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HEISS UND KALT
Die Grillsaison ist 365 Tage lang. Wenn es in der kalten Jahreszeit am Grill heiß hergeht, sorgt das für ein besonders atmosphärisches Erlebnis. Wie man an das Wintergrillen am besten herangehen sollte, welche Speisen besonders gut funktionieren und worauf zu achten ist, weiß Meistermetzger, Fleischsommelier und Grillveteran Helmut Krösbacher aus langjähriger Erfahrung.
TEXT: MARIAN KRÖLL
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er sagt, dass sich das Erlebnis Grillen auf die warme Jahreszeit beschränken muss? Das kulinarische Spiel mit dem Feuer ist auch – und vielleicht sogar ganz besonders – in der kalten Jahreszeit ein Fest für die Sinne. Wenn es draußen kalt und die Landschaft in ein weißes Kleid gehüllt ist, der Schnee unter den Sohlen knirscht, weckt das vertraute Knistern eines Feuers im Menschen eine besondere Stimmung. Eine archaische Urkraft, ein Gefühl der Zufriedenheit und Sicherheit. Der Stubaier Meistermetzger und Fleischsommelier Helmut Krösbacher ist einer, bei dem es im Winter am Grill schon fast traditionell heiß hergeht. Die Faszination des Wintergrillens vermittelt er einschlägig Interessierten übrigens auch im Rahmen seiner Grill-Academy. Gerade im Winter ist es klug, sich für den Griller ein optimales Plätzchen zu suchen, an dem man nicht ungeschützt Wind und Wetter ausgesetzt ist. Die Standortwahl ist noch wichtiger als im Sommer, macht das Wintergrillen doch weder im Gatsch noch auf Eis besonders viel Freude.
365 TAGE GRILLSAISON In Sachen Qualität überlässt Helmut Krösbacher schon von Berufs wegen nichts dem Zufall. Es ist keine Seltenheit, dass der Metzger, der in Fulpmes in vierter Generation sein Unternehmen betreibt, sich in den Stallungen der Bauern selbst ein Bild von den Tieren macht, die er später mit Expertise und Hingabe weiterverarbeitet. Durch Abtasten des Tiers – zum Beispiel eine Kalbin – erkennt Krösbacher, ob die Qualität seinen das Muskelfleisch und machen es zarter und geschmackvoller.“ Es zahlt sich zudem aus, wenn der Schlachtkörper vor der Feinzerlegung noch im Kühlhaus im Ganzen abhängen darf. In der industriellen Tierhaltung und Schlachtung gibt es dafür weder Zeit noch Raum. „Weiter, höher, schneller ist qualitativ sicher der falsche Weg“, sagt Krösbacher, der den neuen Qualitätsanspruch vieler Konsumenten begrüßt.
IM WINTER GRILLT MAN ANDERS Im Winter wird anders gegrillt als im Sommer. Sowohl was die Methoden betrifft als auch die Zubereitungsarten. Aufgrund der niedrigeren Außentemperatur wird auch nicht so heiß gegrillt. „Im Winter grillt man überwiegend mit indirekter Hitze. Man macht Großstücke im Ganzen, die auch gerne etwas deftiger sein dürfen als im Sommer“, meint Helmut Krösbacher. Die Bedingungen im Winter sind anders, so dass man sich bei Minusgraden lieber nicht dauernd am Grill aufhält. Deshalb empfiehlt es sich, Fleischstücke zu verwenden, die nicht permanent betreut werden müssen.
Im Winter läuft schließlich auch der Smoker zur Hochform auf. Darin wird das Grillgut ebenso langsam wie schonend gegart, bis es schließlich widerstandslos zerfällt, wie
Das kulinarische Spiel mit dem Feuer ist auch – und vielleicht sogar ganz besonders – in der kalten Jahreszeit ein Fest für die Sinne. Wenn es draußen kalt und die Landschaft in ein weißes Kleid gehüllt ist, der Schnee unter den Sohlen knirscht, weckt das vertraute Knistern eines Feuers im Menschen eine besondere Stimmung.
Ansprüchen genügt. Schließlich kann nur aus einem guten Ausgangsprodukt auch ein gutes Endprodukt werden. „Mein Ziel ist es, gutes Fleisch weiter zu veredeln“, sagt der Metzger, der auf unterschiedliche Methoden der Fleischreifung setzt. Beim Rindfleisch schwört der Meister vor allem auf die Trockenreifung (dry aged), aber auch auf das Reifen im Fett (butter aged) und sogar in der Buchenholzasche. Das gängige Reifen im Vakuumbeutel (wet aged) gehört dagegen nicht zu den präferierten Methoden des Experten, weil „die Milchsäurebakterien das Fleisch bei längerer Reifung leicht säuerlich machen“.Einmal hat Krösbacher ein Edelstück vom Rind sogar drei Wochen lang zur Reifung in Schokolade eingelegt. Das schokoladig-herzhafte Resultat dieses Experiments dürfte gut in die Wintermonate passen.
Warum es beim Metzger besonders gut schmeckt, hat unter anderem damit zu tun, dass die Tiere auch unmittelbar nach der Schlachtung gut behandelt werden. Im Metzgerlatein klingt das so: „Kleinere Schlachthöfe holen viel mehr Qualität heraus, weil das Auskühlen des Schlachtkörpers viel langsamer vonstatten gehen kann. Eine verlangsamte Absenkung des PH-Werts im Fleisch sorgt dafür, dass eine verstärkte Enzymbildung einsetzen kann. Die Enzyme zersetzen

Spicken hält das Fleisch saftig und bietet eine charmante Möglichkeit, zusätzliche Aromen ins Fleisch zu bringen.
von Pulled Pork und Co. bekannt. Auch ein Dutch Oven, ein gusseiserner Feuertopf, der über ein offenes Feuer gehängt oder direkt auf die Kohlen gestellt werden kann, macht im Winter gute Figur. Generell empfiehlt der Meister, beim Grillen mit Kerntemperaturfühler zu arbeiten, damit man einerseits die volle Kontrolle über sein Grillgut behält und andererseits nicht so häufig den Deckel aufheben muss. Das erschwert es nämlich, eine konstante Temperatur zu halten. „Diese sackt im Winter schneller und stärker ab als im Sommer, wenn man den Deckel aufmacht“, weiß der grillende Metzger. „If you are looking, you’re not cooking“, heißt es in Grillerkreisen.
Beim Gasgrill tut man sich leichter, Temperaturschwankungen auszugleichen, weil man eben flexibel „Gas geben“ kann. Bei sehr niedrigen Außentemperaturen besteht allerdings die Gefahr, dass das Gas zu stocken beginnt. Deshalb sollte man, empfiehlt Helmut Krösbacher, zur Vorsicht eine zweite Gasflasche im Warmen vorhalten. Sonst ist der Ofen aus, ehe das Grillgut gar ist.
GEKONNTES SPIEL MIT DEM FEUER In Sachen Aromatik gibt es zwischen auf Holzkohle oder Gas Gegrilltem keine signifikanten Geschmacksunterschiede. Die Wahl des jeweiligen Grills ist unter Enthusiasten dennoch so etwas wie eine Glaubensfrage. Viel diskutiert, aber ohne eine letztgültige Lösung. Wichtiger als die Wahl der Hitzequelle erscheint Krösbacher ein guter Grillrost, der Wärme entsprechend speichern kann. „Edelstahl und Guss haben die beste Wärmeleitfähigkeit, das sorgt für gute Röstaromen“, weiß der Grillexperte. Gerade günstige Modelle sparen häufig an der Qualität des Grillrosts. Ein Holzgrill sorgt mit seinem Holzkohlerauch natürlich im Vergleich zum geruchsneutralen Gasgrill für eine würzigere Umgebungsluft, die so richtig Appetit auf Gegrilltes macht. Der typische Grillgeschmack hängt also nicht von der Hitzequelle ab. Wenn die Fleischsäfte, die Öle, Proteine und Zucker enthalten, in die Hitzequelle herabtropfen und dort Rauch erzeugen, entstehen jene chemischen Verbindungen, die in Form von Dampf wieder ins Fleisch eindringen und dort für die heißgeliebten Grillaromen sorgen. Wesentlich für den Geschmack ist zudem die sogenannte Maillard-Reaktion. Sie ist eine komplexe nicht enzymatische Bräunungsreaktion, die bis heute nicht völlig verstanden wurde. Macht aber nichts, schmeckt trotzdem großartig.
WILD DRAUFLOS GEGRILLT Beginnend mit dem Herbst bis weit in den Winter hinein ist die beste Zeit, Wild drauflos zu grillen. Indem man etwa ganz klassisch einen Hirschrücken zum wohltemperierten Entspannen auf den Grill packt oder im Dutch Oven ein Hirschgulasch schmort. „Wild ist sensibel, weil das Fleisch so mager ist“, sagt Krösbacher. Das heißt, dass man die Gartemperatur im Auge behalten und es generell langsam angehen sollte. Helmut Krösbacher hat einen Tipp parat, der dafür sorgt, dass das kostbare Wildbret garantiert nicht zäh wird: „Man kann das Teil mit grünem Speck umwickeln, der sehr gut mit dem Wildgeschmack harmoniert. Oder man kann das Fleisch sehr gut spicken, auch wenn diese Technik ein wenig in Vergessenheit geraten ist. Das Spicken wird irgendwann wieder in Mode kommen, weil es viele Möglichkeiten bietet, zusätzliche Aromen ins Fleisch zu bringen.“ Apropos Mode: Der Grillspieß galt vielen Grillenthusiasten lange als etwas zu spießig, hat aber auch und gerade im Winter seine Berechtigung. Wild ist besonders gesund, weil es nur die besten Kräuter und Gräser frisst, viel Bewegung hat und oft direkt vor der Haustür lebt. Regionaler geht es also kaum.
Zu besonderen Anlässen wie Martini, Weihnachten oder Silvester landet auch gerne so manche Gans am Grill. Im Ganzen, gefüllt mit winterlichem Obst und Gemüse. „Das Grillen von Großstücken ist immer auch eine Angelegenheit, die üblicherweise in Gesellschaft stattfindet. Grillen ist dadurch auch ein verbindendes Ereignis, das Freunde und Familie zusammenbringt“, meint der Metzger zur sozialen Dimension des Spiels mit dem Feuer. Für den Grillverantwortlichen ist das Handling von Großstücken meist stressfreier als das Hantieren mit Kurzgebratenem im Sommer. Vorbereitung zählt, den Rest erledigt die möglichst konstante Hitze im Griller. Weil es sich um größere Fleischstücke handelt, sinkt auch die Gefahr, dass das Fleisch am Grill unnötigerweise ein zweites Mal stirbt.
Das Vorgaren im Vakuumbeutel, auch als Sous Vide bezeichnet, begeistert Helmut Krösbacher nicht: „Sous Vide hat beim Gemüse sicher seine Berechtigung, beim Fleisch kann ich dem aber nichts abgewinnen. Bei der Zubereitung ist man beim Sous Vide zwar auf der sicheren Seite, die Geschmacksstruktur vom Fleisch prägt sich allerdings nicht so aus, wenn man es nur kurz auf den Grill legt. Alle Fleischstücke, die am Grill unterschiedliche Charakteristika entwickeln, schmecken durch Sous Vide irgendwie gleich.“ Die MaillardReaktion fällt wohl beim kurzen Anbraten am Grill verhältnismäßig bescheiden aus, Röstaromen sind allenfalls andeutungsweise vor-
„Im Winter grillt man überwiegend mit indirekter Hitze. Man macht Großstücke im Ganzen, die auch gerne etwas deftiger sein dürfen als im Sommer.“
HELMUT KRÖSBACHER
handen. Es gelte, die Unterschiede zwischen den Fleischstücken herauszuarbeiten, betont der Metzger, den es nicht kalt lässt, wenn ein Ribeye und ein Flanksteak sich geschmacklich nicht mehr allzu sehr unterscheiden.
Das Aromenprofil hängt sowohl von der Temperatur im Griller als auch von der Garzeit ab. Mehr Hitze erzeugt mehr Röstaromen, birgt aber die Gefahr, dass das Fleisch zu trocken wird. „Beim Grillen ganzer Stücke kann man sich damit behelfen, im Griller eine Schale mit einer Flüssigkeit zu platzieren, damit sich Dampf entwickeln kann. Für Wildfleisch nehme ich meistens einen Rotwein, für Schweinefleisch Bier“, rät der Meister, der seinen Hirschrücken bevorzugt bei 120 °C im Wassersmoker macht. Das dauert ein paar Stunden, zahlt sich aber aus, führt Krösbacher aus: „Das langsame, schonende Grillen wirkt sich extrem positiv auf die Wasser-Eiweiß-Bindung aus. Das ergibt ein besonders saftiges Fleisch.“
FETT IST EIN FREUND Jahrelang genoss Fett einen zweifelhaften Ruf. Mittlerweile ist man wieder klüger geworden und schätzt die geschmacklichen Qualitäten von Fett. In den Metzgereien musste man es wegschneiden, heute darf es wieder dranbleiben und den Geschmack des mageren Fleisches betonen. „Alles, was fettmarmoriert ist, macht geschmacklich etwas her“, hält Krösbacher fest. Er begrüßt es uneingeschränkt, dass viele Konsumenten – auch dank des Internets – heute besser informiert sind. „So sind die Leute viel aufgeschlossener und fragen nach Teilen, die es nur beim Metzger gibt.“ Nose-to-Tail ist für Krösbacher nicht erst seit gestern eine Selbstverständlichkeit, weil dadurch für Vielfalt am Teller gesorgt ist und auch vermeintlich minderwertige Fleischteile zu neuen Ehren gelangen. „Beim Schwein war es früher so, dass die Kunden hauptsächlich die Karreerose oder das Filet haben wollten“, erinnert sich Krösbacher. Beispiele für die neue Vielfalt am Teller sind das genannte Flank- oder das Flat-Iron-Steak, die man bis vor wenigen Jahren in unseren Breiten nicht gekannt hatte. „Nehmt nicht nur die klassischen Edelteile, die A-Cuts, sondern auch die B- und C-Cuts, die – richtig zubereitet – für geschmackliche Aha-Erlebnisse sorgen können“, appelliert der Metzgermeister. Obendrein schont das die inflationsbedingt empfindlich getroffene Geldbörse. „Wenn ich einen Schweineschopf für zehn bis zwölf Stunden in den Smoker gebe, wird daraus ein richtiges Highlight“, schwärmt Krösbacher, der neben der Fleischqualität viel Wert auf die handwerklich kompetente Zubereitung legt. Da fährt der Zug drüber, oder – in Anlehnung an Form und Farbe eines typischen Smokers – eben die Lokomotive.
Wintergrillen ist freilich keine exklusive Veranstaltung, zu der nur Kuh, Schwein und Wild herzlich eingeladen sind, es sich am Grillrost gemütlich zu machen. „Lammkarree am Knochen ist im Sommer wie im Winter ein Trend geworden“, weiß der Metzger. Das Kitz spielt indes eine sehr untergeordnete Rolle, weil das zarte Fleisch schnell trocken wird, wenn man Temperatur und Garzeit nicht hundertprozentig im Griff hat. Beim Marinieren rät Krösbacher generell dazu, das Salz anfangs lieber wegzulassen und stattdessen stärker mit Gewürzen zu arbeiten. „Längeres Marinieren ist bei ganzen Stücken besonders wichtig, weil die Gewürze besser ins Fleisch einziehen“, so der Grillprofi.
GEMÜSE & CO. BEILIEGEND Damit nicht der Eindruck entsteht, dass beim Wintergrillen nur Fleisch opportun sein müsse, sind – nicht nur der Vollständigkeit halber – natürlich auch die entsprechenden Beilagen nicht zu vernachlässigen. „Die richtigen, an die Jahreszeit angelehnten Beilagen runden ein Essen erst so richtig ab“, bricht selbst der Metzger eine Lanze für die Begleitmusik. Im Herbst könnte das der Kürbis oder das Rotkraut sein, im Winter liegt die Verwendung von Wintergemüse nahe. Lauch, Sellerie oder Rote Bete kann man übrigens auch bei direkter Hitze grillen, bis sie schwarz sind, anschließend geschält, ergibt das eine besonders intensive Aromatik.
Regionalität ist jedenfalls auch im Winter sympathisch, für gelungenes Wintergrillen müssen nicht unbedingt Exoten aus aller Welt herangekarrt werden. „Da hat sich die Erwartungshaltung geändert. Es macht keinen besonders guten Eindruck, wenn man auf Produkte zurückgreift, die allesamt jahreszeitlich nicht in der Region verfügbar sind“, hat Helmut Krösbacher einen Sinneswandel beobachtet, der sich auch auf den Cateringbereich erstreckt. Dem Metzgermeister ist das ganz recht, er bedient sich ohnehin am liebsten in der Region.
Gespeist wird beim Wintergrillen meist irgendwo im Innenraum, damit die Gäste nicht der Kälte ausgesetzt sind und das Essen zu schnell erkaltet. Aus demselben Grund ist es auch empfehlenswert, die Teller vorzuwärmen. Sollten die Gäste im Freien verpflegt werden, könnte man – nachdem der gasbetriebene Heizpilz in Verruf geraten ist – auch zusätzlich ein Lagerfeuer machen, an dem sie sich aufwärmen können und das zudem für eine gute Atmosphäre sorgt. Grillen im Winter ist auf jeden Fall ein ganz besonderes Erlebnis, das bei richtiger Vorbereitung eine entspannte Angelegenheit ist, die Genuss und Winteratmosphäre zu verbinden weiß.
Beim Marinieren rät Helmut Krösbacher generell dazu, das Salz anfangs lieber wegzulassen und stattdessen stärker mit Gewürzen zu arbeiten.
