eco.nova SPEZIAL Notare 2014

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Mag. Verena Walser, Notariatskandidatin Notariat Dr. Kessler, Bludenz

E

in junger Ehemann und Vater zweier minderjähriger Kinder verunglückt. Nun sorgt sich die Ehefrau um das Erbrecht am neu errichteten Einfamilienhaus, das ihrem Ehemann alleine gehört hat. Sind ihre Sorgen begründet? Was steht dem überlebenden Ehegatten im Todesfall zu? Und wie weit reichen die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Ehegatten, um entsprechend vorzusorgen? Der überlebende Ehegatte ist nach österreichischem Erbrecht erbberechtigt, wenn zum Zeitpunkt des Todes seines Ehepartners die Ehe aufrecht bestanden hat – unabhängig davon, ob die Ehe „gut verlaufen“ ist, die Ehepartner in Trennung lebten oder bereits ein Scheidungsverfahren anhängig ist. Wurde die Ehe jedoch noch zu Lebzeiten rechtswirksam beendet, so hat der geschiedene Ehegatte kein Erbrecht mehr.

WER ERBT?

Hat der Verstorbene kein Testament errichtet, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Die Erbquote des überlebenden Ehegatten hängt davon ab, welche Angehörigen der Verstorbene

neben ihm hinterlässt. Hinterlässt der Verstorbene Nachkommen, so erbt der überlebende Ehegatte ein Drittel des Vermögens. Neben Eltern und Geschwistern des Verstorbenen erbt der überlebende Ehegatte zwei Drittel des Nachlasses. Sind erbberechtigte Geschwister bereits vorverstorben und wären anstatt der vorverstorbenen Geschwister Nichten oder Neffen erbberechtigt, so fallen auch diese Anteile an den Ehegatten. War der Verstorbene Einzelkind und sind auch seine Eltern bereits verstorben, so erben neben dem Ehegatten, der in diesem Fall zwei Drittel erhält, noch die Großeltern. Nicht erbberechtigt sind neben dem überlebenden Ehegatten die Nachkommen von vorverstorbenen Großeltern, also beispielsweise die Onkel, Tanten, Cousinen oder Cousins: Für sie gilt dasselbe wie für Nichten und Neffen: Die auf sie fallenden Anteile gehen an den überlebenden Ehegatten. Über den gesetzlichen Erbteil hinaus hat der überlebende Ehegatte Anspruch auf das so genannte gesetzliche Vorausvermächtnis, kurz „Voraus“ genannt: Dieses umfasst das Recht, in der bisherigen Ehewohnung weiter zu wohnen und die zum gemeinsamen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen (also Haushaltsgegenstände, Einrichtung etc.), soweit sie zur Fortführung der bisherigen Lebensverhältnisse nötig sind. Dabei sind, insbesondere im Hinblick auf das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, verschiedene Ausgangssituationen beachtlich: Haben die Eheleute in einer Mietwohnung gewohnt, so regelt das Mietrecht spezielle Eintrittsrechte in den Mietvertrag. Handelt es sich um ein Einfamilienhaus, steht dem Ehegatten neben seiner Erbquote an der Liegenschaft darüber hinaus ein Wohnungsgebrauchsrecht zu. Das Gesetz beabsichtigt, dem überlebenden Ehegatten die bisherigen Lebensumstände und die gewohnte Umgebung so weit wie möglich zu erhalten und die Wohnmöglichkeit des Ehegatten abzusichern. Es erspart dem Ehegatten hinsichtlich der zum Haushalt

gehörenden Gegenstände die oft schwierige Abklärung, welche Gegenstände nun im Eigentum welches Ehegatten standen. Das Vorausvermächtnis kann, ähnlich dem gesetzlichen Pflichtteil, nur im Falle des Vorliegens von Enterbungsgründen mittels Testament entzogen werden. Im angeführten Beispiel hat die Ehegattin sohin ein gesetzliches Erbrecht von einem Drittel und zusätzlich das gesetzliche Vorausvermächtnis. Ihre Kinder erben neben ihr ebenfalls je ein Drittel.

GESTALTUNGSMÖGLICHKEITEN

Welche Gestaltungsmöglichkeiten haben die Ehegatten? Zunächst gibt es die Möglichkeit, ein Testament zu errichten. Ehegatten können nach österreichischem Recht auch ein gemeinsames Testament errichten oder einen Erbvertrag abschließen. Ein Testament geht, ebenso wie ein Erbvertrag, der gesetzlichen Erbfolge vor. Es ist insbesondere dann anzuraten, wenn die Ehepartner mit der gesetzlichen Erbfolge „nicht zufrieden“ sind. Das wird zum Beispiel bei einem anhängigen Scheidungsverfahren der Fall sein, aber etwa auch, wenn bei kinderlosen Paaren zu Geschwistern des Testamenterrichters wenig Kontakt besteht und man dem Ehepartner langwierige Verhandlungen mit Verwandten, mit denen er wenig zu tun hatte, ersparen will. Errichtet man nun ein Testament, so ist zu beachten, dass dem Ehegatten jedenfalls der Pflichtteil zusteht, dies ist die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteil kann dem Ehegatten nur aus schwerwiegenden Gründen entzogen werden. Beachtlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass dem Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin kein gesetzliches Erbrecht und auch kein Pflichtteilsrecht zusteht. Auch haben Lebensgefährten keinen Anspruch auf das gesetzliche Vorausvermächtnis. Wollen Lebensgefährten einander für den Todesfall absichern, so ist in jedem Fall ein Testament anzuraten.

*) Seit 1. 1. 2010 können in Österreich zwei Menschen gleichen Geschlechts eine eingetragene Partnerschaft begründen. § 537a ABGB regelt das Erbrecht für eingetragene Partner. Die für Ehegatten maßgeblichen Bestimmungen sind demnach auf eingetragene Partner sinngemäß anzuwenden. Eingetragene Partner haben während aufrechter eingetragener Partnerschaft ein gesetzliches Erbrecht. Wenn im Folgenden von Ehegatten die Rede ist, sind damit sinngemäß auch eingetragene Partner gemeint. 76

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