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TIROLS BIOPIONIERE

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MUT ZUR MUSSE

MUT ZUR MUSSE

Als Luis Wach in den 1960er-Jahren den familieneigenen Hof in Arzl bei Innsbruck übernahm, war sein erster Schritt der Verzicht auf chemische Spritzmittel. Damit legte der Biopionier den Grundstein für den ersten zertifizierten Biobetrieb in Tirol, der heuer ein halbes Jahrhundert Biolandwirtschaft feiern durfte.

Loni Appler-Walch und Sohn Christoph mit einer bunten Vielfalt an Rüben frisch von den Arzler Feldern. „Wenn wir anfangs mit einem Biobetrieb in der Steiermark sprechen wollten, mussten wir per Post schriftlich einen Telefontermin vereinbaren, weil dieser nur einen Viertelanschluss in einem benachbarten Gasthaus nutzen konnte.“

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LONI APPLER - WACH

FOTOS: © ANDREAS FRIEDLE

Man kann durchaus sagen, sie waren die Wegbereiter für die Biolandwirtschaft in Tirol. Denn seit 1972 – also seit genau 50 Jahren – wird auf dem Hof der Familie Appler-Wach zertifiziert biologisches Gemüse angebaut. „Das war alles andere als einfach“, erinnert sich Loni Appler-Wach, Tochter von Luis Wach. „Es war die Zeit, als Spritzmittel das Allheilmittel waren und biologisches Saatgut kaum zu bekommen war. Also mussten die Pflanzen aus Samen selbst gezogen werden. Auf dem Markt war dazumal hauptsächlich noch ungebeiztes, unverändertes Saatgut erhältlich, die Vielfalt war äußerst gering und die Sorten waren grob und hatten lange nicht das geschmackliche Potenzial von heute.“ Heute werden auf den eigenen Äckern in und rund um Arzl bis zu 60 verschiedene Gemüsesorten angebaut, „von der Artischocke bis zum Zucchini“, so Christoph Appler-Wach.

Je nach Saison wachsen und gedeihen hier 13 verschiedene Salatsorten, Erdäpfel, Paprika, Bohnen, Fenchel, Radieschen, Rohnen, verschiedenste Kohlsorten bis hin zum Sprossenkohl, scharfe Pfefferoni, Gurken, verschiedenste Kräuter und mehr – und

Der Sprossenkohl sollte einmal gefroren sein, bevor er geerntet wird.

das in reinster Bio-Qualität. „Ein eherner Grundsatz der biologischen Landwirtschaft ist dabei, dass die Pflanzen in Erde gesetzt sind und nicht auf Moos und nicht einmal im Topf wachsen“, erklärt der Bio-Landwirt. „Im Feld können die Mineralstoffe anders aufgenommen werden und die Pflanzen gedeihen je nach Boden und dessen Nährstoffgehalt auch unterschiedlich im Geschmack.“

AUS ÜBERZEUGUNG Mit Learning by doing hat sich Familie Appler-Wach ihr fundiertes Wissen um die Kreislaufwirtschaft erarbeitet und vertieft: „Wir haben ja niemanden gehabt, wo wir nachfragen konnten“, erinnert sich Loni an die damaligen technischen Voraussetzungen: „Wenn wir mit einem Biobetrieb in der Steiermark sprechen wollten, mussten wir per Post schriftlich einen Telefontermin vereinbaren, weil dieser nur einen Viertelanschluss in einem benachbarten Gasthaus nutzen konnte.“

Über die Jahre wuchs nicht nur das Knowhow, auch der Markt veränderte sich zusehends. Heute findet sich in jedem Lebensmittelmarkt ein mehr oder weniger großes Biosortiment. „Mein Opa Luis war Mitbegründer des ersten Bioverbandes ‚Ernte fürs Leben‘ – dem heutigen Bio Austria – und 20 Jahre lang dessen Tiroler Landesobmann. Als erster zertifizierter Biobetrieb in Tirol trägt unser Hof die Bio-Kontrollnummer T-1001“, zeigt sich Christoph Appler stolz darüber, dass seine Familie die biologische Landwirtschaft in Tirol quasi salonfähig gemacht hat. „Mein Großvater hat damals den einzig richtigen Weg eingeschlagen, da bin ich mir sicher.“ Auch Luis Wach ist im hohen Alter von 87 Jahren zufrieden: „Ich sehe jeden Tag, dass ich nicht umsonst gearbeitet habe. Der Biobetrieb ist meine Herzensan-

gelegenheit und wird so geführt, wie ich es mir vorgestellt habe.“

BIOLOGISCHE KREISLAUFWIRTSCHAFT Am Hof hat jeder seinen Aufgabenbereich. Tochter Loni ist für die Direktvermarktung zuständig – sowie den Stand in der Markthalle. Wer regelmäßig dort einkaufen geht, kennt „die Loni“. Und die Loni kennt ihre Kunden nach 46 Jahren durch und durch, mit all ihren geschmacklichen Vorlieben und auch so mancher Lebensgeschichte. Ihr Mann Johann Appler ist für die Viehwirtschaft zuständig. „Er lebt für das. Die Viecher sind ihm wichtiger als wir“, schmunzeln Loni und ihr Sohn Christoph Appler: „Er spricht mit ihnen und streichelt sie.“

Neben der Deckung des Eigenbedarfs an Fleisch und den Milchkühen dient der produzierte Mist als organischer Dünger für den Gemüseanbau. „Um ein durchgehendes Kreislaufsystem im landwirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen, brauchen wir ausreichend organischen Dünger. Diesen liefern uns unsere insgesamt 30 Stück Vieh – 18 davon sind Milchkühe – sowie unsere Schweine, die als Grundlage für unseren Speck dienen“, erklärt Christoph und ergänzt: „Artgerechte Tierhaltung ist im biologischen Landbau generell ein Kernthema. Tier, Mensch und Umwelt sollen dabei eine harmonische Einheit bilden.“

Die Drehung der landwirtschaftlichen Flächen ist eine eigene Wissenschaft, die die Familie perfekt beherrscht. Je nach Nährstoffverbrauch und Schädlingsanfälligkeit der Pflanzen werden die Felder jedes Jahr neu bepflanzt. „Knoblauch und Zwiebel sollten zum Beispiel erst nach sieben Jahren wieder bepflanzt werden, weil die Pilze so lange überleben, Kohlgewächse entziehen dem Boden viele Nährstoffe und sind schädlingsanfällig. So muss so manches Ackerland auch mal zur Kleewiese werden, um mit den Leguminosen wieder Stickstoff in die drei Horizonte des Bodens zu bringen“, erklärt Christoph. Auch Stroh und Heu für die Tierhaltung wird am Buchrainer Hof selbst in Bioqualität hergestellt. „Unser Grundprinzip lautet, in einem geschlossenen Kreislaufsystem alles am Hof selbst bereitstellen zu können“, sagt Christoph aus Überzeugung und Mutter Loni fügt hinzu: „Wir wollen nur das produzieren, was wir auch selbst guten Gewissens verzehren möchten.“

VIELE WEGE ZUM KUNDEN Sohn Christoph Appler ist nicht nur für die Felder und Pflanzen zuständig, sondern auch für die Hauszustellung über die Biobox sowie den Lebensmitteleinzelhandel und Bio vom Berg. So landen verschiedenste Salate, Hokkaidokürbisse, Kohlrabi, Salate, Fenchel, Zucchini und vieles mehr unter der Dachmarke „Bio vom Berg“ von den Arzler Appler-Feldern direkt in den heimischen Lebensmittelgeschäften. Die Milch wird als Biomilch an die Tirol Milch geliefert, Joghurt stellt Loni selbst her und verkauft dieses sowie das jeweils saisonale Gemüsesortiment, Eier und Speck im eigenen Bio-Hofladen in der Schlöglgasse in Arzl. Dienstag, Freitag und Samstag von 8 bis 12.30 Uhr findet sich die Loni persönlich mit all ihren Köstlichkeiten an ihrem Stand in der Markthalle ein.

Wer sich das frisch geerntete Gemüse nach Hause liefern lassen möchte, kann dies mittels der Biobox tun. Über die Website www.biobox-tirol.com können Kunden jeden Freitag bis 13 Uhr verschiedene Bioboxen, die je nach Saison unterschiedlich befüllt werden, bestellen, ausgeliefert wird in der darauffolgenden Woche dienstags und mittwochs direkt zu den Kunden.

Seit 46 Jahren betreibt die Familie Appler-Walch ihren Stand in der Innsbrucker Markthalle. Dienstags, freitags und samstags werden hier bis zu 60 Gemüsesorten in bester Bioqualität angeboten.

„Um ein durchgehendes Kreislaufsystem im landwirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen, brauchen wir ausreichend organischen Dünger. Diesen liefern uns unsere insgesamt 30 Stück Vieh.“

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