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Mit dem Konjunkturstärkungsgesetz 2020 hat der Gesetzgeber erstmals einen Verlustrücktrag bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer geschaffen

KRISENMODUS

„It ain’t over till it’s over!“ Der Ausspruch vom legendären YankeeBaseballprofi und Coach Yogi Berra trifft die aktuelle Situation ganz gut. Thema verfehlt? Mitnichten! Gerade Krisen werden hinsichtlich deren Dauer und Auswirkung oftmals falsch eingeschätzt und „sind erst vorbei, wenn’s ganz vorbei ist“. Das bedeutet: Ausdauer und Durchhaltevermögen sind gefragt: Solide Finanzierung und Unternehmenssteuerung mit ruhiger Hand sind die ins Unternehmerleben übersetzte „Ausdauer“.

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TEXT: FELIX TSCHIDERER

DIE STUNDUNG UND RATENZAHLUNG VON STEUERN UND SOZIALVERSICHERUNGSBEITRÄGEN HELFEN KURZFRISTIG, DEREN TILGUNG MUSS ABER GEPLANT WERDEN. ANSONSTEN SIND SIE EIN DAMOKLESSCHWERT, DAS FALLEN KÖNNTE, WENN SIE SPÄTESTENS IM ERSTEN QUARTAL 2021 – UNTER UMSTÄNDEN GEMEINSAM MIT SONSTIGEN ABGABEN – FÄLLIG WERDEN.

Krisen sind Ereignisse, durch die Gefahren für Lebewesen, die Umwelt, Vermögenswerte oder die Reputation einer Institution drohen, wobei bilanzielle Krisen („Pleiten“), kommunikative Krisen („Skandale“) und operative Krisen („Störungen“) unterschieden werden (vgl. Krisenforschung der Universität Kiel, https://www.krisenforschung. de/Krisenforschung.733.0.html). SARSCov-2 hat das Potential, in vielen Bereichen – vor allem der Gesundheit –, dem gesellschaftlichen Leben und der Kommunikation ganz erhebliche Störungen hervorzurufen. Dieser Beitrag konzentriert sich auf die Auswirkungen auf das Vermögen, die „bilanzielle Krise“: Das aktuellste Szenario für Österreich sieht eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung 2020 um 7,7 Prozent und ein Wachstum 2021 von nur 2,8 Prozent. Halten wir fest: Die durch SARS-Cov-2 ausgelöste bilanzielle Krise ist evident.

Leider sind Unternehmen und Staaten auf schwerwiegende Krisen oftmals nicht ausreichend vorbereitet. Die Risikomanagementsysteme der Unternehmen zeigen in empirischen Studien Defizite: Es fehlt eine intensive Auseinandersetzung gerade mit Extremrisiken, das heißt Risiken mit zwar geringer Eintrittswahrscheinlichkeit, jedoch hoher Auswirkung, oder die Befassung mit abstrakten Risiken, also Risiken ohne historisches Vorbild (vgl. https://www.risknet. de/themen/risknews/das-robuste-unternehmen/). Die psychologische Forschung zeigt, dass wir Menschen intuitiv Risiken fast grundsätzlich falsch wahrnehmen und uns vor allem mit plausiblen (oder gewünschten) Einzelszenarien befassen, zu wenig jedoch mit möglichen Entwicklungskorridoren (Bandbreiten).

KRITISCHE KRISENPHASEN Eine kritische Phase der aktuellen Krise ist die Akutphase, im Zuge derer es durch äußere Einflüsse wie Lockdowns zu schwerwiegenden Umsatzeinbrüchen kommt. Kritisch ist allerdings auch die Phase nach den jeweiligen Maßnahmen, in der die Wirtschaft wieder zu laufen beginnt und Liquidität im Working Capital oder für Investitionen gebunden wird. Zeitgleich werden unter Umständen finanzielle Schutzmaßnahmen und befristete steuerliche Maßnahmen wie die Mehrwertssteuersenkung zurückgenommen, Überbrückungskredite und Stundungen werden fällig. In beiden Phasen ist finanzielle Stabilität, die „Luft zum Atmen“, entscheidend. Was aber hilft auf Unternehmensebene? Wie wird ein Unternehmen robust gegen schwerwiegende Störungen?

DAS ROBUSTE UNTERNEHMEN Die Kernidee des „robusten Unternehmens“ ist das flexible und bewegliche Unternehmen, das sich auch an unvorhergesehene Entwicklungen anpassen kann, das getragen wird vom Grundsatz, sich auf Kernkompe-

LITERATURTIPPS Nassim Nicholas Taleb: Narren des Zufalls, Wiley 2008 Rolf Dobelli, NZZ, 7. November 2020: Stoa und Corona: Was uns Seneca hier und heute zu sagen hat (unter www.nzz.ch, Rubrik Feuilleton) Werner Gleissner, auf Risknet, 2016: Das robuste Unternehmen (unter www.risknet.de, Rubrik Themen – am besten die Suchfunktion nutzen) Werner Gleissner, in: Orientierungen zu Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik / Ludwig-Erhard-Stiftung, 17. April 2020: Der robuste Staat – ein strategischer Rahmen zur Absicherung gegen Krisen und Katastrophen (unter www. ludwig-erhard.de/orientierungen) tenzen zu konzentrieren, unattraktive Geschäftsfelder zu meiden, abgesichert ist durch gute Bonität, insbesondere einenausreichenden finanziellen „Sicherheitspolster“ Eigenkapital und Liquidität (vgl. https:// www.risknet.de/themen/risknews/das-robuste-unternehmen/). Das wichtigste Aktivum des robusten Unternehmens ist somit dessen finanzieller Spielraum in Form von optimiertem Eigenkapital, soliden Cashflows sowie schlankem und modernem Anlage- und Umlaufvermögen.

Ein robustes Unternehmen mit finanziellem Spielraum ist auf Risiken – auch auf Extremereignisse – adäquat vorbereitet und vermag weiterhin Investitionschancen zu realisieren, es betreibt Krisenvorbereitung durch Risikoanalyse und Chancenvorbereitung durch Investitionsplanung. Beides baut auf solider Finanzierung auf, ohne solides finanzielles Fundament ist kein Unternehmen auf Dauer oder besser nachhaltig lebensfähig. Konkreter heißt das: ein gesundes Wachstum, das über der Inflationsrate liegt, weiters ausreichend Eigenkapital, das potentielle Verluste abfangen kann, und eine Eigenkapitalrentabilität, die die Fremd- und Eigenkapitalkosten deutlich übersteigt.

WAS UND WIE IST ES ZU TUN? Selbstverständlich bleiben Sicherheit und Gesundheit sämtlicher Mitarbeiter erste Priorität, gleich danach folgen allerdings Liquiditätssicherung, Sicherung der Cashflows und strenge Kostendisziplin. Beim wie gilt – wie ganz allgemein: „Mal abwarten“ ist keine Option! Stattdessen zählen rasches und fokussiertes Planen sowie äußerst transparente und stabilisierende Kommunikation. Die Aufzählung aller finanziellen Maßnahmen in der Krise würde den Rahmen sprengen, prominent und wirksam sind rigoroses Cash-Management, Reduktion nicht notwendiger Ausgaben, Vorbereitung auf wesentlich längere Zahlungsfristen von Kunden,

sogenanntes Working-Capital-Management durch Lageranpassungen oder Anpassung von Zahlungsfristen. Das Verschieben unkritischer Investitionen kann notwendig werden, vor allem um Investitionen in Kernkompetenzen, die Wettbewerbsvorteile verschaffen, weiterhin zu ermöglichen. Falls nötig, sind Stundungsmöglichkeiten von Krediten zu prüfen, allerdings nie, ohne gleichzeitig deren spätere Rückzahlung solide zu planen.

HILFREICHE INSTRUMENTE Die Corona-Hilfsmaßnahmen sollten – in dieser Priorität – checklistenmäßig abgearbeitet werden: Beantragung Corona-Kurzarbeit, Beantragung Umsatzersatz für die vom aktuellen Lockdown betroffenen Betriebe, Fixkostenzuschuss, Härtefallfonds, Planung der Investitionen und Nutzung der 7- bzw. 14-prozentigen Investitionsprämie, Steuerplanung und Nutzung von Verlustrücktrag. Falls Überbrückungsfinanzierungen notwendig werden: Überprüfung der Inanspruchnahme von Staatshaftungen gemeinsam mit der Hausbank. Die Stundung und Ratenzahlung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen helfen kurzfristig, deren Tilgung muss aber geplant werden. Ansonsten sind sie ein Damoklesschwert, das fallen könnte, wenn sie spätestens im zweiten Quartal 2021 – unter Umständen gemeinsam mit sonstigen Abgaben – fällig werden.

Für die Zukunft geht es darum, Krisen, deren Eintrittswahrscheinlichkeit zwar gering, deren negative Auswirkungen jedoch erheblich sind, zu überstehen, zum Beispiel Preisblasen (wie die Subprime-Krise 2009), Staatsschuldenkrisen (wie die Russlandkrise 1998 oder die Griechenlandkrise 2009), Versorgungskrisen (wie die Ölkrise in den 1970ern), nachfrage- und angebotsreduzierende Gesundheitskrisen (wie die gegenwärtige) oder weitgehend vorbildlose mögliche Krisen (zum Beispiel Ausfall kritischer IT). Der Staat sichert primär Gesundheit, Bildung, Eigentum, angemessene soziale Absicherung und Infrastruktur, kann vorübergehend auch Arbeitsplätze (Stichwort Kurzarbeit), Vermögen (Stichwort Fixkostenzuschuss) und Bonität (Stichwort Staatsgarantien) sichern, mittelfristig sind für die drei zuletzt Genannten wir Bürger selbst zuständig.

Die solide finanzielle Basis spielt dabei – und zwar für die Unternehmen und den Staat gleichermaßen – eine zentrale Rolle, und zwar nicht nur als Krisenprävention,

OHNE SOLIDES FINANZIELLES FUNDAMENT IST KEIN UNTERNEHMEN NACHHALTIG LEBENSFÄHIG.

auch Chancen mögen finanziert werden. Zur guten Vorbereitung auf die unternehmerische Zukunft sind beispielhaft folgende Instrumente sinnvoll: Definieren Sie erstens ein Ratingziel, mindestens „InvestmentgradeRating“, also BBB- oder besser. Dies wäre zu übersetzen mit „gute bis befriedigende Bonität“, bei Verschlechterung der Gesamtwirtschaft ist mit Problemen zu rechnen, die allerdings mit größter Wahrscheinlichkeit überstanden werden. Ein jährliches Ratinggespräch mit der Hausbank ist unabdingbar. Machen Sie zweitens die Bilanzstrategie zum Teil der Unternehmensstrategie: Einige wenige Kennzahlen, definiert als Untergrenzen und Zielgrößen, sollten gemeinsam mit den Finanzierungspartnern festgelegt werden, zum Beispiel dynamischer Verschuldungsgrad (Net Debt/EBITDA), EBITDA-Quote, Eigenkapitalquote. Ein drittes nützliches Werkzeug ist die Liquiditätsplanung – hier ein Mindestansatz: Durch monatliche oder quartalsweise Planung der Umsätze, Kosten, Investitionen und des Working Capital sind Cashflow und Liquidität laufend unter Kontrolle, idealerweise wird in Szenarien geplant. Die Folge: Beeinflussbare Kosten werden reduziert, gleichzeitig werden die notwendigen Reserven für den Wiederaufschwung gehalten. Die Kür wäre die Installation einer permanenten Unternehmensplanung: Die Planung sollte „erwartungstreu“ sein, das heißt, möglichst viele Zukunftsszenarien beinhalten. Simulationssoftware hilft hier erstaunlich und praktikabel, Planen in Szenarien ist ein Mindestansatz. Ein brauchbares Planergebnis ist etwa das Mindestausmaß an Liquidität und Eigenkapital, um ein definiertes realistisches Worst-Case-Szenario – zum Beispiel zweijähriger Umsatzrückgang um 50 Prozent – zu überstehen. Ein weiteres brauchbares Ergebnis: Erwartungstreue Planung hilft bei Finanzierungsverhandlungen und reduziert die Haftungsrisiken, auch wenn’s mal nicht so gut läuft. „Kein seltenes Ereignis soll uns Schaden zufügen“ (Nassim Taleb in „Narren des Zufalls“). VON CHANCEN UND RISIKEN Wir überbewerten Bekanntes, uns erscheint rückblickend vieles vorhersehbar, wir überschätzen die Wahrscheinlichkeit von angenehmen Ereignissen, wir bewerten zukünftige Ereignisse geringer als aktuelle, wir unterschätzen Auswirkungen seltener Ereignisse. Aber Vorsicht, das gilt in beide Richtungen, also sowohl in Richtung Risiko als auch in Richtung Chance: Krisen werden überstanden, frühere Generationen und auch wir selbst haben es vorgemacht. Es ist nicht einfach, aber „reißen wir uns aus dem Gravitationsfeld des Augenblicks“ (Ralf Dobelli, siehe Literaturtipp). Was für Krisen gilt, gilt auch für Chancen: Planung schafft solide Finanzierung, solide Finanzierung schafft Ruhe, die Voraussetzung, um aus dem Tagesgeschäft verantwortungsvoll die wertvollen Investitionen zu entscheiden und zu finanzieren. Chancen wollen genutzt, sprich „finanziert“ werden! „It ain’t over till it’s over“: Das Team von Yogi Berra lag nahezu uneinholbar zurück, als er den Ausspruch tätigte und seine Mannschaft … siegte.

MAG. FELIX TSCHIDERER, CVA Partner bei Kapelari + Tschiderer Andreas-Hofer-Straße 43/2 6020 Innsbruck Tel.: 0512/57 31 26 www.kt.co.at

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