eco.nova Edition 2017

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Die Yuzu-Rebellion Vier Generationen an Gutelemachern und Konditoren hat das altehrwürdige Gumpp-Haus in der Kiebachgasse schon beherbergt, mit den Geschwistern Almut und Christoph Munding ­ist die fünfte Generation am Zug: genauso erfinderisch wie ihre Vorgänger, mit einem leichten Hang zu überbordender Kreativität und einem feurigen Funken Rebellion, der nach Matcha und Yuzu* schmeckt.

�� Der Fortschritt liegt den Mundings im Blut. Das erste Damencafè Innsbrucks inklusive Wasserklosett, der erste Weihnachtsbaum, die erste mechanische Teig­rührmaschine der Welt, das erste Speiseeis Tirols. Fünf Generationen an Mundings haben ganz schön viel Staub aufgewirbelt und für Furore gesorgt. Und nebenbei machen sie außerdem enorm gute Leckereien.

lien erinnern an das Damals, an die Kraft, die diese Familie seit jeher angetrieben hat. Die aus dem ersten Damencafé Innsbrucks, das ein ehemaliger fahrender Geselle eröffnet hatte, eine 200 Jahre alte Traditionskonditorei entstehen ließ, die auch heute noch – trotz aller Ehrwürdigkeit – diesen besonderen Funken in sich trägt, der sie durch die Jahrzehnte und -hunderte begleitete.

FUNKENFLUG. Die Geschwister Almut und Christoph Munding ergänzen einander perfekt. Er, der Konditor, der nie einer werden wollte, der Wirbelwind in der Backstube, der nicht unbedingt mit Menschen zu tun haben muss, wenn es sich vermeiden lässt, und sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Seine Schwester, die Geerdete, die nach langen Jahren weit fort doch nach Hause zurückkehrte, aber nicht in die Backstube, sich seither darum kümmert, dass der Laden läuft, und ihrem Bruder den Rücken für seine unbändige Kreativität freihält. Ihn aber auch zügelt. „Christoph, bitte!“, sagt sie, wenn er verbal wieder übers Ziel schießt – halb im Ernst, halb doch amüsiert. Sie sagt es oft. Ein Gespräch mit den beiden ist unglaublich unterhaltsam, intensiv, interessant. Über 200 Jahre an Munding-Geschichte vergehen wie im Flug, einem atemberaubenden. Es ist nicht nur Familien- und Unternehmenshistorie, es ist Zeitgeist, der durch die Erzählungen weht, in den ehrwürdigen Räumen der Konditorei manifest ist. Dutzende Bilder an den Wänden, Andenken und Utensi-

FÜNFMAL HANS. Ende des 18. Jahrhunderts erreichte der aus Überlingen am Bodensee stammende Johann Nepomuk Munding Tirol. Auf dem langen Weg hatte er sich bei Lebzeltern und Gutelemachern verdingt, in Innsbruck arbeitete der Geselle schließlich in der Zuckerbäckerei des Stadtkochs Kircher, im ehemaligen Gumpphaus in der Kiebachgasse. Fleißig, wie er war, übernahm er den Betrieb nach kurzer Zeit, zuerst als Pächter, dann kaufte er das gesamte Anwesen und eröffnete im Frühjahr 1803 das „Damencafé Konditorei Munding“. Nicht nur die Damen – die endlich ein Cafè hatten, das sie ohne männliche Begleitung betreten konnten – waren angetan. Erzherzog Eugen von Tirol bestellte den Zuckerbäcker zum persönlichen Kammerdiener und Kammerlieferanten, ebenso Prinz Ludwig von Sachsen. Johann Nepomuk war es schließlich auch, der Anfang der 1860er-Jahre den ersten Christbaum in die Auslage seiner Konditorei stellte und damit die Gemüter der katholischen Mitbürger erhitzte; als Heide beschimpfte man ihn. Kaum vorstellbar, wie jung die Tradition des

Fotos: Andreas Friedle

CAFÉ KONDITOREI MUNDING 1803 durch Johann Nepomuk Munding als Damencafé eröffnet, durchlebte das Familienunternehmen eine aufregende Geschichte, die stets durch den Erfindungsreichtum der Inhaber geprägt war. 2005 übernahmen die Geschwister Almut und Christoph Munding das Ruder in der Konditorei, 2016 fand die offizielle Übergabe statt.

* Yuzu ist eine Zitrusfrucht aus Asien, wo sie zu den zu traditionellen Lebensmitteln zählt. Der Saft der Yuzu hat ein sehr intensives Aroma, auch die Schale wird verwendet.

Weihnachtsbaums in unseren Breitengraden ist. Mundings Sohn Hans übernahm den Betrieb schließlich und investierte große Bemühungen in die Marmeladenfabrikation in der Adamgasse und die Schnapsbrennerei. Besondere Spezialitäten des Hauses jener Zeit waren „Mundings Fruchtlimonade“, das Tiroler Früchtebrot und „Mundings Tiroler Edelpunsch“ – bis nach Ostindien wurden diese „Gutelen“ verkauft, die bei der Weltausstellung in Paris hoch prämiert worden waren. Nachdem die zu produzierenden Mengen dadurch entsprechend andere waren als in einer normalen Zuckerbäckerei üblich, war Hans Munding erfindungsreich: Er entwickelte die erste mechanische Teig­ rührmaschine der Welt – 5000 Stück wurden von der Alpina 2000 weltweit verkauft, bevor das Patent auslief. Ein Modell kann man im Technischen Museum in Wien heute noch bestaunen. Erfunden hat Hans Munding aber noch weitaus mehr – etwa eine Isolierverpackung, mit welcher das erste Eis Tirols, natürlich made by Munding, in ganz Tirol vertrieben werden konnte. Auch die folgenden Generationen trugen ihren Teil dazu bei, das Ansehen des Familienunternehmens zu stärken – der Name verpflichtet schließlich. „Wir männlichen Nachkommen wurden ja alle nach der Firma, die als Hans Munding eingetragen worden war, benannt“, sagt Christoph Munding, dessen erster Name – ebenso wie der aller erstgeborenen Söhne Mundings – Hans lautet. Dieser wollte aber so gar nicht in die Fußstapfen seines Va-

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