DOI: 10.1002/bapi.202100042
BERICHT
Sabine Scheidel, Sebastian Dienst, Oliver Kornadt
Anwendungsmöglichkeiten der neuen „Muster‑Holzbaurichtlinie“ für Holzrahmenbauteile In der Baubranche, wie auch in vielen anderen Bereichen, legen Politik und Gesellschaft immer stärkere Priorität auf ein nachhaltiges, ressourcenschonendes und ökologisches Denken und Handeln. Zur Errichtung und Erweiterung von Gebäuden ist Holz hier als besonders geeignet zu sehen, was auch die Charta für Holz verdeutlicht. Im Juni dieses Jahres wurde die neue Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise (MHolzBauR) durch die Aufnahme in die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) eingeführt. Bereits vor der offiziellen Einführung wurde diese als ein weiterer Schritt in Richtung der bauaufsichtlich geregelten Holzgebäude bis zur Gebäudeklasse 5 gewertet. Die Richtlinie soll die Anwendung von Holz als Baustoff über eine Geschosshöhe von 13 m hinaus zulässig machen und auch eine Ausführung tragender und raumabschließender Bauteile mit einer feuerbeständigen Anforderung in Holzbauweise ermöglichen. Bei einem Vergleich der neuen MHolzBauR mit der bisher gültigen Muster-Richtlinie erkennt man jedoch keinen nennenswerten Unterschied zwischen den brandschutztechnischen Anforderungen an eine Holzrahmenkonstruktion. Damit können die lang ersehnten Möglichkeiten für Holzgebäude bis zur Hochhausgrenze nur in Massivholzbauweise realisiert werden. Ein nicht unerheblicher Bereich des Holzbaus bleibt weiterhin auf die Gebäudeklasse 4 begrenzt.
Possible applications of the new “Muster-Holzbaurichtlinie” for timber frame components In the construction industry, politics and society are placing increasing priority on sustainable, resource-conserving and ecological thinking and action. Wood is a particularly suitable building material for this. In June this year, the new German Model Guideline on Fire Protection Requirements for Building Components and External Wall Cladding in German Timber Construction was officially introduced by inclusion in the Model Administrative Regulation on Technical Building Regulations. The guideline is not only to permit the use of wood as a building material from a total storey height of 13 m, but also to allow a construction method for wooden building components with a fire resistance duration of more than 90 minutes. However, there are no possibilities under the new directive to use timber frame components in buildings above a height of 13 m. This means that the long-desired possibilities to erect timber buildings above the high-rise limit can only be realised in solid timber construction.
Stichworte Brandschutz; Feuerwiderstand; Holzbau; Holzrahmenbauweise
Keywords fire resistance; fire safety; timber frame construction; timber construction resistance, timber
1
Allgemeines
1.1
Der aufstrebende Holzbau
Holzrahmen- und -stützen aus. Die Aussteifung erfolgt durch eine Holz- oder Gipswerkstoffplatte, siehe Bild 1a. Die Hohlräume können mit verschiedenen Dämmmaterialien vollständig oder teilweise ausgefüllt werden. Ebenso ist eine Ausführung ohne Dämmung möglich, was jedoch eher unüblich ist. Die so entstandenen Holztafeln sind in unterschiedlichen Vorfertigungsgraden herstellbar. Die Vorfertigung der Elemente kann vollständig werkseitig oder teilweise werkseitig erfolgen. Weiterhin besteht die Möglichkeit, die einzelnen Bauteilkomponenten – ohne Elementvorfertigung – auf der Baustelle zu entsprechenden Wänden und Decken zusammenzubauen. Die Holzmassivbauweise zeichnet sich durch monolithische Holzbauteile aus, siehe Bild 1b. Diese werden z. B. aus Brett stapelelementen, Brettschichtholz oder Brettsperrholz hergestellt und auf der Baustelle mit den anderen Bau teilen verbunden.
Die steigende Anzahl der Veröffentlichungen über Neubauten in Holzbauweise bis zur Hochhausgrenze und teilweise auch darüber hinaus zeigt deutlich, dass das Interesse an dieser Bauweise einen großen Aufschwung erlebt. Dieser Trend ist auch über die Grenzen Deutschlands hinaus erkennbar [1; 2]. Immer mehr und immer höhere Gebäude werden in einer der möglichen Holzbauweisen geplant und errichtet. Der Baustoff Holz bietet dabei nicht nur Vorteile, was die Bauzeit angeht [3], sondern leistet ebenfalls einen Beitrag im Bereich des ökologischen und ressourcenschonenden Bauens [4; 5]. Grundsätzlich kann man zwischen der Holzbauweise mit Hohlräumen oder mit verfüllten Hohlräumen (Holzrahmen-/ Holztafelbau) und der Holzbauweise ohne Hohlräume (Holzmassivbau) differenzieren. Der Holzrahmen-/Holztafelbau zeichnet sich durch ein tragendes Gerüst aus 40
Zu den Vorteilen des Baustoffs Holz zählen neben der guten ökologischen Bilanz auch eine gute Tragfähigkeit,
© 2022 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bauphysik 44 (2022), Heft 1
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