30.Jahrgang
September 2025
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TOMS & Travel VAT: Öffentliche Konsultation gestartet – Frist: 16.10.2025! 4
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Konsultation 2025


Begründung der Konsultation bzw. der Reform
Umsatzsteuer
TOMS & Travel VAT: Öffentliche Konsultation gestartet – Frist: 16.10.2025!
Von RA/StB Dr. Volker Jorczyk, Köln
Kaum war der eine zumindest gefühlte reisesteuerliche Untätigkeit auf EUEbene „anklagende“ SRTour-Beitrag „TOMS & Travel VAT: Ein Status-quoÜberblick mit Rechtsstand Mai 2025“ im Juni-Heft publiziert (auf S. 8 ff.), da überraschte die EU-Kommission – und zwar ausgesprochen positiv – mit ihrem Call for Evidence (also der Aufforderung zur Stellungnahme zu einer Bewertung und einer gleichzeitig vorgenommenen Folgenabschätzung) am 24.7.2025 mit der Bekanntgabe einer öffentlichen Konsultation zur Aktualisierung der Mehrwertsteuervorschriften für den Reise- und Tourismussektor. Konkret geht es um die Margensteuer, im EU-Jargon „Sonderregelung für Reisebüros“, also das was hinlänglich auch als Tour Operator Margin Scheme (TOMS) bekannt ist, sowie die Mehrwertsteuervorschriften betreffend die Personenbeförderung mit ihrer derzeitigen Leistungsortbestimmung nach zurückgelegter Strecke. Die Frist zur Rückmeldung im Rahmen der öffentlichen Konsultation endet am 16.10.2025. Nutzen auch Sie Ihre Chance!
Hinweis: Für die SRTour-Leserschaft halten wir die relevanten Dokumente (DE/EN), nämlich den Call for Evidence sowie den Questionnaire „VAT rules applicable to Travel and Tourim sector“, unter www.srtourdigital.de/materialien.html zum Download bereit.
1. Problemstellung und politischer Kontext
Worum geht es genau? Man kann es kaum besser formulieren als im Call for Evidence selbst dargestellt:
„Die meisten Mehrwertsteuervorschriften für die Reise- und Tourismusbranche sind veraltet und tragen den übergeordneten Entwicklungen wie der Zunahme des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs und der verstärkten Reisemobilität innerhalb der EU, der Digitalisierung und des zunehmenden globalen Wettbewerbs nicht Rechnung. Hinzu kommt, dass diese Vorschriften von den Mitgliedstaaten uneinheitlich ausgelegt oder angewandt werden, wodurch der Wettbewerb im Binnenmarkt verzerrt und die Wettbewerbsfähigkeit von EU-Unternehmen gegenüber Drittländern in der jetzigen Rechtslage beeinträchtigt werden kann. Im Aktionsplan für eine faire und einfache Besteuerung zur Unterstützung der Aufbaustrategie betonte die Kommission, dass die Mehrwertsteuer-Sonderregelung für Reisebüros und die Mehrwertsteuervorschriften für die Personenbeförderung geprüft und überarbeitet werden müssen. Diese Initiative baut auf früheren Analysen der Mehrwertsteuervorschriften auf, etwa auf der Bewertung der Sonderregelung für Reisebüros, der damit zusammenhängenden öffentlichen Konsultation und einer Studie zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Mehrwertsteuervorschriften auf den Personenverkehr. Sie ergänzt die Reform „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“, mit der das Mehrwertsteuersystem der EU modernisiert werden soll. Zudem wird diese Initiative Teil der künftigen Tourismusstrategie für eine wettbewerbsfähigere, stärker digitalisierte, nachhaltigere, widerstandsfähigere und umweltfreundlichere Tourismusbranche in der EU sein. Aus diesen Gründen wird die Kommission prüfen, ob ein Legislativpaket im Bereich der Mehrwertsteuer erforderlich ist, dessen Schwerpunkt auf den beiden folgenden miteinander verknüpften Mehrwertsteuerregelungen liegt: (1) der Mehrwertsteuer-Sonderregelung für Reisebüros und (2) den Mehrwertsteuervorschriften für die Personenbeförderung."
2. Umfassende Bewertung durch die EU-Kommission
2.1 Ablauf der Neubewertung
Die EU-Kommission wird die bestehenden Regelungen innerhalb der EU, aber auch in relevanten Nachbarländern wie der Schweiz und UK ausführlich untersuchen und einer umfassenden Neubewertung im historischen, wirtschaftlichen und umsatzsteuersystematischen Kontext zuführen. Der Plan sieht konkret wie folgt aus:
„Im Rahmen dieser Bewertung werden Fakten gesammelt, um die Mehrwertsteuervorschriften anhand der Kriterien Wirksamkeit, Effizienz, Relevanz, Kohärenz und EU-Mehrwert objektiv zu bewerten. Bewertet wird die Anwendung der Vorschriften seit ihrer Aufnahme in das EU-Mehrwertsteuersystem bis heute in allen EU-Mitgliedstaaten. Des Weiteren wird die Bewertung auf den Erkenntnissen einer vergleichenden Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen in Nachbarländern wie der Schweiz und dem Vereinigten Königreich sowie einer externen Studie aufbauen.“
2.2 Die EU-Initiative in Bezug auf TOMS
Die EU-Kommission hat (historische) Probleme auf verschiedensten Ebenen in der Reise- und Tourismusbranche sowie Anwendungsdefizite der EU-weit bekanntlich teils stark differierenden TOMS-Vorschriften erkannt und den Handlungsbedarf zutreffend wie folgt umschrieben:
„Die Sonderregelung für Reisebüros verursacht erhebliche Wettbewerbsverzerrungen. Zunächst ist festzuhalten, dass die Differenz (Handelsspanne) von außerhalb der EU ansässigen Reisebüros, die Reiseleistungen in der EU verkaufen, aufgrund der Regel der Besteuerung am Ursprungsort nicht besteuert wird. Der sich daraus ergebende Wettbewerbsvorteil solcher Reisebüros (die aufgrund der Digitalisierung mittlerweile leichter in der EU tätig sein können) wird in der Studie auf 2-4% des Endpreises beziffert. Auch die mangelnde Flexibilität bei der Behandlung von B2B-Lieferungen bzw. -Leistungen (d.h. Lieferungen und Leistungen zwischen Unternehmen wie z.B. Großhandelsleistungen und die Organisation von Geschäftsveranstaltungen) trägt erheblich zu Verzerrungen bei, da die Vorsteuer auf Geschäftsreisen nicht abgezogen werden kann. Und nicht zuletzt wenden die Mitgliedstaaten die Vorschriften sehr unterschiedlich an, was zu Verzerrungen innerhalb der EU führt.“
2.3 Die EU-Initiative in Bezug auf die Personenbeförderung
Hinsichtlich der Passagebesteuerung hat sich in Brüssel seit langem die Meinung herausgebildet, dass insbesondere KMU mit umsatzsteuerlichen Multiregistrierungen überfordert seien und dass auch bestimmte Steuerbefreiungen hinterfragt werden sollten. Den „PassTrans Status quo“ umschreibt Brüssel wie folgt:
„Die Mehrwertsteuervorschriften für die Personenbeförderung lassen sich in der Praxis nur schwer anwenden. Die derzeitige Vorschrift über den Ort der Lieferung/Erbringung (im Verhältnis zur zurückgelegten Beförderungsstrecke) führt zu administrativen Problemen für kleine Anbieter von Landverkehrsdiensten innerhalb der EU (z.B. Kraftomnibusunternehmen). Im Durchschnitt kostet die Erlangung einer Mehrwertsteuerregistrierung in einem anderen Mitgliedstaat i.d.R. rund 4.500 €, während die laufenden jährlichen Kosten für die Einhaltung der Mehrwertsteuervorschriften für KMU (die die Mehrheit der Kraftomnibusunternehmen ausmachen) pro Tätigkeitsmitgliedstaat etwa 6.000 € betragen. Die Vorschriften ermöglichen zudem die breite Anwendung von Nullsätzen, insbesondere für den gesamten grenzüberschreitenden Luft- und Seeverkehr, sowie von ermäßigten MwSt-Sätzen für alle anderen Personenbeförderungsleistungen (Bus, Bahn usw.), wodurch die MwSt-Einnahmen sehr gering ausfallen (1,3 % der gesamten MwSt in der EU). Die Anwendung des Nullsatzes auf grenzüberschreitende Beförderungsleistungen ist zum Teil
KMU mit umsatzsteuerlichen Multiregistrierungen überfordert
Ziele und mögliche legislative Optionen
dadurch gerechtfertigt, dass auf diese Leistungen nur schwer Steuern erhoben werden können. Außerdem werden die verschiedenen Verkehrsträger mehrwertsteuerlich unterschiedlich behandelt, und dies ungeachtet ihrer Umweltauswirkungen. So werden Luftverkehrsdienste günstiger behandelt als Personenbeförderungsleistungen im Landverkehr, auf die allein fast 90% der gesamten MwSt-Einnahmen der Branche entfallen. Aufgrund dieser Unterschiede kann es bei Strecken, für die verschiedene, miteinander im Wettbewerb stehende Beförderungsarten angeboten werden, zu Verzerrungen kommen.“
2.4 EU-Zielsetzungen und Optionen
Ausgehend von dem Basisszenario bei der Bewertung aller politischen Optionen, die bislang gültigen Vorschriften gänzlich unverändert zu lassen, umschreibt die EU-Kommission ihre Ziele und mögliche legislative Optionen dahingehend, die genannten Verzerrungen zu beseitigen und modernisierte Vorschriften für die Reise- und Tourismusbranche zu schaffen Hierfür sind folgende Maßnahmen vorgesehen:
• „Gewährleistung einer einheitlicheren Anwendung der Mehrwertsteuervorschriften für die Reise- und Tourismusbranche
• Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für Akteure, die auf dem EU-Markt für Reise- und Tourismusdienstleistungen tätig sind (für alle Verkehrsträger)
• Gewährleistung einer gerechteren und einheitlicheren Besteuerung innerhalb der EU
• Erleichterung der Einhaltung der Mehrwertsteuervorschriften für Reiseveranstalter und Reisende
Zu den politischen Optionen könnten legislative Änderungen der folgenden Mehrwertsteuervorschriften gehören:
1. Die Sonderregelung für Reisebüros: Denkbar wären folgende Optionen: i) Besteuerung der Dienstleistungen von Reisebüros am Wohnort oder Reiseziel des Reisenden, ii) Ausschluss oder Möglichkeit des Ausschlusses von Großhandelslieferungen und/oder der Organisation von Geschäftsveranstaltungen, iii) Einführung einer Gesamtmarge und iv) Präzisierung des Anwendungsbereichs der Sonderregelung.
2. Besteuerung im Bereich der Personenbeförderung: Denkbar wären folgende Optionen: i) Besteuerung der Dienstleistung am Abreiseort oder Reiseziel des Reisenden und ii) Präzisierung oder Änderung des Anwendungsbereichs der Steuerbefreiung nach Art. 148 der MwSt-Richtlinie.“
Link zum Fragebogen
Praxishinweis: Adressaten der öffentlichen Konsultation sind alle Bürgerinnen und Bürger sowie Organisationen innerhalb und außerhalb der EU. Insbesondere erwartet man Stellungnahmen der maßgeblichen Akteure aus der Reise- und Tourismusbranche, vor allen Dingen von den stark betroffenen KMU sowie grenzüberschreitend tätigen Leistungsträgern, Steuer- und Zollbehörden der Mitgliedstaaten sowie Fachleuten aus der Praxis (hier der Link zum Fragebogen: https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/13698-VAT-package-for-travel-and-tourism/public-consultation_de).
3. Fragebogen TOMS – Erste Einschätzungen zu zehn Themen
Der EU-TOMS-Fragebogen beinhaltet zehn verschiedene Themenbereiche, mit diversen Unterpunkten, teilweise als „One-Choice-Test“ ausgestaltet, um die spezifische Meinungs- und Reformlage abzufragen. Nachfolgend finden Sie die aus Sicht des Verfassers vorzugswürdigen Standpunkte nebst knapper Erläuterung.
1. Stimmen Sie zu, dass die EU tätig werden muss, um folgende Ziele zu erreichen?
1.1 Verbesserung der Rechtssicherheit für Reisebüros und Reiseveranstalter
1.2 Verringerung der Unterschiede bei der Anwendung der Sonderregelung
1.3 Beseitigung von Verzerrungen innerhalb der EU, die sich aus der unterschiedlichen Anwendung der Vorschriften ergeben
1.4 Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für innerhalb und außerhalb der EU ansässige Reisebüros, die Reiseleistungen für Zielorte in der EU anbieten
1.5 Modernisierung der Regelung, um sie besser auf Unternehmen abzustimmen
1.6 Sonstiges
Einschätzung: Der Fragebogen ermöglicht zu den jeweils aufgelisteten Themen einige Antwortmöglichkeiten in den Kategorien „Stimme zu“, „Stimme vollkommen zu“, „Weder – noch“, „Stimme nicht zu“, „Stimme überhaupt nicht zu“ und – besonders aussagekräftig für alle Unentschiedenen – „Keine Meinung“ Dies vorausgeschickt wird man die vorgenannten Zweckerreichungen (Rechtssicherheit, Gleichbehandlung, Vermeidung von Anwendungsdefiziten, Einbeziehung von NonEU-Veranstaltern in TOMS sowie die Modernisierung bestehender Regelungen – was immer das im Einzelfall konkret bedeuten soll) dem Grunde nach nur mit „Stimme vollkommen zu“ beurteilen können. Im Ergebnis sollte der Reformfokus daraufgelegt werden, die allen SRTour-Lesern bekannten Maximen (Simply TOMS it – but opt-out B2B!; Don’t single the margin. Global it!; KEEP TOMS! Easy! Fair allocation! Reliable!; Don't favour non-EU competitors! (Double EU Approach)) nun endlich rechtssicher, einheitlich und „modern“ für alle EU-Staaten und sämtliche im EU-Reisemarkt tätigen Drittlandsveranstalter verbindlich umzusetzen. Dabei darf natürlich auch das Neutralitätsprinzip nicht vergessen werden.
2. Im Rahmen der TOMS-Regelung wird die MwSt nur für die Handelsspanne von Reisebüros berechnet; die Vorsteuer für unter die Sonderregelung fallende Lieferungen an bzw. Leistungen für das Reisebüro ist jedoch nicht abzugsfähig. Sind Sie der Ansicht, dass die TOMS-Regelung die MwSt-Neutralität für Reisebüros und deren Geschäftskunden beeinträchtigt? Warum?
2.1 Die TOMS-Regelung beeinträchtigt die MwSt-Neutralität für Reisebüros
2.2 Die TOMS Regelung beeinträchtigt die MwSt-Neutralität für deren Geschäftskunden Die Differenzbesteuerung und die Nichtabzugsfähigkeit der Vorsteuer sind für das reibungslose Funktionieren der TOMS-Regelung unerlässlich
Anzustrebende Rechtssicherheit


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MwSt-Neutralität beeinträchtigt?
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Die Antwort zu allen drei vorgenannten Fragen kann nur lauStimme vollkommen zu“. Auch im 45. Jahr nach Einführung von TOMS bleibt das spezielle Allphasen System mit Vorumsatzabzug essentiell für eine möglichst einfache Besteuerung für alle im internationalen B2C-Reisegeschäft tätigen Unternehmen. Gleichwohl bedarf es – und zwar ohne jede einer Wahlmöglichkeit (sog. TOMS Opt-out), damit die fiskagegenüber den Leistungsträgern im Rahmen (Stichwort: Neutralitätsprinzip) Be: Die Frage 2.1 ist durchaus missverständlich formuliert, denn