eco.nova April 2020

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eco.mmentar

Bitte mehr dieser Mut-Ausbrüche An Krisenzeiten ist nicht alles schlecht. Wir können einiges daraus lernen – über die Gesellschaft als Kollektiv, über jeden einzelnen Menschen und viel über uns selbst. „Wir werden uns noch wundern, was alles geht“, bekommt in solchen Zeiten eine völlig neue Bedeutung. Eine positive. Viele Ressourcen sind bereits da, wir müssen sie nur (neu) nutzen. 18

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ie oft ist eines Ihrer Vorhaben in den letzten Jahren daran gescheitert, weil man sich in den verschiedensten Farben ausgemalt hat, woran es hapern könnte? Homeoffice-Modelle lassen sich in unserem Betrieb nicht umsetzen, weil ... Bargeldloser Zahlungsverkehr funktioniert bei uns nicht, weil ... Aber auch: Mit Sport anzufangen, geht grad nicht, weil ... Ja, weil. Warum eigentlich?! Vielleicht kommt das Sprichwort daher: Aller Anfang ist schwer. Weil man sich den Anfang schon so schlechtredet, dass er kaum in Angriff genommen wird. Dabei muss man nur anfangen, um anzufangen. Vor einigen Wochen haben wir uns in einer für uns unbekannten Situation wiedergefunden. Anstatt als Gesellschaft oder als einzelner Mensch nun aber den Kopf in den Sand zu stecken, in Panik zu verfallen und sich sicherheitshalber unter die Bettdecke zu verkriechen, damit man es zum nahenden Untergang zumindest schön warm hat, haben wir in Windeseile nach Möglichkeiten gesucht, vorhandene Ressourcen zu nutzen oder sie zu adaptieren, um mit den neuen Gegebenheiten umzugehen. Und großteils haben wir sie gefunden. Wir haben weitergemacht, weil es gar nicht anders ging. Nur eben anders. Wir hatten keine Zeit, uns großartig darüber Gedanken zu machen, welche Probleme diese kurzfristig aus dem Boden gestampften Lösungen mit sich bringen könnten. Wir haben gemacht. Das mag im Fall von Ischgl nicht die beste Variante gewesen sein, in vielen anderen Fällen ist aber eines passiert: Es hat funktioniert. Vielleicht (noch) nicht optimal, aber immerhin. Man kann kein Vorhaben bis ins kleinste Detail planen. Akkurate Pläne gehen in der Regel vor allem eines: schief,

VON MARINA BERNARDI

weil man ihnen und sich selbst jeglichen Spielraum nimmt, Veränderungen wahrzunehmen, falsche Wege zur korrigieren und gegebenenfalls eine andere Richtung zu nehmen. Wie viel Zeit und Energie haben Sie bereits darauf verwendet, eventuell auftretende Probleme in der Theorie zu lösen ... und dann stellten sie sich gar nicht. Vorbereitung ist gut und notwendig, die Abschätzung von Risiken wichtig. Natürlich macht es keinen Sinn, sich blauäugig ins nächste Abenteuer zu stürzen, um sich dann tatsächlich ein blaues Auge zu holen. Es macht aber ebenso wenig Sinn, wie das Kaninchen vor der Schlange zu stehen, weil etwas passieren könnte, das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht passiert. Corona hat uns in seiner Wucht wohl fast alle überrascht. Es hat uns jedoch auch gezeigt, was wir im Stande sind zu leisten, selbst dann, wenn wir keinen Plan haben. Keiner konnte diese Heftigkeit vorhersehen, mit der uns dieses Virus erwischen und uns teils in unseren Grundfesten erschüttern würde, und dennoch hat es sein Positives: Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche – privat wie beruflich. Wir fragen einander, wie es uns geht, und sind ehrlich an der Antwort interessiert. Ich bekomme nur mehr ein Viertel der Mails eines „normalen“ Tages und mir wird bewusst, wie viel Nullinformation im Laufe eines Arbeitstags verschickt wird. Wertigkeiten verschieben sich, und das ist etwas Gutes, weil es einem auch selbst zeigt, was eigentlich wirklich wichtig ist im Leben. Und vermutlich hat dieses Coronavirus mehr zum Wohl des Klimas beigetragen, als es Politik und Greta Thunberg gemeinsam je könnten. Die Zeit hat uns schon jetzt mutiger werden lassen, weil sie uns unsere Stärken klargemacht hat. Wir sollten auch in Zukunft einfach mehr machen. Das Virus mag unser Leben in Teilen lahmgelegt haben, hat uns damit aber gleichzeitig agiler gemacht: im Denken, im Handeln, im Spontan-Sein, im Aus-der-Reihe-Tanzen und Über-den-Tellerrand-Schauen, im Kreativ-Sein und im Vertrauen-Haben. Lassen Sie uns das bewahren.


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