der großen HSV-Familie. Hierhin ziehen sich die Spieler vor und nach dem Training zurück, frühstücken zu festen Zeiten oder kommen zum Mittag- und Abendessen. Dann reden sie miteinander nicht nur über Fußball, sondern es geht auch um die Frage: „Was machst du heute Abend noch?“ Da sind sie eben ganz normale Menschen, die auch nur mit Wasser kochen. Für Mosa ist heute Feierabend: Vor Heimspielen übernachtet das Team im Grand-Elysee-Hotel, Mosa schickt einen Essensplan dorthin, im Stadion bleibt die Küche kalt. Heute macht der Tausendsassa deshalb nur noch schnell die letzten Schaschlikspieße für den nächsten Tag, dann geht’s ans Aufräumen. Gehört halt auch zum Job. Mosa quittiert es mit einem Achselzucken: „Ob ich jetzt Teller wasche oder Trikots – da wasche ich lieber Teller.“ |


HSV-Netradio

Text: Lars Wegener

HSV unplugged: Das Netradio Seit dieser Saison bietet der HSV seinen Fans eine neunzigminütige Live-Audioreportage von seinen Bundesligaspielen an. Die Renaissance eines alten Mediums in der digitalen Welt.

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ie gute alte Radio­reportage. Mit ihr sind viele von uns groß geworden. Samstag, 15.30 Uhr: Bundesligazeit. Zeit, um – wenn man nicht gerade im Stadion war – vor dem Radio zu hocken. Alle Spiele live im Fernsehen? Gab’s nicht! Sky (oder wahlweise Pre­m iere) lief noch mit der Rassel um den Tannenbaum. Zu Hause, unterwegs oder – wie bei mir – auf dem Campingplatz in der Lüneburger Heide lauschte man den Stimmen aus dem Blechtransistor – meist natürlich auf NDR 2. Rolf-Rainer Gecks war einer meiner ersten Stimmhelden. Heute wird

(fast) jede Minute live im Fernsehen übertragen. Radio? Eigentlich ein Medium von gestern. Oder doch nicht? Die Informationen, die über die reine Akustikwelle übertragen werden, sind mit die emotionalsten. Immer am Ball, immer mitreißend und neuerdings auch immer mit einer gehörigen Prise HSV. Denn die Rothosen haben seit dieser Saison ihr eigenes Radio. Netradio, um genau zu sein. Im Web gibt es von jedem Bundesligaspiel unserer Rothosen eine neunzigminütige Livereportage. Ohne elektronische Veränderungen. Rein

akustisch. Unplugged eben. Und das Beste: Die Reportage ist kostenlos und überall empfangbar. Das Internet (www.hsv.de/ netradio) und die HSV-App machen es möglich. Sicherlich sind hier und da noch Verbesserungen möglich. Ein Rolf-Rainer Gecks ist auch nicht gleich vom Himmel gefallen. Doch eins ist sicher: Die HSV-Brille ist bei aller erstrebenswerter Objektivität auf jeden Fall aufgesetzt. Blau-weiß-schwarze Emotionen sowieso. Und so freuen wir uns, das Stadionerlebnis in die Welt hinauszutragen und diesmal auf der anderen Seite des Radios zu sitzen. |

Wie funktioniert’s? Über www.hsv.de/netradio oder in der HSV-App unter dem Menüpunkt „Netradio“ werden alle Heim- und Auswärtsspiele des HSV in der Bundesliga kostenlos übertragen. Jeweils eine Viertelstunde vor Spielbeginn startet der Livestream, der mit Betätigung des Play-Buttons auf dem Computer, dem Tablet oder dem Smartphone abgespielt wird. Wer berichtet? Chefreporter ist Broder-Jürgen Trede. Broder kommentierte bereits vor einigen Jahren den ersten Ableger des HSV-Radios und initiierte beim HSV die Live-Audioreportagen für sehbehinderte Fans im Stadion, die mittlerweile deutschlandweit und sogar beim DFB umgesetzt werden. Der Ur-HSVer wird von einem Komoderatoren-Team unterstützt. In diesem sind René Koch (ehemaliger Fanbeauftragter), Philipp Langer (HSV total!) und Lars WegeImmer live vor Ort: Chefreporter Broder-Jürgen Trede (li.) und Lars Wegener auf der HSV-Pressetribüne.

ner (HSV.de) abwechselnd live am Mikro.

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VEREIN

Fotos: Witters

Gänsehaut und ein Versprechen Keine Gefahr für die Rückzahlung der Fananleihe im Jahr 2019: Dieses Versprechen gab Dietmar Beiersdorfer den 341 Anwesenden bei der HSV-Mitgliederversammlung. Zudem gab es eine Abstimmung über Satzungsänderungen – und einen Gänsehautmoment. 64


Mitgliederversammlung

Dr. Andreas Peters (Ehrenrat, v. l.), Jens Meier (Vereinspräsident), Henning Kinkhorst (Vizepräsident) und Dr. Ralph Hartmann (Schatzmeister) informieren auf der Mitgliederversammlung.

Die Vereinsmitglieder stimmen über die Satzungsänderungen ab.

M

it aller Kraft den Blick nach vorn: Diese Aussicht gab Präsident Jens Meier bei der ordentlichen Mitgliederversammlung des HSV e. V., zu der am 17. Januar insgesamt 341 stimmberechtigte Mitglieder erschienen waren. Dort berichtete das Präsidium zunächst über seine Arbeit. Jens Meier stellte heraus, dass das erste Jahr der Arbeit im Präsidium geprägt war von der Einarbeitung. Neben strukturellen Anpassungen stand dabei auch die Aufarbeitung verschiedener Themen der vergangenen Jahre im Fokus. Er berichtete, dass diese Punkte auf den richtigen Weg gebracht sind; jetzt gelte der Blick zukünftigen Aufgaben. Vizepräsident Henning Kinkhorst ging in seinem Bericht auf die sportlichen

Entwicklungen im HSV e. V. ein. Er stellte unter anderen das im Sommer etablierte Spitzensportkonzept vor und sorgte für einen Gänsehautmoment: Die Anwesenden sahen einen kurzen Film zum Kino- und Webprojekt „Die Norm“, welches neben anderen die HSV-Beachvolleyballerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst sowie Weitspringer Sebastian Bayer auf ihrem Weg zu den Olympischen Spielen nach Rio 2016 zeigt. Im Anschluss übernahm Schatzmeister Dr. Ralph Hartmann das Wort und berichtete zu den Zahlen des HSV e. V. für das Geschäftsjahr 2014/15 sowie zum aktuell laufenden Geschäftsjahr 2015/16. Hinsichtlich des Etatabschlusses für das Geschäftsjahr 2014/15 ging er darauf ein, dass einige unvorhersehbare A ­ spekte nach der Ausgliederung aufgearbeitet werden mussten, die teilweise bis ins Jahr 2009 zurückgehen. Das operativ positive Ergebnis von 165.000 Euro wird daher durch außerordentliche und periodenfremde Aufwendungen – insbesondere durch Steuerrückstellungen – auf ein negatives Ergebnis von aktuell 196.000 Euro saldiert. Da die laufende Betriebsprüfung für die Jahre 2009 bis 2013 noch nicht abgeschlossen ist, handelt es sich um ein

vorläufiges Ergebnis. Das Präsidium bat daher darum, mit der Entlastung für das Geschäftsjahr 2014/15 bis zur Mitgliederversammlung im Sommer zu warten. Für das aktuell laufende Geschäftsjahr bewegen sich nach dem ersten Halbjahr Einnahmen und Ausgaben in Richtung der aufgestellten positiven Planung. Fußball AG: Keine Gefahr für Fananleihe Als nächster Tagesordnungspunkt folgte der Bericht der HSV Fußball AG. Dietmar Beiersdorfer blickte zurück auf die Hinrunde und freute sich über die sportlichen Fortschritte. Er betonte jedoch auch, dass er mit den 22 Punkten aus der Hinrunde nicht zufrieden sei und warnte vor zu viel Selbstgefälligkeit. Der HSV müsse schnell besser werden, müsse auf- und überholen, so Beiersdorfer. Als wichtigen Baustein stellte er bei diesem Vorhaben den Nachwuchsbereich heraus. Auch hier wurden Fortschritte erzielt, doch seien noch viele weitere Schritte notwendig. Als Beiersdorfer auf die Finanzen des HSV einging, war es ihm ein wichtiges Anliegen, den Mitgliedern zu versichern, dass eine Rückzahlung der Fananleihe im Jahr 2019 nicht gefährdet sei. „Wir können und

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VEREIN

Dietmar Beiersdorfer (Vorstandsvorsitzender der HSV Fußball AG, links) und Karl Gernandt (Aufsichtsratsvorsitzender der HSV Fußball AG) nahmen die Möglichkeit gern wahr, den Mitgliedern des e. V. von der HSV AG zu berichten.

werden unseren Verpflichtungen nachkommen und sind mehr denn je dabei, die finanzielle Lage unseres Klubs zu stabilisieren“, unterstrich Beiersdorfer. Insgesamt sei die Finanzsituation auch in den kommenden Jahren eine der wichtigsten Aufgaben der HSV AG. „Wir sind in der Restrukturierung. Wir kennen unsere Zahlen. Wir haben alles schonungslos analysiert, Ableitungen getroffen und die entsprechenden Maßnahmen umgesetzt.“ Suche nach Partnern und Investoren Auch der Aufsichtsratsvorsitzende Karl Gernandt machte klar, dass die finan­ zielle Krise noch nicht ganz überwunden

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sei. „Wir haben sie aber im Griff! Mit dem Anspruch, hanseatisch zu schalten und zu walten.“ Auch wenn bereits 38 Millionen Euro eingesammelt wurden, kündigte Gernandt an, weiterhin unermüdlich ­daran zu arbeiten, Partner und Investoren für den HSV zu finden – allerdings nur solche, die zum Klub passen. Insgesamt sieht Gernandt den HSV auf dem richtigen Weg und nannte als Beispiele dafür, dass Interna mittlerweile intern blieben und auch auf Gremien­ebene trotz zwischenzeitlicher Reibereien der Teamgedanke im Vordergrund stünde. Gernandt: „Der Weg hat begonnen – das Ziel liegt noch vor uns.“

Es folgten der Bericht und die Entlastung der Rechnungsprüfer für das Geschäftsjahr 2014/2015. Anschließend stellten der Beirat, der Amateurvorstand, der Ehrenrat, die Abteilungsleitung Fördernde Mitglieder/Supporters Club sowie der Seniorenrat ihre Berichte vor. Abstimmung über Satzungsänderungen Danach ging es um die im Satzungsausschuss vorbereiteten Satzungsänderungen. Die stimmberechtigten ­M itglieder verabschiedeten die Änderungen mit 218 Jastimmen, sechs Gegenstimmen und fünf Enthaltungen. |


Mitgliederversammlung

Kommentar von Otto Gruhn Mitgliederversammlung – neue Ausgliederung? Lag es an meinem Alter – 65 plus –, dass ich da hingegangen bin? Aus Tradition sozusagen? Wenn der HSV zweimal im Jahr zu einer MV einlädt, dann geht man doch als vereinstreues Mitglied da hin. Oder?

waren es immerhin noch etwas mehr als 300 und bei der Abstimmung über Satzungsänderungen noch 229 von über 70.000 Mitgliedern. Endlos leere Stuhlreihen im Saal 3 des CCH. Im vorderen Teil die treuen Oldies. Junge Leute? Fehlanzeige. Das alles war schon rekordverdächtig besonders.

Vielleicht war ich auch motiviert durch nostalgische Erinnerungen an lebendiges Vereinsleben. Mit mehreren Tausend HSVern, die miteinander und gegeneinander um die besten Entscheidungen für unseren HSV kämpften.

Besonders waren aber auch die Auftritte von Herrn Beiersdorfer und Herrn Gernandt. Keiner von ihnen war durch die neue Satzung verpflichtet, hier zu erscheinen. Sie taten es freiwillig. Und das an einem Sonntag! Gemeinsam bemühten sie sich um ein Wirgefühl und die Entkräftung möglicher Kritikpunkte. „Es wird wieder mehr füreinander als gegeneinander gearbeitet“, „wir haben alles schonungslos analysiert“, „haben alles im Griff“. Und zwischendurch immer wieder Beifall. Vielleicht beflügelte der auch Herrn Gernandt zu folgenden Kernaussagen: Er habe den Anspruch, „hanseatisch zu schalten und zu walten“. Und: „Der Weg hat begonnen – das Ziel liegt noch vor uns.“ Als solche und ähnliche Sprechblasen kein Ende nahmen, ging ich zur Erbsensuppe. Andere klatschten immer wieder Beifall.

Aber was schreibe ich da gerade: „für unseren HSV“? Den gibt es doch gar nicht mehr. Nur noch die ausgegliederte Fußball AG und den HSV e. V. mit seinen 34 Abteilungen von Badminton bis Volleyball. Und der hatte die HSV-Mitglieder zu der MV eingeladen. Da nach unbelegten Schätzungen 99,34 Prozent der über 70.000 Mitglieder wegen des Profifußballs in den Verein eingetreten waren (ermäßigte Dauerkarten!), fehlten sie hier. Was interessiert sie das Gedenken an die Verstorbenen und die Berichte über irgendwelche Amateurabteilungen oder gar so ein paar Satzungsänderungen? Vielleicht saßen sie zu Hause auf dem Sofa und träumten von den „strategischen Partnern“ und dem „frischen Geld“, das ihnen die Macher von HSV Plus versprochen hatten. Vielleicht waren sie aber auch frustriert, weil der HSV auch nach fast zwei Jahren nach der herbeigesehnten Ausgliederung immer noch nicht in Richtung Bayern-­Niveau unterwegs ist, sondern nach Einschätzung des HSV-Finanzchefs Frank Wettstein ein „Sanierungsfall“ ist. So oder so: Die Zuhausegebliebenen verpassten eine Mitgliederversammlung der besonderen Art. Waren vor zwei Jahren im Januar noch über 7000 Mitglieder ins CCH gekommen und im Mai ins Stadion fast 10.000, kamen im Januar 2015 immer noch rund 1000 und im Juni circa 500 Mitglieder. Diesmal

„Dann ist ja alles gut“, meinte Konstantin Rogalla, einer von zwei Kritikern, bevor er mehrere Fragen in Richtung unnötige Geldverschwendung formulierte. Seine Fragen wurden nicht beantwortet. Das mussten die Vertreter der Fußball AG satzungsgemäß auch nicht. Das hätte auch die Friede-Freude-EierkuchenStimmung gestört. Gegen Ende der Versammlung meinte der Vereinspräsident Jens Meier, man müsste mal überlegen, wie man für die nächste MV wieder mehr Mitglieder aktivieren könnte. Aber wie will er das erreichen? Warum sollten sie kommen, wenn sie doch nichts mehr zu sagen haben? Die Ausgliederung ist durch und mit ihr sind sie – gewollt und freiwillig – auch ausgegliedert. |

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VEREIN

Text: Stephanie Lehnert · Fotos: Witters, Matthias Scharf

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Mehr als Jahre im HSV

Mehr als 74.400 Mitglieder tragen derzeit offiziell die Raute im Herzen. Einige von ihnen feierten unlängst besondere Vereinsjubiläen. Grund genug, einen Blick auf vier von ihnen zu werfen – darunter zwei HSV-Legenden und das Mitglied mit der längsten HSV-Zugehörigkeit.

S Hol Deine Freunde zum HSV! Du willst einem HSV-Fan eine ganz besondere Freude zum Geburtstag bereiten? Dann verschenke jetzt eine Mitgliedschaft im HSV! Mit dieser Überraschung erhält der Beschenkte unter anderem das volle Stimmrecht im Verein, das Vorkaufsrecht auf Karten für Heim- und Auswärtsspiele sowie den Zugang zur exklusiven Supporters-Club-Kollektion. Die Geschenkgutscheine gibt es in zwei Preiskategorien, 47 Euro für Mitglieder mit Ermäßigung und 63 Euro für Vollzahler. Zu kaufen gibt es sie im SC-Onlineshop sowie in den HSV-Fanshops in Hamburg und Norderstedt. Weitere Informationen ­u nter www.hsv-mitgliedschaft-­ verschenken.de.

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ie zählen zu den besten S­ pielern der HSV-Vereinsgeschichte und sind ihrem Verein außerdem seit vielen Jahrzehnten treu: Uwe Seeler und Manfred Kaltz. Anfang des Jahres feierten beide ein rundes Mitgliedschaftsjubiläum: „Manni“ Kaltz ist seit fünfzig Jahren im HSV, „Uns Uwe“ feierte sogar schon seine siebzigjährige Mitgliedschaft. Beide bringen es somit auf 120 Jahre im Verein. Ihre aktive Zeit in der ersten Mannschaft steht zusammengezählt für 1057 Spiele und 480 erzielte Tore. „Uns Uwe“ trat dem HSV mit zehn J­ ahren bei. Schon früh zeigte er sein großes Talent. Später wurde er Deutschlands Fußballer des Jahres und der erste Torschützenkönig der neu gegründeten Bundesliga. Die Identifikationsfigur bescherte dem HSV mit seinen Toren unter anderem die deutsche Meisterschaft 1960 und den DFB-Pokal 1963. „Manni“ Kaltz interpretierte seine Rolle als rechter Außenverteidiger sehr offensiv und schaltete sich immer wieder ins Angriffsspiel ein. Bekannt machten ihn seine Bananenflanken, mit denen er zahlreiche Tore vorbereitete. Seinen größten Erfolg feierte er 1983, als er mit dem HSV

die deutsche Meisterschaft feierte und im selben Jahr den Europapokal der Landesmeister gewann. Das Mitglied mit der längsten Vereinszugehörigkeit Viele besondere HSV-Momente hat auch Oscar Algner gesammelt. Seit dem 17. Oktober 1930 ist er Mitglied im Hamburger Sport-Verein. Damals war er sieben Jahre alt, spielte Fußball und war auch in der Leichtathletik aktiv. Sein Vater, der ebenfalls Oscar hieß, war bereits 1909 beim HFC dabei und hatte 1919 den Zusammenschluss der drei HSV-Gründervereine mitbegleitet. „Der HSV war bei uns immer eine Familienangelegenheit. Schon früh nahm mich mein Senior mit zu den Spielen am Rothenbaum. Und wenn die erste Herren kein Spiel hatte, ging es nach Ochsenzoll zum eigenen Training.“ Mit 17 Jahren endete erst einmal die unbeschwerte Zeit mit seinem Verein: Im Dezember 1940 meldete er sich freiwillig für den Militärdienst. Es folgten die schwersten Jahre für Oscar Algner – der Krieg in Russland, ein monatelanger Aufenthalt im Lazarett und nach Kriegsende vier Jahre Gefangenschaft.


Vereinstreue

Nach seiner Rückkehr 1949 baute er sich mit Ausbildung und Familie sein Leben neu auf, und natürlich war der HSV weiter ein fester Bestandteil davon. Anfang der Sechzigerjahre erlebte Oscar Algner den Umzug vom Rothenbaum ins Volksparkstadion mit. „Die Atmosphäre war sicher eine andere. Am Rothenbaum war es familiärer. Im Volksparkstadion war alles größer und distanzierter, aber die Stimmung mit mehr als 70.000 Zuschauern war unglaublich, vor allem bei den großen HSV-Erfolgen“, berichtet der Jubilar. Zur Jahrtausendwende folgte schließlich der Stadionumbau, und bis heute ist der inzwischen 93-Jährige mit seiner Familie bei vielen HSV-Spielen dabei. „Zu meinem 85. Geburtstag waren wir mit 28 Familienmitgliedern im Stadion. Auch wenn der HSV nur ein Unentschieden erreichte, war das ein toller Tag“, erzählt er stolz. Außerordentliches Engagement im Verein Auch Gertraud „Traudel“ Diekhoff verbinden viele emotionale und intensive Momente mit ihrem HSV. Die 94-Jährige blickt inzwischen auf eine siebzigjährige Vereinszugehörigkeit zurück. Traudels HSV-Geschichte begann einst nach dem Krieg. Damals war die gebürtige Leipzigerin nach Hamburg gekommen und schnell beim HSV gelandet. Die Leichtathletik hatte es ihr angetan. 1946 lernte sie dort ihren Mann Harry kennen, den sie schon im darauffolgenden Jahr heiratete. Gemeinsam engagierten sich Traudel und Harry Diekhoff ehrenamtlich im HSV und leiteten die Leichtathletikabteilung „weibliche Jugend und Schülerinnen“ bis 1972. Wenig später bauten sie eine Mutter-Kind-Gruppe auf, die bis 1992 unter ihrer Führung stand. Zudem bildete sich unter Traudel Diekhoff eine Senioren- und Breitensportgruppe in der HSV-Leichtathletikabteilung. Für ihr außerordentliches Engagement im Verein bekam die 94-Jährige die höchste HSV-Auszeichnung: die Ehrennadel in Gold. Außerdem erhielt sie 2012 für ihre ehrenamtlichen Verdienste die „Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes“ der Stadt Hamburg. |

So lange wie Oscar Algner ist niemand sonst Mitglied im HSV. Zur 85-jährigen Mitgliedschaft überbrachten Vorstandsvorsitzender Dietmar Beiersdorfer und Vereinspräsident Jens Meier Glückwünsche, Blumenstrauß und Jubiläumstrikot.

Gertraud Diekhoff blickt auf eine siebzigjährige HSV-Vereinszugehörigkeit zurück.

Die HSV-Fußballlegenden Manfred Kaltz (l.) und Uwe Seeler kommen gemeinsam auf 120 Jahre im HSV.

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Text: Jan Walter Möller · Fotos: Witters

Alles gut bei der Dino-AG? Zwei Jahre sind vergangen, seit eine große Mehrheit der HSV-Mitglieder für die Ausgliederung des Profifußballs gestimmt hat. Zeit für eine Bestandsaufnahme – bei der ein Rückblick in die Historie unerlässlich ist.

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ach knapp zwei Jahren HSV plus und der damit einhergegangen und von der absoluten Mehrheit (88 Prozent) der Mitglieder gewählten Ausgliederung ist es Zeit für ein offenes und ehrliches Fazit, um die Arbeit des aktuellen Vorstandes zu beurteilen. Man würde aber den derzeitigen Amtsträgern und insbesondere den ausgeschiedenen und abgewählten Offiziellen nicht Rechnung tragen, wenn nur diese überschaubare Zweijahresperiode betrachtet werden würde. Um tatsächlich die diversen Wechselwirkungen und Hintergründe horizontal und vertikal erkennen zu können, ist ein Rückblick bis in die Anfänge der goldenen Ära bei unserem Verein notwendig. In der Zeit von 1976 bis 1983 holte die Mannschaft um Helden wie Ernst Happel, Horst Hrubesch und Felix Magath insgesamt sechs briefkopffähige Titel (drei Meisterschaften, zwei Europapokalsiege und einen Pokalsieg). Eine unfassbare Bilanz innerhalb dieser sieben Jahre. Dazu kamen noch drei zweite Plätze in der Bundesliga sowie zwei verlorene Europapokalfinals. Der HSV war in Europa das Maß aller Dinge. Heute noch aktive Fans, welche schon damals den Verein unterstützten, berichteten, dass einige Anhänger aus finanziellen Gründen nicht zum Endspiel 1983 nach Athen gefahren sind mit der Begründung, „dass man

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dann eben das nächste Jahr dabei wäre“. Leider konnten die Macher des Erfolges um Präsident Wolfang Klein diesen Zustand nicht konservieren. Es folgte noch der Pokalsieg 1987, welcher als der letzte offizielle Titel des HSV erwähnt wird und als letztes Aufflammen dieser goldenen Zeit in Erinnerung bleiben wird. Mit etwas mehr Geschick und glücklicheren Einkäufen hätte man sich dauerhaft einen Platz an der Sonne sichern können, was selbst Uli Hoeneß mehrfach bestätigte: „Der HSV ist der einzige Verein, welcher von seiner Infrastruktur und seinem Umfeld dem FC Bayern theoretisch hätte gefährlich werden können.“ Es wäre mit Sicherheit ein Leichtes gewesen, dem damaligen Senat das Recht abzuringen zur dauerhaften Nutzung der historischen Sportstätte und des ehemaligen Bundesligastadions „Rotherbaum“. Es wurde schlicht nicht in Erwägung gezogen und so wurde in einem sehr beschämenden Akt für die Sportstadt Hamburg 1997 das Stadion abgerissen. Um die Bevölkerung etwas zu beruhigen, verkündete der Senat unter dem damaligen Ersten Bürgermeister Henning Voscherau (SPD), dass dann zumindest Sozialwohnungen gebaut werden sollten. Die Realität sah aber anders aus: Vielmehr entstanden Bürogebäude und Wohnungen in einem der exklusivsten Stadtteile Hamburgs.

Die Neunzigerjahre begannen mit einem Paukenschlag. Der sensationell spielende Thomas Doll, der erst 1990 vom BFC Dynamo Berlin transferiert wurde und schon kurze Zeit später das Interesse von Lazio Rom wecken sollte, wurde nach nur einem Jahr für die damalige Rekordablöse von 15 Millionen Mark nach Italien verkauft. HSV-Präsident Jürgen Hunke bewies großes kaufmännisches Geschick und sicherte dem Klub durch diesen Transfer die Zukunft. Ohne die italienischen Millionen wäre der Verein in die Insolvenz gegangen. Der erfolgreiche Unternehmer Hunke bewies Weitsicht und dachte darüber nach, Sponsoren und Einzelpersonen an den HSV in Form einer Aktiengesellschaft zu binden. Leider funktionierte der Plan nicht. Zum einen hatte der Fußball bei Weitem noch nicht den Stellenwert in der Gesellschaft wie heute. Zum anderen war der Ausgabepreis von 1000 Mark den meisten Fans dann doch zu hoch. Nachwehen von Arroganz der Vorjahre Die letzte Dekade vor dem Jahrtausendwechsel war ein Sinnbild der Tristesse im Hamburger Volkspark. Im Durchschnitt belegte man den zehnten Platz (eigentlich war der HSV die graue Bundesligamaus). Zwar war man mehrere Male im Europapokal vertreten, dennoch war es kein Fußball, der die Hamburger wieder zum HSV


HSV plus

bringen konnte. Fünfstellige Zuschauerzahlen waren eine Seltenheit. Zudem haftete der klebrige Eindruck der Arroganz am Volkspark, Nachwehen der vorher beschriebenen Zeit. 1995 wurde der in- und externe Druck (unter anderem durch seinen Freund Franz Beckenbauer) auf die Vereinsikone Uwe Seeler so groß, dass er sich in das Präsidium wählen ließ. So erfolgreich auch seine sportliche Laufbahn war und die Identifikation mit unserem Verein ist, so durchwachsen waren diese drei Jahre. Sportlich startete man nach fünf Heimniederlagen in Folge auf dem letzten Platz in das Jahr 1998, und nur durch einen denkwürdigen Kraftakt erreichte man noch das rettende Ufer. Außerhalb des Platzes blieben erklärungswürdige

„Der HSV hätte dem FC Bayern gefährlich werden können.“ Geschäfte liegen; Stichwort Autowachs, Jutebeutel und Ostimmobilien. Letztere wurden dem HSV durch den damaligen Schatzmeister Jürgen Engel samt entsprechender Provision (ein Betrag von knapp einer Million Mark fand sich auf Engels Konto) vermittelt, was mit einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung für den Meister der Finanzen endete.

Das Ende dieser Jahre leitete am 30. Juni 1998 Uwe Seeler mit seinem Rücktritt ein. Er musste einsehen, dass die Aufgabe, einen Bundesligaverein zu führen, für ihn zu groß war und seine Stärken für den Verein in Form von öffentlichen Auftritten und als „gutes Gewissen und Sorgenmacher“ des Vereins besser zur Geltung kamen. Als Meilenstein für unseren HSV wurde auch

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VEREIN

durch die Person Uwe Seeler, aber insbesondere und federführend durch den leider viel zu früh verstorbenen damaligen Geschäftsführer Werner Hackmann der Bau des neuen Stadions forciert und abgeschlossen. Dieses war in seiner Architektur richtungsweisend in Deutschland und wird von vielen Anhängern, insbesondere auswärtigen, immer noch als eines der schönsten ­Stadien in der Republik betrachtet. Große Lücke nach Beiersdorfer Das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends war geprägt durch das Eingewöhnen in das neue Stadion und insgesamt acht Teilnahmen am Europapokal, darunter zweimal Champions League. Die Achse dieses Erfolges war der jetzige Vorstands­ vorsitzende und damalige Sportchef Dietmar Beiersdorfer sowie Bernd Hoffmann, der für das Kaufmännische zuständig war. Diese Mischung agierte die ersten J­ ahre überragend und erzielte durch kluge Transfers (van der Vaart, Boateng, Kom­pany), eingeleitet vom Sportchef, dreistellige Millionenumsätze. Leider war auch dieser Erfolg nicht von Dauer. Der damalige Vorstandsvorsitzende war zu beherrschend und konnte weder von seinen Kollegen aus dem Vorstand noch dem damaligen Aufsichtsrat um HSVplus-Initiator Ernst-Otto Rieckhoff eingefangen werden. Die Folgen waren die vorzeitige Vertragsauflösung des Sportchefs aus dem damaligen Vorstand im Sommer 2009 und eine nicht zu schließende Lücke, die Beiersdorfer hinterließ und die maßgeblich für den sportlichen Misserfolg der

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letzten Jahre stand (zwei Jahre später musste Bernd Hoffmann den Verein verlassen). Verschiedene Glücksritter (Bastian Reinhardt, Frank Arnesen und Oliver Kreuzer) versuchten sich an dem sportlichen Posten, mussten aber letztlich doch ihr Scheitern erkennen und wurden mit goldenem Handschlag abgewählt. Über den jetzigen Sportchef Peter Knäbel wird in den folgenden Jahren zu berichten sein. Hier tut man keiner Seite einen Gefallen, wenn wieder irgendwelche kurzfristigen Erfolge präsentiert werden müssen. Die Akteure auf dem Platz waren und sind natürlich die entscheidenden Personen des Vereins und zu einem großen Teil verantwortlich für die Talfahrt der letzten Jahre. Der Marktwert der Spieler sank und so wurde auf Druck der Berater öffentlich in den Zeitungen über höhere Gehälter und andere Vereine diskutiert. Der Höhepunkt dieses unsäglichen und unwürdigen Schauspiels war, dass sich mehrere Spieler des HSV mit einigen Einsätzen in der Natio­ nal­mannschaft zum Ende der ersten Relegationssaison 2013/2014 noch wunderten, dass Sie nicht mit zur WM nach Brasilien fahren und dies brüskiert der schreibenden Zunft mitteilten. Mangelhafte Selbstwahrnehmung oder getrieben von den Beratern? Vermutlich beides. Bevor wir zu dem entscheidenden ­Faktor in einem Verein, den Fans, kommen, noch einen Gedankengang zu der Aufsichtsratsstruktur (bis 30. Juni 2014) vor der HSVplus-Welt: Wie dort teilweise gearbeitet wurde, wie langjährige „Vereinsmeier“ des HSV die Geschicke bestimmten und

in regelmäßigen Abständen absolute Interna die Öffentlichkeit erreichten, hätte mit notwendiger Konsequenz strafrechtliche Ermittlungen nach sich ziehen können. Insbesondere die Nähe und Vertrautheit einiger Kontrolleure zum Boulevard war unerträglich und einer der Haupt­gründe für die schlechte Reputation des Vereins. Die betreffenden Personen wissen selbst genau, dass sie gemeint sind, und sollten sich selbst für den Tausch von Vereinsgeheimnissen gegen eine gute Presse und sonstige Gefälligkeiten für ihr weiteres Berufsleben neben dem HSV ein freiwilliges Stadionverbot auferlegen. Ein Lehrstück, wie es nicht laufen darf. Kompetenz und Kontinuität statt Klüngel muss das Motto sein. Heute werden, wie in einem normalen Wirtschaftsbetrieb, die normalen Kommunikationskanäle genutzt, dass heißt der Vorstand oder der Pressesprecher informieren über Themen und Entscheidungen, welche für die Mitglieder und die Öffentlichkeit relevant sind. Supporters Club: Konzentration auf das Wesentliche Der letzte Punkt gehört den Fans: Wenn diese nicht in bedingungsloser Treue den HSV unterstützt hätten, wäre dieser mit großer Sicherheit nicht mehr in Liga eins als Urgestein. Der Großteil hat die Demütigungen der letzten Jahre in stoischer Ruhe ertragen, ein kleiner Teil hat sich freiwillig teils still, teils medienwirksam in Zeiten größter Not vom Verein abgewandt und sich neue Ziele außerhalb des HSV gesetzt. Der Supporters Club selbst hat in der


HSV plus

Vergangenheit nicht immer eine glückliche Figur abgegeben. Mehrfach hat man sich instrumentalisieren und politisieren lassen für Zwecke, welche außerhalb der Fanbewegung stehen und bis in die Geschäftsführung des Vereins reichten. Als Folge haben viele Anhänger dem SC den Rücken zugewandt und nutzen ihn oft nur als Möglichkeit, um an Eintrittskarten zu gelangen. Hier gilt es, neues Vertrauen aufzubauen und für und mit den Fans zu arbeiten. Um den SC in seinem jetzigen Wesen benei-

ihr Geld verdienen. Berücksichtigt Mitbürger, die dem HSV nicht wohlgesinnt sind. Schnell wird aus einem Könnte und Wäre ein Hat oder Ist. Gerade wenn es um Zahlen geht, ist Vorsicht geboten. Da wird mit Fachbegriffen wie negatives Eigen­kapital, Cashflow, Verbindlichkeiten, Verschuldungsgrad oder Drehung von Eigenkapital in Kapitalrücklage munter hantiert, teilweise komplett falsch und verwirrend. Informiert Euch bei allen Themen, welche Euch interessieren, bei Talkrunden mit Offiziellen im

„Kompetenz statt Klüngel muss das Motto sein.“ den uns sehr viele aktive Fans im In- und Ausland. Wenn sich unter der neuen Abteilungsleitung von Timo Horn wieder auf das Wesentliche konzentriert wird, dann wird auch der SC wieder seinem Namen gerecht werden und den Neuaufbau des HSV weiter unterstützend begleiten. Wenn es überhaupt einen Kritikpunkt an uns Fans gibt, dann dass man bitte nicht alles ungefiltert übernehmen möge. In Zeiten der sozialen Medien kann innerhalb von Sekunden eine Masse an Un- und Halbwahrheiten sowie auch erwiesener Unfug Tausende Fans erreichen. Überlegt, ob diese Nachrichten wirklich stimmen können, denkt daran, dass insbesondere die professionellen Medien mit der Ware Nachrichten

Stadion oder Fanhaus, besucht die Talkrunden über den HSV im Sportpub Tankstelle, ruft an und schreibt den Fanbeauftragten und Offiziellen, nutzt die sozialen Medien des Vereins. Hier erhaltet Ihr die Informationen aus erster Hand, die Ihr wissen wollt, ohne künstliche Ergänzungen. Bei Fragen die Finanzen betreffend, fragt bei Bedarf Fachleute aus Eurem Umfeld (Bänker/Steuerberater), die Euch die bilanziellen und finanziellen Zusammenhänge erklären können. Diese Expertise ist nachweislich bei einigen Sportredaktionen nicht vorhanden. Wenn alle die genannten Gruppen an Spielern, Offiziellen, Fans (und vielleicht auch in einem gewissen Maße die Presse) ihren

Teil dazu beitragen, dann kann der Plan des Vorstands in die Tat umgesetzt werden, dass heißt in fünf Jahren im internationalen Geschäft wieder dabei zu sein. Nach Adam Riese bedeutet das im Durchschnitt zwei Plätze pro Jahr und erscheint realistisch. Korrekturen dauern mehr als zwei Jahre Um zum Anfang zu kommen und für den HSV eine Bilanz zu ziehen, kann diese mit den Fakten auf den letzten Seiten nur so aussehen, dass man trotz Relegation 2015 und den fehlenden strategischen Partnern noch im Soll ist. Es bedarf sehr viel Überzeugungsarbeit sowie sportlichen und finanziellen Sachverstands, um potenzielle Investoren von einem Einstieg zu überzeugen. Mangelnde Kompetenz, Miss- und Vetternwirtschaf, Habgier und sonstige Unruhen der letzten drei Jahrzehnte lassen sich nicht innerhalb von zwei Jahren korrigieren und die Öffentlichkeit ihre Wahrnehmung ändern. Auch wenn es vielen Anhängern (den Autor eingeschlossen) schwerfiel/-fällt, sich von der Vereinsstruktur zu lösen und auszugliedern. Nach heutigem Standpunkt war dieses Szenario, um in den Worten unserer Bundeskanzlerin zu bleiben, alternativlos, um dauerhaft in der ersten Liga zu bleiben. Lasst den Vorstand um Dietmar Beiersdorfer mit unser aller Vertrauen in Ruhe arbeiten und uns über kleine Erfolge ohne die Hamburger Großmannssucht freuen. Dann werden wir wieder bessere Zeiten für unsere Rot­ hosen erleben. Haltet den HSV in Ehren! |

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VEREIN

HSV-S ERIE:

ALLE AUSSES FUSSI R !

Text: Johannes Kühner · Fotos: Marco Kopp, Johannes Kühner und Oliver Peters

Base, Base, wir brauchen Base! Die Baseballer der HSV-Hanseatics und die Softballerinnen der HSVWildcats betreiben einen Sport, der Konzentration, Geschwindigkeit und Taktik vereint. Und Barbecue. Geht nicht? ’türlich ’türlich, sicher, Digger.

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eugierig beobachtet ein kleiner Bub von gerade einmal elf Jahren, was diese amerikanischen Soldaten da schon wieder treiben. Einer wirft einen Ball, einer trifft den Ball mit seinem Schläger, plötzlich rennen alle los, einer schnappt sich den kullernden Ball vom Boden, wirft ihn einem Mitspieler zu, der Schlagmann rutscht auf eine weiße Bodenplatte zu, kurz bevor der Ball dort ankommt, und als sich der Staub gelegt hat, geht alles mit einem neuen Schlagmann wieder von vorn los.

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Der elfjährige Bub, Sebastian Müller heißt er, ist fasziniert von diesem Sport, den die amerikanischen Soldaten in ihrem ­L ager in Amberg bei Nürnberg spielen, lässt sich infizieren und ist dem Baseball bis ­heute – ein Jahrzehnt später – treu geblieben. Seit seinem beruflichen Umzug nach Hamburg spielt Müller nicht mehr in der bayerischen Kleinstadt, sondern bei den HSV-Hanseatics. Auch sein Abteilungsleiter, Oliver Peters, verknüpft seine Baseballanfänge mit dem Militär. 1994 ging er zur Bundeswehr, über eine Freundin gelangte er an den Sport,

sein Hauptgefreiter war Trainer des Flensburger Baseballteams. So kam eins zum anderen; mittlerweile ist Peters seit zwanzig Jahren am Ball. Seine Begeisterung für den Sport ging so weit, dass er 2003 die erste Baseballabteilung im HSV etablierte. Nur ein Jahr später fusionierten die Baseballer mit den neu hinzugekommenen Stealers, die vier zusätzliche Herren- und drei Nachwuchs­ teams mitbrachten. Aus einem Hobby wurde plötzlich Leistungssport, weshalb immer mehr Alteingesessene dem Training fernblieben und 2010 ein neues


Baseball im HSV

Sebastian Müller kam mit elf Jahren zum Baseball.

Baseball und Softball unterscheiden sich zum Beispiel in der Wurfbewegung des Pitchers.

Hanseatics-Team gründeten, außerhalb des HSV. Als die Stealers den Verein doch wieder verließen, kehrten die Hanseatics vor einem Jahr zurück mit derzeit zwei Herrenteams (HSV-Hanseatics) und einer Damenmannschaft, die sich inzwischen in die bereits bestehenden HSV-Wildcats integriert hat. Ein Nachwuchsteam ist in Planung. Sebastian Müller ist seit Januar bei den Hanseatics. Von fünf Vereinen in Hamburg hat er sich für den HSV entschieden. „Bei den anderen hat man mehr oder weniger vorgespielt, wurde sozusagen gescoutet“, sagt er. Darauf hatte er keine Lust – und traf beim HSV auf offene Leute, keinen Konkurrenzdruck. Und: „Hier geht’s um Spaß.“ Aber was ist überhaupt so faszinierend an dieser Sportart, die in den USA eine längere Tradition hat als Basketball und American Football? Diesem Spiel, das mitunter Stunden dauert und von dessen Regeln zumindest in Deutschland nur wenige eine genaue Vorstellung haben? Diesem Schlagspiel, das bei den Männern Base- und bei den Frauen Softball heißt? Für Peters macht’s die Mischung neben und auf dem Feld: „In den USA ist es nicht nur eine Sportveranstaltung – es ist ein Event.“ Familie, Barbecue, Base- oder Softball schauen – ein perfekter Nachmittag. Und auf dem Feld? Da wäre zum Ersten das Laufen von Base zu Base, bevor der Ball ankommt. 27 Meter liegen zwischen

zwei Bodenplatten, beim Softball sind es 18 Meter; wer schnell ist, schafft sogar die doppelte Distanz. Und das immer wieder während einer Partie. „Das ist schon echt anstrengend.“ Zum Zweiten wäre da das Werfen. Auf eine Entfernung von fast zwanzig Metern (beim Softball: 13 Metern) muss der sogenannte Pitcher den Ball durch ein gedachtes Quadrat werfen, das gerade mal die Größe eines Turms beim Dosenwerfen hat. Gleichzeitig muss er versuchen, durch Wurftechniken zu verhindern, dass der gegnerische

Abteilungsleiter. Aber auch nichts, was so viel Spaß macht, ergänzt der Neue beim HSV, Sebastian Müller. Außer vielleicht zum Vierten: das Fangen mit dem großen Greifhandschuh, der wie Schläger, Tiefschutz und Cap zur Ausrüstung gehört. „Im Outfield kann es sein, dass eine halbe Stunde kein Ball kommt.“ Wenn dann aber ein gegnerischer Schlagmann einen fast perfekten Ball trifft, muss man – im wahrsten Sinn – auf einen Schlag konzentriert sein, nach Bällen hechten, sie zu seinen Mitspielern zurückbefördern – und

„Man hat von null auf hundert gleich Action.“ Schlagmann den Ball erwischt. „Deshalb ist der Pitcher eine spielentscheidende Position.“ Wenn’s gut läuft, wirft er sechzig-, siebzig-, achtzigmal pro Spiel. „Da merkst du abends, was du gemacht hast …“ Da wäre dann auch schon zum Dritten das Schlagen, das Oliver Peters reizt. Fünfzig bis achtzig Stundenkilometer wird ein gut getroffener Ball in der Liga schnell, die Hand-Auge-Koordination ist die größte Herausforderung. „Es gibt nichts Schwierigeres, als einen Baseball zu treffen“, sagt der

Punkte der Gegner verhindern. Immer wieder faszinierend ist dabei, mit welcher Präzision die kleine, mit Leder ummantelte Kugel aus Kork von einer Hand zur nächsten fliegt – über große Distanzen hinweg so genau, dass einem schnell klar wird, weshalb die Hanseatics und Wildcats das Werfen im Training so exzessiv üben. Und nicht zuletzt geht es um Taktik. Hier kommt der Catcher ins Spiel: der Mann, der hinter dem Schlagmann kniet und auf den ersten Blick nur dazu da ist, den Ball seines

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VEREIN

Baseball im HSV

Baseball-Basics Die Grundregeln im Base- und Softball sind ähnlich; hier sind sie exemplarisch am Männersport erklärt.

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OUTFIELD

9

7

4

6

Fo -L

ul in e (9 0– 12 0  m )

5

INFIELD

3

1

1

1

Abteilungsleiter Oliver Peters.

Homebase Pitchers zu fangen. Aber von wegen: Der Catcher hat als einziger Spieler das komplette Feld auf einmal im Blick. „Schon vor dem Schlag muss er wissen, an welche Base sein Team den Ball als Erstes werfen soll.“ Baseball ist also „ein facettenreicher, taktischer und komplexer Sport mit vielen Highlights“, fasst Sebastian Müller zusammen. „Und man hat von null auf hundert gleich Action. Das sollte man sich einfach mal anschauen.“ Und wer weiß: Vielleicht wird das Interesse beim Zuschauen so groß wie bei dem einst elfjährigen Buben in Bayern, der bis heute nicht mehr lassen kann von dieser traditionsreichsten aller amerikanischen Ballsportarten. |

Strike Zone

Base

2

2

3 6

4 7

5 8

9

Mannschaften

die Defensive auf diese Weise drei Gegenspie-

Jedes Team besteht aus neun Spielern. Die De-

ler „out“ macht, wird die Offensive zur Defen-

fensivmannschaft befindet sich komplett auf

sive und umgekehrt.

dem Feld, die Offensivmannschaft beginnt mit einem Schlagmann, der bei erfolgreichem

Duell Pitcher gegen Batter

Schlag zur ersten Base – oder noch weiter –

Der Pitcher muss den Ball durch die Strike

läuft (Runner); ihm folgt der nächste Offensiv-

Zone zu seinem Catcher (Fänger) werfen. Die

spieler als Schlagmann. Im Höchstfall können

Strike Zone ist ein gedachtes Viereck in der

vier Offensivspieler gleichzeitig beteiligt sein.

Breite der Homebase (43 Zentimeter) und der Höhe von Brust bis Knien des gegnerischen

Info: Die Saison der der Base- und Softballteams dauert von April bis September. Beide Herrenteams haben ihre Heimspielstätte im Ballpark Bunny Hill, Beim Saaren 9 (SC Europa) in HamburgMümmelmannsberg. Die Damen spielen auf dem Sportplatz Voigt-CordesDamm. Wer möchte, kann sich auf der Website zum Probetraining anmelden; dort stehen nach Bekanntwerden auch die Trainings- und Spielzeiten: www.baseball-und-softball-im-hsv.de

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Spielablauf

Schlagmanns (Batter). Der Pitcher hat drei-

Jeder Offensivspieler kommt zunächst als

mal die Chance, durch die Strike Zone zu sei-

Schlagmann aufs Feld und versucht, den

nem Catcher zu werfen. Gelingt es ihm drei-

vom gegnerischen Pitcher (Werfer) geworfe-

mal, ohne dass der Schlagmann den Ball

nen Ball mit dem Schläger zu treffen und zur

trifft, ist der Schlagmann „out“. Gelingt es

nächsten Base zu rennen, bevor die gegneri-

ihm nicht, dürfen alle gegnerischen Runner

sche Mannschaft den Ball dorthin befördert.

kampflos eine Base weitergehen.

Erreicht ein Runner die Homebase, erzielt er für sein Team einen Punkt.

Spieldauer

Für die Defensive gibt es verschiedene Mög-

Sobald jede Mannschaft einmal Offensive

lichkeiten, einzelne Gegenspieler aus dem

und einmal Defensive war, endet ein Inning.

laufenden Durchgang zu werfen, also „out“

Nach jedem Inning wird gezählt, wie viele

zu machen. Das ist zum Beispiel der Fall,

Spieler einer Mannschaft es geschafft haben,

wenn der Schlagmann den von der Defensi-

alle vier Bases abzulaufen. Eine Gesamtpar-

ve geworfenen Ball dreimal nicht trifft oder

tie besteht in den höheren Ligen aus neun sol-

ihn zwar trifft, aber die Defensive den Ball

cher Innings, in der Landesliga sind es sieben

aus der Luft fängt. Oder wenn der Ball vor ei-

Innings. Jedes Team ist also siebenmal in der

nem Runner an einer Base ankommt. Wenn

Offensive und siebenmal in der Defensive.


News

Neues aus dem Klub

Neu: Beachsoccer

Mit einem Tryout hat das HSV-BeachsoccerProjekt Ende Februar seinen Startschuss erlebt. Knapp zwanzig Spieler kamen ins Beachcenter Hamburg, um ihre technischen und sportlichen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Auch das HSV-Präsidium, die Abteilungsleitung des HSV Supporters Clubs und Jörn ­Spuida, Geschäftsführer HSV e. V., waren zum offiziellen Projektstart dabei, bei dem die Spieler mehr als eine Stunde lang den Sand bei verschiedenen Trainingsspielen ordentlich durchpflügten. HSV-Beach­soccer Trainer Stefano Mari, ehemaliger HSV-Spieler und Rekordnationalspieler im Beach­soccer, zeigte sich begeistert: „Die Spieler haben bereits ein sehr hohes Niveau. Viele bringen bereits Sanderfahrung mit, und ich bin überzeugt, dass wir hier ein schlagkräftiges Team zusammenstellen können.“ Das Training findet seit Anfang März einmal wöchentlich statt. Künftig sollen aber noch weitere Trainingszeiten hinzukommen, um ideal vorbereitet in die Saison zu starten. |

Erfolg für Rollstuhlbasketballer

Mitte März haben die BG Baskets Hamburg die Euroleague-Qualifikation in der Inselpark-Arena in Hamburg-Wilhelmsburg ausgetragen. Mit einem guten dritten Platz qualifizierte sich das HSV-Team vor heimischem Publikum für den André-Vergauwen-Cup 2016 in Valladolid (Spanien). Gegner waren die Rollstuhlbasketball-Teams von CD Ilunion Madrid (Spanien), GSD Porto Torres (Italien), Hyères Handi Basket (Frankreich) und Beit Halochem Tel Aviv (Israel). „Sportlich haben wir mit dem dritten Platz das wichtigste Ziel, die Endrunde der Euroleague 2, erreicht. Wir waren nah dran an der Endrunde für die höchste europäische Liga und werden weiter an der Entwicklung des Teams arbeiten, um den nächsten Schritt Richtung internationale Topliga zu gehen“, erklärte Jörn Spuida, Geschäftsführer des HSV e. V. Weitere Informationen zu den Wettbewerben der IWBF Europe gibt es unter www.iwbf-europe.org. |

Road to Rio 2016

Jeder Hochleistungssportler träumt von den Olympischen beziehungsweise Paralym­ pischen Spielen. Einige HSV-Athleten könnten sich diesen Traum 2016 erfüllen. Unsere Beachvolleyballerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst haben beste Chancen, nach Rio zu fahren. In der Weltrangliste stehen die beiden auf einem sensationellen dritten Platz und haben rund 1500 Punkte Vorsprung auf die deutsche Konkurrenz. Auch Sebastian Bayer möchte sich seine dritte Olympiateilnahme sichern. Bis zum 10. Juli muss der Weitspringer die Norm von 8,15 Metern schaffen. Nadja Käther hat gleich zwei Möglichkeiten, sich zu qualifizieren: Im Dreisprung und Weitsprung möchte sie die Norm angreifen. Für die Paralympischen Spiele haben sich bereits drei Spielerinnen der BG Baskets Hamburg mit der Damen-Nationalmannschaft qualifiziert. Zudem hat die HSV-Handbikerin Dorothee Vieth dank ihrer zahlreichen Erfolge im vergangenen Jahr ihr Ticket für einen Startplatz in Rio de Janeiro gelöst. |

Punkt um Punkt

Die Triathleten des Hamburger SV sammeln in der diesjährigen Winterpokal-Challenge des Rennrad-Forums Punkte mit Trainingseinheiten im Wasser, auf dem Rad und in Laufschuhen. Das fünfköpfige HSV-Team sammelte von November bis März in über 750 Trainingsstunden bereits mehr als 2400 Punkte und belegt einen achtbaren Platz unter den Top 150 von knapp 460 Mannschaften. Dabei haben die HSV-Triathleten unter anderem auch den FC St. Pauli hinter sich gelassen. Alle fünf Winterpokal-Athleten arbeiten ganz nebenbei auch an den Grundlagen für die anstehende Triathlonsaison. Neben der Triathlon-Landesliga Hamburg wirft bereits die 15. Auflage des „Ostseeman Glücksburg“ ihre Schatten voraus. Bei der Langdistanz mit 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und einem Marathon entlang der Flensburger Förde schickt die Triathlonabteilung des Hamburger SV zwei Einzelstarter und zwei Staffeln ins Rennen. Weitere Infos unter www.facebook.de/hsv-triathlon und www.hsvtriathlon.de. |

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VEREIN

Interview: Stephanie Lehnert ∙ Fotos: Christian Küch

Verwandlung eines Teams Die dritte Mannschaft des HSV steckt sich ehrgeizige Ziele. Trainer Felix Karch spricht im Interview über seinen Wechsel vom Spieler zum Coach, über Trainingskonzepte, die Fans – und den Aufstieg in die Oberliga.

V

or zwei Jahren spielten die Fußballherren vom Hamburger SV III nach ihrem Abstieg im Mittelmaß der Hamburger Bezirksliga. Dann übernahm der HSV-III-Spieler Felix Karch Ende 2014 unverhofft das Ruder– und brachte neuen Schwung in die Mannschaft. Unter seiner Leitung schaffte das Team direkt den Aufstieg in die Landesliga Hammonia. Heute steht der HSV III dort in der oberen Tabellenhälfte und träumt bereits vom nächsten großen Projekt: dem Aufstieg in die Oberliga.

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Du warst selbst Spieler beim HSV III und kennst die Mannschaft aus dem Effeff. Was macht den HSV III aus? Wir sehen uns als große Familie. Das hilft uns als Mannschaft ungemein, wichtige Reserven bei Spielen zu mobilisieren. Viele Spieler unternehmen auch privat viel zusammen. Sie können so viel besser einschätzen, woran es liegt, wenn andere Spieler mal nicht so gut drauf sind oder es insgesamt mal nicht so gut läuft. Dass ich selbst einmal Spieler war, ist gut für meinen Job. Das gesamte Trainerteam wird von der Mannschaft super angenommen. Die Spieler stehen hinter unseren Ideen.

Wie kam es überhaupt dazu, dass Du auf die Trainerseite gewechselt bist? Unser damaliger Trainer konnte aus Zeitgründen nicht mehr weitermachen. Ich nahm als Spielertrainer mit zwei weiteren Spielern dann das Zepter in die Hand, um die noch fünf ausstehenden Spiele bis zur Winterpause der Saison 2014/2015 gut über die Runden zu bekommen. Das funktionierte ausgesprochen gut, und wir gewannen alle Spiele zu null. Ein halbes Jahr später waren wir in die Landesliga aufgestiegen. Allerdings merkte ich während dieser Zeit auch, dass ich nicht gleichzeitig Trainer und Spieler sein kann. Trotzdem


HSV III

machte ich noch bis zum Aufstieg in Doppelfunktion weiter. Dann traf ich eine Entscheidung im Sinne der Mannschaft und der Perspektive und bin heute zufrieden damit. Denn ich habe große Freude daran, Trainer zu sein! Alles, was du investierst, gibt dir die Mannschaft zurück. Unter Dir als Trainer ist das Team unmittelbar in die Landesliga Hammonia aufgestiegen. Kannst Du die Zeit noch einmal ein wenig Revue passieren lassen? Bevor ich den Posten des Coachs übernahm, hatten wir neun Punkte Rückstand auf einen Relegationsplatz. Da ich von Natur aus optimistisch bin, stellte ich mich dann als neuer Trainer vor die Mannschaft und sagte zu den Jungs: „Wir werden am Ende aufsteigen.“ Was die Mannschaft danach geleistet hat, war gigantisch. In Summe verloren wir lediglich ein Spiel, und das zeigte das Potenzial dieser Mannschaft. Das Team selbst hat sich diesen Erfolg erschaffen. Letzten Endes ist es so, dass es nie mit „Müssen“ funktionierte, sondern nur über das „Wollen“.

Gibt es eine Art Ritual, das Ihr zu jedem Spiel zelebriert? Nein, ich versuche, die Mannschaft stets auf den Gegner einzustellen und sie auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Was in der Kabine vor dem Spiel passiert, bleibt das Geheimnis der Mannschaft. Die Ansprache im Kreis vor dem Spiel macht unser Kapitän. Sie endet mit den Worten „Mit euch – am liebsten“. Und wir meinen es genau so. Wie zufrieden bist Du mit der laufenden Saison? Ich denke, wenn du als Aufsteiger um die oberen Tabellenplätze mitspielst und nichts mit dem Abstieg zu tun hast, kannst du schon sehr zufrieden sein. Dennoch wollen wir als Mannschaft natürlich mehr. Das Team hat enormes Entwicklungspotenzial. In dieser Saison haben wir ein paar glückliche Punkte geholt, aber deutlich mehr Punkte unglücklich verloren. Unser Trumpf ist, dass wir uns in Schwächeperioden immer wieder aufrappeln, um zu alter Stärke zurückzufinden. Auch die neuen Spieler haben sich schnell in die Mannschaft integriert. Das Team festigt sich und harmoniert. Ich denke, wir

Trainer Felix Karch schwört die Fußballer vom HSV III auf das anstehende Spiel ein.

sind eine Top-Landesliga-Mannschaft, und die Jungs lechzen nach mehr. Ihr habt die meisten Fans in der Liga. Wie ist die Unterstützung für Euch vom Spielfeldrand? Dass wir so viel Unterstützung von den Fans erhalten, ist sicherlich ein Alleinstellungsmerkmal in der Liga. Das Team wird gefeiert, und das zu sehen macht Spaß. Ich denke, für die Fans sind unsere Spiele toll, weil sie eine gute Mischung aus Fußball und Event bekommen. Fansupport ist immer gut und wichtig für uns, wenn er friedlich und sportlich fair läuft. Sucht Ihr noch Spieler für Euer Team? Wir als Mannschaft haben allein auf Facebook mehr als 4500 Follower. Das ist schon unfassbar! Wöchentlich erhalten wir aber zudem mindestens zehn Anfragen für ein Probetraining aus ganz Europa. Jeder muss an dieser Stelle verstehen, dass unsere Möglichkeiten für Probetrainings begrenzt sind. Was wir immer suchen, sind Betreuer, wie beispielsweise einen Zeugwart oder jemanden, der sich um Sponsoren kümmert. Und wenn jemand in der Regionalliga spielt und unser Team unterstützen möchte, laden wir denjenigen natürlich auch gern zum Probetraining ein. Wir wollen ja immer besser werden. (lacht) Ansonsten versuchen wir die Qualität der Mannschaft aber größtenteils mit dem eigenen HSV-Nachwuchs zu erhalten. Wir wollen den Amateuren, die im HSV keine Aufstiegschance haben, eine Perspektive geben, im Verein zu bleiben.

Gibt es etwas, das Ihr in der nächsten Saison auf jeden Fall anders machen wollt? In der kommenden Saison wollen wir auf jeden Fall auch gegen Mannschaften gewinnen, die derzeit in der Tabelle noch vor uns stehen. Um das Ziel zu erreichen, wollen wir als Mannschaft noch selbstbewusster auftreten, uns noch mehr auf unsere eigenen Stärken konzentrieren und noch variabler werden. Außerdem wollen wir, dass uns die anderen Mannschaften in der kommenden Saison noch stärker als ungemütlichen Gegner wahrnehmen. Was sind dann die längerfristigen Ziele, die Du mit der Mannschaft anvisierst? Wir wollen in zwei bis drei Jahren um den Aufstieg in die Oberliga mitspielen. Dass wir das schaffen können, davon sind wir als Team überzeugt. In der nächsten Saison wollen und müssen wir jedoch erst mal unsere Leistung aus diesem Jahr bestätigen. Im zweiten Jahr ist das immer schwieriger. Schon allein deshalb, weil uns die anderen Mannschaften dann definitiv nicht mehr unterschätzen werden. Aber wir freuen uns darauf. |

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SCHLUSSPHASE VEREIN

Kolumne: Klaus Baumann · Fotos: Witters

Siebenmal deutscher Meister*

* Der Konsum dieses Beitrags kann bei Sympathisanten des FC Bayern München zu gesteigerter Arroganz und Überheblichkeit führen. Da diese Eigenschaften bei der Mehrzahl bereits stark ausgeprägt sein dürften, sind jedoch keine negativen Auswirkungen auf den Charakter und das Verhalten zu befürchten.

Der Gewinn der letzten Meisterschaft liegt über dreißig Jahre zurück. Um dieses großartige Gefühl trotzdem wieder zu spüren, hilft zurzeit nur hinlegen, Augen schließen und träumen.

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in ich jemals von meinem eigenen Fangesang geweckt worden? Früher bekam ich bereits Ellenbogenstöße von der anderen Hälfte des Bettes, wenn ich nur unregelmäßige Atemlaute von mir gab. Aber an diesem eiskalten Samstagmorgen im Februar erwache ich eingemummelt im Bett und höre mich singen: „Siebenmal deutscher Meister, dreimal Pokalsieger, immer erste Liga, HSV!“ Wie paralysiert gehe ich ins Bad, ­blicke in den Spiegel und sehe, dass ich über das ganze Gesicht grinse. Ich sehe glücklich aus. Irgendwas muss in dieser Nacht passiert sein. Als ich in die Küche weiterschlurfe, in Richtung Kaffeemaschine, frage ich mich: „Wieso siebenmal deutscher Meister?“ Dann flackern die ersten Bilder in meinem Kopf auf. Ich habe in meinem Traum kurz in die Zukunft sehen dürfen. Als ich an meinem Kaffee nippe, sehe ich es plötzlich wieder vor mir: Unser Team steht auf dem Hamburger Rathausbalkon und ich direkt darunter. Bruno reckt die Schale dreimal in die Luft und ruft: „Heeey, heeey, heeey!“ Wir, Tausende Schwarz-Weiß-Blauen – nicht nur vor Freude trunken – reißen mit ihm die Arme in die Luft. Unser Kapitän Djourou, der in der Tat eine Kapitänsmütze trägt, die ihm kurz zuvor auf dem Balkon „uns Uwe“ überreichte, stimmt mit heiserer Stimme zum gefühlt hundertsten

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Male „Siebenmal deutscher Meister …“ an. Glücksgefühle durchströmen mich, ich will sie festhalten. Ich eile zum Schreibtisch, fahre mein Notebook hoch und haue alle Erinnerungen an diesen wundersamen Traum zügig in die Tasten, damit kein Detail verloren geht. Auf dem Platz steht der jüngste HSV-Kader der Geschichte Zwei Wochen vor Beginn der Saison 2016/2017 sorgt der HSV für einen Paukenschlag: Auf einer spontan einberufenen Pressekonferenz berichtet Didi – den Tränen nahe –, dass die HSV Fußball AG erhebliche Liquiditätsengpässe habe. Unser Vorstandsvorsitzender stammelt sichtlich gerührt von einem Schuldenberg und erdrückenden Zinsen. Man sei gezwungen, zahlreiche Leistungsträger zu veräußern, um zumindest noch bis Jahresende durchhalten zu können. (An dieser Stelle des Traumes müsste ich eigentlich nervös gezuckt haben.) Der hanseatische Oligarch Kühne hatte sich zuvor geweigert, finan­zielle Mittel bereitzustellen. In einem Interview – geführt während einer Greenpeace-Mitgliederversammlung – erklärte er, dass seine Geduld aufgebraucht sei und er entschieden habe, künftig in sinnvollere Projekte zu investieren. Der HSV müsse ohne ihn wieder auf die Beine kommen. Vor versammelter Presse nennt Didi erste Spielernamen, die den Verein noch vor

Beginn der Saison verlassen müssen: Lasogga, Müller, Holtby, Ilicevic, Kacar, Hunt, Drmic, Sakai und Ostrzolek stehen auf seiner Streichliste. Ein Raunen geht durch den überfüllten Presseraum im Volksparkstadion. In Befragungen des „Kickers“ unter den 18 Bundesligatrainern gilt der HSV von nun an als Abstiegskandidat Nummer eins. Doch dann kommt der erste Spieltag. Schon wieder müssen wir gegen die Bayern die Saison eröffnen. Es scheint, als wolle uns die DFL bereits zu Beginn der Spielzeit systematisch demoralisieren. Aber diesmal läuft alles ganz anders. Auf dem Platz steht der jüngste HSV-Kader der Bundesligageschichte. Fünf Spieler, die allesamt aus dem eigenen Nachwuchs stammen, sind jünger als zwanzig. Spekuliert wird an diesem Freitag im August nur noch darüber, ob es zweistellig wird. Vor Anpfiff grölt der Bayern-Pöbel durch die Arroganz-Arena: „Keine Kohle, keine Punkte, HSV.“ Die Bayern jedoch scheinen Ancelottis Italodeutsch nicht verstanden zu haben, verblüffen mit hoher Fehlpassquote und bleiben immer wieder im Abwehrbollwerk des HSV hängen. Die Abwehr ist das, was dem HSV geblieben ist: Adler, Cléber und Djourou in der Innenverteidigung, Dieki spielt rechts hinten. Links hinten wirbelt neuerdings ein 17-Jähriger aus der HSV-Reserve. Ich meine mich aus den Tiefen meines Traums zu erinnern, dass dieser Jungspund ein Enkel


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einer HSV-Größe aus den glorreichen Achtzigern war. Bis zur neunzigsten Minute steht es 0:0. Eine Minute wird nachgespielt. Dieki sprintet in seiner unkopierbaren Manier über rechts und lässt Lahm stehen wie einen Schuljungen. Er flankt gezielt nach innen, direkt auf den harten Schädel von Spahic, den Bruno zwangsläufig zum Stürmer umfunktionieren musste: Mit Rudi Rudnevs war nur noch ein gelernter Angreifer im Kader verblieben. Rudi hatte sich bereit erklärt, die gesamte Saison über auf sein Gehalt zu verzichten, und durfte somit bleiben. Der eisenharte Kopfstoß von Spahic aus fünf Metern landet auf dem Scheitel von Neuer, von dort springt der Ball unter die Latte – und plötzlich liegt er im Netz. Dann ist Schluss. Als die fast zehntausend HSV-Anhänger im Stadion singen „Keinen Torwart, keine Punkte, Bayern-Pack“ schwenkt die Sky-Kamera auf die Tribüne, wo Uli Hoeneß sich zurück in den Knast wünscht. Plötzlich klingelt es an meiner ­Haustür. Ich denke „Mist“, doch nicht jetzt. Mein Briefträger, der Bayern-Bernd, immer mit einem abstoßenden Bayern-­München-­Stirnband unterwegs – eine Zumutung, dass die Deutsche Post solche schweren Geschmacksverirrungen überhaupt ihren Kunden zumutet – drückt mir das neue „HSV live“-Magazin in die Hand. Ironisch lächelnd sagt er: „Hier ist Dein Relegationsmagazin.“ Voller

Überzeugung entgegne ich: „Ach, Bernd. Du hast weder von Stirnbändern noch von Fußball eine Ahnung. Nächste Saison seid Ihr fällig!“ Sprachlos zieht er von dannen, überrascht von meinem resoluten Tonfall. Als er in seinen gelben Bulli klettert, ruft er zurück: „Du Träumer!“ Wie recht er doch hat. Zurück am Schreibtisch haben sich meine Erinnerungen – dank Bayern-Bernd – nahezu in Luft aufgelöst. Irgendwie gelingt

steigen einige bruchstückhafte Erinnerungen wieder in mir empor. Ich kippe den doppelten Espresso zügig hinunter und haste zum Notebook, um diesen Traum lückenlos weiter zu dokumentieren. Jürgen Klopp zurück als Cheftrainer in Dortmund Es ist eine der größten Gesten seit Gründung der Bundesliga: Jürgen Klopp setzt Bruno Labbadia am 34. Spieltag nach Spiel-

„Bruno reckt die Schale in die Luft und ruft: ‚Heeey, heeey, heeey!‘“ es mir nicht mehr, meinen Glückstraum zu rekonstruieren. Erneut gehe ich in die Küche, um mir einen doppelten Espresso zu machen. Irgendwie muss ich doch die trägen Gehirnwindungen noch mal aktivieren können. Als ich auf den Kühlschrank blicke, fällt mir ein „Mopo“-Zeitungsausschnitt ins Auge, den ich im letzten November nach dem grandiosen 3:1-Sieg gegen Dortmund ausgeschnitten und mit vier Rautenmagneten angeheftet hatte: „11 Superhelden putzen den BVB“. Plötzlich

schluss die berühmte Pöhler-Kappe auf, nimmt ihn fest in die Arme und flüstert ihm irgendwas ins Ohr, sodass beide kräftig grinsen müssen. In Liverpool wegen Erfolglosigkeit entlassen, macht ihn der BVB vor dem letzten Spieltag mit einer völlig überraschenden Rückholaktion erneut zum Cheftrainer. Obwohl Tuchel das Wunder vollbracht hatte, die Borussen 33 Spieltage souverän an der Tabellenspitze zu beherbergen, muss er gehen: Er hatte über Wochen zu offensiv mit dem FC Barcelona

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SCHLUSSPHASE

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Foto: privat

geflirtet, weil er sich mal wieder zu Höherem berufen fühlte. Watzke und „Susi“ Zorc mussten zuvor mitansehen, wie infolge der Wechselabsichten Tuchels in Dortmund große Unruhe entstand und das komfortable Zehn-Punkte-Polster auf die Sensa­ tionsmannschaft aus Hamburg immer weiter schmolz. Dortmund verlor Punkt für Punkt, während sich der HSV mit unbändigem Willen und undurchdringlicher Abwehr Sieg für Sieg erkämpfte und immer näher an die Dortmunder heranrückte. Nach dem 33. Spieltag platzt Watzke und Zorc die Hutschnur und Tuchel wird vom Hof gejagt. Rathausbalkon für die Meisterfeier Am letzten Spieltag im Volkspark kommt es schließlich zum großen Showdown gegen Jürgen Klopp: Das jüngste Team der Liga steht nur zwei Punkte hinter dem BVB und kann aus eigener Kraft noch deutscher Meister werden. Als Peter Knäbel den Rathausbalkon für eine Meisterfeier anfragt, lästert der Senat, ob er noch alle Zettel im Rucksack habe. An diesem Samstag im Mai bebt der Volkspark. Wenige Minuten vor Schluss steht es 3:3. Bruno wechselt den spindeldürren Rudi ein, der zuletzt sogar an der Essensausgabe verschiedener Tafeln gesehen

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worden sein soll. Der Gehaltsverzicht zeigt Wirkung. In der 93. Minute geschieht dann das Unglaubliche: Spahic, mittlerweile Torschützenkönig der Liga, wird erneut per Flanke von Dieki bedient und verlängert per Kopf auf Rudi. Rudi stoppt den Ball mit der Brust, schwebt plötzlich leicht wie eine Feder waagerecht in der Luft und zirkelt den Ball per Fallrückzieher hinter den perplexen Torwächter der Gelb-Schwarzen, der jetzt Manuel Neuer heißt, in die Maschen. Neuer wurde von den eigenen Fans nach dem Bock am ersten Spieltag verspottet und hatte um eine Vertragsauflösung gebeten. Dann hatte er unweit seiner Heimat Schalke in Dortmund angeheuert. Wenige Sekunden später ist das Spiel beendet: Klopp steuert auf den hüpfenden Bruno zu und kürt ihn würdevoll zum Pöhler. Er säuselt ihm zu: „Ihr habt eine geile Saison gespielt und Euch die Schale verdient. Und außerdem: Hauptsache, nicht Bayern.“ Der Volkspark rastet völlig aus und seit heute weiß jeder in Deutschland, wer zum siebten Male die Schale in welche Stadt geholt hat. Die Ruuuuuuudneeeeeeeeeeevs-Rufe („Whoomp there it is“) dringen bis nach München. Die Bayern spielen die schlechteste Saison seit Jahrzehnten und verschleißen in der laufenden Spielzeit drei Trainer. Der Zuschauerschnitt sinkt auf 12.000. Der blasierte

Bayern-Fan will Siege sehen. Auch das letzte Heimspiel gegen Rote Birne Leipzig, zu dem nur noch 7396 Menschen im Stadion gezählt werden, geht verloren. Die Bayern verpassen knapp die Qualifikation für die Euro-League. Hoeneß, mittlerweile wegen des Verdachts auf Gammelfleisch in seiner Wurstfabrik im Visier diverser Behörden, ist außer sich vor Wut und droht dem HSV in einem Live­i nterview, dass er gegen diesen Titelgewinn gerichtlich vorgehen wolle. Indes wird er vor laufender Kamera verhaftet. Während des Handgemenges mit den Zivilbeamten fallen glibberige Fleischreste aus den Taschen seines roten Vereinssakkos. Als ich die letzte Zeile dieses wirren, ­abstrusen Traumes niedergeschrieben habe und meine Erinnerungen sich nun erschöpfen, fahre ich das Notebook herunter. Zufrieden und beseelt lege ich mich auf das Sofa und beginne zu dösen. Ich hoffe auf einen Tagtraum und darauf, diesmal mit „viermal Pokalsieger“ wieder zu erwachen. Aber so lange „immer erste Liga“ steht, ist auch alles gut. Ich bin eben unbayerisch genügsam. |


Foto: Witters

HSV kompakt

HSV kompakt Supporters Club

Ihr erreicht uns wie folgt: Hamburger Sport-Verein e. V. Supporters Club Sylvesterallee 7 22525 Hamburg Telefon: 040/41 55-15 00 Fax: 040/41 55-15 10 Internet: www.hsv-ev.de E-Mail: supporters@hsv.de

SC-Stand

Der Stand befindet sich in der Ebene 4 der Nordtribüne. Er ist an Heimspieltagen bis 15 Minuten vor Anpfiff und nach dem Spiel geöffnet. Hier könnt ihr Euch mit SC-Merchandiseprodukten eindecken.

Öffentliche Abteilungsleitungssitzung

Das genaue Datum und den Ort der öffentlichen Abteilungsleitungssitzung veröffentlichen wir jeweils rechtzeitig auf unserer Internetseite www.hsv-ev.de. Jeder ist herzlich eingeladen, vorbeizuschauen und zuzuhören oder auch mitzudiskutieren.

Montagstreff der Gemeinschaft der Senioren

Der Seniorenrat veranstaltet an jedem ersten Montag im Monat eine nicht öffentliche Versammlung. Beginn ist um 19 Uhr im Hotel Elysée, Rothenbaumchaussee 10, 20148 Hamburg.

Onlinestore

Unter www.hsv-tickets.de könnt Ihr Karten und Fahrten für Auswärtsspiele des HSV bestellen. Die Kollektion des Supporters Clubs könnt Ihr unter www.hsv-sc-shop.de bestellen.

Botschaft des SC

Auch an der Botschaft des Supporters Clubs könnt Ihr bei Heim- und Auswärtsspielen des HSV Artikel aus der Kollektion des Supporters-Merchandise erwerben (Hinweis: Verkauf nur an Mitglieder gegen Vorlage des Mitgliedsausweises). Die Botschaft steht bei Heimspielen des HSV im Stadion auf der Westplaza. Der jeweilige Standort bei Auswärtsspielen wird im Vorfeld des Spiels auf www.hsv-ev.de und in der „Unterwegs“ veröffentlicht.

Ticketservice

Heimspielkarten können über die HSVBestellservice-Hotline unter 040/41 55-18 87, im Internet unter www.hsv.de, im ServiceCenter im Stadion oder in einem der HSVFanshops gekauft werden. Auswärtstickets und -fahrten können im Internet unter www.hsv-tickets.de, im Service-Center im Stadion oder in den HSVFanshops gekauft werden. Bitte beachtet auch die Ankündigungen und Informationen im Internet unter www.hsv.de.

HSV-Museum/ Stadionführungen

Das Museum befindet sich neben dem Restaurant „Die Raute“ im Nord-Ost-Bereich des Stadions. Die Öffnungszeiten des Museums sind täglich von 10 bis 18 Uhr*. Stadionführungen** finden täglich statt. Mitglieder erhalten auch hier einen Rabatt. Für Gruppen gibt es auf Anfrage auch Sonder­ tarife und Führungen zu anderen Zeiten. Weitere Informationen gibt es telefonisch unter 040/41 55-15 50 oder online unter www.hsv-museum.de. * Bei Heimspielen ist der Zutritt ab zwei Stunden vor Spielbeginn nur mit Eintrittskarte für das Spiel möglich. ** An Spieltagen oder anderen Veranstaltungstagen entfallen die Stadionführungen.

OFC-Gründungen

Alle Informationen hierzu findet Ihr im Netz unter www.hsv-ofc.de.

Mitgliederwesen

Bei Umzug, Namens- oder Bankverbindungsänderung steht Euch das Mitgliederwesen genauso wie bei allen anderen Fragen rund um die Mitgliedschaft im HSV zur Verfügung. Das Mitgliederwesen erreicht Ihr per Telefon (040/41 55-15 01), per E-Mail (mitgliederwesen@hsv.de) und per Post (Hamburger Sport-Verein e. V., Mitgliederwesen, Sylvesterallee 7, 22525 Hamburg).

Fanshops

»» HSV Arena Store (im Stadion) Sylvesterallee 7, 22525 Hamburg Mo.–Fr. 10–18 Uhr, Sa. 10–16 Uhr Sa. bei Heimspielen: mit Stadionöffnung »» HSV City Store (Innenstadt) Schmiedestraße 2, 20095 Hamburg Mo.–Fr. 10–19 Uhr, Sa. 10–16 Uhr »» HSV Fan Shop (Herold Center) Berliner Allee 34a, 22850 Norderstedt Mo.–Sa. 9.30–20 Uhr »» HSV Fan Shop (AEZ) Heegbarg 31, 22391 Hamburg Mo.–Sa. 9.30–20 Uhr

HSV-Service-Center

in der Nord-Ost-Ecke der Arena. Im Service-Center gibt es Tickets (Heim- und Auswärtsspiele), Infos rund um den HSV, Fundsachen vom Spieltag und vieles mehr. Kontakt: Persönlich Mo.–Fr. 10–18 Uhr, Sa. 10–16 Uhr Telefonisch unter 040/41 55-18 87 Mo.–Fr. 8–18 Uhr und Sa. 10–16 Uhr oder per E-Mail an info@hsv.de

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