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NIX IST FIX

VIELES IST MÖGLICH, NICHTS IST FIX

Galoppierende Inflation und teils überraschend starke Leitzinsanhebungen in den USA und Europa belasten die Bond- und Aktienmärkte. Die Verunsicherung ist groß. Wie geht es mit Zinsen und Inflation weiter? Welche Geldanlagen kommen noch am besten durch die Krise?

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TEXT: MICHAEL KORDOVSKY

I

n den USA liegt die Inflationsrate bereits seit Mai 2021 – also 18 Monate (bis Oktober 2022) – über fünf Prozent. Sie erreichte ihren vorläufigen Peak von 9,1 Prozent im Juni, ehe bis Oktober 2022 wieder ein Rückgang auf 7,7 Prozent erfolgte. Hartnäckiger auf hohem Niveau bleibt indessen die Kerninflation, aus der die volatilen Komponenten Energie und Nahrungsmittel herausgerechnet werden. Im September erreichte diese mit 6,6 Prozent ihren vorläufigen Höhepunkt und höchsten Wert seit den frühen 1980er-Jahren. Die Fed hat nicht umsonst in sechs Leitzinsanhebungen die Fed Fund Rate um insgesamt 3,75 Prozentpunkte auf 4,00 Prozent angehoben. Obwohl im Euroraum von September auf Oktober die Inflationsrate von 9,9 Prozent auf ein neues Hoch von 10,6 Prozent stieg, hat die EZB ihren Hauptrefinanzierungssatz erst auf 2,0 Prozent hinaufgesetzt. Um in der Wirtschaft über gedrosselte Investitionen die Nachfrageseite entsprechend einzudämmen und auf diese Weise die Inflation in den Griff zu bekommen, sind viel stärkere Leitzinsanhebungen erforderlich. Dann stellten kritische Beobachter hier noch die Sinnfrage, denn Angebotseinschränkungen durch den Ukrainekrieg und Lieferkettenunterbrechungen (auch durch verzögerte Auslieferungen aus Shanghai) sind die Wurzel galoppierender Teuerung. Nicht zuletzt auch abzulesen aus den Aussagen von Fed-Chairman Jerome Powell, erscheint das Inflationsproblem langwieriger zu sein als ursprünglich erwartet. Das deckt sich mit historischen Fakten bezüglich Anzahl und Dauer von Zinsanhebungszyklen in den USA, die auch für Europa geldpolitische Vorgaben schaffen.

Die Analysten von HedgeGo haben in der Research-Publikation „Treasury Scout“ vom 10. November unter Führung ihres Chefanalysten Gerhard Massenbauer die letzten acht Zinserhöhungszyklen in den USA (seit 1971) untersucht und kamen zu folgender Erkenntnis: „Die durchschnittliche Anzahl an Zinserhöhungen lag bei 15. In den hochinflationären 1970er-Jahren setzte die Fed 20 bzw. 34 Zinsschritte, bis sie ihr Ziel erreichen konnte. Danach reichten im Schnitt zwölf Zinsschritte, um bei mäßigem inflationärem Druck ans Ziel zu kommen. Zwar lag die durchschnittliche Dauer der Zinserhöhungen bei 32 Monaten und quer durch den Zyklus beträgt die durchschnittliche Zinserhöhung 5,64 Prozentpunkte, doch in der letzten Hochinflationsphase beschäftigte uns das Inflationsproblem sieben Jahre lang.“ Laut HVPI-Veränderung (Harmonisierter Verbraucherpreisindex) im Oktober mit 11,5 Prozent überdurchschnittlich hoch war vor allem die Inflationsrate in Österreich, dessen Erdgasabhängigkeit von Russland besonders hoch ist. Zahlreiche Verbraucher stellen sich deshalb die wohlberechtigte Frage: Wie lange werden uns hohe Inflationsraten begleiten?

Historisch gesehen ist die aktuelle Situation noch am ehesten mit den ersten beiden Ölschocks 1973 sowie 1979/80 und den Jahren 1916 bis 1920 (Erster Weltkrieg und folgende globale Pandemie der Spanischen Grippe) vergleichbar. In diesen Szenarien lag in den USA die Inflationsrate zwischen 43 und 70 Monaten bei fünf Prozent und darüber. In Österreich gab es indessen im Zuge der beiden ersten Ölschocks zwei längere Phasen mit Inflationsraten von fünf Prozent und mehr (Maßstab: VPI).Von Jänner 2022 bis Oktober 2022 ist die Inflation in Österreich laut VPI mittlerweile von fünf auf elf Prozent gestiegen. Historische Rückblicke lassen erwarten, dass sich diese Phase noch zumindest auf zwei weitere Jahre bis November 2024 erstreckt.

Doch wie sehen das Experten aus dem Private Banking, die sich um die Finanzen einer wohlhabenden Klientel kümmern? Burgi Vrba, Innsbrucker Standortleiterin der Schoellerbank: „Prognosen sind aktuell mit hohen Unsicherheitsfaktoren verbunden, niemand kann verlässlich in die Zukunft schauen. Auf breiter Basis sind die Unternehmensgewinne noch sehr stabil, doch wir rechnen damit, dass diese in den kommenden Monaten etwas nachgeben werden. In zyklischen Branchen wohl stärker. Das ist im Markt durch die Kursverluste der letzten Monate schon vorweggenommen und wäre also keineswegs eine Überraschung. In den USA ist die Inflation nach mehreren Zinserhöhungen der amerikanischen Notenbank bereits seit Juli wieder leicht rückläufig. Für Europa zeigen die aktuell gehandelten Marktpreise in einem Jahr sogar nur mehr eine Inflationserwartung von etwa zwei Prozent an. Diese Annahme

© CHRISTIAN FORCHER

„Wir raten dazu, je nach Risikoneigung einen bestimmten Anteil des Vermögens in erstklassige Aktien krisenerprobter Unternehmen zu investieren.“

BURGI VRBA, SCHOELLERBANK

erscheint uns deutlich zu niedrig: Aktuell deutet vieles auf weitere Preiserhöhungen und auf eine längerfristig angespannte Energiesituation hin.“

DIE LEITZINS-SCHRAUBE Doch was machen die Notenbanken? Zum einen befindet sich die Konjunktur im Abschwung, zum anderen leiden die OECD-Länder unter den höchsten Staatsschulden, die es in Friedenszeiten je gegeben hat. Im Euroraum mit Sorge verfolgt wird die Staatsverschuldung Italiens, die bei rund 150 Prozent des BIP liegt. Dazu Vrba: „Die EZB steht tatsächlich vor der schwierigen Herausforderung, die stärkste Inflation – die in der Historie über das Bestehen des Euros hinausgeht – zu bekämpfen, ohne dabei die Konjunktur zu stark auszubremsen. In Europa ist die Inflation im Unterschied zu den energieautarken USA deutlich stärker durch externe Faktoren bestimmt, welche die Notenbank mit ihrer Geldpolitik nicht beeinflussen kann“, und ergänzt: „Während der letzten großen Energiekrise Ende der 1970er-Jahre führten riesige Zinsschritte in schwere Rezessionen. Wir gehen heute von einer deutlich behutsameren Gangart aus. Der Markt hat für das heurige Jahr noch weitere Zinsschritte von insgesamt 0,75 Prozentpunkten eingepreist. Der vom Markt erwartete Tagesgeldsatz (Overnight-Rate) liegt damit zu Jahresende bei zwei Prozent. Marktteilnehmer rechnen derzeit mit dem Höhepunkt der geldpolitischen Straffung im ersten Quartal 2023 und einem Ende der Zinserhöhungen seitens der EZB bei 2,75 Prozent für den Refinanzierungszinssatz.“

AKTIENMARKT BLEIBT „TRICKY“ „Sowohl in den USA als auch in Europa verlangsamen die Notenbanken den Liquiditätsfluss aufgrund ausufernder Inflation. Konjunktur- und Aktienzyklen dauern in der Regel mehrere Jahre, wobei einer langen Haussephase oft abrupte Abschwünge folgen. Niemand besitzt eine Glaskugel und kann die Zukunft vorhersagen. Ob der Boden des aktuellen Abschwungs schon erreicht ist, lässt sich nicht prognostizieren. Der Aktienmarkt nimmt die wirtschaftlichen Entwicklungen üblicherweise einige Monate vorweg, sodass die Aktienmärkte ihren Boden vor der Konjunktur erreichen. Antizyklische Anlegerinnen und Anleger können den Rückgang bereits jetzt für erste Käufe nutzen, um von den langfristigen Chancen der Kapitalmärkte zum Kaufkrafterhalt zu profitieren“, erklärt Vrba. Erfahrungsgemäß sollten sich in diesem Umfeld Unternehmen am stabilsten entwickeln, die die gestiegenen Kosten aufgrund ihrer Preisfestsetzungsmacht weitergeben können. Vergangene Krisen zeigen außerdem, dass die US-amerikanische Wirtschaft und der dortige Aktienmarkt die Turbulenzen zuallererst und am besten überwinden können. „In der Schoellerbank Vermögensverwaltung haben wir auf die aktuellen Entwicklungen mit einer Erhöhung von US-Aktien relativ zu den anderen Regionen reagiert. Gleichzeitig setzen wir seit jeher auf Unternehmen mit Wettbewerbsvorteilen und soliden Bilanzen, Unternehmen also, die womöglich sogar gestärkt aus dieser Krise hervorgehen könnten“, so Vrba.

CHANCEN AM BONDMARKT „Anleihen wurden durch die erfolgte Neubewertung im heurigen Jahr für Neueinsteiger wieder zu einer echten Veranlagungsalternative. Mittlerweile locken Unternehmensanleihen guter Bonität im mittleren Laufzeitenbereich mit einer laufenden Verzinsung von über vier Prozent“, so Vrba, die Qualitätsanleihen etwas abgewinnen kann: „Nach mageren Jahren mit Renditen im Promillebereich ist die relative Attraktivität vieler Anleihen so hoch wie schon lange nicht. Neben Unternehmensanleihen können auch Staatsanleihen wieder mit deutlich positiven Renditen aufwarten. Wer sein Geld für fünf Jahre dem Staat Österreich leiht, bekommt aktuell dafür immerhin eine Rendite von 2,6 Prozent per anno. Berücksichtigt man die durchschnittlichen Inflationserwartungen für die nächsten fünf Jahre, könnte es sich ausgehen, dass Investoren auch mit vielen Unternehmensanleihen guter Qualität in Zukunft keine negativen Realrenditen mehr hinnehmen müssen. Die Hälfte der Staatsanleihen in der Schoellerbank Vermögensverwaltung ist nicht in Nominalanleihen mit einer fixen negativen Verzinsung veranlagt, sondern in inflationsgeschützten Varianten höchster Bonität. Die Erträge dieser Anleihen bleiben inflationsbereinigt stabil, das heißt, Anlegerinnen und Anleger erzielen stets konstante reale Renditen. Bei den Unternehmensanleihen setzen wir ebenfalls auf hohe Qualität. Lediglich Unternehmen im Investment-Grade-Bereich finden hier Berücksichtigung. Als Beimischung im Anleihenteil investieren wir auch in Fremdwährungsanleihen hochentwickelter Länder und

Historische Rückblicke lassen erwarten, dass sich die Phase hoher Inflation noch zumindest auf zwei weitere Jahre bis November 2024 erstreckt.

zu einem kleinen Teil in Schwellenländeranleihen.“ Aber es gibt laut Vrba auch ein Anleihensegment, das derzeit besonders risikoreich ist, nämlich High-Yield-Anleihen, „da deren hohe Renditeversprechungen von ebenso hohen Ausfallrisiken begleitet werden – insbesondere im aktuellen Umfeld eine nicht zu unterschätzende Gefahr“.

VERMÖGEN ERHALTEN Wie sich bei steigenden Zinsen und restriktiveren Finanzierungsbedingungen die Preise für Anlegerwohnungen entwickeln werden, bleibt abzuwarten. Langfristig höhere Inflationsraten wirken sich nämlich positiv auf den Barwert zukünftiger Mieterträge aus. Eine breite Streuung unter bewährten qualitativ hochwertigen Geldanlagen, dazu gehören auch vermietete Wohnungen in guten Lagen von Universitätsstädten, erhöht auf jeden Fall die Chance eines langfristigen Vermögenserhaltes. Doch auch Aktien gehören neben Private-Equity-Dachfonds, Infrastrukturinvestments und Edelmetallen zu den Sachwerten. Dazu Vrba: „Wir raten dazu, je nach Risikoneigung einen bestimmten Anteil des Vermögens in erstklassige Aktien krisenerprobter Unternehmen zu investieren. In einem Umfeld steigender Preise sollten Anlegerinnen und Anleger bei ihren Veranlagungsentscheidungen einerseits einen klaren Qualitätsfokus haben und andererseits auf Realwerte setzen. Dazu zählen neben Aktien auch rohstoffabhängige Fremdwährungen oder inflationsgeschützte Anleihen. In einem ausgeglichenen Portfolio über 500.000 Euro investieren wir zum Beispiel derzeit etwas mehr als die Hälfte in Aktien. Der regionale Schwerpunkt liegt hierbei eindeutig in den USA. Die im Vergleich zu Europa bessere Situation bei den Energiepreisen und der in den USA freundlichere Konjunkturausblick sprechen für dieses Übergewicht. Weiters mischen wir Aktien aus Japan und dem restlichen asiatischen Raum bei. Die Anleihenquote in einem ausgeglichenen Portfolio liegt bei knapp über 40 Prozent. Mit in Summe rund einem Drittel bilden Staatsanleihen und Unternehmensanleihen hierbei die am stärksten gewichteten Segmente. In einer dynamischeren Ausrichtung erhöht sich der Aktienanteil auf etwas über 80 Prozent, der aus einer entsprechend verringerten Anleihenquote resultiert. Zudem wirkt sich laut Vrba eine hohe und länger andauernde Inflation unweigerlich auf alle Lebensbereiche und Vermögensklassen wie Immobilien, Wertpapiere, Versicherungen oder Gold aus. Gerade über einen längeren Zeitraum macht sich der Kaufkraftverlust besonders deutlich bemerkbar. Wer beispielsweise für seinen Ruhestand vorsorgen will, muss jetzt im Vergleich zu den Vorjahren mehr ansparen, um in Zukunft den gleichen Lebensstil genießen zu können: „Eine individuelle, ganzheitliche und professionelle Finanzplanung ermöglicht hier sowohl auf der Liquiditätsseite als auch bei der privaten Vermögensbilanz eine detaillierte Analyse der jeweiligen individuellen Situation.“

WIR GEBEN KINDERN WIEDER EIN ZUHAUSE

Die Sparkasse ist überzeugt von ihrem Auftrag und wird ihr Angebot weiterentwickeln – von Finanzdienstleistungen hin zu finanzieller Gesundheit für die Menschen in der Region Generalsekretär des österreichischen Sparkassenverbandes Mag. Franz Portisch, ehemaliger SPK-Vorstand Mag. Harald Wanke, Lorenz Danzl und die Schwazer Bürgermeisterin Victoria Weber, M.Sc.

IM ZEICHEN DER ZUKUNFT

Ende Oktober fand im SZentrum in Schwaz die 150-Jahr-Feier der Sparkasse Schwaz statt. Neben einem kurzen Blick in die Vergangenheit stand die Zukunft der Sparkasse im Mittelpunkt eines außergewöhnlichen Events.

Am 1. November vor 150 Jahren begann die Geschichte der Sparkasse Schwaz. Heute ist sie mit über 200 Mitarbeitern und 14 Filialen flächendeckend im gesamten Bezirk vertreten. Zum 150-jährigen Jubiläum wurde daher ein besonderes Event ausgerichtet. Die beiden Ö3-Moderatoren Tina Ritschl und Andi Knoll, die in charmant-sympathischer Doppelmoderation das gesamte Publikum begeisterten, führten durch den Abend.

Als einer der emotionalen Höhepunkte des Abends galt der Videobeitrag von Lorenz Danzl (99) und Gerhard Streiter (langjähriger Mitarbeiter der Sparkasse), die die Gäste auf eine Reise in die Vergangenheit führten. Vom ersten Weltspartag 1924 bis hin zu seinem 70er, den Danzl in der Rolle als Vereinsvorsteher innehatte, erlebte er nahezu zwei Drittel der Sparkassengeschichte selbst mit.

Das Engagement rund um das Gemeinwohl, dem die Sparkasse Schwaz seit ihrer Gründung Rechnung trägt, wurde auch an diesem Abend einmal mehr unter Beweis gestellt. Großzügige Spenden in der Gesamthöhe von 25.000 Euro wurden an die Lebenshilfe Tirol (Bezirk Schwaz) sowie an das Franziskanerkloster Schwaz überreicht.

THE FUTURE IS YOURS

„150 – eine wirklich stolze Zahl, die sich sehen lassen kann. Die Emotionen und die Eindrücke unseres Jubiläumsabends lassen ganz klar den Fokus nach vorne richten. Der Blick in die Zukunft spricht daher eine ganz klare Sprache. Die Sparkasse wird modern, innovativ und digital sein. Aber sie wird vor allem auch eines sein – menschlich. Der Gründungsgedanke soll weiterhin hochgehalten werden – Wohlstand in der Region zu verbreiten und zu sichern“, so Vorstandssprecher Helmut Rainer, MBA.

Ein herbstliches Galadinner vom Metzgerwirt aus Hippach, eine interaktive Licht- und Tanzperformance sowie die Band Moreland rundeten den Abend stimmig ab und verwöhnten die Gäste mit allen Sinnen. Mit faszinierenden Zaubertricks sorgte Ben Hyven für Sinnestäuschungen an den Tischen. Für einen feierlichen Ausklang der Veranstaltung sorgte das Clubbing mit DJ Aron Matthews. PR

Alois Aschberger und Waltraud Haberl (Lebenshilfe Tirol – Region Schwaz) durften sich über eine Spende in Höhe von 15.000 Euro freuen. Im Bild mit den Vorständen der Sparkasse Schwaz, Helmut Rainer (li.) und Bernhard Plattner

BREIT AUFSTELLEN

Wir haben mit Martin Sterzinger, Leiter Private Banking, Direktor und Generalbevollmächtigter der Alpen Privatbank in Innsbruck, über Zinsen, Inflation und Geldanlage gesprochen.

ECO.NOVA: Im Oktober lag die Inflation im

Euroraum bei 10,7 Prozent, in Österreich

bei 11,5 Prozent. Wie geht es weiter? MARTIN STERZINGER: Die Inflationsraten dürften sowohl im Euroraum als auch in Österreich bis zum Jahresende zunächst hoch bleiben. Ab dem Jahreswechsel werden die inflationstreibenden Effekte der explodierenden Energie- und Nahrungsmittelpreise jedoch sukzessive an Kraft verlieren. Einerseits greifen in einigen Ländern wie Österreich, Deutschland und den Niederlanden ab Jahresbeginn staatliche Preisobergrenzen für Strom und Gas. Zum anderen werden sich aufgrund der sich bereits abschwächenden Konjunktur die starken Preissprünge im Rohstoffbereich, die wir zwischen Januar und Juni 2022 beobachten konnten, im

„Wir erwarten, dass die Notenbank ihren Leitzins bis März nächsten Jahres auf rund drei Prozent anhebt, den Zinserhöhungsprozess danach aber wegen der dann sichtbaren Rezession beendet – auch wenn sie dies vorerst nicht in Aussicht stellen und zunächst weiter an ihrer ‚falkenhaften‘ Kommunikation festhalten wird.“

MARTIN STERZINGER

kommenden Jahr aller Voraussicht nicht wiederholen und somit peu à peu aus der Berechnung der Vorjahresveränderungsrate des Verbraucherpreisindex herausfallen. Vor diesem Hintergrund dürfte die Teuerungsrate in der Eurozone unserer Einschätzung nach bis Mitte 2023 auf rund fünf Prozent sinken und im Jahresverlauf weiter nachgeben – ein Trend, den wir auch in Österreich sehen dürften.

Die EZB hat die Leitzinsen im Euroraum bereits auf zwei Prozent angehoben, die Fed sogar auf 3,75 bis 4,00 Prozent. Bedenkt man, dass die Staatsschulden etwa in Italien bei 150 Prozent des BIP liegen, stellt sich die Frage, wann im Euroraum die Schmerzgrenze der Leitzinserhöhungen erreicht ist. Wie schätzen

Sie die weitere Zinsentwicklung ein? Da der Preisauftrieb vorerst hoch bleibt, gehen wir davon aus, dass die EZB bis in das erste Quartal 2023 hinein die Leitzinsen zunächst weiter erhöhen wird. Allerdings werden die weiteren Zinsschritte aufgrund der sich bereits abzeichnenden Wirtschaftsschwäche kleiner ausfallen als zuletzt. So wird die gesamtwirtschaftliche Nachfrage im Winterhalbjahr rezessionsbedingt sinken und den Inflationsdruck merklich mindern. Schwächen sich Wirtschaft und Teuerung gleichzeitig ab, kann in Frage gestellt werden, inwieweit die EZB ihren restriktiven geldpolitischen Kurs tatsächlich fortsetzen wird. Wir erwarten, dass die Notenbank ihren Leitzins bis März nächsten Jahres auf rund drei Prozent anhebt, den Zinserhöhungsprozess danach aber wegen der dann sichtbaren Rezession beendet – auch wenn sie dies vorerst nicht in Aussicht stellen und zunächst weiter an ihrer „falkenhaften“ Kommunikation festhalten wird.

Wohlhabende Anleger flohen bis dato in Betongold, also Anlegerwohnungen. Doch bei zwei Prozent Mietrendite und einem Comeback der Zinsen ist das nicht sonderlich kreativ. Welche Investmentalternativen zum Inflationsschutz bieten bzw. empfehlen Sie Anlegern, die beispielsweise 300.000 bis 500.000 Euro

zur Verfügung haben? Trotz des jüngsten Renditeanstiegs steht bei Anleihen nach Abzug der aktuell sehr hohen Teuerung weiterhin eine deutlich negative Realverzinsung zu Buche. Zur Geldwerterhaltung muss daher verstärkt in jene Anlageklassen investiert werden, die sich in der Regel gut als Inflationsschutz eignen – Aktien, Rohstoffe und Gold. Obwohl momentan eine Rezession droht, sollten diese Sachwerte in keinem Wertpapierdepot fehlen. Anleihen gehören aber speziell bei defensiven Veranlagungen weiterhin dazu. Diese können durch die nun wieder höheren Renditen die negativen Auswirkungen unerwarteter Schocks auf die Aktienmärkte besser ausgleichen als in den letzten Jahren. Je nach Risikobereitschaft und Anlagehorizont verfügen wir über ein breites Angebot an global gestreuten Produktlösungen in Form von individuell gestaltbaren Portfolioverwaltungsstrategien oder hauseigenen Investmentfonds.

Was halten Sie von Investments in Bullion-Gold und Silber, und zwar physisch

oder via Zollfreilager in der Schweiz? Die sehr restriktive Geldpolitik der US-Notenbank führte in diesem Jahr zu einem deutlichen Anstieg des US-Dollars und der langfristigen Realzinsen, was die Kursentwicklung von Gold und anderen Edelmetallen belastete. Nichtsdestotrotz bleibt Gold für uns eine sinnvolle Ergänzung zur Abrundung des Portfolios – als Versicherung gegen bereits bekannte sowie noch unbekannte Risiken am Kapitalmarkt. Denn die Historie belegt: In einem breit gestreuten Anlagemix – mit Zinspapieren und Aktien – kann eine Beimischung von Gold das Risiko auf Ebene des Gesamtportfolios insgesamt senken. Wir bieten unseren Kunden sowohl die Möglichkeit, in Goldbarren oder -münzen (mit Lagerung bei der RBI in Wien oder Ausfolgung) direkt oder in börsengehandelte Gold- und Silber-ETCs (Exchange Traded Commodities) zu investieren. Diese ermöglichen Anlegern einen einfachen und kosteneffizienten Zugang zu Edelmetallinvestments.

Welche Alternativen bieten Sie im Private-Equity-Fonds/Dachfonds-Bereich?

Bei Private-Equity-Beteiligungen handelt es sich um illiquide Investments in nicht börsengehandelte Unternehmen. Diese lieferten historisch zwar etwas höhere Renditen als Aktieninvestments, sind aber mit hohen Mindestinvestitionen und langen Lock-upFristen von zehn und mehr Jahren verbunden. Das Aufkommen unterschiedlicher Private-Equity-Plattformen hat in den letzten Jahren zwar für eine leichte Verbesserung der Liquidität und niedrigere Mindestinvestitionssummen gesorgt, eine tägliche oder zumindest wöchentliche Liquidität ist aber auch hier nicht gegeben. Diese erreicht man durch Investments in Fonds, die in börsengehandelte Private-Equity-Beteiligungsgesellschaften investieren.

Was halten Sie von Infrastrukturbetei-

ligungen? Wir investieren zur besseren Risikostreuung und aufgrund der höheren Liquidität in Infrastrukturfonds. Diese wiederum veranlagen in jederzeit handelbare, börsennotierte Infrastrukturaktien. Nach Jahrzehnten der Unterinvestition in den westlichen Staaten sollten die gigantischen Fiskalpakete den Sektor auf Jahrzehnte beflügeln. Das monopolähnliche Geschäftsmodell macht diese Unternehmen weniger konjunkturanfällig und die vorhersehbaren Zahlungsströme erhöhen die Planbarkeit von Ausschüttungen und sorgen für eine stabile, meist hohe Dividende. Durch ihre Preismacht bieten sie folglich auch einen gewissen Inflationsschutz und eignen sich gut als Depotbeimischung.