eco.nova Juni/Juli 2020

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eco.wirtschaft

KOMM ZURÜCK! Im Zuge der Coronakrise ist das Thema der Reindustrialisierung wieder aufgepoppt. Man hat festgestellt: Eine Dienstleistungsgesellschaft allein bringt uns auch nicht weit(er). Europa muss gerade in Schlüsselindustrien eine neue Unabhängigkeit vor allem von China erreichen. Neu ist der Gedanke nicht. INTERVIEW: MARINA BERNARDI & MARIAN KRÖLL

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ie Abhängigkeit Europas von Ländern wie China ist kein unbedingt neues Phänomen. Viel technologisches Know-how ist aus Europa abgewandert, weil es andernorts auf fruchtbareren Boden fiel (zugegeben manchmal auch auf einen fragwürdig reglementierten), auch Produktionsstandorte wurden in Länder mit niedrigeren Löhnen verlegt. Das ist betriebswirtschaftlich erst mal legitim, es sorgt jedoch für Abhängigkeiten. Wenn wichtige Waren, die man selbst nicht oder nicht in ausreichender Menge produzieren kann, aus welchen Gründen auch immer nicht mehr geliefert werden (können), steht man vor einem Problem. Das hat uns das tückische Covid-19 ziemlich drastisch vor Augen geführt. Einen Abgesang auf die Globalisierung anzustimmen, wäre jedoch der verkehrte Weg. Die Weltwirtschaft braucht einander, der Erfolg des einen basiert auf dem Erfolg des anderen und bedingt jenen des nächsten. So genannte Schlüsselindustrien wieder zurück nach Europa oder in noch engerem Rahmen nach Österreich zurückzuholen, macht indes Sinn. Wir haben bei Eugen Stark, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Tirol, nachgefragt, in welchen

Bereichen eine Reindustrialisierung möglich ist und warum auch Tiroler Unternehmen den Außenhandel dringend brauchen.

ECO.NOVA: Wie realistisch erscheint Ihnen aus derzeitiger Sicht eine weiterreichende Reindustrialisierung in Europa/ Österreich/Tirol? EUGEN STARK: Die weltweite Arbeitsteilung und Vernetzung der Industrie sind wesentliche Grundlagen unseres Wohlstandes und sie treiben die technologische und wirtschaftliche Entwicklung. Nur im weltweiten Zusammenspiel vieler Spezialisten entstehen hochtechnologische Produkte. Die Arbeitsteilung ist zudem auch eine Möglichkeit für Schwellen- und Entwicklungsländer, sich zu entwickeln. Globalisierung ist also per se in Ordnung. Wenn wir von der Reindustrialisierung Europas sprechen, geht es vor allem um Schlüsseltechnologien, bei denen die Abhängigkeit

von anderen Teilen der Erde unsere Wirtschaft verletzbar macht bzw. wo die Gefahr besteht, dass wir auf Zukunftsindustrien verzichten. Machbar ist eine Reindustrialisierung nur durch große Anstrengungen in Forschung und Entwicklung und durch Ausgleichsmaßnahmen gegen wettbewerbsverzerrende Subventionen und niedrigere Umwelt- und Sozialstandards.

Es wird derzeit viel von Schlüsselindustrien gesprochen. Von welchen Industrien sprechen wir in diesem Zusammenhang? In der Produktion sind es sicher Unternehmen im Gesundheitsbereich wie Pharma und Medizintechnik. Nicht zu vergessen sind sämtliche datengetriebenen Branchen, die von US-Unternehmen wie Google, Apple oder Facebook beherrscht werden und die es in Europa kaum gibt. Daten sind derzeit die wichtigsten Rohstoffe und die liefern wir

„ E N T S C H E I D E N D I S T E I N I N N O VAT I O N S FREUNDLICHES KLIMA,IN DEM SICH L E I S T U N G A U S Z A H LT.“ E U GEN S TA RK


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